Rechtsprechung des BGH zu Prospektfehlern in Emissionsprospekten

BGH, Urteil vom 9.5.2017 — Aktenzeichen: II ZR 344/15

Leitsatz
Ein Beteiligungsprospekt muss weder einen Hinweis auf einen teilweisen Ausfall der Mittelverwendungskontrolle in Vorgängerfonds der Serie enthalten noch darauf, dass das im Prospekt beschriebene Fremdfinanzierungskonzept mangels Vorliegens der Voraussetzungen des erweiterten Verlustausgleichs von vornherein steuerlich nicht anerkannt werde. Der Hinweis im Prospekt auf ein bestehendes Totalverlustrisiko wird durch den Zusatz „im Extremfall“ nicht entwertet. (Red. Leitsatz)

Sachverhalt
Der Kläger hat sich im Dezember 2004 als Direktkommanditist an einer Publikumsgesellschaft beteiligt. Die Beklagte war Treuhandkommanditistin mit einer eigenen Einlage i. H. v. 1.000,00 €. Im September 2004 wurde sie als Kommanditistin in das Handelsregister eingetragen. Zugleich war die Beklagte von März 2004 bis August 2011 Mittelverwendungskontrolleurin.

Im Jahr 2014 wurde der Kläger vom Finanzamt zu einer Steuernachforderung veranlagt, da das Finanzamt die Verluste i.H. des von der Fondsgesellschaft aufgenommenen Fremdkapitals aberkannt hat.

Der Kläger hat von der Beklagten Schadensersatz wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten, insbesondere unter Verweis auf bestehende Prospektfehler verlangt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte unter Abweisung wegen eines Teilanspruchs im Wesentlichen zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg und hat zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geführt.

Entscheidung
Der BGH hat ausgeführt, dass die Beklagte grundsätzlich gegenüber Kapitalanlegern hafte, die wie der Kläger nach ihr dem Fonds beigetreten seien und dabei über die Risiken der Anlage nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden seien. Der Beklagten oblägen als Altgesellschafter grundsätzlich Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber den später beitretenden Gesellschaftern, da der Aufnahmevertrag bei einer Personengesellschaft zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen werde. Bei einer Publikumsgesellschaft sei eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss zwar insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richten würde, die nach der Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch als Anleger beigetreten sind. Unter dieser Ausnahme falle die Beklagte allerdings nicht, da die Beklagte nicht ausschließlich Anlageinteressen verfolge, sondern als Treuhänderin in das Organisationsgefüge der Fondsgesellschaft eingebunden gewesen sei und hierfür eine jährliche Vergütung erhalten habe.

Der BGH hat jedoch hinsichtlich der vom Berufungsgericht gesehenen Prospektfehler solche verneint.

1. Zum einen müsse ein Beteiligungsprospekt keinen Hinweis auf den teilweisen Ausfall der Mittelverwendungskontrolle in einem Vorgängerfonds der Serie enthalten. Das allgemeine (abstrakte) Risiko, das die Verwirklichung des Anlagekonzeptes bei Pflichtwidrigkeiten der Personen, in deren Händen die Geschicke der Anlagegesellschaft liegen, gefährdet sei, könne als dem Anleger bekannt vorausgesetzt werden und bedürfe grundsätzlich keiner besonderen Aufklärung. Pflichtverletzungen seien regelmäßig kein spezifisches Risiko der Kapitalanlage. Anders könne es liegen, wenn bestimmte Pflichtverletzungen aus strukturellen Gründen sehr naheliegend seien. Allerdings sei auch dann nur ein Hinweis auf ein Risiko des streitgegenständlichen Fonds erforderlich, nicht aber auf ein pflichtwidriges Verhalten der Komplementärin in einem Vorgängerfonds. Im Übrigen seien solche strukturellen Gründe in dem vom BGH zu entscheidenden Fall nicht ersichtlich. Allein die Möglichkeit der Umgehung der Mittelverwendungskontrolle begründe keine Aufklärungspflicht. Auch wirke sich die Umgehung der Mittelverwendungskontrolle im Vorgängerfonds nicht auf die Struktur des Nachfolgefonds aus. Auch daraus, dass wieder diejenigen Personen handeln, die bereits einmal Gelder ohne Mittelverwendungskontrolle investiert haben, ergebe sich ohne zusätzliche Anhaltspunkte keine strukturelle Wiederholungsgefahr.

2. Eine Aufklärungspflicht lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer im Prospekt beworbenen Vertrauenswürdigkeit der hinter dem Fondskonzept stehenden Geschäftsführung bejahen. Der zweckentsprechenden Verwendung von Geldern für die Produktion eines Films lediglich unter einmaliger Außerachtlassung der gesellschaftsinternen Verwendungskontrolle bei einem Vorgängerfonds komme eine solche vertrauenserschütternde Eignung nicht zu.

3. Der BGH hat weiter festgestellt, dass die Prospektangaben im Hinblick auf die Gefahr der Nichtanerkennung des steuerlichen Konzeptes den Anforderungen an eine hinreichende Aufklärung der Anleger genügen. Im Regelfall genüge insoweit der allgemeine Hinweis, dass die Beurteilung der Finanzverwaltung von der steuerrechtlichen Beurteilung im Prospekt abweichen könne und sich hieraus für den Anleger das Risiko ergeben könne, dass die prospektierten steuerlichen Folgen nicht eintreten. Eine weitergehende Hinweispflicht bestehe nur im Einzelfall, beispielsweise, wenn nach den konkreten Umständen eine klarstellende Abgrenzung zu ähnlichen, in ihrer steuerlichen Behandlung geklärten Konzeptionen geboten sei. Es bestehe jedenfalls keine allgemeine Pflicht, darauf hinzuweisen, dass die Konzeption eines Fonds in steuerlicher Hinsicht „neu“ sei und von der Finanzverwaltung bislang nicht abschließend überprüft bzw. in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt sei.

4. Ferner hat der BGH entschieden, dass es ausreichend ist, wenn im Prospekt auf das bestehende Totalverlustrisiko hingewiesen wird. Dieser Hinweis werde durch den Zusatz „im Extremfall“ nicht entwertet. Soweit in einem Prospekt nach der Dar-stellung verschiedener Risikoursachen ausgeführt werde, dass bei Eintritt kumulierter Risiken ein Totalverlustrisiko nicht gänzlich auszuschließen sei, werde der dadurch vermittelte Gesamteindruck der Möglichkeit eines Totalverlustes nicht auf eine nicht fassbare geringe Wahrscheinlichkeit zurückgeführt. Es werde lediglich der nach der allgemeinen Lebenserfahrung zutreffende Umstand zum Ausdruck gebracht, dass die Insolvenz einer Fondsgesellschaft und der damit einhergehende mögliche Totalverlust des Anlagekapitals in der Regel mehr als eine Ursache haben.

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