Keine Leistung aus Betriebs­schließungs­versicherung bei Covid-19 – LG Oldenburg

Michael PeusMichael Peus

LG Oldenburg, Urteil vom 14.10.2020 – 13 O 2068/20

amtlicher Leitsatz

Kein Anspruch eines Gastronomen aus einer Betriebsschließungsversicherung während der Corona-Pandemie, wenn lediglich für die in den AVB genannten Krankheiten und Krankheitserreger Deckungsschutz gewährt wird und das Corona-Virus (Sars-Cov2) bzw. die COVID-19-Erkrankung in dieser Liste nicht enthalten ist.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit der Klage Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung.

Der Kläger ist Gastronom, unterhält seit dem 01.01.2017 eine Versicherung, die Versicherungsschutz im Fall der Betriebsschließung infolge einer Seuchengefahr umfasst. Auch Warenschaden ist für den Fall bedingungsgemäßer Schließungen versichert.

Dem Versicherungsvertrag liegen u.a. die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Betriebsschließungsversicherung (im Folgenden: AVB) , in denen unter Ziff. 1.2 geregelt ist:

„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: (…).‟

Daran schließt sich eine Auflistung von namentlich genannten Krankheiten (lit. a) sowie Krankheitserregern (lit. b) an.

Am 21.03.2020 erging eine Allgemeinverfügung des Landkreises … (Nr. 16/20), nach der Restaurants, Speisegaststätten u.dgl. für den Publikumsverkehr zu schließen waren. Der Außerhausverkauf und gastronomische Lieferdienste waren davon ausgenommen. Aufgrund dieser Anordnung musste der Kläger sein Restaurant in der Zeit vom 22.03.2020 bis mindestens zum 18.04.2020 schließen. Vor der Schließung hatte der Betrieb jeweils dienstags einen Ruhetag.

Entscheidungsgründe

Weil versicherte Krankheiten und Erreger in den Bedingungen aufgezählt waren und die COVID-19-Erkrankung oder das Corona-Virus (Sars-Cov2) dort nicht genannt sind, sei eine darauf beruhende Betriebsschließung nicht versichert.

  1. Der durchschnittlicher Versicherungsnehmer, auf dessen Auslegung es maßgeblich ankommt, werde bei verständiger Würdigung schon angesichts der Verwendung des Wortes „folgende‟ in Ziffer 1.2 AVB nur davon ausgehen, dass allein die in den Bedingungen im Einzelnen namentlich aufgezählten Krankheiten und Erreger vom Versicherungsschutz erfasst sein sollen. Für eine abschließende Auflistung spricht zudem, dass in Ziff. 1.2 AVB keine Öffnungsklausel etwa in Form der Verwendung des Wortes „insbesondere‟, „u.a.‟ oder „beispielsweise‟ enthalten ist. Gerade aufgrund der konkreten Formulierung kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass das Wort „namentlich‟ in Ziff. 1.2 AVB als Synonym für das Wort „insbesondere‟ verwendet wurde. Denn sie steht an einer Stelle, an der auf die §§ des IfSchG verwiesen wird, und bezieht sich eindeutig nicht auf den Teil des Satzes, der die „folgende‟ Auflistung betrifft.
  2. Auch der Umstand, dass die §§ 6 und 7 IfSG in Ziff. 1.2 AVB ohne weitere Eingrenzung etwa durch die Nennung von Absätzen und Nummern in Bezug genommen werden, spricht nicht dafür, dass sämtliche unter die §§ 6 und 7 IfSG fallenden Krankheiten und Erreger als Grundlage der Betriebsschließung in Betracht kommen sollten. Denn durch die Verwendung des Wortes „namentlich‟ im unmittelbaren Anschluss an die §§ 6 und 7 IfSG wird deutlich, dass gerade nur die namentlich in §§ 6 und 7 IfSG genannten Krankheiten und Erreger gemeint waren. Durch das Wort „folgende‟ erfolgt eine weitere Eingrenzung dergestalt, dass nur die folgenden, d.h. die in den Bedingungen genannten Krankheiten und Erreger zu bedingungsgemäßen Krankheiten zählen.
  3. Die Klausel ist auch nicht intransparent gemäß § 307 Abs.1 S.2 BGB, weil sie einerseits auf die folgenden Krankheiten und Erreger verweist, andererseits aber auf das Infektionsschutzgesetz Bezug nimmt. Der Regelungsgehalt dahin, dass folgende aufgezählte Krankheiten und Erreger versichert sind, ist für den verständigen Versicherungsnehmer eindeutig zu erkennen. Der Versicherungsschutz wird durch die Begrenzung auf die namentlich aufgeführten Krankheiten und Erreger auch nicht ausgehöhlt.
  4. Ein verständiger Versicherungsnehmer wird auch nicht davon ausgehen, dass spätere Änderungen der §§ 6 oder 7 IfSG auf den Vertrag Anwendung finden. Auch gegen eine solch weite Auslegung spricht der klare Wortlaut der Ziff. 1.2 AVB („folgende (…) namentlich genannte Krankheiten (…)‟) sowie die sich daran anschließende ausführliche Auflistung einer Vielzahl von Krankheiten und Erregern.

Weiteres

Ein Anspruch würde nach Ansicht des Landgerichts nicht daran scheitern, dass die Schließung nicht auf einer einzelfall- und betriebsbezogenen Schließungsverfügung beruht. Da Ziff. 1.1 AVB ohne nähere Ausgestaltung verlangt, dass die (zuständige) Behörde (…) den Betrieb schließt, und da die Versicherungsbedingungen keine verwaltungsrechtlichen Rechtsbegriffe verwenden, ist nach den Bedingungen allein entscheidend, dass die Schließung für den Kläger verpflichtend angeordnet worden ist. Ob die Anordnung der Schließung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften rechtmäßig war und ob sie einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung standhalten würde, sei nicht entscheidend.

 

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