Vertragsinhalt bei heimlichen Änderungen vor Unterschrift

BGH, Urteil vom 14.5.2014 — Aktenzeichen: VII ZR 334/12

Leitsatz
Will der Empfänger eines Angebots Abweichungen erreichen, muss er dies klar zum Ausdruck bringen. Ansonsten kann seine Erklärung nach Treu und Glauben ggf. so verstanden werden, dass er ohne Änderung zustimmt.

Sachverhalt
Der Auftraggeber übermittelt dem Auftragnehmer einen unterschriftsreifen Bauvertrag. Darin heißt es, dass 95% der Auftragssumme nach Schlussrechnung ausgezahlt werden und 5% für die Dauer der Gewährleistungszeit als Sicherheit dienen.

Der Auftragnehmer ändert den Vertragsinhalt hier ab. Mit identischer Schrifttype fügt er ein, dass eine Auszahlung zu 100% erfolgt und Verrechnungen mit alten Bauvorhaben nicht vorgenommen werden dürfen. So wird der Vertrag von ihm und dann auch vom Auftraggeber unterzeichnet, weil der Auftraggeber (wie zu unterstellen ist) die Änderung nicht bemerkt hat.

Der Auftraggeber will nun unstreitigen Restwerklohn in Höhe von rund 70.000,00 € mit seinen Ansprüchen aus einem alten Bauvorhaben verrechnen. Der Auftragnehmer verweist auf den abgeschlossenen Vertrag, der ein Aufrechnungsverbot vorsieht.

Entscheidung
Die ersten beiden Instanzen erlauben die Aufrechnung nicht mit Hinweis auf den abgeschlossenen schriftlichen Vertrag. Der BGH sieht das anders und hebt das Urteil auf.

Unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung erläutert der BGH, dass ein Vertragspartner, wenn er ein Angebot nur verändert annehmen will, dies klar und unzweideutig zum Ausdruck bringen müsse. Ansonsten könne seine Erklärung als unveränderte Annahme verstanden werden.

Im konkreten Fall lasse die Vorgehensweise darauf schließen, dass der Auftragnehmer die abweichenden Vertragsbestimmungen heimlich „unterschieben“ wollte. Dies ergebe sich aus dem Versuch, den Text zu ändern, ohne dies im Schriftbild erkennbar werden zu lassen, und an der lapidaren Mitteilung an den Auftraggeber, er erhalte anliegend den unterzeichneten Vertrag zurück, ohne auf die Änderung auch nur andeutungsweise hinzuweisen.

Damit habe der Auftragnehmer bewusst den Eindruck vermittelt, das Vertragsangebot unverändert unterschrieben zu haben.

Das zuletzt eingefügte Aufrechnungsverbot gelte daher nicht.

Kommentar
Die unteren Instanzen hatten nach der Maxime entschieden „Verträge sind zum Lesen da“, der BGH zieht im Gegenzug die bekannte „Schweinehund-Theorie“ heran. So könnte man das Urteil volkstümlich kommentieren.

Rechtlich sind die Überlegungen : Wer ein Vertragsangebot nicht unverändert, sondern mit Änderungen annimmt, lehnt das Angebot in Wahrheit ab und unterbreitet ein eigenes Gegenangebot. So steht es in § 150 Abs. 2 BGB. Erst wenn ein einfaches „ja“ als Antwort kommt, ist der Vertrag abgeschlossen.

Insoweit ist ein abgeänderter Vertragstext erst einmal etwas anderes als der angebotene Vertrag. Man muss nur die beiden Versionen nebeneinander legen, dann sieht man das auch. also handelt es sich, so könnte man meinen, um eine Ablehnung verbunden mit einem Gegenangebot.

Dies ist aber nicht entscheidend. Entscheidend ist, wie der Empfänger einer Erklärung diese verstehen kann und darf. Hier gilt im Allgemeinen, dass der Empfänger ohne besonderen Anlass nicht noch einmal beginnt, ein möglicherweise umfangreiches Vertragswerk von vorne bis hinten und Wort für Wort durchzulesen. Bei ihm kommt die Erklärung als schlichtes Einverständnis an. Und dann gilt das auch so.

Wo nun die genaue Grenze ist, bleibt eine Frage des Einzelfalls. Wenn an einem maschinenschriftlichen Text beispielsweise handschriftliche Streichungen und Änderungen vorgenommen werden, dann würde meiner Meinung nach der Fall anders aussehen, jedenfalls dann, wenn der Vertrag nur ein paar Seiten umfasst. Denn eine rasche Durchsicht, ob solche augenfälligen Streichungen oder Änderungen vorgenommen worden sind, kann man schon erwarten.

Mit der Entscheidung des Einzelfalls, wie er sich aus der Darstellung jedenfalls ergibt, darf man indes einverstanden sein. Wir will schon gerne trickreich Änderungen untergeschoben bekommen?

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