Kein Regress auch bei nur nicht nachgewiesenem Zugang an das neue VVG angepasster AKB

OLG Celle, Urteil vom 29.9.2011 — Aktenzeichen: 8 U 58/11

Leitsatz
Ein Versicherer kann sich zur Begründung seines Regressanspruchs gegen den VN auch dann nicht auf seine alten AKB berufen, wenn er diese zwar umgestellt hat, aber deren Zugang nicht beweisen kann, und der VN vorsätzlich gegen Obliegenheiten verstoßen hat (hier: Trunkenheitsfahrt 2009)

Sachverhalt
Zwischen den Parteien bestand ein Haftpflichtversicherungsvertrag für einen Pkw. Diesem lagen die AKB des auf Regress wegen Obliegenheitsverletzung klagenden Versicherers mit Stand vom 1.5.2005 zugrunde. § 2 b Abs. 2 AKB sieht Leistungsfreiheit vor, wenn der VN das Fahrzeug u.a. wegen Alkoholgenusses nicht mehr sicher führen kann (Trunkenheitsklausel). Zum 1.1.2009 stellte der Versichrer seine AKB entsprechend dem neuen VVG um. IM Jahr 2009 verursacht der VN im rahmen einer Trunkenheitsfahrt einen Drittschaden, dessen Aufwendungen die Klägerin bezahlt und im Wege der Klage bei VN regressieren möchte. Der VN beruft sich darauf, dass ihm die neuen AKB, nach denen die Klägerin tatsächlich leistungsfrei geworden ist, nicht zugegangen sein. In den alten AKB fehlte der Hinweis auf den nach § 28 VVG n.F. grundsätzlich zulässigen Kausalitätsgegenbeweis.

Entscheidung
Das OLG stellt zunächst die strengen Anforderungen an den Zugang vertragswesentlicher Unterlagenn heraus. Der Einwand der Kl., sie habe ihre Bedingungen umgestellt, könne lediglich den Zugang nicht nachweisben, greife zu kurz. Aus Art. 1 Abs. 3 EGVVG ergebe sich nicht nur das Recht zur einseitigen Vertragsänderung durch Anpassung der AVB an die neue Rechtslage, sondern auch, dass die Änderung dem VN mitgeteilt werden müsse. Nach allgemeinen Regeln habe den Zugang der Absender, mithin hier die Kl., zu beweisen. Für irgendwelche Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherers sei schon in Anbetracht des Wortlauts von Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen Raum. Zwar könnte vorliegend der vorsätzlich handelnde VN als weniger schutzbedürftig erscheinen, wenn der Versicherer seine AVB immerhin angepasst hat, es aber „nur“ an dem Nachweis des Zugangs an den VN fehlt. Jedoch erscheinen solche auf den Einzelfall bezogenen Fragen nach fehlender Schutzbedürftigkeit oder -würdigkeit nicht geeignet, die formale Frage des Zugangs zu umgehen.

Danach gilt vorliegend zwar für die Tatbestandsseite, dass die in Betracht kommenden Obliegenheiten unverändert geblieben sind, was auch der Bekl. nicht in Abrede genommen hat. Anders aber verhält es sich auf der Rechtsfolgenseite. Die neuen, nicht wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogenen AKB enthalten, der Neufassung des § 28 VVG entsprechend, den Hinweis auf die Möglichkeit des Kausalitätsgegenbeweises. Dieser Hinweis fehlt naturgemäß in den alten AKB 05, die darüber hinaus die nun nicht mehr zutreffende Aussage enthalten, auch im Fall des Vorsatzes sei der Versicherer – in bestimmten Grenzen — von der Verpflichtung zur Leistung frei. Dass sich der Hinweis auf den Kausalitätsgegenbeweis aus der Neufassung des VVG selbst ergibt, kann nicht zu einer „Heilung“ des Widerspruchs zwischen vertraglicher Vereinbarung und Gesetz führen. Schon Art. 1 Abs. 3 EGVVG zeigt, dass der VN gerade nicht gehalten sein soll, statt in den Vertrag ins Gesetz zu sehen. Auch in dem vom OLG Köln entschiedenen Fall ( VersR 2010, 1592 ) verhielt es sich so, dass die Neuregelung für den VN günstiger als die von dem Versicherer verwendeten Versicherungsbedingungen war. Im Ergebnis wie hier hat das OLG Köln entschieden, dass es dann an einer wirksamen Vereinbarung i. S. v. § 28 VVG fehlt.

Die Abweichung der neuen von den alten AKB führe dann jedoch zur Unanwendbarkeit der alten AKB, weil eine unangemessenen Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gegeben sei. Nach Ansicht des Senats gebe hier den Ausschlag, dass der Bekl. unter Zugrundelegung der alten AKB möglicherweise von der Wahrung seiner Rechte aus dem Versicherungsverhältnis abgehalten wird, weil für den Fall vorsätzlichen Handelns er davon ausgehen muss, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, dem Verdikt der Leistungsfreiheit des Versicherers und des Regresses zu entgehen. Eine solche Irreführung des VN, die zu vermeiden Sache des Versicherers als Verwender der Bedingungen war, kann nicht hingenommen werden. Eine geltungserhaltende Reduktion komme nicht in Betracht. Weiter habe auch eine ergänzende Vertragsauslegung zu unterbleiben.

Die Entscheidung führt erneut vor Augen, wie scharf das Schwert des fehlenden Zugangsnachweises ist. Der Versicherer hatte es hier aber ferner versäumt, sich auf Auffangregelungen zu berufen. Beispielhaft seien die Regelungen über die Gefahrerhöhung nach §§ 23 ff. VVG, die Bestimmungen über die Herbeiführung des Versicherungsfalls gem. § 81 VVG und die Obliegenheiten nach § 82 VVG gennannt. Auch wenn es an einem nachweisbaren Zugang oder an einer Novellierung überhaupt fehlt, kann im Einzelfall über diese Vorschriften Leistungsfreiheit erreicht werden.

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