Verjährung

OLG Frankfurt , Urteil vom 3.11.2017 — Aktenzeichen: 8 U 239/16

Zu den inhaltlichen Anforderungen an die die Verjährungshemmung beendende positive Entscheidung des Versicherers:

Leitsatz
Auch eine anspruchsbejahende positive Erklärung des Versicherers kann eine endgültige Entscheidung i.S.d. § 115 Abs. 2, S. 3 VVG sein. Ein Anerkenntnis, das gem. § 212 BGB zu einem Neubeginn der Verjährung des Gesamtanspruchs zu führen vermag, ist einer die Verjährungshemmung des § 115 VVG beendenden Entscheidung nicht ohne weiteres gleichzusetzen. Dem Geschädigten muss neben dem Anerkenntnis umfassend und endgültig Klarheit über die Einstandsbereitschaft des Versicherers hinsichtlich aller in Betracht kommenden Schadenspositionen geben sein.

Sachverhalt
Der verklagte Kfz-Haftpflichtversicherer erklärte gegenüber dem Geschädigten schriftlich:

„Ganz abgesehen davon, dass für uns der weitere Verlauf bisher nicht zu ersehen ist, da Sie uns bis heute keine entsprechende Schweigepflichtentbindungserklärung mit konkreter Benennung des erstbehandelnden Krankenhauses und der behandelnden Ärzte, trotz Aufforderung mit Schreiben vom 21.09.07 u. 02.10.07, übersandt haben, kommt bei einer selbst schweren Sprunggelenksverletzung mit Arthrose u. Dauerfolgen nach der Rspr. nicht die Zahlung einer Schmerzensgeldrente in Betracht.

Eine Schmerzensgeldrente kommt nur in Betracht, wenn ein wichtiges Glied oder Sinnesorgan verloren wurde und die Beeinträchtigung der Lebensführung sich ständig äußerst schmerzlich fortsetzt. Es muss sich um ganz massive Dauerschäden handeln, wie dies z.B. im Falle von Querschnittslähmungen o. sehr schweren Schädelhirntraumen der Fall ist […].

Dies alles ist hier definitiv und glücklicherweise für Ihren Mandaten nicht der Fall. Um hier diese Angelegenheit doch noch einer vernünftigen außergerichtlichen, vergleichsweisen Regelung zuzuführen, ohne Ihren Mandaten durch Klageerhebung bereits jetzt u. erst recht im Hinblick auf die Ihrerseits geäußerte, in keiner Weise haltbare Auffassung zur Schmerzensgeldrente, sinnlose Prozesskosten aufzubürden, schlagen wir vor, dass Sie nun zunächst die entsprechenden behandelnden Ärzte benennen, incl. Erstbehandlung u. die diesbezüglichen Enbindungserklärungen übersenden. Wir werden sodann umgehend die entsprechenden ärztlichen Gutachten in Auftrag geben u. Ihnen nach Zugang Durchschriften übersenden.

In Hinblick auf die Haftungsfrage steht fest, dass Ihr Mandant zum Unfallzeitpunkt keinen Führerschein hatte. Hier müssen wir um Darlegung bitten, ob er grds. nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis war, oder ob ihm diese entzogen wurde, wenn ja aus welchen Gründen. In letzterem Fall müssen wir um Vorlage des dazugehörigen Führungszeugnisses mit dem entsprechenden Auszug aus dem Bundeszentralregister bitten.

Zur Höhe haben wir die bisher geltend gemachten materiellen Positionen auch bereits mit insgesamt 415,78 € abgerechnet. bald uns die obigen Nachweise Ihrerseits übersandt werden, werden [wir] diese demgemäß, aufgrund der sich sodann ergebenden Haftungsquote, anrechnen bzw. bei nicht gegebener Eignungseinschränkung voll erstatten.

Im Hinblick auf das Schmerzensgeld hat Ihr Mandant zum Unfallzeitpunkt eine Motorradhose u. insbesondere keine Motorradstiefel getragen. Im Hinblick auf die getragenen Stiefel müssen wir zunächst um Übersendung eines Lichtbildes bitten, da hier zu prüfen ist, ob diese dieselbe Schutzfunktion erfüllen [wie] Motorradstiefel, letztlich trat hier gerade eine Sprunggelenksverletzung ein. Wir verweisen hierzu auf die Rspr. […], wonach bei nicht entsprechender Schutzkleidung ein angemessener Abschlag beim Schmerzensgeld zu berücksichtigen ist.

