Mahnbescheid — Kein sicheres Instrument, den Lauf der Verjährung zu hemmen!?

Bundesgerichtshof, Urteil vom 6.11.2007 — Aktenzeichen: X ZR 103/05

Das Mahnverfahren ist eine Prozessart, in der für Geldforderungen voraussichtlich unstreitig und ohne Verhandlung dem Gläubiger ein rechtskräftiger, vollstreckbarer Titel verschafft werden kann. Die entsprechenden Formulare sind im Schreibwarenladen zu haben. Das Mahnverfahren stellt einen einfachen und günstigen Weg zum Vollstreckungstitel dar, indem es das langwierige und teure Urteilsverfahren erspart.

So weit die Theorie.

In der Praxis legen die Schuldner aber regelmäßig Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein, mit der Folge, dass in das gerichtliche Urteilsverfahren übergegangen wird. Legt der Schuldner Widerspruch ein, hat der Gläubiger nichts gewonnen. Aus diesem Grund kommt dem Mahnverfahren größere Bedeutung als verjährungshemmende Maßnahme zu. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB wird die Verjährung gehemmt durch die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren.

Da es für den Mahnantrag keinen Anwaltszwang gibt (anders als beispielsweise für Klagen vor dem Landgericht), schleichen sich beim Ausfüllen der Mahnformulare nicht selten Fehler ein, die Grund für Beanstandungen des Mahngerichts sind. Die Fehler können sogar ein solches Gewicht haben, dass der angestrebte Zwecke der Verjährungshemmung nicht erreicht wird.

Die Risiken zeigt eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Leitsatz
1. Ein Mahnbescheid hemmt den Lauf der Verjährung nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend individualisiert ist. 2. Bei einer Mehrzahl von Forderungen ist jede Einzelforderung zu bezeichnen. Eine Bezugnahme auf Rechnungen reicht nur aus, wenn dem Schuldner die Rechnungen vorliegen.

Sachverhalt
Die Klägerin verlangt im beantragten Mahnbescheid vom 28.12.2000 eine Vergütung aus mehreren Rechnungen. Dabei wird im Mahnantrag Bezug genommen auf den zugrunde liegenden Vertrag sowie auf sechs jeweils auf den 13.3.1997 datierenden Rechnungen mit Rechnungsnummer und Betrag.

Im Verfahren meinte der Beklagte, sie habe die Rechnungen erstmals im Verfahren erhalten, die Forderungen seien verjährt, da die Ansprüche nicht hinreichend individualisiert seien. Dem trat die Klägerin entgegen; aus den gleichlautenden Rechnungsdaten, den (teilweise identischen) Rechnungsnummern und Zahlbeträgen habe die Beklagte entnehmen können, worauf sich die Rechnungen bezogen.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof wies die Klage als verjährt ab. Ein Mahnbescheid hemme den Lauf der Verjährung nur, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend individualisiert sei. Der Anspruch müsse durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so abgegrenzt werden, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann. Der Schuldner müsse erkennen können, welcher Anspruch geltend gemacht werde. Bei einer Mehrzahl von Forderungen sei — so der BGH — jede einzelne zu bezeichnen. Da der Beklagte im Verfahren unwidersprochen vorgetragen habe, er habe die Rechnungen nicht erhalten, habe er die Rechnungsdaten auch nicht zuordnen können.

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