Keine Haftung bei Sturz auf einer Treppe zum Watt

Michael PeusMichael Peus

OLG Schleswig, Hinweisbeschluss vom 02.06.2021 – 11 U 31/21

 

Leitsätze

  1. Auf die typischen Gefahren des Meeresstrandes müssen sich Badegäste einstellen. An die Rutschfestigkeit außendeichs am Meer gelegener Badetreppen sind deshalb nicht die gleichen Anforderungen zu stellen, die für Treppen in Sport- und Arbeitsstätten gelten.
  2. Der Anscheinsbeweis für die Verletzung der inneren Sorgfaltspflicht ist erschüttert, wenn die Planung einer solchen Treppenanlage einer Fachplanerin übertragen ist und auch der gerichtlich beauftragte Sachverständige keine Mängel der Ausführung erkennen konnte.

 

Sachverhalt

Die Klägerin stürzte bei der Benutzung einer von der Badestelle in das Watt der Nordsee führenden Treppe. Dabei rutschte sie auf dem nassen Untergrund aus und verletzte sich.

Sie fordert Schadensersatz und behauptet, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie für die Treppenstufen zu glattes bzw. rutschiges Material genutzt und die mit erheblichen Moos und Materialablagerungen bedeckten Stufen nicht ordnungsgemäß gesäubert hätte.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

 

Rechtliches

Der Senat des OLG Schleswig wies darauf hin, dass das Gericht die Berufung zurückweisen werde.

Bereits das Landgericht konnte keinen objektiven Pflichtverstoß feststellen, der eine Haftung der Beklagten nach § 823 I BGB begründen würde. Als Verkehrssicherungspflichtiger muss man nicht allen denkbaren Gefahren vorbeugen. Es kann nur Schutz vor Gefahren verlangt werden, die über das übliche Nutzungsrisiko hinausgehen und die für den Benutzer unvorhersehbar bzw. nicht ohne weiteres erkennbar sind.

Bei einer Treppe am Wattenmeer ist es unvermeidbar, dass diese durch Ablagerungen von Schwebstoffen bereits innerhalb einer Tide rutschig wird. Es gibt keine öffentlich-rechtlichen Normen oder Regelwerke, die bestimmte rutschhemmende Werte für solche Treppenanlagen vorschreiben. Um ein Ausrutschen zu vermeiden, wurden Handläufe an die Treppe befestigt. Laut Sachverständigengutachten sei auch das für die Treppe verwendete Betonmaterial geeignet und biete einen ausreichend rutschfesten Bodenbelag.

Selbst bei Vorliegen eines ungeeigneten Materials fehle für eine deliktische Haftung der Beklagten ein Verschulden, da die Planung der Anlage von einer Fachplanerin übernommen wurde. Fahrlässigkeit könne hier nur bejaht werden, wenn die Beklagte eine fehlerhafte Planung erkannt hätte. Dies sei hier nicht ersichtlich.

 

Das Gericht ist außerdem der Ansicht, dass ein Nutzer einer Badestelle stets damit rechnen muss, dass aufgrund der natürlichen Begebenheiten des Meeres  Treppen rutschig sein können und trage selbst die Verantwortung, diese mit Vorsicht zu benutzen. Es sei für jeden Nutzer offenkundig, dass mit den typischen Gefahren des Strandes – wie eine Sturzgefahr durch Schlick, Strömungen, Treibgut, Meerestieren oder auch Wellen – zu rechnen ist.

Bei einer Treppenanlage am Watt, die dauerhaft durch die Gezeiten und das Wetter beeinflusst ist, könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese ständig gesäubert wird und “rutschfest“ ist.

Die Berufung wurde daraufhin zurückgenommen.

 

Zusatz:

Die einschlägigen Unfallverhütungsregelungen fänden lediglich Anwendung auf Arbeitsräume, Arbeitsbereiche, betriebliche Verkehrswege und nicht auf Treppenanlagen, die dauerhaft von wetterbedingten Ereignissen beeinflusst werden. Eine Treppe am Watt könne auch nicht mit Nass- und Barfußbereiche in Bädern, Krankenhäusern oder Umkleide-, Wasch und Duschwanen von Sport- und Arbeitsstätten gleichgesetzt werden.

 

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