Verkehrssicherungspflichten in Kirchengebäuden

Michael PeusMichael Peus

Urteil des LG Freiburg im Breisgau, nicht veröffentlicht, SCHLÜNDER: 589-2019
rechtskräftig nach Berufungsrücknahme nach einem Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch das OLG Karlsruhe

Leitsatz (nicht amtlich):
1. Bei Ungereimtheiten im Sachvortrag kommt die Bildung einer sicheren Überzeugung des Gerichts zugunsten einer Partei nicht in Betracht, wenn sich die Gegenseite nur mit Nichtwissen erklären kann.
2. Die Verkehrssicherungspflichten dürfen nicht überspannt werden. Entscheidend ist immer, womit der Verkehr auch rechnen muss.
3. In Kirchengebäuden gelten naturgemäß Besonderheiten.

Sachverhalt
Die Klägerin behauptete, in einem Kirchengebäude gestürzt zu sein, nachdem sie bei gelegentlichem Aufsuchen des Gebäudes zwecks einer Spende einige Stufen übersehen habe.

Entscheidungsgründe
Das LG Freiburg und das OLG Karlsruhe im Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO konnten sich zwar schon keine sichere Überzeugung verschaffen, dass der Unfallablauf sich so zugetragen habe, wie die Klägerin behauptete.

Weiter führten die Gerichte aber aus, dass in Kirchengebäuden die Besonderheiten zu berücksichtigen seien. Die Verkehrssicherungspflicht sei nicht mit den Pflichten in einem öffentlichen Kaufhaus zu vergleichen. Vielmehr seien die Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich aus der Natur des Gebäudes ergeben.
In bestimmten Bereichen sei mit Stufen zu rechnen. Von dem Verkehrsteilnehmer müsse daher erwartet werden, dass er sich hierauf einstellt und dieses baubedingte Hindernis schadlos überwindet.

Diese Stufen müssten auch nicht leuchtend oder farbig markiert werden; Hinweisschilder seien ebenfalls nicht erforderlich. Denn würde man diese Maßnahmen fordern, wären sie konsequent durchzuführen, also sowohl am Anfang als auch am Ende der Stufen und ggfls. in mehrere Richtungen ausgerichtet. Dies sei mit der Würde des zentralen Ortes der Religionsausübung nicht mehr vereinbar.

In einem Kirchengebäude könne auch keine Beleuchtung erwartet werden, die in Kaufhäusern oder anderen öffentlichen Bereichen gefordert wird. Denn das Gebäude dient der grundgesetzlich geschützten Religionsausübung, weshalb zur Gewährung einer Besinnlichkeit gedämpftes Licht ausreichend ist.

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