Planungsfehler und Bedenkenhinweis – Wie ist die Haftung zu verteilen?

Oberlandesgericht München, Urteil vom 9.6.2011 — Aktenzeichen: 9 U 502/11

Leitsatz
1. Bei falscher Planungsvorgabe durch den Auftraggeber und unterlassenem Hinweis des Auftragnehmers nach § 4 Nr. 3 VOB/B sind die Nachbesserungskosten grundsätzlich zu teilen.

2. Sind beide Parteien in gleichem Maße fachkundig, spricht dies dafür, den Verschuldensanteil jeweils mit 50 % zu bemessen.

Sachverhalt
Die Parteien schlossen einen VOB-Bauvertrag. Die Beklagte verpflichtete sich darin, ein Dach neu einzudecken; es sollte unter Berücksichtigung eines späteren Dachausbaus ein sog. Kaltdach ausgeführt werden. Nach dem Inhalt der vom klagenden Auftraggeber – dieser ist Architekt — ausgeschriebenen Angebotspositionen schuldete die Beklagte für Schalung und Lattung imprägnierte Hölzer; nach der Planung des Klägers sollte die vorhandene, nicht imprägnierte Tragkonstruktion, die Sparren, belassen werden. Noch vor Abnahme bescheinigte das Materialprüfungsamt, dass die von der Beklagten eingebauten Hölzer nicht hinreichend imprägniert waren. Daraufhin setzte der Kläger eine Mängelbeseitigungsfrist. Diese verstrich. Der Kläger verlangte mit seiner Klage sodann Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 29.000 €. Die Beklagte wandte ein überwiegendes Mitverschulden ein; die Planung wäre deshalb fehlerhaft gewesen, weil hier nicht imprägnierte Sparren verwendet werden sollten.

Entscheidung
Das OLG gab dem Kläger zur Hälfte recht. Die Leistung der Beklagten sei zunächst — so das OLG — mangelhaft gewesen, weil die für die Dachkonstruktion erforderliche Imprägnierung gefehlt habe. Von dieser Haftung habe sich die Beklagte nicht nach § 4 Nr. 3 VOB/B, also durch einen rechtzeitigen und inhaltlich eindeutigen Bedenkenhinweis befreit. Ein solcher Hinweis sei aber zu fordern gewesen; denn als Fachfirma hätte die Beklagte den fehlenden chemischen Holzschutz erkennen müssen; die naturfarbenen Sparren hätten — so das Gericht — auf eine fehlende Imprägnierung hingedeutet.

Allerdings seien — so das OLG — die Nachbesserungskosten zu teilen. Denn die planerische Vorgabe des Klägers (= Architekt), das Dach unter Verwendung der für einen nachträglichen Dachausbau ungeeigneten Bestandssparren zu erstellen, habe den anerkannten Regeln der Technik widersprochen. Da beide Parteien (Fachunternehmen einerseits, Architekt andererseits) fachkundig seien, seien beide Parteien auch hälftig haftungsrechtlich/verantwortlich.

Fazit
Die Haftung eines Werkunternehmers für einen Mangel, weil der Werkunternehmer eine falsche Planungsvorgabe nicht kritisiert, sondern umsetzt, also keine Bedenkenhinweise gibt, steht nicht etwa hinter einem Planungsfehler zurück. Wie man die Haftungsanteile bemisst, ist dann immer eine Frage des Einzelfalls; hier ist das OLG München zu einer Schadensteilung gelangt; das OLG Saarbrücken hat demgegenüber in der Entscheidung vom 10.05.2011, 4 U 319/10 den Anteil des Architekten aufgrund dessen Planungsfehlers mit 2/3 bewertet.

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