Unbedachte Risiken des „Versicherungs-Hoppings“

OLG Celle, Urteil vom 10.5.2012 — Aktenzeichen: 8 U 213/11

Leitsatz
Kann ein Versicherungsnehmer (VN) einer Wohngebäudeversicherung nicht den sog. Vollbeweis nach § 286 ZPO erbringen, wann ein Leitungswasserschaden eingetreten ist, und hat der VN innerhalb der für den Schadenseintritt in Betracht kommenden Zeitspanne den Wohngebäudeversicherer gewechselt, geht die Unklarheit bzgl. des Schadenseintrittzeitpunktes zu Lasten des VN, mit der Folge, dass dieser keine Versicherungsansprüche gegen die in Betracht kommenden Versicherer durchsetzen kann.

Sachverhalt
Der Kläger unterhielt für sein Einfamilienhaus bis zum 30.06.2003 eine Wohngebäudeversicherung bei der X-Versicherung, ab dem 01.07.2003 dann anschließend „lückenlos“ bei der Y-Versicherung, der jetzigen Beklagten. Am 24.07.2004 stellte der Kläger einen Wasserschaden in Form von Durchfeuchtungen in der Küche fest. Der von der Beklagten beauftragte Gutachter äußerte sich dahingehend, dass aufgrund des Schadenbildes davon ausgegangen werden könne, dass der Schaden ursächlich bereits vor Beginn des bei der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrages entstanden sein müsse. Demgegenüber kam der von der X-Versicherung beauftragte Gutachter zu der Einschätzung, dass Schadenverlauf und Schadenumfang eindeutig darauf hinwiesen, dass der Schaden allenfalls wenige Monate, u.U. sogar nur Wochen vor der Schadenfeststellung eingetreten sei. In einem selbständigen Beweisverfahren kam der gerichtlich beauftragte Gutachter zu dem Ergebnis, den genauen Schadenzeitpunkt nicht sicher feststellen zu können. Ein Schadeneintritt vor dem 01.07.2003 sei eher unwahrscheinlich, aber aus technischer Sicht nicht auszuschließen. Auch weitere vom Gericht in Auftrag gegebene Gutachten kamen zu dem Ergebnis, eine seriöse Festlegung des Schadenzeitpunktes sei nicht möglich. Im Klageverfahren hat der Kläger ausgeführt, aufgrund einer Anzahl von Umständen und Indizien sei von einem konkreten Schadeneintrittzeitpunkt während der bei der Beklagten bestehenden Gebäudeversicherung, also ab dem 01.07.2003, auszugehen. Die Beklagte habe daher bedingungsgemäß Versicherungsleistungen zur Schadenbeseitigung zu erbringen.

Entscheidung
Das OLG Celle hat mit Urteil vom 10.05.2012 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe auch im Klageverfahren nicht mit dem zu fordernden Beweismaß des Vollbeweises nach § 286 ZPO nachgewiesen, dass der Schaden ab dem 01.07.2003 und damit während des Versicherungszeitraums bei der Beklagten eingetreten sei.

Nach dem Maßstab des § 286 ZPO müsse für das Gericht zur persönlichen Gewissheit feststehen, dass der Versicherungsfall im Versicherungszeitraum bei der Beklagten eingetreten sei. Dass dies „gut möglich“ oder „überwiegend wahrscheinlich“ sei, genüge dabei nicht.

Genau diese Gewissheit sei aber aufgrund der Ergebnisse der Gutachten im Beweisverfahren ebenso wenig zu gewinnen gewesen wie aus den sonstigen Umständen. Auch streite kein Anscheinsbeweis für den Kläger, da sich ein typischer Geschehensablauf im Hinblick auf den Schadeneintritt und -verlauf gerade nicht feststellen lasse.

