Kein Anscheinsbeweis für RSV

LG Dortmund , Urteil vom 23.3.2017 — Aktenzeichen: 2 S 21/16

Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Rechtsschutzversicherung, die den beklagten Anwalt wegen der Führung eines aussichtslosen Rechtsstreits für ihren Versicherungsnehmer in Anspruch nahm. Dabei hat sie allerdings nicht konkret vorgetragen und auch keinen Beweis dafür angetreten, wie sich der Versicherungsnehmer bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten verhalten hätte; stattdessen stützte die Klägerin ihre Argumentation auf einen Anscheinsbeweis, dass ein Mandant keinen aussichtslosen Rechtsstreit führen wird.

Das Amtsgericht hat Pflichtverletzung des Beklagten und Kausalität aufgrund der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens bejaht.

Entscheidung
Die Berufungskammer des Landgerichts Dortmund hat die Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Nach Auffassung des Landgerichts Dortmund kann sich auf die Vermutung beratungskonformes Verhalten nur dann berufen werden, wenn bei zutreffender rechtlicher Beratung vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus allein eine einzige Entscheidung nahegelegen hätte. Im Fall einer nicht durch Falschangaben erwirkten Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers gibt es aber keinen Anscheinsbeweis, dass der Mandant einen Prozess nicht geführt hätte.

Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht Dortmund die Klage im Vorprozess deshalb abgewiesen, weil die Versicherungsnehmerin der Klägerin kein ALG 1, sondern ALG 2 bezogen hatte und damit die in den Versicherungsbedingungen gegenüber der Beklagten im Vorprozess geregelten Anspruchsvoraussetzungen nicht vorlagen; das Anspruch hätte niemals durchgesetzt werden können. Zu den einzelnen Anspruchsvoraussetzungen enthielt das Schreiben, mit dem um Deckungsschutz ersucht wurde, allerdings gar keine Angaben.

Das LG Dortmund meint: Wenn die Rechtsschutzversicherung ihren Nachfragenobliegenheiten vor der Deckungszusage nicht nachkommt, geht dies allein zu ihren Lasten.

Das Landgericht Dortmund setzt sich ausdrücklich der Rechtsprechung des OLG Hamm (z. B. Urteil v. 18.12.2016, Az.: 28 U 73/15 sowie Urteil v. 23.08.2016, Az.: 28 U 57/15) entgegen. Nach Auffassung des Landgerichts kann gerade nicht angenommen werden, dass der rechtsschutzversicherte Mandant von der Rechtsverfolgung absieht, nur weil sein Anwalt auf die Aussichtslosigkeit des Unterfangens hinweist. Im Gegenteil geht das Landgericht davon aus, dass der vernünftig denkende Mandant immer abwarten wird, ob die Rechtsschutzversicherung ihm nicht doch Rechtsschutzdeckung erteilt, da der Versicherer in seiner Deckungsprüfung zu einer eigenen rechtlichen Bewertung verpflichtet ist.

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