Umfang der Überwachungspflichten des Architekten

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 6.11.2012 — Aktenzeichen: 23 U 156/11

Leitsatz
Auch bei einfachen handwerklichen Tätigkeiten darf sich der bauüberwachende Architekt nicht darauf beschränken, durch Einsicht in Unterlagen zu überprüfen, ob die Ausführung mit der Planung übereinstimmt. Erforderlich sind zumindest stichprobenhafte Überprüfungen an Ort und Stelle.

Sachverhalt
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatz geltend aus einem Architektenvertrag. Die Klägerin wirft der Beklagten einen Verstoß gegen ihre Überwachungspflichten vor. Entgegen der Planung wurde vom ausführenden Unternehmen im Rahmen des Bodenaustausches unterhalb eines Baukörpers nicht raumbeständiges Material eingebracht, so dass es zu Verwerfungen und Verschiebungen und im Ergebnis zu einem Schaden kam. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, es habe für die Beklagten kein Anlass zur weiteren Bauüberwachung bestanden, da schließlich Lieferscheine vorgelegen hätten, die ausgewiesen hätten, dass das bestellte (= geplante) Material geliefert worden sei. Nicht verantwortlich sei die Beklagte dafür, dass nicht das angeliefert worden sei, was auf den Lieferscheinen gestanden habe. Das Urteil des Landgerichts hat keinen Bestand, das OLG Düsseldorf hat das Urteil aufgehoben und die Klageforderung als dem Grunde nach als gerechtfertigt angesehen.

Entscheidung
Das OLG Düsseldorf führt aus, dass Gegenstand der Bauüberwachung die Prüfung ist, ob die tatsächliche Bauausführung durch die jeweiligen ausführenden Unternehmen an Ort und Stelle mit den Vorgaben der Planung übereinstimmt. Auch bei nur einfachen und gängigen Tätigkeiten im Sinne handwerklicher Selbstverständlichkeiten müssten zumindest Stichproben erfolgen. Dies gelte auch für die Auswahl des tatsächlich eingesetzten Materials bzw. dessen Übereinstimmung mit den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses. Keinesfalls reiche es, sich darauf zu beschränken, die Planungsunterlagen abzugleichen mit den von den Handwerkern vorgelegten Unterlagen (z. B. Lieferscheine/Rechnungen).

Anmerkung
Das Urteil des OLG Düsseldorf ist noch nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, ob das Urteil der Überprüfung durch den BGH standhält. Die Leistungspflichten im Rahmen der „Objektüberwachung“ durch den Architekten werden verschärft. Ausweislich des Urteils des OLG Düsseldorf handelte es sich im Streitfall ausdrücklich um eine handwerkliche Selbstverständlichkeit, die zudem für die Funktionalität der Gesamtwerkleistung nicht wichtig gewesen sei. Verbleibt es bei dem Urteil, so stünde fest, dass im Ergebnis jede noch so belanglose und handwerklich einfachste Ausführungsarbeit der konkreten — zumindest stichprobenhaften — Überprüfung durch den überwachenden Architekt bedürfte.

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