Schließlich ergäbe sich auch nichts anderes aus Normen des materiellen Rechts. Die hiesige Beklagte wie auch die frühere Wohngebäudeversicherung, die X-Versicherung, hafteten nur alternativ. Lasse sich, wie hier, die Haftung des einen Versicherers nicht feststellen, ergäbe sich daraus nicht zwingend im Umkehrschluss, dass der andere hafte. Spezialgesetzliche Regelungen (z.B. in § 830 Abs. 1 S.2 BGB oder § 252 S.2 BGB) seien auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht anzuwenden. Ein allgemeiner Rechtssatz dergestalt, dass alle diejenigen, die möglicherweise für einen bestimmten Erfolg einzustehen haben, dem Geschädigten haften,es sei denn, sie bewiesen, dass ihre Verantwortung ausscheide, gebe es im Versicherungsrecht aber nicht.

Das Urteil des OLG Celle zeigt, dass selbst bei einem „geglückten“ Versicherungswechsel hieraus erhebliche Risiken bestehen: Aufgrund der abgegrenzten Versicherungszeiträume läuft der VN Gefahr, bei schleichenden oder sich langsam entwickelnden und erst nach und nach zu Tage tretenden Schäden nicht mehr beweisen zu können, in welchen Versicherungzeitraum der Schadenseintritt fällt. Kann er dies nicht beweisen, droht trotz feststehender, generell versicherter Schäden, dass der VN auf seinem Schaden „sitzen bleibt“.

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Allergische Reaktionen als Unfall im Sinne der privaten Unfallversicherung ?

Oberlandesgericht München, Urteil vom 1.3.2012 — Aktenzeichen: 14 U 2523/11

Leitsatz
Bei der versehentlichen bzw. unbewussten Aufnahme von Allergenen in einem Lebensmittel und der dadurch ausgelösten allergischen Reaktion handelt es sich um einen Unfall im Sinne der privaten Unfallversicherung (Leitsatz des Unterzeichners).

Sachverhalt
Ein 15-jähriges, auf Nahrungsmittel allergisches, geistig behindertes Kind verstarb infolge einer allergischen Reaktion nach dem Verzehr von nusshaltiger Schokolade. Die Mutter des Kindes hatte eine private Unfallversicherung abgeschlossen, bei der das Kind mitversichert war. Sie machte gegenüber der Versicherung den Betrag geltend, den die Versicherung für den Fall eines Unfalltodes den gesetzlichen Erben schuldet. Dem Vertrag lagen u. a. die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten zugrunde.

Das Landgericht Memmingen hatte die Klage der Mutter auf die Versicherungssumme abgewiesen. Zur Begründung hatte das Landgericht angeführt, dass die von der Klägerin dargestellte hochallergische Reaktion als Todesursache jedenfalls nicht unter den Unfallbegriff falle. Ein willensgesteuerter normaler Verzehr von Schokolade sei kein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht München hob das landgerichtliche Urteil auf. Es ist der Auffassung, dass das versehentliche bzw. unbewusste Verzehren von Allergenen zusammen mit anderen Nahrungsstoffen im Privatversicherungsrecht einen versicherten Unfall darstellt. Ein versicherter Unfall liegt immer dann vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Hierbei dient das Erfordernis des von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses zur Abgrenzung zu einem inneren Körpervorgang.

Das Oberlandesgericht München urteilte, dass das Merkmal der Unfreiwilligkeit sich lediglich auf die Gesundheitsschädigung und nicht auf die Einwirkung von außen bezieht. Das maßgebliche Ereignis, das die Gesundheitsschädigung unmittelbar auslöste, war das Aufeinandertreffen des Lebensmittels mit der Mundschleimheit des Kindes. Das Lebensmittel wirkte von außen ein. Da die gesundheitsschädigende Einwirkung der Allergene auf den Körper des Kindes unfreiwillig und plötzlich, nämlich unerwartet innerhalb eines kurzen Zeitraums erfolgte, liegt ein Unfallgeschehen im Sinne des § 178 Abs. 2 VVG vor.

Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

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Muss der Unfallversicherer zahlen, wenn sich ein Taxifahrer beim Entladen von schwerem Gepäck verhebt?

OLG Hamm, Beschluss vom 11.02.2011 — Aktenzeichen: I-20 U 151/10

Leitsatz
1. Die Beurteilung, ob eine „erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule“ vorliegt, die unter den erweiterten Unfallbegriff von Nr. 1.4.1. der AUB 2002 fällt, bestimmt sich nach den persönlichen Verhältnissen des Versicherten.

2. Wenn ein Taxifahrer einen etwa 20 kg schweren Koffer aus dem Fahrzeug nehmen möchte, dieser Koffer sich verkantet und wenn dann beim Herausziehen die Bizepssehne des rechten Armes reißt, so fällt dieses Geschehen nicht unter den erweiterten Unfallbegriff von Nr. 1.4.1. AUB 2002.

Sachverhalt
Der Kläger ist Taxifahrer. Er hat Prozesskostenhilfe für eine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Hagen vom 18.08.2010 begehrt.

Mit der zugrundeliegenden Klage hat der Kläger Leistungen aus seiner Unfallversicherung begehrt. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Taxifahrer wollte der Kläger einen etwa 20 kg schweren Koffer aus dem Fahrzeug nehmen. Dieser Koffer hatte sich verkantet und dem Kläger riss beim Herausziehen des Koffers die Bizepssehne des rechten Armes.

Entscheidung
Der 20. Zivilsenat hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufung abgelehnt.

Zur Begründung hat er ausgeführt, das beabsichtigte Rechtsmittel habe keine ausreichende Aussicht auf Erfolg, da bereits kein Anspruch auf Leistung aus der Unfallversicherung vorliege. Bei einem Unfall handelt es sich um ein plötzlich von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis. Ein solches liegt beim Herausnehmen eines Koffers aus einem Fahrzeug nicht vor.

Auch das Vorliegen des „erweiterten Unfallbegriffs“ hat der Senat abgelehnt. Nach diesem gilt es auch als Unfall, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule eine Verletzung des Versicherten eintritt. Der Senat hat festgestellt, dass hierfür auf die individuellen körperlichen Verhältnisse des Versicherten abzustellen ist. Da es sich im vorliegenden Fall bei dem Kläger um einen Taxifahrer handelte, war der verwandte Kraftaufwand noch üblich, da 20 kg Gepäck etwa für Fluggäste häufig üblich ist.

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Kein Deckungsschutz in der privaten Haftpflichtversicherung bei sado-masochistischen Spielen

LG Essen bestätigend OLG Hamm, Beschluss vom 27.04.2011, I-20 U 10/11, Urteil vom 7.12.2010 — Aktenzeichen: 17 O 166/10

Das LG Essen hat mit Urteil vom 07.12.2010 — zwischenzeitlich rechtskräftig — die Klage eines Versicherungsnehmers gegen seine private Haftpflichtversicherung abgewiesen, weil im konkreten Fall kein Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers für Schäden bestand, die der Versicherungsnehmer einer dritten Person im Rahmen von erotischen „Spielchen“ zufügte.

Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Im Frühjahr 2009 hielt sich der Kläger mit der später Geschädigten sowie einem weiteren Bekannten in seiner Wohnung auf. Er schenkte der Geschädigten einen Ledergürtel, den diese sich mit der Bemerkung um den Hals legte, dies sei eine „schöne Kette“. Der Kläger verstand diese Handlung als Aufforderung dazu, den Gürtel leicht zuzuziehen, da es ähnliche Handlungen zwischen den Beteiligten schon häufiger zuvor gegeben hatte. In der Vergangenheit hatte der Kläger beispielsweise zuvor die Geschädigte leicht mit der Hand geschlagen und ihr leichte, schnell vergehende Schmerzen zugefügt, da auch die Geschädigte an derartigen Tätigkeiten Gefallen fand. Der Kläger ließ nach kurzer Zeit den Gürtel dann zunächst wieder los. Nach weiteren 5 Minuten wandte er sich erneut der Geschädigten zu, die auf der Couch saß und den Gürtel immer noch um den Hals liegen hatte. Der Kläger zog die Geschädigte an dem Gürtel von der Couch herunter und führte sie wie einen Hund auf allen Vieren hinter sich her. Hiergegen wehrte sich die Geschädigte nicht. Der ebenfalls vor Ort befindliche Bekannte beobachtete sämtliche dieser Handlungen. Nach einigen Metern brach die Geschädigte zusammen und blieb auf dem Bauch liegen, wovon sowohl der Kläger wie auch der anwesende Zeuge äußerst überrascht waren. Beide hatten zunächst nicht den Eindruck, dass etwas Schlimmes passiert sei. Vielmehr zog der Kläger noch einmal am Gürtel, stellte dann allerdings fest, dass die Geschädigte bewusstlos war. Daraufhin wurde der Gürtel sofort gelockert, und die Geschädigte kam wieder zu Bewusstsein.

Bei dem Vorfall erlitt die Geschädigte nicht unerhebliche Verletzungen. Der Kläger wurde nachfolgend in einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe sowie darüber hinaus zur Zahlung von 2.000,00 € Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren verurteilt.

Mit der Klage verlangte der Kläger nunmehr von seiner privaten Haftpflichtversicherung Deckungsschutz mit dem Ziel, dass die beklagte Haftpflichtversicherung einerseits diejenigen Schadensersatzansprüche der Geschädigten befriedigt, die bereits durchgesetzt waren, und ihm andererseits auch für eine zukünftige Inanspruchnahme durch die Geschädigte oder sonstoge Dritte (Krankenversicherung u.ä.) entsprechende Deckung gewährt.

Die in Anspruch genommene Haftpflichtversicherung setzte dem im Wesentlichen zwei Argumente entgegen: Einerseits liege ein Fall der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sinne des § 103 VVG n. F. bzw. § 152 VVG a. F. mit daraus resultierender Leistungsfreiheit vor. Andererseits berief sich die Versicherung auf die in den Versicherungsbedingungen getroffene Regelung zur Privat-Haftpflichtversicherung, mit folgendem Inhalt:

„Versichert ist
die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als Privatperson
aus den Gefahren des täglichen Lebens — mit Ausnahme der Gefahren
(…) einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung – (…).“

Das Landgericht Essen hat die Klage abgewiesen. Das OLG Hamm hat der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung keine Erfolgsaussichten beigemessen — Hinweisbeschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO -, was letztendlich zur Rücknahme der Berufung durch den klagenden Versicherungsnehmer führte.

Dabei haben übereinstimmend das LG Essen wie auch das OLG Hamm ausgeführt, dass im vorliegenden Fall die beklagte Versicherung deswegen nicht eintrittspflichtig sei, weil sich bei dem Schadensereignis im Ergebnis die Gefahr einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung im Sinne der vorgenannten Versicherungsbedingung verwirklicht habe. Zwar seien die Voraussetzungen dieses Risikoausschlusses nach ständiger Rechtsprechung nicht schon dann erfüllt, wenn die schadensstifende Handlung selbst ungewöhnlich und gefährlich sei. Vielmehr müsse sie im Rahmen einer allgemeinen Betätigung erfolgen, die ihrerseits ungewöhnlich und gefährlich ist und deshalb im erhöhten Maße die Gefahr der Vornahme schadensstifender Handlungen in sich berge. Nach dem Wortlaut setze dieses auch eine — nicht notwendig längere – gewisse Dauer voraus, und zwar insbesondere in Abgrenzung zu einer impulsiven, spontanen Handlung, die keine allgemeine „Betätigung“ sei.

