Vergabeverzögerung–Besteht Anspruch auf Mehrvergütung?

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 6.9.2012 — Aktenzeichen: VII ZR 193/10

Der für das Baurecht zuständige Senat des Bundesgerichtshofs hatte über Mehrvergütungsansprüche zu befinden, die ein Auftragnehmer geltend gemacht hatte, dem in einem öffentlichen Vergabeverfahren der Zuschlag erst nach mehrmaliger Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist erteilt worden war.

Die Klägerin, ein Bauunternehmen, verlangte von der beklagten Bundesrepublik Deutschland eine Mehrvergütung aus einem Bauvertrag. Den Anspruch begründete sie damit, dass sie wegen der durch eine Verzögerung des Vergabeverfahrens bedingten Verschiebung der in der Ausschreibung vorgesehenen Bauzeit Mehrkosten gehabt hätte.

Der Bundesgerichtshof gab der Bundesrepublik Recht und wies darauf hin, dass der Zuschlag der Bundesrepublik nicht zur Annahme des der Ausschreibung entsprechenden Angebots der Klägerin geführt hätte, so dass die ausgeschriebene und auch angebotene Bauzeit nicht Vertragsbestandteil geworden wäre. Denn der Zuschlag wäre nur auf einen Teil der angebotenen Leistung mit einem entsprechend reduzierten Preis erteilt worden und wäre deshalb gemäß § 150 Abs. 2 BGB als neues Angebot der Beklagten zu werten, das der Auftragnehmer hätte ablehnen oder annehmen können . Der Auftragnehmer hätte es hier dadurch angenommen, dass er die von der Beklagten erbetene Annahmebestätigung umgehend zurückgesandt hätte. Gegenstand des neuen Angebots wäre auch eine von der Beklagten eindeutig und klar als bindend vorgesehene neue Bauzeitregelung gewesen.

Der Bundesgerichtshof sah Unterschiede zu bisher entschiedenen Fällen, in denen Zweifel darüber bestanden hätten, ob die in dem Zuschlag erwähnten Bauzeiten zu einer Änderung der Ausschreibung hätten führen sollen. In diesen Fällen wäre davon auszugehen, dass eine Bauzeitänderung nicht Gegenstand des Zuschlags wäre, so dass Raum für eine Preisanpassung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geblieben wäre, wenn in einer anderen als der ausgeschriebenen Bauzeit hätte gearbeitet werden sollen. Würde eine Bauzeitänderung jedoch zweifelsfrei Gegenstand eines modifizierten Zuschlags und würde dieses Angebot vom Auftragnehmer angenommen, so müsste dieser die Leistung in der neuen Bauzeit zu den vereinbarten Preisen erbringen. Der Vertrag wäre nicht dahin zu verstehen, dass der Auftragnehmer das Recht hätte, wegen der Bauzeitveränderung etwa entstandene Mehrkosten in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen.

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