Hinterbliebenengeld XVI – Vergleichbarkeit mit Härteleistung?

Michael PeusMichael Peus

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OLG Köln, Urteil vom 05.05.2022 – 18 U 168/21

Leitsätze (amtlich)

  1. Bei der Bemessung der Anspruchshöhe kann der im Regierungsentwurf (BT- Drucks. 18/11397 S. 11) bei der Gesetzesfolgenbewertung genannte Betrag von 10.000 Euro als Ausgangspunkt für die den Gerichten überantwortete Einzelfallprüfung herangezogen werden.
  2. Eine Übertragung der in der „Richtlinie zur Zahlung von Härteleistungen für Opfer terroristischer und extremistischer Taten aus dem Bundeshaushalt (Kapitel 0718 Titel 681 02 und 681 01)“ des Bundesministeriums der Justiz für Härtefälle vorgesehenen Pauschalbeträge kommt nicht in Betracht.

 

Sachverhalt

Die Klägerin (geboren 2001) verlangt wegen eines Verkehrsunfalls im September 2020, bei dem der Vater der Klägerin zu Tode kam, Hinterbliebenengeld von der Beklagten zu 1), die den Unfall verursacht hat, und der Beklagten zu 2), bei welcher der unfallverursachende Pkw versichert war. Die umfassende Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.

Das vorinstanzliche Landgericht erachtet einen Betrag in Höhe von insgesamt 12.000 € für angemessen.

Die Klägerin legt gegen dieses Urteil Berufung ein und verlangt eine höhere Summe. Unter anderem beruft sie sich ergänzend auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Zahlung von Härteleistungen für Opfer terroristischer und extremistischer Taten aus dem Bundeshaushalt. Diese sehen bei Verlust eines Elternteils einen Pauschalbetrag i.H.v. 30.000 € vor.

 

Entscheidung

Das OLG Köln erklärt die Berufung schon für unzulässig. Aber auch inhaltlich sei ein Angriff gegen das erstinstanzliche Urteil erfolglos.

Grundsätzlich hat der Ersatzpflichtige dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonders engen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 StVG.

Ziel und Zweck des Hinterbliebenengeldes besteht darin, die durch den Verlust eines besonders nahestehenden Menschen verursachte Trauer des Hinterbliebenen und das ihm zugefügte seelische Leid zu lindern. Dabei betont der Gesetzgeber, dass eine Bewertung des verlorenen Lebens bzw. des in Geld nicht messbaren Verlustes des Hinterbliebenen nicht in die Bemessung mit einfließe, da die Entschädigung keinen Ausgleich für den Verlust des Lebens darstellen soll und kann.

Bei sog. Schockschäden, die über das gewöhnliche Maß an Trauer und seelischem Leid hinausgehen, liegen die durchschnittlichen Beträge bei etwa 10.000 Euro. Im Regelfall fällt das Hinterbliebenengeld niedriger aus, als die Entschädigungen beim Schockschaden.

Eine enge soziale Vater-Tochter Beziehung, welche die moderate Erhöhung des Hinterbliebenengeldes rechtfertigt, sei hier gegeben. Die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Vater bleibt bei der Bemessung des Hinterbliebenengeldes hingegen unberücksichtigt.

Das Hinterbliebenengeld ist nach Ansicht des OLG Köln – richtigerweise – nicht mit einem Fall von Opfern terroristischer und extremistischer Taten zu vergleichen, welchen bei Verlust eines Elternteils die Möglichkeit der Zahlung von Härteleistungen in Höhe von pauschal 30.000 € zusteht. Bei diesen Entschädigungen handelt es sich nämlich um eine freiwillige und besondere Solidaritätsleistung des Staates und entspricht daher schon nicht dem Regelungszweck des Hinterbliebenengeldes.

12.000 € Hinterbliebenengeld waren damit angemessen und ausreichend.

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