Räum- und Streupflicht

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OLG Hamm, Urteil vom 18.11.2016 — Aktenzeichen: 11 U 17/16

Den Gebietskörperschaften obliegt als Folge der allgemeinen, in Nordrhein-Westfalen hoheitlich ausgestalteten Pflicht zur Erhaltung der Verkehrssicherheit auf den öffentlichen Straßen die Pflicht, innerhalb geschlossener Ortschaften bei Vorhandensein von Schnee- und Eisglätte Räum- und Streumaßnahmen durchzuführen. Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht richten sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Danach sind Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs.

Gefahren, die infolge winterlicher Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerichteter Wegebenutzung und trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen, hat der Sicherungspflichtige durch Schneeräumen und Abstreuen mit abstumpfenden Mitteln zu beseitigen.

Allerdings gilt die den Kommunen obliegende Räum- und Streupflicht nicht uneingeschränkt, sondern steht sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht unter dem Vorhalt des Zumutbaren, sodass es namentlich auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt. Zudem hat sich jeder Verkehrsteilnehmer gerade im Winter den ihm erkennbar gegebenen Straßenverhältnissen anzupassen.

Im Bereich geschlossener Ortschaften ist anerkannt, dass eine Streu- und Räumpflicht eine allgemeine Glättebildung voraussetzt und nicht nur das Vorhandensein vereinzelter Glättestellen. Zunächst sind die Fahrbahnen der Straßen an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen bei Glätte zu bestreuen. Zu den wichtigen Verkehrsflächen in dem genannten Sinne zählen vor allem die verkehrsreichen Durchgangsstraßen sowie die vielbefahrenen innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen. Erst danach sind die weniger bedeutenden Straßen- und Wegestrecken zu sichern. Bei öffentlichen Straßen außerhalb der geschlossenen Ortslage sind die für den Kraftfahrzeugverkehr besonders gefährlichen Stellen zu bestreuen. Auf wenig befahrenen Straßen besteht grundsätzlich keine Räum- und Streupflicht, sofern nicht besonders gefährliche Stellen bekannt sind, auf die sich der Straßennutzer nicht einstellen kann.

Eine besonders gefährliche Stelle liegt vor, wenn der Straßenbenutzer bei der für Fahrten auf winterlichen Straßen zu fordernden schärferen Beobachtung des Straßenzustandes und damit zu fordernder erhöhter Sorgfalt den die Gefahr bedingenden Zustand der Straße nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deshalb die Gefahr nicht meistern kann. Demgegenüber liegt eine besonders gefährliche Stelle dann nicht vor, wenn ein umsichtiger Kraftfahrer unter Berücksichtigung der bei winterlichen Temperaturen gebotenen Vorsicht mit dem Auftreten von Glätte an der konkreten Stelle rechnen musste und die Gefahr der Stelle auch erkennbar war.

Dabei ist davon auszugehen, dass die Verkehrsteilnehmer wissen, dass sich aufgrund wechselnder Witterungseinwirkungen — wie insbesondere unterschiedlicher Sonnenbestrahlung, Bodentemperatur oder Bodenfeuchtigkeit — an einzelnen Straßenabschnitten Glätte bilden oder halten kann, auch wenn andere Straßenabschnitte noch oder schon wieder frei von Glätte sind. In einem Gebiet mit — wie vorliegend -neben der Straße befindlichen Waldbeständen muss ein umsichtiger Kraftfahrer daher auch mit überraschendem Auftreten von Glätte rechnen.

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