Aussetzung nach § 108 SGB VII & Verschuldensumfang bei § 110 SGB VII

OLG Hamm, Urteil vom 07.09.2021, Az.: 7 U 28/20

Das OLG Hamm stellt zweierlei heraus:

1. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 108 Abs. 2 SGB VII zur Feststellung eines Versicherungsfalls bei fehlender unanfechtbarer Entscheidung des Versicherungsträgers und / oder bei fehlender Beteiligung des Unfallgegners ist nicht erforderlich, wenn eine Benachteiligung des Unfallgegners ausscheidet. Dies ist der Fall, wenn der Versicherungsträger das Vorliegen eines Versicherungsfalls angenommen und die Leistungen gegenüber der versicherten Person bereits erbracht hat, weil damit dem Unfallgegner die Haftungsprivilegierung zu Gute kommt und er nicht über den zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch hinaus in Anspruch genommen werden kann.

2. Auch wenn sich das Verschulden bzw. der Vorsatz nach dem Wortlaut des § 110 Abs. 1 S. 1 & 3 SGB VII nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen bezieht, gilt diese Einschränkung nach ihrem Sinn und Zweck nur für den haftungsausfüllenden Tatbestand, während für den haftungsbegründenden Tatbestand weiter § 276 BGB gilt und sich das Verschulden auch auf den Erfolg, mithin den Eintritt jeder als Primärverletzung geltend gemachten Körper- oder Gesundheitsverletzung, beziehen muss.

Dem ist zuzustimmen: Aus dem Wortlaut des § 110 Abs.1 S.3 SGB VII wird teilweise gefolgert, zur Begründung der Haftung nach § 110 Abs.1 SGB VII bräuchte das Ver-schulden lediglich handlungsbezogen, nicht aber erfolgsbezogen sein (so etwa das BAG mit Urteil vom 15.07.2008, 8 AZR 103/02). Dies hätte jedoch zur Konsequenz, dass derjenige, welcher vorsätzlich bezüglich der Verletzungshandlung, nicht jedoch bezüglich des Verletzungserfolges handelt, zwar nicht vom Geschädigten, wohl aber vom SVT in Anspruch genommen werden könnte. Denn der Geschädigte müsste im Rahmen einer Verschuldenshaftung gem. § 276 BGB dem Schädiger Handlung- und Erfolgsunrecht beweisen. Im Gegensatz dazu würde für den Ersatzanspruch des SVT jedes an sich neutrale Verhalten des Schädigers losgelöst von dessen haftungsrechtlichen Bezug ausreichen. Deshalb ist vielmehr davon auszugehen, dass sich die Einschränkung des § 110 Abs.1 S.3 SGB VII nur auf den haftungsausfüllenden Tatbestand und somit allein auf die Schadensfolgen bezieht, während der Vorsatz bzw. das Verschulden das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges in Form jeder als Primärverletzung geltend gemachten Körper- oder Gesundheitsverletzung umfassen muss (BGH, 15.7.2008, Az.: VI ZR 212/07; OLG Hamm, 7.9.2021, Az.: 7 U 28/20).

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