Mindestens 50 %-tige Leistungsfreiheit des Kaskoversicherers bei Rotlichtverstoß nach LG Münster

LG Münster, Urteil vom 8.9.2009 — Aktenzeichen: 015 O 141/09

Sachverhalt
Im Sommer 2009 verursachte die vollkaskoversicherte Versicherungsnehmerin mit ihrem Pkw eine Kollision auf einer Ampelkreuzung, weil sie das Rotlicht nicht beachtet hatte. Der Kaskoversicherer regulierte in Höhe von 50 %.

Die Versicherungsnehmerin behauptet, das Rotlicht aufgrund der starken Sonnenblendung für ein Grünlicht gehalten zu haben. Außerdem hält sie die Leistungsfreiheitsquote von 50 % für überhöht.

Entscheidung
Dieser Auffassung hat sich das LG Münster mit überzeugenden Gründen nicht angeschlossen und daher die Klage abgewiesen:

Das Einfahren in eine Kreuzung stellt nach ständiger Rechtsprechung ein grob fahrlässiges Handeln dar, wenn der Versicherungsnehmer die Farbe des Lichtsignals nicht erkennen kann. In diesem Fall darf der Versicherungsnehmer gerade nicht „blind“ in den Kreuzungsbereich einfahren.

Von besonderem Interesse sind die Rechtsausführungen der Spezialkammer für Versicherungsrecht zum Quotenmodell des neuen VVG:

Die Kammer folgt insoweit nämlich nicht der u.a. von RiBGH Felsch (R+S 2007, 585) vertretenen Auffassung, nach der grundsätzlich von einem „Einstiegswert“ von 50 % auszugehen sein soll. Nach dieser Meinung wird beiden Parteien die Möglichkeit eröffnet, besondere Umstände des Einzelfalls vorzutragen und zu beweisen, die ggf. zu einer Verschiebung der Quote nach oben oder unten führen.

Die Kammer erachtet es vielmehr für sachgerecht, von einem „Standard-Einstiegswert“ abzusehen und die Bemessung der Quote nach den besonderen Umständen des Einzelfalls ohne „starre Vorgaben“ vorzunehmen, wobei einzelne Quotenstufen von 0 %, 25 %, 50 %, 75 % und 100 % (also Kürzung auf „Null“) für angemessen erachtet werden. Innerhalb dieser Stufen soll dann jeweils unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Quote nach dem Grad des Verschuldens zu bemessen sein.

Die Frage, wer für die Umstände, die ggf. zu einer höheren oder niedrigeren Quote führen sollen, die Beweislast trägt, konnte die Kammer in diesem Fall offen lassen, da sie bei einem Rotlichtverstoß in der vorliegenden Konstellation eine mindestens 50%-ige Leistungsfreiheit (die auch schon der Versicherer zugrunde gelegt hatte) für angemessen hielt. Diese Beurteilung ist bei einem Rotlichtverstoß allgemein nicht zu beanstanden.

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