Muss sich ein Beifahrer bei der Geltendmachung eigener Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall ein Mitverschulden „seines“ Fahrers anrechnen lassen?

OLG München, Urteil vom 12.1.2018 — Aktenzeichen: 10 U 2178/15

Sachverhalt
Am 27.08.2013 war die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann mit dem Pkw unterwegs. Der Ehemann war auch gleichzeitig Halter des Pkw. Als sich die Klägerin in den Fußraum beugte, um etwas zu suchen, kam es zum Unfall zwischen dem vom Ehemann geführten Pkw und der späteren Beklagten zu 1). Nach einem Fahrstreifenwechsel durch den Ehemann der Geschädigte bremste dieser um auf eine Bremsung des vorausfahrenden Fahrzeugs der Beklagten zu 1) zu reagieren. Leider war es ihm nicht möglich, sein Fahrzeug rechtzeitig zum Stillstand zu bringen und so fuhr er auf das Fahrzeug der späteren Beklagten zu 1) auf. Die immer noch in den Fußraum vorgebeugte spätere Klägerin verletzte sich erheblich. Sie erlitt eine Schädelprellung und HWS-Distorsion sowie ein eingekapseltes Hämatom im Unterarm mit Resteinblutung.

Das Landgericht München hat die Schadensersatzansprüche der Klägerin erstinstanzlich verneint und die Klage voll umfänglich abgewiesen. Gegen das ablehnende Urteil hat die Klägerin Berufung vor dem OLG München eingelegt.

Entscheidung
Das OLG hat unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils der Klägerin ein Schmerzensgeld zugesprochen sowie einen teilweisen Schadensersatzanspruch. Das OLG befasste sich im Rahmen seiner Entscheidung mit der Frage, ob sich die Klägerin ein Mitverschulden ihres Ehemanns anspruchsmindern zurechnen lassen muss und verneinte diese Frage in Ermangelung einer Rechtsgrundlage.

So wies das Gericht daraufhin, dass eine Verschuldenszurechnung nach § 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB nicht vorläge. Eine Zurechnung nach dieser Anspruchsgrundlage fehlt, da es zwischen der Klägerin und der Unfallgegnerin bzw. der Haftpflichtversicherung der Unfallgegnerin keinen zu erfüllenden schuldrechtlichen Vertrag gäbe. Auch eine mögliche Zurechnung eines etwaigen Mitverschuldens des Ehemanns am Unfallgeschehen aus § 831 BGB verneint das OLG. Danach sei der Ehemann kein weisungsgebundener Verrichtungsgehilfe. Dass es sich bei dem Fahrer um den Ehemann handelt, genüge nicht für die Zurechnung.

Jedoch nahm das OLG eine Kürzung der Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen einer eigenen schuldhaften Mitverursachung des Unfalls vor. Das OLG legte der Klägerin zur Last, dass sie durch ihr starkes Vor- bzw. Herabbeugen bis in den Fußraum des Fahrzeugs die Sturzfunktion des Sicherheitsgurtes vollständig aufgehoben habe. Das Gericht ging davon aus, dass, hätte die Klägerin in üblicher Sitzposition im Fahrzeug gesessen, der Sicherheitsgurt seiner üblichen Rückhaltefunktion nachgekommen wäre. Dies rechtfertige ein Mitverschulden von 40 %.

Auf Grund dessen wurde der Klage der Klägerin nur teilweise abgeholfen.

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