Mangelhafte Statik – Mitverschulden des Bauherrn?

BGH, Urteil vom 15.5.2013 — Aktenzeichen: VII ZR 257/11

Leitsatz
1. Die von einem Tragwerksplaner für ein Gebäude erstellte Statik ist mangelhaft, wenn sie den vereinbarten Zweck, die Standfestigkeit des Gebäudes unter Berücksichtigung des Baugrundes und seiner Tragfähigkeit zu gewährleisten, nicht erfüllt, weil sie die nach den konkreten Boden- und Grundwasserverhältnissen erforderlichen Maßnahmen nicht vorsieht.

2. Den Auftraggeber trifft grundsätzlich die Obliegenheit, dem Tragwerksplaner die für die mangelfreie Erstellung der Statik erforderlichen Angaben zu den Boden- und Grundwasserverhältnissen zu machen. Hat er unzutreffende Angaben gemacht und ist deshalb die Statik mangelhaft, trifft den Auftraggeber für einen daraus entstehenden Schaden eine Mithaftung wegen Verschuldens gegen sich selbst.

3. Hat der von dem Auftraggeber beauftragte planende Architekt die unzutreffenden Angaben gemacht, muss sich der Auftraggeber dessen Verschulden gemäß §§ 254, 278 BGB zurechnen lassen.

Sachverhalt
Der Kläger ist Eigentümer von zwei nebeneinander gelegenen Grundstücken. Auf dem ersten Grundstück lässt er ein Wohn- und Dienstleistungsgebäude errichten. Anschließend lässt der Kläger im Jahre 2006 auf dem Nachbargrundstück ein ähnliches Gebäude errichten. Mit der Planung und Bauleitung beauftragt er den Architekten, der auch beim ersten Bauvorhaben tätig war. Mit der Statik für das Kellergeschoss und das Gebäude beauftragt der Architekt namens und im Auftrag des Bauherrn den Tragwerksplaner. Er überlässt dem Statiker dabei Pläne des ersten Bauvorhabens, aus denen sich nicht ergibt, dass der Lastfall drückendes Wasser vorhanden ist. Der Statiker erstellt eine Statik, die drückendes Wasser auf dem Grundstück nicht berücksichtigt. Tatsächlich lag, wie auch schon im ersten Bauabschnitt, aber drückendes Wasser vor.

Entscheidung
Nachdem das Berufungsgericht den Tragwerksplaner wegen der fehlerhaft erstellten Statik noch voll verurteilt hat, hebt der BGH dieses Urteil auf und verweist den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück.

Der Senat nimmt Bezug auf die sog. Glasfassadenentscheidung (Urteil vom 27. November 2008 — VII ZR 206/06, BGHZ 179, 55 Rn. 30, 36). Darin hat der BGH entschieden, dass den Auftraggeber in seinem Vertragsverhältnis zum bauaufsichtsführenden Architekten regelmäßig die Obliegenheit trifft, diesem einwandfreie Pläne zur Verfügung zu stellen.

Nichts anderes hat nach Auffassung des BGH zu gelten, wenn der Auftraggeber dem Tragwerksplaner Pläne und Unterlagen zu den bei der Erstellung der Tragwerksplanung zu berücksichtigenden Boden- und Grundwasserverhältnissen überreicht oder dazu sonstige Angaben macht, die den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechen. Der Tragwerksplaner kann eine zutreffende Statik nur erstellen, wenn Klarheit hinsichtlich der Boden- und Grundwasserverhältnisse herrscht. Er kann und darf daher erwarten, dass der Auftraggeber ihm die Angaben macht, die es ihm ermöglichen, eine mangelfreie, den Boden- und Grundwasserverhältnissen gerecht werdende Tragwerksplanung zu erstellen. Werden ihm insoweit unzutreffende Angaben gemacht oder ergeben sich sonst aus den ihm als Grundlage seiner Berechnungen übergebenen Unterlagen unzutreffende Boden- und Grundwasserverhältnisse, verletzt der Auftraggeber die ihm gegenüber dem Tragwerksplaner bestehende Obliegenheit, diesem die der Tragwerksplanung zugrunde zu legenden tatsächlichen Verhältnisse mitzuteilen. Erbringt der Auftraggeber die von ihm zu fordernde Mitwirkung nicht, trägt er zu einer daraus resultierenden mangelhaften Tragwerksplanung bei und ist folglich für einen daraus erwachsenden Schaden mitverantwortlich. Den Bauherrn kann daher ein Mitverschulden treffen. Insoweit hat sich der Bauherr auch das Verhalten seines Architekten, der dem Statiker hier die Unterlagen übergab, zurechnen zu lassen.

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