Praktikant oder Mindestlohnempfänger?

BAG, Urteil vom 30.1.2019 — Aktenzeichen: 5 AZR 556/17

Leitsatz
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich zu den zeitlichen Grenzen von Praktika geäußert, die drohen gegen das Mindestlohngesetz zu verstoßen. Das BAG hat entschieden, dass Praktikanten keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben, wenn sie das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums ableisten und es eine Dauer von drei Monaten nicht übersteigt, wobei das Praktikum aus persönlichen Gründen unterbrochen und um die Dauer der Unterbrechungszeit verlängert werden kann, wenn die einzelnen Abschnitte sachlich und zeitlich zusammenhängen.

Sachverhalt
Die Klägerin war Praktikantin bei der Beklagten. Für die Dauer von drei Monaten sollte die Klägerin den Betrieb kennenlernen, um sich für eine Berufsausbildung zu orientieren. Eine Vergütung sollte nicht gezahlt werden.

Am 06.10.2015 begann die Klägerin. In der Zeit vom 03.11. bis 06.11.2015 war sie arbeitsunfähig abwesend.

Über die Weihnachtsfeiertage trat die Klägerin „Urlaub an“, wobei die Klägerin mit der Beklagten absprach, dass die Klägerin erst am 12.01.2016 in das Praktikum zurückkehren würde.

Erst am 25.01.2016 endete das Praktikum und die Klägerin forderte unter Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) Vergütung in Höhe von über 5.400,00 € nach dem Berufsbildungsgesetz.

In erster Instanz war die Klägerin noch erfolgreich, in zweiter Instanz blieb sie erfolglos.

Entscheidung
Das BAG hat entschieden, dass der Klägerin kein Anspruch auf Vergütung zusteht.

Mindestlohn steht allen Arbeitnehmern und auch Praktikanten im Sinne von § 26 BBiG zu. § 22 Abs. 1 Nr. 2 MiLoG sieht eine Ausnahme hiervon vor, wenn ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums abgeleistet wird; in diesem Fall muss kein Mindestlohn gezahlt werden.

Im vorliegenden Fall war die mögliche Zeit von drei Monaten rein objektiv überschritten.

Nach Auffassung des BAG ist die Norm aber nicht rein an den Kalendertagen zu beurteilen. Vielmehr sind Unterbrechungen des Praktikums innerhalb dieses Rahmens möglich, wenn der Praktikant hierfür persönliche Gründe habe und die einzelnen Abschnitte sachlich und zeitlich zusammenhingen.

Diese Voraussetzungen nahm das BAG im vorliegenden Fall an; das Praktikum sei wegen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie auf eigenen Wunsch der Klägerin für nur wenige Tage unterbrochen worden.

Arbeitgeber müssen im Einzelfall sehr sorgsam prüfen, ob es zulässig ist, das Praktikum über drei Kalendermonate hinaus zu verlängern. Schon die Überschreitung um einen Tag kann zur Vergütungspflicht für das gesamte Praktikum führen.

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