Verzögerter Baubeginn: Erstattung von Deckungsbeiträgen nur bei konkretem Verlustnachweis

OLG Köln, Urteil vom 23.2.2015 — Aktenzeichen: 17 U 35/14

Leitsatz
Die Erstattung von Deckungsbeiträgen für Allgemeine Geschäftskosten (AGK), die aufgrund einer Bauzeitverschiebung nicht in der ursprünglich vorgesehenen Ausführungszeit erwirtschaftet werden konnten, setzt den Nachweis konkreter finanzieller Nachteile voraus. Dieser ist anhand einer Gesamtschau der Unternehmensentwicklung bis zum tatsächlichen Ende der verzögert begonnenen Werkleistung zu führen.

Sachverhalt
Die Parteien verbindet ein Bauleistungsvertrag mit einem Auftragsvolumen von rd. 420.000,00 €. Baubeginn sollte im Jahr 2010 sein. Tatsächlich verzögerte sich dieser jedoch um mehr als ein Jahr.

Der Auftragnehmer (AN) nahm daraufhin seinen Auftraggeber (AG) wegen Bauzeitverzögerung aus § 6 Abs. 6 VOB/B 2009 oder § 642 BGB in Anspruch. Zur Begründung trägt der AN vor, dass er im Hinblick auf die vorgesehene Ausführung davon abgesehen habe, weitere Aufträge zu generieren, wodurch die im Jahre 2010 nicht erwirtschaftete Deckungsbeiträge für AGK in Höhe von 46.000 Euro „endgültig verloren“ wären und seitens des AG erstattet werden müssten.

Der AG verteidigt sich mit dem Einwand, dem AN sei kein finanzieller Nachteil entstanden. Schließlich seien die eingeplanten Deckungsbeiträge letztlich vollständig durch die spätere Erfüllung des Auftrags erwirtschaftet worden. Im Übrigen ließe die Tatsache, dass der AN keine Stillstandskosten für gewerbliches Personal oder Nachunternehmen geltend mache, darauf schließen, dass diese anderweitig eingesetzt und dort entsprechende Deckungsbeiträge erwirtschaftet werden konnten. Überdies habe der AN letztlich — anstelle der ursprünglich für 2010 geplanten Eigenausführung — im Jahr 2011 Nachunternehmer für die beauftragten Bauleistungen eingesetzt, da eigenes Personal nicht zur Verfügung stand. Insofern seien auch während der tatsächlichen Bauphase durch anderen Aufträge entsprechende Umsätze erzielt worden.

Die Klage des AN wurde abgewiesen. Das LG sah die Voraussetzungen für einen Anspruch wegen Bauzeitverzögerung nicht ausreichend dargelegt.

Derzeit ist das Berufungsverfahren des AN vor dem OLG Köln anhängig.

Entscheidung
Das OLG beabsichtigt, die Berufung wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurückzuweisen. Auch das OLG hält den geltend gemachten Erstattungsanspruch für nicht hinreichend dargelegt. Hierzu im Einzelnen:

Der AN, der die Erstattung von Deckungsbeiträgen für AGK beansprucht, muss die ihm hierdurch entstandenen Nachteile und Verluste konkret nachweisen. Hier ist es nicht auszuschließen, dass dem AN kein Schaden entstanden ist, da er durch entsprechende Umdispositionen in der Lage war, im Jahr 2010 anderweitige Aufträge abzuarbeiten oder andere betriebliche Maßnahmen zu ergreifen. Die jeweiligen Deckungsbeiträge aus anderen Aufträgen muss sich der AN auch bei reinen „Füllaufträgen“ anrechnen lassen. Mitunter muss sich der AN auch das Vorziehen vorhandener Aufträge als finanzieller Ausgleich anrechnen lassen.

Zusammenfassend stellt das OLG Köln damit klar, dass die Deckung der AGK von der Gesamtentwicklung des Unternehmens selbst abhängt und nicht von der konkreten Auftragsentwicklung. Erst wenn dem AN der Nachweis gelingt, dass er im ursprünglich vorgesehenen Ausführungszeitraum außerstande war, die einkalkulierten Produktionsmittel anderweitig einzusetzen und nach der Bauzeitverschiebung infolge Betriebsauslastung keine zusätzlichen Aufträge annehmen konnte, wäre ein ausgleichspflichtiger Schadensersatzanspruch gegenüber dem AG denkbar. Zur Ermittlung der tatsächlichen Schadenshöhe verlangt das OLG Köln eine genaue Aufstellung darüber, welche Arbeitskräfte und -mittel etc. nicht eingesetzt werden konnten und welche sonstigen ganz bestimmten Nachteile und Verluste der AN gerade wegen der jeweiligen Bauzeitverzögerung erlitten hat.

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