Vorliegend habe aber genau eine solche Beschäftigung im Sinne der Versicherungsbedingungen und des hier vorgesehenen Ausschlusses vorgelegen. Es habe sich nämlich gerade nicht um eine impulsive, spontane Handlung des Klägers gehandelt, da sich auch nach eigenem Vorbringen des Klägers vielmehr das sexuell motivierte „Spiel“ des Zuziehens und Lockerns des Gürtels sowie des Herumführens der Geschädigten an der „Leine“ sich über einen Zeitraum von mehr als 5 Minuten und damit über eine gewisse Dauer hingezogen habe. Darüber hinaus müsse dieses „Spiel“ auch im Zusammenhang mit den vergleichbaren, ebenfalls sexuell motivierten Handlungen zwischen den beiden Beteiligten in der Vergangenheit vor dem hier entscheidenden Schadensereignis gesehen werden, so dass die Geschehnisse vom Schadenstag lediglich als Fortsetzung früherer Handlungen verstanden werden könnten. Die in Rede stehende Beschäftigung sei auch gefährlich, da sich hierdurch das Risiko für einen in der Haftpflichtversicherung allein relevanten Fremdschaden erhöht habe. Denn das Zuziehen eines um den Hals gelegten Gürtels sei objektiv gefährlich, was auf der Hand liege.

Auch das weiterhin erforderliche Merkmal der „Ungewöhnlichkeit“ sei erfüllt. Denn die Grenzen derjenigen Gefahren des täglichen Lebens, für die die beklagte Haftpflichtversicherung einzustehen habe, seien jedenfalls dann erreicht, wenn die fragliche Tätigkeit wegen der mit ihr verbundenen Gefahren von einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer vernünftigerweise nicht mehr ausgeübt würde. Das Herumführen eines auf allen Vieren kriechenden Menschen an einem um den Hals gelegten Gürtel sei — zumindest vom Standpunkt des Durchschnittsbürgers aus betrachtet — sicherlich schon als ungewöhnlich anzusehen. Vor allem aber sei es mit erheblichen Gefahren verbunden, wenn der Gürtel dabei, wie im vorliegenden Fall, immer wieder zum Zwecke der Herbeiführung von Luftnot — sei es auch nur kurzfristig — zugezogen werde. Umso mehr gelte dies, wenn der Kläger die Geschädigte sogar nach eigenem Vorbringen an dem um den Hals gelegten Gürtel regelrecht durch die Wohnung hinter sich hergezogen habe und selbst, als diese schon regungslos am Boden gelegen habe, nochmals zugezogen habe, um sie zum „Weitermachen“ zu ermuntern.

Bezüglich des weiteren Einwandes der Versicherung, nämlich dass der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt worden sei, wies das OLG Hamm in seinem Beschluss darauf hin, dass der Vorsatz sich auch auf die konkreten Folgen des Schadensereignisses beziehen müsse und bedingter Vorsatz vorliegen müsse. Der diesbezügliche Nachweis sei allerdings im vorliegenden Fall nicht erbracht, da dem Kläger nicht nachzuweisen sei, dass er tatsächlich eine Luftnot mit daraus resultierender Bewusstlosigkeit der Geschädigten auch nur billigend in Kauf genommen habe.

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Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls kann zur Leistungsfreiheit führen

BGH, Urteil vom 22.6.2011 — Aktenzeichen: IV ZR 225/10

Der Bundesgerichtshof hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Versicherungsnehmer(VN) einer Vollkaskoversicherung den Versicherungsfall im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit herbeigeführt hatte.

Der BGH hat mit Urteil vom 22.06.2011 entschieden, dass eine Vollkakso-Versicherung nicht eintrittspflichtig ist, wenn der VN grob fahrlässig im Vollrausch — im konkreten Fall hatte der Kläger zum Unfallzeitpunkt eine BAK von 2,70 Promille — einen Unfall herbeiführt.

