Verkehrssicherungspflicht V: Erkennbare Sonnenschirmständer sind keine Gefahrenquelle

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Michael PeusMichael Peus

OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2021 – 11 U 169/21

 

Leitsatz (amtlich)

In der Fußgängerzone aufgrund ihrer Größe und farblichen Absetzung zum Pflaster deutlich zu erkennende Sonnenschirmständer stellen keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dar, wenn sie von vorbeigehenden Fußgängern durch einen beiläufigen Blick erkannt und problemlos umgangen werden können.

 

Sachverhalt

Der Kläger verlangt infolge eines Sturzes von der Beklagten u.a. Schmerzensgeld i.H.v. 5.000€. Die Beklagte betreibt ein Café in der Fußgängerzone in der Stadt C. Die Gehwegflächen durfte die Beklagte aufgrund einer Sondergenehmigung der Stadt C. als Außengastronomie nutzen. Dort stellte die Beklagte Sonnenschirme, Tische und Stühle auf. Infolge einer Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes baute die Beklagte die Schirme, Tische und Stühle vorrübergehend ab. Die Sonnenschirmständer, die mit jeweils vier Gehwegplatten beschwert waren, ließ sie stehen. Die Ständer sind 86x86cm groß und haben einen Ständerrand von 6cm Höhe und einen mittigen Ständerholm mit 42cm Höhe.

Der Kläger behauptet infolge dessen, dass sie einem Kinderwagen habe ausweichen wollen, über einen der Schirmständer gestolpert, anschließend gefallen sei und sich dabei eine nicht-dislozierte Radiusfraktur mit Einstrahlung in den radiokarpalen Gelenkspalt zugezogen zu haben. Die Beklagte habe durch die Schirmständer eine nicht erkennbare Stolperfalle geschaffen und dadurch, dass sie diese nicht beseitigt habe, gegen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen.

Das Landgericht wies die Klage ab. Sein Begehren verfolgt der Kläger mit der Berufung weiter.

 

Entscheidung

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld gem. §§ 823 Abs. 1, 31, 831 BGB. Die Schirmständer stellen keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dar. Jeder Verkehrssicherungspflichtige, der eine Gefahrenlage schafft, hat grds. alle ihm notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um möglichst eine Schädigung anderer zu verhindern. Jedoch muss nicht für alle denkbaren, auch entfernt liegenden Möglichkeiten eines Schadenseintritts vorgesorgt werden. Geschützt werden muss der Dritte nur, wenn er sich in der konkreten Situation mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht vor der Gefahr schützen kann, weil diese nicht oder nicht rechtzeitig erkannt werden und sich deshalb nicht darauf eingerichtet werden kann.

Wenn der Verkehrssicherungspflichtige die Gefahrenquelle selbst schafft, ist ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Gerade in Fußgängerzonen, die von vielen Leuten benutzt werden und in denen die Schaufenster der Geschäfte die Aufmerksamkeit der Leute erregen, sind bei der Vermeidung von Stolperfallen erhöhte Anforderungen zu stellen.

Vorliegend stellen die Schirmständer jedoch keine abhilfebedürftige Gefahrenquelle dar. Die Sonnenschirmständer waren für Fußgänger ohne weiteres erkennbar. Die hellen Gehwegplatten, die zur Beschwerung der Ständer dienen, bilden einen deutlichen Kontrast zum dunklen Pflastersteinboden und eine größere Fläche und sind dadurch gut zu erkennen. Der dunkle Ständerholm war aufgrund der hellen Platten ebenfalls gut erkennbar. Hierfür spricht auch der Vergleich mit dem sich am Rand befindlichen Pflanzbeet. Dieses Pflanzbeet ist mit Steinen eingefasst, die ungefähr gleich hoch wie die Gehwegplatten sind. Die Platten sind allerdings nochmal viel heller als die Steine des Beetes. Daher stellen die Schirmständer keine Stolperfalle dar. Der Schirmständer warnte vielmehr „vor sich selbst“.

Trotz des strengeren Maßstabs, der hier anzulegen ist, ist der Fußgänger jedoch nicht von seiner Pflicht befreit, durch regelmäßige beiläufige Blicke auf den Untergrund, deren Beschaffenheit, entgegenkommende Fußgänger und mögliche Hindernisse zu achten. Unter Beachtung dieser Sorgfalt, hätte der Kläger den Schirmständer genauso früh wie den Kinderwegen erkennen und sich hierauf einrichten können. Zumindest kurz vor dem Ausweichen hätte sich der Kläger durch einen kurzen Blick vergewissern müssen, dass der Weg frei ist. In diesem Falle hätte der Kläger den Schirmständer auch erkannt und sich hierauf einrichten können.

Dies bestätigte der Kläger letztlich auch selbst, indem er in seiner persönlichen Anhörung angab, dass der Schirmständer nicht von Gegenständen oder Personen verdeckt und er auch nicht abgelenkt gewesen sei. Er habe nur nicht darauf geachtet.

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