Regelmäßig erzielte Rabatte auch bei fiktiver Abrechnung zu berücksichtigen

LG Karlsruhe, Urteil vom 28.6.2017 — Aktenzeichen: 19 S 33/16

Erhält ein im Rahmen eines Verkehrsunfalls Geschädigter regelmäßig Rabatte bei einer Reparatur, so sind diese auch im Rahmen der fiktiven Abrechnung zu berücksichtigen.

Leitsatz
Auch bei der fiktiven Abrechnung eines Schadens muss sich der Geschädigte regelmäßig erzielte Rabatte schadenmindernd anrechnen lassen.

Sachverhalt
Die Klägerin, ein Leasingunternehmen, unterhält bundesweit eine Fahrzeugflotte von mehreren tausend Fahrzeugen und bietet seinen Leasingnehmern (regelmäßig Großkunden mit Dienstwagen) neben der Bereitstellung der Fahrzeuge unter anderem ein Schadenmanagement an, durch welches, so die Eigenwerbung der Klägerin, nicht nur beim Einkauf der Fahrzeuge Rabatte erzielt werden können, sondern auch die Schadenkosten reduziert werden können.

Nachdem der VN des beklagten KH-Versicherers im Rahmen eines Verkehrsunfalls den klägerischen PKW beschädigt hatte, rechnete die Klägerin unter Vorlage eines Gutachtens den Schaden fiktiv ab.

Die Beklagte zahlte hierauf lediglich einen Teilbetrag, da sie davon ausgeht, dass die Klägerin im Rahmen der Reparatur einen „Flottenrabatt“ erziele und daher 35 % der Nettoreparaturkosten nicht zu erstatten seien. Denn die Klägerin habe Rahmenverträge mit Werkstätten geschlossen und erhalte quasi automatisch und somit ohne weitere Veranlassung den vereinbarten Rabatt mit Abgabe des Fahrzeuges in der Partnerwerkstatt. Da Rabatte von 50 % auf die Gesamtreparatur marktüblich seien und ein Rabatt von 35 % jederzeit erzielbar sei, sei die Klägerin dafür beweisbelastet, dass sie einen solchen Rabatt nicht erhalte. Jedenfalls bestehe eine sekundäre Darlegungslast. Hilfsweise bezieht sich die Beklagte auf die Eigenwerbung der Klägerin und auf die Vorlage von Reparaturrechnungen sowie die Einvernahme des Geschäftsführers der Klägerin bzw. die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hatte die Klage in erster Instanz Erfolg. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte überwiegend Erfolg.

Entscheidung
Nachdem die Kammer zunächst nochmals hervorhebt, dass der Geschädigte grundsätzlich bei Fahrzeugen, die jünger als drei Jahre sind, wie vorliegend gegeben, im Rahmen der fiktiven Abrechnung die Reparaturkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt ersetzt verlangen kann, stellt sie jedoch zutreffend auf den höchstrichterlich bestätigten subjektiven Schadenbegriff ab und weist daraufhin, dass bei der nach § 249 II BGB vorzunehmenden Schadenberechnung nicht auf einen objektiven Durchschnittsaufwand abzustellen ist, sondern vielmehr die persönlichen Verhältnisse des Geschädigten zu berücksichtigen sind und lediglich der Betrag ersetzt verlangt werden kann, den der Geschädigten unter Berücksichtigung dieser Grundsätze aufwenden muss, um den vor dem Unfallereignis bestehenden Zustand wieder herzustellen. Hierbei setzt sich die Kammer umfassend mit der Rechtsprechung zum subjektbezogenen Schadenbegriff auseinander und stellt fest, dass es insbesondere gegen das Bereicherungsverbot verstoßen würde, wenn Rabatte, die der Geschädigte ohne Verhandlungsaufwand im Einzelfall erhält, nicht berücksichtigt würden. Die Wahrnehmung dieser automatisch gewährten Rabatte übersteigen nicht die Grenze der Zumutbarkeit.

Da die Berücksichtigung dem Grunde nach somit geklärt gewesen ist, musste noch die Höhe des Abzuges ermittelt werden. Nachdem die Klägerin bestritten hatte, dass sie solche Rabatte erhalte, hat der Sachverständige in erster Instanz ermitteln können, dass das Unfallfahrzeug etwa ein Jahr vor dem gegenständlichen Ereignis bereits an einem Unfall beteiligt gewesen ist und in derselben markengebundenen Fachwerkstatt, deren Reparaturkosten bei der Ermittlung der Kosten berücksichtigt worden sind, instandgesetzt worden ist. In dieser Rechnung wurden Rabatte auf Einzelpositionen in Höhe von 7 % bis 25 % gewährt. Weiterhin konnte der Sachverständige ermitteln, dass die betreffende Werkstatt einen Großkundenrabatt von 15 % gewährt.

Diesen Feststellungen ist die Klägerin nicht ausreichend entgegengetreten. Zwar hat sie weiterhin bestritten, dass solche Rabatte gewährt werden bzw. diese jedenfalls bei der Ermittlung des Schadens im Rahmen des vorgelegten Gutachtens berücksichtigt worden seien, jedoch stellte die Kammer ebenfalls zutreffen fest, dass der Geschädigte für die Darlegung des tatsächlichen Schadens verantwortlich ist.

Stellt sich die Frage, wie die Kammer es begründet, dass ein Rabatt in Höhe von 35 % zu berücksichtigen ist, obwohl der Sachverständige einen Rabatt in Höhe von 7 % bis 25 % ermittelt hatte. Hierbei dürfte ein gewisser Pönalisierungsgedanke maßgeblich sein. Die Kammer hatte mehrfach den Hinweis erteilt, dass es wichtig sei, den Geschäftsführer der Klägerin zu der Frage der Rabatte anzuhören. Trotz mehrmaliger Ladung ist der Geschäftsführer jedoch nicht erschienen. Hierdurch habe die Klägerin, so die Kammer weiter, die Aufklärung des Sachverhaltes vereitelt, obwohl diese Frage unter Berücksichtigung des Geschäftsmodells der Klägerin wohl nicht von untergeordneter Bedeutung sein dürfte. Da somit durch das Sachverständigengutachten der Vortrag der Klägerin widerlegt worden ist, die Klägerin im Vorfeld gegen die Einholung des Gutachtens protestiert hatte und der Geschäftsführer nicht bereits gewesen ist, den Sachverhalt durch Befragung weiter aufzuklären, geht die Kammer unter zusammenfassender Würdigung der Verhandlungen davon aus, dass der Klägerin ein Rabatt in Höhe von 35 % gewährt werden würde.

Ob dies im Ergebnis vertretbar ist, erscheint fraglich. Wie bereits ausgeführt, dürfte es sich um den Ausdruck einer persönlichen Befindlichkeit handeln, dass die Kammer den behaupteten Rabatt in Höhe von 35 % als zutreffend angenommen hat. Im Weiteren ist der Entscheidung jedoch vollumfänglich zuzustimmen. Daher ist für die tägliche Schadenregulierung nur zu empfehlen, bei Großkunden auf solche Rabatte zu achten und diese im Rahmen der fiktiven Abrechnung eventuell nicht zu erstatten.

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