Zur Begründung führt der BGH aus, dass gem. § 81 Abs.2 VVG in Fällen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer der Versicherer zur Leistungskürzung berechtigt ist in einem der Schwere der Schuld entsprechenden Verhältnis. Dies rechtfertige in besonders krassen Fällen grober Fahrlässsigekit auch eine „Kürzung der Leistung auf Null“.

Bei absoluter Fahruntüchtigkeit, also ab 1,1 Promille, komme in der Vollkaskoversicherung eine solche „Kürzung auf Null“ in Betracht, wobei es immer auf eine Abwägung der Umstände im Einzelfall ankomme.

Über den konkreten Fall der Kaskoversicherung hinaus hat damit der BGH die in den Instanzgerichten wie auch in der Literatur umstrittene Frage beantwortet, ob im Rahmen des § 81 Abs.2 VVG überhaupt eine Kürzung auf Null denkbar ist oder ob — in Abgrenzung zum früheren „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ des § 61 VVG a.F — immer eine Restregulierung bei grober Fahrlässigkeit geschuldet wird: Eine Kürzung auf Null ist keineswegs von vorneherein ausgeschlossen.

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Subjektive Gefahrerhöhung durch Belassen des Fahrzeugscheins im Fahrzeug

OLG Oldenburg, Urteil vom 7.7.2010 — Aktenzeichen: 5 U 153/09

Leitsatz
Der Kfz-Versicherer ist nicht von der Leistung frei, wenn der Fahrzeughalter, dessen Fahrzeug gestohlen wird, den Fahrzeugschein im Fahrzeuginneren aufbewahrt hat (Leitsatz des Unterzeichners).

Sachverhalt
Der Kläger nimmt als Geschäftsführer der Halterin und Eigentümerin eines Lkw-„Pickup“ im Wert von 9.500,00 € die Beklagte als Teilkaskoversicherer des gestohlenen Fahrzeugs in Anspruch. Der Kläger bot das Fahrzeug seit dem 10.06.2008 im Internet zum Verkauf an. Am 25.06.2008 wurde das Fahrzeug vom Grundstück des Klägers entwendet. Der Fahrzeugschein befand sich in einer Mappe im Handschuhfach des Fahrzeugs. Wenige Tage zuvor hatte der Kläger Manipulationen am Zünd- und Türschloss bemerkt. Sowohl Zünd- als auch Türschloss waren noch funktionsfähig.

Die Beklagte lehnte die Leistungen unter anderem mit der Begründung ab, dass das dauernde Belassen des Fahrzeugscheins im Handschuhfach eine subjektive Gefahrerhöhung darstelle, welche zur Leistungsfreiheit des Versicherers führe.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht gab dem Kläger Recht.

Für den Rechtsstreit war das VVG in seiner alten Fassung anwendbar. Das Gericht hat die Leistungspflicht der Beklagten unter anderem damit begründet, dass die Beklagte sich nicht auf eine nachträglich eingetretene Gefahrerhöhung gem. §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG a.F. berufen könne. Eine Gefahrerhöhung wäre gegeben bei einer nachträglichen Änderung der bei Vertragsschluss tatsächlich gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder einer Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht. Die Gefahrerhöhung müsse erheblich sein. Soweit der Kläger den Fahrzeugschein dauerhaft in einer Mappe im Handschuhfach belassen habe, handele es sich lediglich um eine unerhebliche Gefahrerhöhung, die die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls oder der Vergrößerung des Schadens — wenn überhaupt — nur unwesentlich gesteigert habe. Dieses liegt nach der Auffassung des Gerichts auf der Hand, da sich die Geneigtheit eines Täters zum Diebstahl eines Fahrzeugs bei einem von außen nicht sichtbaren Fahrzeugschein nicht steigere.

