Keine Streitverkündung an Gerichtssachverständigen

BGH, Urteil vom 27.7.2006 — Aktenzeichen: VII ZB 16/06

Leitsatz
Die Streitverkündung gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen zur Vorbereitung von Haftungsansprüchen gegen diesen aus angeblich fehlerhafter, im selben Rechtsstreit erbrachter Gutachterleistungen ist unzulässig.

Die Streitverkündungsschrift ist nicht zuzustellen.

Sachverhalt
Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn, die Beklagten wenden Mängel ein. Zwei Sachverständige erstellen Gutachten im Auftrag des Landgerichts. Die Beklagten — zu deren Ungunsten die Gutachten ausfallen — behaupten, diese seien teilweise grob fahrlässig unrichtig. Sie haben beiden Sachvertändigen den Streit verkündet und machen geltend, bei einer rechtskräftigen Entscheidung auf Basis der Gutachten stünden ihnen Schadensersatzansprüche nach § 839a BGB gegen die Sachverständigen zu.

Das Landgericht lehnt die Zustellung der Streitverkündungsschrift ab. Dagegen gehen die Beklagten mit sofortiger Beschwerde beim Oberlandesgericht und dann mit der Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof vor.

Entscheidung
Ohne Erfolg. Der BGH führt aus, die Streitverkündung sei unzulässig, eine Zustellung dürfe nicht erfolgen. Formal stützt er sich auf das Argument, der Streit könne nach § 72 ZPO nur „Dritten“ verkündet werden. Der Sachverständige sei ebensowenig „Dritter“ wie das Gericht, sondern als dessen Helfer am Prozess beteiligt. — Der tiefere Grund liegt darin, dass der Sachverständige durch eine solche Streitverkündung unter Druck gesetzt werden soll. Er kann aber auch nicht ohne weiteres — wie sonst ein Streitverkündeter – dem Prozess beitreten, weil er dann eine Seite unterstützt und natürlich als befangen ausgetauscht werden muss. Entweder das oder der Wunsch, der Sachverständige möge aus Angst seine Meinung modifizieren, ist denn auch fast immer Triebfeder dieser versuchten Streitverkündungen.

Mit Recht hat der BGH dieser Unsitte jetzt einen klaren Riegel vorgeschoben und die Position des gerichtlichen Sachverständigen gestärkt. — Denn sinnvolle Ziele lassen sich mit einer solchen Streitverkündung nicht erreichen, so dass dem BGH zuzustimmen ist, wenn er ausführt, dass solche Versuche fast immer rechtsmißbräuchlich sind.

Aus rechtlicher Sicht eher neu ist, dass die Zulässigkeit hier ausnahmsweise schon bei Eingang der Streitverkündungsschrift vom Gericht geprüft werden muss, weil es eben Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des laufenden Prozesses hat. Üblicherweise werden dieses Fragen sonst erst geprüft, wenn es zu einem Folgeprozess gegen den Streitverkündeten kommt.

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