Neue Rechtsprechung des BGH zur Amtshaftung

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BGH, Urteil vom 13.12.2012 — Aktenzeichen: III ZR 226/12

Leitsatz
Beschädigen in einer Kindertagesstätte untergebrachte Kinder Eigentum Dritter, so kommt dem Geschädigten, der gegen eine Gemeinde als Trägerin der Kindertagesstätte wegen Verletzung der den Erzieherinnen der Kindertagesstätte obliegenden Aufsichtspflichten Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG geltend macht, die Beweislastregel des § 832 BGB zugute (Aufgabe des Senatsurteils vom 15. März 1954, III ZR 333/52, BGHZ 13, 25).

Sachverhalt
Der Kläger parkte sein Fahrzeug im Eingangsbereich eines Schulgebäudes, in dem sich auch eine Kindertagesstätte der beklagten Stadt befindet. Am Schadenstag war eine aus acht Kindern bestehende Gruppe der Tagesstätte unter der Leitung einer Erzieherin mit Gartenarbeiten beschäftigt. Drei Kinder dieser Gruppe entfernten sich und warfen mehrere Kieselsteine auf das Fahrzeug des Klägers. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die beklagte Stadt hafte für die an seinem Fahrzeug entstandenen Lackschäden wegen Verletzung der Aufsichtspflicht seitens der Erzieherinnen der Kindertagesstätte.

Das Landgericht hat — die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Klägers abgeändert und die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidung
Der BGH gibt seine frühere Rechtsprechung (BGHZ 13, 25) auf, nach welcher die Beweislastregel des § 832 BGB im Rahmen der Haftung für die Verletzung der öffentlich-rechtlichen Aufsichtspflicht nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG nicht zur Anwendung kam.

Zur Begründung führt der BGH aus: Zwar sei für eine unmittelbare Anwendung der deliktsrechtlichen Haftungstatbestände der §§ 823 ff BGB im Fall von Amtspflichtverletzungen grundsätzlich kein Raum, weil § 839 BGB insofern einen Sondertatbestand darstelle. Dies bedeutet indes nicht, dass die besonderen Beweislastregeln der §§ 832, 833 Satz 2 und § 836 BGB im Rahmen der Amtshaftung keine Anwendung finden könnten. Verdrängt würden durch den Sondertatbestand des § 839 BGB lediglich die Haftungstatbestände der §§ 823 ff BGB als solche, nicht hingegen die in ihnen enthaltenen besonderen Beweislastregeln. Wie die Geltung der Beweislastregel der §§ 833, 836 BGB sei auch die Anwendung des § 832 BGB im Bereich der Amtshaftung sachlich gerechtfertigt. Für eine Haftung für eine vermutete Aufsichtspflichtverletzung sprächen dort dieselben Gründe wie im Bereich der privatrechtlichen Haftung. Dem Wesen der Aufsichtspflicht als einer gesetzlichen Pflicht gegenüber dem Geschädigten sei grundsätzlich imanent, dass der Pflichtige Rechenschaft darüber ablege, was er zur Erfüllung seiner Pflicht getan habe. Dem Geschädigten sei auf der anderen Seite der Nachweis der Aufsichtspflichtverletzung häufig unmöglich, da er regelmäßig nicht wissen könne, welche konkreten Maßnahmen zur Erfüllung der Aufsichtspflicht im Einzelfall ergriffen beziehungsweise unterlassen wurden. Die im Bereich der Amtshaftung bis hin zum Anscheinsbeweis geltenden Beweiserleichterungen würden ihm insoweit nicht bereits ausreichend helfen, da sie eine Amtspflichtverletzung gerade voraussetzten.

Um dieser unbilligen Beweisnot Rechnung zu tragen, sei deshalb die Anwendung des § 832 BGB auch im Rahmen des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG geboten.

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