Auch der vom OLG Celle vertretenen Auffassung der erheblichen Gefahrerhöhung wegen der erleichterten Verwertbarkeit des Fahrzeugs (VersR 2008, 204) trat das Gericht entgegen. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Schengenraums führt das Vorliegen des Fahrzeugscheins nicht zu einer erleichterten Verwertbarkeit des Fahrzeugs. Etwas anderes könne sich lediglich bezüglich des hier nicht im Fahrzeug befindlichen Fahrzeugbriefs ergeben.

Praxistipp
Mit der dargestellten Entscheidung wirkt das Oberlandesgericht der teilweise vertretenen Auffassung, ein im Fahrzug belassener Kfz-Schein führe zur Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Gefahrerhöhung, entgegen. Da von anderen Gerichten die Leistungsfreiheit des Versicherers bei Belassen des Kfz-Scheins im Fahrzeug angenommen wird, empfiehlt es sich, den Kfz-Schein nicht im geparkten Fahrzeug aufzubewahren.

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Mindestens 50 %-tige Leistungsfreiheit des Kaskoversicherers bei Rotlichtverstoß nach LG Münster

LG Münster, Urteil vom 8.9.2009 — Aktenzeichen: 015 O 141/09

Sachverhalt
Im Sommer 2009 verursachte die vollkaskoversicherte Versicherungsnehmerin mit ihrem Pkw eine Kollision auf einer Ampelkreuzung, weil sie das Rotlicht nicht beachtet hatte. Der Kaskoversicherer regulierte in Höhe von 50 %.

Die Versicherungsnehmerin behauptet, das Rotlicht aufgrund der starken Sonnenblendung für ein Grünlicht gehalten zu haben. Außerdem hält sie die Leistungsfreiheitsquote von 50 % für überhöht.

Entscheidung
Dieser Auffassung hat sich das LG Münster mit überzeugenden Gründen nicht angeschlossen und daher die Klage abgewiesen:

Das Einfahren in eine Kreuzung stellt nach ständiger Rechtsprechung ein grob fahrlässiges Handeln dar, wenn der Versicherungsnehmer die Farbe des Lichtsignals nicht erkennen kann. In diesem Fall darf der Versicherungsnehmer gerade nicht „blind“ in den Kreuzungsbereich einfahren.

Von besonderem Interesse sind die Rechtsausführungen der Spezialkammer für Versicherungsrecht zum Quotenmodell des neuen VVG:

Die Kammer folgt insoweit nämlich nicht der u.a. von RiBGH Felsch (R+S 2007, 585) vertretenen Auffassung, nach der grundsätzlich von einem „Einstiegswert“ von 50 % auszugehen sein soll. Nach dieser Meinung wird beiden Parteien die Möglichkeit eröffnet, besondere Umstände des Einzelfalls vorzutragen und zu beweisen, die ggf. zu einer Verschiebung der Quote nach oben oder unten führen.

Die Kammer erachtet es vielmehr für sachgerecht, von einem „Standard-Einstiegswert“ abzusehen und die Bemessung der Quote nach den besonderen Umständen des Einzelfalls ohne „starre Vorgaben“ vorzunehmen, wobei einzelne Quotenstufen von 0 %, 25 %, 50 %, 75 % und 100 % (also Kürzung auf „Null“) für angemessen erachtet werden. Innerhalb dieser Stufen soll dann jeweils unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Quote nach dem Grad des Verschuldens zu bemessen sein.

Die Frage, wer für die Umstände, die ggf. zu einer höheren oder niedrigeren Quote führen sollen, die Beweislast trägt, konnte die Kammer in diesem Fall offen lassen, da sie bei einem Rotlichtverstoß in der vorliegenden Konstellation eine mindestens 50%-ige Leistungsfreiheit (die auch schon der Versicherer zugrunde gelegt hatte) für angemessen hielt. Diese Beurteilung ist bei einem Rotlichtverstoß allgemein nicht zu beanstanden.

