Pflicht des Anlageberaters zur zeitnahen Auswertung von der Wirtschaftspresse

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BGH, Urteil vom 5.11.2009 — Aktenzeichen: III ZR 302/08

Leitsatz
Zur Pflicht des Anlageberaters, die Wirtschaftspresse im Hinblick auf für die von ihm vertriebenen Anlageprodukte relevante Pressemitteilung zeitnah durchzusehen.
Sachverhalt
Der BGH hat ein Fall zu entscheiden, in dem der Kläger gegenüber der beklagten Anlageberatungsfirma Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung begehrte. Die Beklagte riet dem Kläger am 10.12. einer stillen Beteiligungsgesellschaft beizutreten. Diese Beteiligungsgesellschaft wurde bereits am 04.12. vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Tätigkeit untersagt. Über diese Untersagungsverfügung berichtete das Handelsblatt in einer kleinen Meldung über 7 Zeilen am 07.12.. Die Beklagte bezog das Handelsblatt nicht und wertete dies folglich auch nicht aus. Der Kläger stützt sein Anspruch u.a. darauf, dass die Beklagte das Handelsblatt hätte lesen und auswerten müssen. Dann hätte die Beklagte von der Untersagungsverfügung gewusst, dies dem Kläger mitgeteilt, der dann die streitgegenständliche Anlage nicht gezeichnet hätte.

Das Landgericht gab der Klage statt, auf die Berufung der Beklagten wies das Oberlandesgericht die Klage ab. Mit der Revision verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidung
Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und gab der Klage statt. Der BGH stellte dabei fest, dass ein Anlageberater, der sich in Bezug auf eine bestimmte Anlageentscheidung als kompetent geriert, sich aktuelle Informationen über das Anlageobjekt zu verschaffen hat. Dazu gehöre auch die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse. Bei einer privaten Anleihe müsse danach über zeitnahe und gehäufte negative Berichte in der Börsenzeitung der Financial Times Deutschlands, dem Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unterrichtet werden. Zwar könne der Anlageberater selbst entscheiden, welche Auswahl der hinsichtlich der Publikationsorgane treffe. Jedenfalls aber die Lektüre des Handelsblatts sei für jeden Anlageberater unverzichtbar. Denn das Handelsblatt biete als werktäglich erscheinende Zeitung mit spezieller Ausrichtung auf Wirtschaftsfragen in ganz besonderem Maße die Gewähr, aktuell über wichtige und für die Anlageberatung relevante Nachrichten zu informieren. Dabei habe sich in zeitlicher Hinsicht die Auswertung der Informationen nach dem Entscheidungsintervalls des Presseorgans zu richten. Deshalb sei für werktäglich erscheinende Presseerzeugnisse, wie das Handelsblatt, unter Berücksichtigung der berechtigten Interesse des Anlegers im Hinblick auf eine Beratung jedenfalls eine Kenntnisnahme nach Ablauf von spätestens drei Tagen nicht mehr pflichtgemäß. Zudem stellte der BGH fest, dass auch bei nur einer Mitteilung in einem der führenden Presseorgane eine Aufklärung des Anlegers geboten sei, wenn er diese Mitteilung das Kerngeschäft des Anlageobjekts beträfe.

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