Gegenwärtig wollen wir Ihnen zunächst einen weiteren durch uns frei verrechenbaren Vorschuss für Ihren Mandaten von 3.500,00 € übersenden, damit bestehen insgesamt dieser Sache durch uns frei verrechenbare Vorschüsse von 5.000,00 €.

Nach Vorlage der weiteren Unterlagen, sowie dem Zugang der sodann noch einzuholenden ärztlichen Gutachten werden wir umgehend abschließend auf die Haftungsfrage zurückkommen, sowie die materiellen Positionen abrechnen und Ihnen auch einen, den Verletzungen angemessenen Vorschlag für das Schmerzensgeld machen, unter Berücksichtigung eines immateriellen Vorbehaltes, soweit dies gewünscht wird.“

Entscheidung
Nach § 115 Abs. 2, S. 3 VVG ist die Verjährung bis zum Eingang der schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt, wenn der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet wurde.

Dabei kann nicht nur eine ablehnende, sondern auch eine anspruchsbejahende positive Erklärung des Versicherers eine Entscheidung im obigen Sinne darstellen.

Jedoch können nur solche positiven Bescheide als ausreichende Entscheidung gewertet werden, die eine klare und umfassende Erklärung des Versicherers aufweisen. Dabei hängt die Wertung, ob eine Erklärung des Versicherers den insoweit maßgeblichen Anforderungen genügt, wesentlich von der Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab. Indes kann die Verjährungshemmung nur dann ihr Ende finden, wenn dem Anspruchsteller durch die Erklärung zweifelsfreie Klarheit über die Haltung des Haftpflichtversicherers des Schädigers gegenüber seinen Forderungen als Grundlage für die sachgerechte Durchsetzung seiner Ansprüche verschafft wird. Im Hinblick auf den Schutzzweck beendet eine positive Entscheidung des Versicherers die Verjährungshemmung daher nur dann, wenn der Geschädigte aufgrund dieser Entscheidung sicher sein kann, dass auch künftige Forderungen aus dem Schadensfall freiwillig bezahlt werden, sofern der Anspruchsteller die entsprechenden Schadensposten der Höhe nach ausreichend belegt.

Zwar kann in der vorbehaltlosen Ersatzleistung auf einzelne Schadenspositionen ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegen. Ein derartiges Anerkenntnis, das zu einem Neubeginn der Verjährung des Gesamtanspruchs zu führen vermag, ist aber einer die Verjährungshemmung des § 115 VVG beendenden Entscheidung nicht ohne weiteres gleichzusetzen. Die zum Wegfall der Verjährungshemmung führende anspruchsbejahende Erklärung des Versicherers muss nicht nur ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB umfassen, sondern dem Geschädigten auch umfassend und endgültig Klarheit über die Einstandsbereitschaft des Versicherers hinsichtlich aller in Betracht kommenden Schadenspositionen geben.

Das Schreiben der Beklagten ließ nach Ansicht des OLG nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen, ob die Beklagte auch alle künftigen angesichts der Verletzungen des Klägers noch zu gewärtigenden Schadensposten, die bisher nicht Gegenstand der Abrechnung waren, zu ersetzen bereit sein wird. Es reiche nicht aus, wenn der Kläger aufgrund des Schreibens wohl davon ausgehen konnte, dass eine zumindest anteilige Haftung der Versicherungsnehmerin der Beklagten nicht mehr bestritten werde. Die Beklagte werde dadurch auch nicht unbillig belastet, denn sie hatte es in Kenntnis der Unfallfolgen des Klägers und der darauf beruhenden wahrscheinlichen weiteren Schadenspositionen selbst in der Hand, die Verjährung durch eine formwahrende und eindeutige Erklärung wieder in Lauf zu setzen.

Auch Verwirkung läge nicht vor, da eine bloße Untätigkeit des Klägers während eines längeren Zeitraumes keineswegs zu der Annahme rechtfertige, der schriftliche Bescheid sei überflüssig und sinnlos, mit ihm könne der Kläger billigerweise nicht mehr rechnen.

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