Vergleich zwischen Bauherrn und Bauunternehmer – Haftet der Architekt trotzdem?

OLG Brandenburg, Urteil v. 24.10.2019 – 12 U 47/19

Leitsatz
1. Der Architekt muss Bauarbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen. Er ist nicht verpflichtet, sich ständig auf der Baustelle aufzuhalten. Eine erhöhte Aufmerksamkeit und eine intensive Wahrnehmung der Bauaufsicht ist dann erforderlich, wenn wichtige oder kritische Baumaßnahmen mit erfahrungsgemäß hohem Mängelrisiko anstehen. Einfache Tätigkeiten sind zumindest stichprobenhaft zu überwachen.
2. Ein zwischen Auftraggeber und Bauunternehmer zur Erledigung von Ansprüchen wegen Baumängeln geschlossener Vergleich hindert den Auftraggeber nicht, den Architekten aufgrund eines Bauüberwachungsfehlers auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.

Sachverhalt
Der Bauherr nimmt den Architekten auf Schadensersatz wegen Verletzung von Überwachungspflichten in Anspruch. Der Bauherr vergleicht sich mit dem seinerzeit mitverklagten Bauunternehmer. Im Rahmen des Vergleichs regelten Bauunternehmer und Bauherr, dass der Kläger (= Bauherr) weiterhin berechtigt sein soll, gegenüber dem Beklagten zu 2) (Architekt) Schadensersatz geltend zu machen. Zudem verpflichtete sich der Kläger, den Beklagten zu 1) (= Bauunternehmer) freizustellen von etwaigen Forderungen des Beklagten zu 2) im Rahmen eines denkbaren gesamtschuldnerischen Ausgleichsanspruches. Der Architekt bestreitet seine Verpflichtung zur Bauüberwachung, im Übrigen meint er, seine Inanspruchnahme verstoße im Hinblick auf den geschlossenen Vergleich mit dem Bauunternehmer gegen Treu und Glauben.

Entscheidung

Die Berufung des Architekten bleibt erfolglos. Zunächst begründet das OLG detailliert die Verletzung der Überwachungspflichten des Architekten. Der Architekt hatte im Streitfall selbst von Stichproben abgesehen.
Der zwischen Bauherrn (Kläger) und Bauunternehmer (ursprünglicher Beklagter zu 1) geschlossene Vergleich schränke die Haftung des Architekten nicht nach Treu und Glauben ein. Zwar könne es treuwidrig sein, wenn ein Anspruchsteller (hier Kläger) eine Forderung geltend macht, die aus Rechtsgründen sofort wieder zurückgewähren müsste (hier: dem Beklagten zu 1). Aus der Freistellungsverpflichtung der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1) könne folgen, dass die Inanspruchnahme des Architekten (Beklagter zu 2) erstens zu einer Forderung des Architekten gegen den ausführenden Bauunternehmer führe, zweitens unmittelbar die Klägerin zum Ausgleich verpflichtet wäre. Folgerichtig müsste der Bauherr (Klägerin) das von der Beklagten zu 2) Erlangte sofort wieder herausgeben. Die Freistellungsverpflichtung der Klägerin aus dem geschlossenen Vergleich mit dem ausführenden Unternehmen sieht das OLG nicht als einen Vertrag zugunsten der Beklagten zu 2), der einen Direktanspruch auch der Beklagten zu 2) begründen könnte. Hintergrund ist, dass die Klägerin sich ausdrücklich die Geltendmachung eines Ersatzanspruches gegen die Beklagte zu 2) vorbehalten hat. Auch sei zu bedenken, dass eine solche Konstellation dann nicht mehr vorliege, wenn der Bauunternehmer gar nicht mehr existiere, weil die Firma wegen Liquidation oder Insolvenz aufgelöst worden sei, § 60 GmbHG.

Praxishinweis
Der Vergleich zwischen einem Gläubiger und einem Gesamtschuldner hat grundsätzlich keine Gesamtwirkung. Stets allerdings ist auf den Einzelfall abzustellen. Teilweise wird in der Rechtsprechung für den Fall einer alleinigen Haftung des Unternehmers im Gesamtschuldinnenverhältnis angenommen, dass doch eine Gesamtwirkung gewollt sei (z.B. OLG Karlsruhe, IBR 2010, 563).

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