Korrektur der Rechtsprechung des BGH zur Aufrechnung mit Insolvenzforderungen gegen Masseforderungen

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.2011 — Aktenzeichen: IX ZR 10/11

Leitsatz
Erfüllt der Insolvenzverwalter ein Dienstverhältnis des Schuldners weiter, so kann gegen die Entgeltforderung der Masse nicht mit einer Insolvenzforderung aufgerechnet werden. Dienstverhältnis des Schuldners besteht nicht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, wenn die Dienstleistung nur durch Begründung erheblicher Masseschulden erbracht werden kann.

Sachverhalt
Die Schuldnerin war Trägerin einer Privatschule. In dieser Schule ließen die Beklagten ihren Sohn unterrichten. Das monatliche Schulgeld betrug 250,00 €. Die Beklagten gewährten der Schuldnerin vor der Insolvenz ein Elterndarlehen. Bei Insolvenzeröffnung wurde der Schulbetrieb und die Unterrichtung des Sohnes fortgeführt. Der Insolvenzverwalter nimmt die Beklagten auf Zahlung des Schulgeldes für die drei Monate ab Insolvenzeröffnung in Höhe von insgesamt 750,00 € in Anspruch. Die Beklagten erklären mit der vorinsolvenzlichen Darlehensforderung die Aufrechnung. Die Vorinstanzen bejahten Aufrechnungsmöglichkeit.

Entscheidung
Der BGH verweigert den Beklagten die Aufrechnungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Unzutreffend sei die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe den Schulvertrag nach § 108 Abs. 1 S. 1 InsO fortführen müssen. § 108 InsO greife nach dem Regelungszweck im Streitfall nicht ein, da der Dienstvertrag vom Insolvenzverwalter unter Begründung von Masseverbindlichkeiten mit den Mitteln eines zur Masse gehörenden Dienstleistungsunternehmens erfüllt werden müsse. Mit dieser Entscheidung rückt der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen gegen Forderungen der Masse ist unzulässig.

Praxis-Tipp
Praktische Auswirkungen wird die vorgenannte Entscheidung beispielsweise haben auf das Mietrecht. Eine Aufrechnung mit vorinsolvenzlichen Mietnebenkostenguthaben gegen Mietzinsforderungen insolventer Vermieter werden künftig vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des BGH nicht mehr möglich sein.

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