Rechtsprechungsänderung zur Berechnung der Mängelbeseitigungskosten

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.7.2010 — Aktenzeichen: VII ZR 176/09

Leitsatz
Ein vor der Mängelbeseitigung geltend gemachter Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen der Mängel an einem Bauwerk umfasst nicht die auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten entfallende Umsatzsteuer.

Sachverhalt
Der Unternehmer begehrte vom Besteller Restwerklohn für die Errichtung eines Wohnhauses. Dieser Forderung hielt der Besteller einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen zahlreicher Mängel entgegen. Die Mängelbeseitigungskosten wurden auf 9.405 € netto geschätzt, die Arbeiten aber bis zuletzt nicht ausgeführt.

Streitpunkt war nun, ob im Wege des Schadensersatzes auch die Umsatzsteuer verlangt werden kann.

Entscheidung
Der BGH sagt nein.
Der Schadensersatzanspruch des Bestellers wegen der Mängel an dem Bauwerk richte sich zwar nach den besonderen Vorschriften des Werkvertragsrechts (§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB). In diesem Sinne sei auch § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nicht anwendbar. Diese Vorschrift, nach der im Wege des Schadensersatzes Umsatzsteuer nur dann geltend gemacht werden könne, wenn sie tatsächlich angefallen sei, finde auf den werkvertraglichen Schadensersatzanspruch keine Anwendung. Denn bei dem Schadensersatzanspruch wegen Mängeln eines Werkes schulde der Unternehmer den Schadensersatz nicht wegen der Vorschrift des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB in Geld, sondern ausschließlich deshalb, weil der Anspruch an die Stelle des Erfüllungsanspruches trete.

Trotz dieser Argumente halte es der Senat aber für eine Überkompensation des Schadens des Bestellers, wenn die nicht angefallene Umsatzsteuer berücksichtigt werde.

Die Bemessung eines bereits durch den Mangel des Werkes und nicht erst durch dessen Beseitigung entstandenen Schadens könne nicht ohne eine Wertung vorgenommen werden. Diese müsse zum einen die berechtigte Erwartung des Bestellers berücksichtigen, den Schaden — nach seiner Wahl — an den Kosten bemessen zu können, die eine Mängelbeseitigung erfordern. Gerade die Erfahrungen im Bauvertragsrecht zeigten jedoch, dass die Schadensberechnung nach geschätzten Mängelbeseitigungskosten häufig insoweit zu einer Überkompensation führe, als dem Geschädigten rechnerische Schadensposten ersetzt würden, die nach dem von ihm selbst gewählten Weg zur Schadensbeseitigung gar nicht anfielen.

Der Senat halte es deshalb für gerechtfertigt, den Umfang des Schadensersatzes stärker als bisher auch daran auszurichten, welche Dispositionen der Geschädigte tatsächlich zur Schadensbeseitigung treffe. Dies gelte jedenfalls für den Anteil, der wie die Umsatzsteuer einen durchlaufenden Posten darstelle, der keinem der an einer Mängelbeseitigung Beteiligten zugute komme und der in seiner Entstehung von steuerrechtlichen Vorgaben abhänge. Es sei gerechtfertigt, gerade bei der Umsatzsteuer eine derartige Einschränkung zu machen, weil dieser Anteil eindeutig und leicht feststellbar und abgrenzbar sei und den größten preisbildenden Faktor unter den durchlaufenden Posten der Mängelbeseitigungskosten darstelle.

Praxishinweis: In Zukunft wird dem Kostenvorschussanspruch wohl eine größere Bedeutung zukommen. Denn wenn der Besteller die Mängel zwar noch nicht beseitigen lässt, wegen der zu erwartenden Kosten aber einen Kostenvorschussanspruch — und nicht Schadensersatz statt der Leistung — geltend macht, kann er nach wie vor die Umsatzsteuer geltend machen.

Wenn der Besteller die Mängel zunächst nicht beseitigen lassen will, ist zudem die Erhebung einer Feststellungsklage zur Vermeidung der Verjährung denkbar und sinnvoll, soweit sich der Besteller die Möglichkeit einer späteren Mängelbeseitigung auf Kosten des Unternehmers erhalten will.

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