Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?

Dr. Michael Kunzmann LL.M.Dr. Michael Kunzmann LL.M.

Kann es zur Haftung eines Bauunternehmers kommen, wenn er auf eine Erklärung eines persönlich anwesenden Bauherren nicht reagiert?

 

In seinem Urteil vom 25.07.2019 (Az.: 14 U 34/19) hatte sich der Senat des OLG Oldenburg mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Bauunternehmer Mehrkosten übernehmen muss, wenn er einer diesbezüglichen Forderung eines Auftraggebers nicht unverzüglich widerspricht. Dies jedenfalls dann, wenn der Bauunternehmer einen Mangel verursacht hat, der Auftraggeber im Rahmen einer Baustellenbesprechung erklärt hat, auf die Erstattung der dadurch entstehenden Mehrkosten zu bestehen und der Bauunternehmer der Forderung des Auftraggebers in der Baubesprechung nicht unverzüglich widersprochen hat. Das Ergebnis vorweg: Der Senat hat die Redewendung „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ nicht bestätigt.

 

Zum Fall:

 

Die Beklagte beauftrage die Klägerin mit Trockenbauarbeiten am Neubau eines Sportbades. Nach Erhalt der Schlussrechnung der Klägerin kürzte die Beklagte diese um Mehraufwendungen in Höhe von etwa 10.000,00 €, die sie an eine Drittfirma gezahlt hatte. Mit der Klage hat die Klägerin die Zahlung des gekürzten Schlussrechnungsbetrags begehrt.

 

Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit der Errichtung einer Trockenbaudecke mit einem Raster von 625 x 625 mm. Die Klägerin erstellte jedoch eine Decke mit einem Raster von 600 x 600 mm. Daraufhin kam es zu einer Baubesprechung, deren Gegenstand das weitere Vorgehen in Anbetracht des abweichenden Deckenrasters war. Im Rahmen der Baubesprechung ist über Mehrkosten durch die Beauftragung der Drittfirma gesprochen worden. Ein Vertreter der Beklagten hatte in der Besprechung deutlich gemacht, dass er eine Übernahme der Kosten durch die Klägerin verlange. Ein ebenfalls anwesender Vertreter der Klägerin gab dazu keinerlei Erklärung ab.

 

Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Osnabrück (Az.: 5 O 2287/16) hat der Beklagten einen Schadenersatzanspruch zugesprochen, mit dem sie gegenüber dem streitgegenständlichen Werklohn der Klägerin aufgerechnet hatte.

 

Zur Entscheidung:

 

Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil hat keinen Erfolg. Anders als das Landgericht ist der Senat des OLG jedoch nicht von einem Schadenersatzanspruch der Beklagten, sondern von einem vertraglichen Anspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin auf Ersatz von Mehrkosten ausgegangen.

 

Zur Begründung hat der Senat festgestellt, durch das Schweigen des Bauleiters der Klägerin, der gleichzeitig Vertreter der Klägerin war, sei eine vertragliche Vereinbarung mit dem Inhalt zustande gekommen, dass die Beklagte den Einbau der vertragswidrigen Deckenkonstruktion mit dem Raster 600 x 600 mm akzeptiert und die Klägerin die dadurch bei der Drittfirma entstehenden Mehrkosten übernimmt.

 

Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass einem tatsächlichen Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein und ohne Rechtsbindungswillen ausnahmsweise die Wirkung einer Willenserklärung beigemessen werden kann. Die Zurechnung dieses Verhaltens als Willenserklärung erfolge zum Schutz des redlichen Geschäftsverkehrs und setze einen Zurechnungsgrund voraus. Ein solcher liege nur dann vor, wenn ein sich in missverständlicher Weise Verhaltender bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass die in seinem Verhalten liegende Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat. Diese Voraussetzungen lägen im vorliegenden Fall vor.

 

Praxishinweis:

 

Bei der vorliegenden Entscheidung handelt es sich um eine Ausnahme. Üblicherweise vermag Schweigen auf die Erklärung eines anderen keine eigene (Willens-)Erklärung zu begründen. Ein Vertrag kommt regelmäßig nur durch Angebot und Annahme zustande. Solche sind ausdrücklich zu erklären. Nur ausnahmsweise kann im Schweigen eine Annahmeerklärung liegen.

 

Eine solche Ausnahme liegt mit der Entscheidung des OLG Oldenburg nur dann vor, wenn das Gegenüber das Schweigen auch als Willenserklärung auffassen darf. Dies wird bei einer Ablehnung der Erklärung des Gegenüber regelmäßig nicht der Fall sein.

 

Der vorliegende Fall zeigt, dass es durchaus gefährlich sein kann, auf die Erklärung eines Gegenüber, ein Bauunternehmer habe aufgrund eines Mangels sämtliche Mehrkosten zu übernehmen, nicht zu reagieren.

 

Schweigen ist Silber, Reden ist Gold!

 

Dr. Michael Kunzmann, LL.M

Fachanwalt für Versicherungsrecht

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