Nur ein ordnungsgemäßer Bedenkenhinweis schützt vor Haftung

OLG Brandenburg, Urteil vom 20.05.2020 — Aktenzeichen: 11 U 74/18

 

Problemdarstellung
Ein Bau- oder Werkunternehmer steht oftmals im Spannungsverhältnis zwischen den Wünschen des Auftraggebers und der technischen Realisierbarkeit. Hat der Auftraggeber etwa bereits konkrete Vorstellungen von dem herzustellenden Werk, stellt eine Ausführungsplanung zur Verfügung oder geben bauseitige Bedingungen die Ausführung vor, wird ein Fachunternehmer selbstverständlich immer versuchen, seinen Vertragspartner zufrieden zu stellen. Allzu kritiklos sollte dies aber nicht geschehen, weil sich der Werkerfolg letztlich (auch) am sog. funktionalen Leistungs-/Mangelbegriff bemisst. Danach muss sich das Werk – unabhängig von der konkreten Beschaffenheitsvereinbarung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer – regelmäßig für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder alternativ für die gewöhnliche Verwendung eignen; das Werk muss also funktionieren: ein Dach muss dicht sein, eine Klimaanlage muss kühlen, ein Anstrich muss eine gewisse Lebensdauer aufweisen usw. Erfüllt das Werk seine Funktion in diesem Sinne nicht, liegt regelmäßig ein Werkmangel vor, der die bekannten Gewährleistungsansprüche auslöst. Zeigt sich schon vorvertraglich, dass die geforderte Ausführungsart funktional beeinträchtigt sein oder nicht den Fachregeln entsprechen wird, kann der Auftrag bei Uneinsichtigkeit des Bauherrn natürlich einfach abgelehnt werden, ohne sich mit den nachfolgend dargestellten Schwierigkeiten auseinandersetzen zu müssen. Problematischer gestaltet sich dies aber nach Ausführungsbeginn, wenn zum Beispiel bauseits die Planung geändert und die danach vorgesehene Ausführung nicht funktionieren wird. Der Unternehmer kann sich in diesen Fällen – egal, ob vorvertraglich oder während der Ausführung – regelmäßig nur durch Erklärung eines inhaltlich erschöpfenden Bedenkenhinweises von der eigenen Mängelhaftung befreien. An einen solchen, zur vollständigen Entlastung des Unternehmers führenden Bedenkenhinweis stellt die Rechtsprechung jedoch relativ hohe Anforderungen, wie ein kürzliches Urteil des OLG Brandenburg zeigt.

 

Sachverhalt
Die Klägerin Schadensersatz von der Beklagten, einem Sanitärunternehmer, den die Klägerin mit der Installation von Rohrleitungslüftungen auf klägerseits hergestellten Holzbauelementen beauftragte. Das Gewerk war erforderlich nach der bauherrenseitigen Ausführungsplanung, wonach eine über Dach geführte Lüftung des Abwassersystems vorgesehen war. Bei Ausführungsbeginn verlangte der Architekt des Bauherrn indes, die Rohrbelüfter so anzubringen, dass sie in die Wände der einzelnen Bäder eingebaut werden können. Hiergegen äußerte die Beklagte in einer Baubesprechung Bedenken und wies später auch noch einmal per E-Mail darauf hin, dass die gewünschte Ausführungsvariante nicht funktionieren werde. Nachdem sich die Bauherrenseite hiervon unbeeindruckt zeigte, führte die Beklagte die Leistungen letztlich wunschgemäß aus. Nach Fertigstellung der Arbeiten kam es zu Geruchsbildung in den Wohnungen. Eine daraufhin veranlasste Überprüfung ergab, dass die Abwasseranschlüsse nicht den Regeln der Technik entsprachen und eine DIN-gerechte Ausführung mit den in den Wänden installierten Rohrbelüftern nicht zu erreichen war.

In der Folge klagte diesbezüglich zunächst der Bauherr erfolgreich gegen die Klägerin auf Gewährleistung, die Klägerin nahm dann die Beklagte als ihren Subunternehmer in Anspruch. In diesem weiteren Verfahren wendete die Beklagte insbesondere ein, sie habe sich durch die Erteilung des Bedenkenhinweises gegen die geforderte Ausführung vollständig enthaftet, weshalb keine Schadensersatzansprüche bestünden. Das Landgericht Neuruppin hat die Beklagte dennoch teilweise verurteilt und den erteilten Bedenkenhinweis für nicht ausreichend erachtet. Gegen diese Entscheidung haben die Parteien Berufung bzw. Anschlussberufung eingelegt. Die Beklagte hielt das Urteil für rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht die Anforderungen an den Bedenkenhinweis des Werkunternehmers überspanne. Ausreichend sei, wenn der Auftraggeber die Ernsthaftigkeit der vom Auftragnehmer befürchteten Mängelrisiken nachvollziehe, wozu die Erklärungen nicht deutlicher sein müssten als für das Verständnis des Auftraggebers erforderlich. Daher hätten die vorliegend angemeldeten Bedenken für die Klägerin jedenfalls Anlass dafür sein müssen, in eine vertiefte Prüfung einzutreten und die fachkundige Einschätzung eines Dritten einzuholen.

 

Entscheidung
Mit dieser Auffassung drang die Beklagte jedoch nicht durch. Das OLG Brandenburg hat unter Zurückweisung der Anschlussberufung und auf die klägerische Berufung die Beklagte sogar antragsgemäß verurteilt. Hierzu hat es ausgeführt, an den erforderlichen Bedenkenhinweis des Auftragnehmers seien hohe Anforderungen zu stellen, denn er müsse zur rechten Zeit, in der gebotenen Form, mit der notwendigen Klarheit und gegenüber dem richtigen Adressaten erfolgen. Daher habe es der Beklagten oblegen, der Klägerin unverzüglich und zutreffend, inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend die nachteiligen Folgen der veränderten Abwasserrohrlüftung und die sich daraus ergebenden Gefahren konkret darzulegen, damit für sie die Tragweite der Nichtbefolgung des Hinweises erkennbar wird. Unzulänglich seien insofern lediglich pauschale Erklärungen, wonach das Werk nicht funktionieren werde. Unerheblich sei zudem, dass der Auftraggeber im vorliegenden selbst Bauunternehmer sei, weil von ihm Kenntnisse hinsichtlich möglicher Lüftungsvarianten eines Abwasserohres nicht erwartet werden könnten. Zwar gebiete auch ein unzulänglicher Bedenkenhinweis Anlass für den Auftraggeber, sich Gedanken zu machen und ggf. sachverständigen Rat einzuholen, dies betreffe allerdings nur die Frage eines etwaigen Mitverschuldens und sei hier nicht berührt.

 

Praxistipp
Wie dieser Fall anschaulich zeigt, bedarf die Abfassung eines Bedenkenhinweises größter Sorgfalt und sollte zu Beweiszwecken zumindest per E-Mail erfolgen. Im VOB-Vertrag ist gem. § 4 Abs. 3 VOB/B ohnehin die schriftliche Erteilung vorgeschrieben und in aller Regel auch einzuhalten. Der Auftraggeber ist unabhängig von seinen technischen Kenntnissen rechtzeitig und umfassend über die Risiken der beabsichtigten Ausführung zu unterrichten, andernfalls bleibt der Auftragnehmer regelmäßig haftbar.

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