Rechtsanwalt ist kein Ermittler

OLG Hamm, Urteil vom 11.8.2015 — Aktenzeichen: 28 U 136/14

Sachverhalt
Der Kläger schloss mehrere Kaufverträge über Grundstücke ab. In einem von der beklagten Anwaltssozietät geführten Prozess sollte die Nichtigkeit eines Kaufvertrages erreicht werden, um eine Auflassung und Übertragung zu verhindern. Argumentativ stützte die Beklagte sich dabei allein auf eine (behauptete) Schwarzgeldabrede. Ihr war jedoch auch bekannt, dass lediglich ein Kaufpreis von etwa 1,00 €/m² vereinbart gewesen ist.

Der Kläger war der Auffassung, die Beklagte hätte auch vortragen müssen, dass der Grundstückskaufvertrag unwirksam gewesen sei, weil der vereinbarte Kaufpreis weit unterhalb des damaligen Verkehrswertes gelegen hätte; die Kaufverträge seien deshalb wegen Sittenwidrigkeit nichtig gewesen.

Das Landgericht hat die auf Schadensersatz gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagten sei keine Pflichtverletzung anzulasten, weil der Kläger die Beklagte unstreitig nicht darauf aufmerksam gemacht habe, dass der Kaufpreis nur 25 % des Verkehrswertes ausgemacht habe; zur eigenen Nachforschung sei der Rechtsanwalt nicht verpflichtet gewesen.

Entscheidung
Das OLG Hamm wies die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurück, allerdings nicht wegen einer fehlenden Pflichtverletzung.

Im vorliegenden Fall wusste die Beklagte nämlich aus einem der Vorprozesse, dass der tatsächlich vereinbarte Kaufpreis und der übliche Kaufpreis von etwa 6,00 DM/m² weit auseinanderfielen. Auf Grundlage dieser Wertangaben hätte die Beklagte in den Blick nehmen müssen, dass nach der im Sommer 2009 einschlägigen Rechtsprechung von einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bereits ausgegangen wurde, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch war wie der der Gegenleistung. Die Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, zumindest beim Kläger nachzufragen, ob eine entsprechende Argumentation auch in den Prozess eingebracht werden soll.

Gleichzeitig stellte das OLG Hamm aber in seinem Urteil noch einmal ausdrücklich fest, dass der Rechtsanwalt grundsätzlich nicht gehalten ist, von sich aus Nachforschungen in jede Richtung anzustellen, um einen für den Mandanten günstigen Sachverhalt erst zu ermitteln. Etwas anderes gilt erst dann, wenn konkrete Anknüpfungstatsachen bekannt sind, die weitere Nachfragen erfordern.

Die Berufung wurde dennoch zurückgewiesen, da der Kläger nicht nachweisen konnte, dass er aufgrund der Pflichtverletzung einen Schaden erlitten hat. Vortrag zur Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages wäre nach Auffassung des OLG Hamm aufgrund der entgegenstehenden Rechtskraft einer vorangegangenen Entscheidung, an der die Beklagte nicht beteiligt war, nicht mehr zu berücksichtigen gewesen.

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