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Es empfiehlt sich für den Versicherungsnehmer in der Haftpflichtversicherung nicht, gegenüber dem Geschädigten eine Anerkenntniserklärung abzugeben

Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 20.02.2009 – 11 O 347/08 – (n.r.)

Sachverhalt
Die Antragstellerin war Versicherungsnehmerin der Antragsgegnerin, einem Haftpflichtversicherer.

Die Antragstellerin arbeitete in einer Arztpraxis, die sich auf dem gleichen Grundstück wie das Wohngebäude des Arbeitgebers befand. Aufgrund dessen überwachte sie während der Urlaubsabwesenheit ihres Arbeitgebers auch die Säuredosierungsanlage für den auf dem Grundstück befindlichen Koiteich. Aufgrund ihrer fehlerhaften Bedienung dieser Anlage verendeten sämtliche Kois.

Neun Tage nach Eintritt des Schadenfalles gab sie ihrem Arbeitgeber gegenüber folgende Erklärung ab: „Hiermit erkenne ich die Schuld an, den Koischaden, durch Verwechselung der Steckdosen für die Säuredosieranlage, verursacht zu haben.“ Diese Erklärung trug die Überschrift „Koischaden Schuldanerkenntnis“ und nahm Bezug auf die von dem geschädigten Arbeitgeber erstellte Verlustliste, die einen Gesamtschaden von rd. 30.000,- € aufgrund der verendeten Kois aufwies.

Die Antragsgegnerin als Haftpflichtversicherer berief sich u.a. auf das Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot nach § 5 Nr. 5, 6 AHB und lehnte ihre Eintrittspflicht ab.

Entscheidung
Zu Recht — wie das Landgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 20.02.2009 entschieden hat:

Dieser Beschluss befasst sich insbesondere mit der Abgrenzung zwischen Anerkenntniserklärungen bei Haftpflichtfällen und sogenannten Spontanerklärungen von Beteiligten am Unfallort bei Kfz-Unfällen. Letztere werden nämlich regelmäßig als „unüberlegte Beruhigung“ des Unfallgegners ohne Rechtsbindungswillen eingestuft (vgl. Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 7. Aufl., § 7 AKB Rn. 171).

Nach – zutreffender – Auffassung des Landgerichts Düsseldorf liegt der zu entscheidende Fall jedoch anders:

Die Antragstellerin hat ihre Erklärung nämlich nicht in der ersten „Aufregung“ nach Eintritt des Schadenereignisses abgegeben, sondern erst neun Tage später. Sie besaß damit mehrere Tage Bedenkzeit und hat nicht unüberlegt gehandelt, sondern vielmehr erkannt, dass sie mit ihrer Unterschrift eine rechtlich bindende Erklärung über ihre Ersatzpflicht abgab. Damit liegt eine Verletzung der Obliegenheit vor, keine Anerkenntniserklärung ohne Zustimmung des Versicherers abzugeben.

Nach § 5 Nr. 5, 6 AHB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG a.F. ist der Haftpflichtversicherer damit nicht (mehr) eintrittspflichtig.

Hätte sich der Versicherungsfall dagegen bei einem ab dem 01.01.2008 abgeschlossenen Neuvertrag oder – bei einem Altvertrag – im Jahr 2009 ereignet, hätte das Anerkenntnis– und Befriedigungsverbot nach dem reformierten VVG nicht gegolten. Nach § 105 VVG n.F. sind derartige Vereinbarungen nunmehr unwirksam. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Versicherer durch ein etwaiges Anerkenntnis des Versicherungsnehmers im Rahmen des Deckungsverhältnisses nur insoweit mit dem Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers belastet wird, wie der Anspruch des Dritten tatsächlich besteht. Darüber hinausgehende Zusagen des Versicherungsnehmers stellen im Verhältnis zum Versicherer einen unzulässigen Vertrag zugunsten Dritter dar und haben damit zur Folge, dass der Versicherungsnehmer diese Differenz selbst tragen muss.

Dem haftpflichtversicherten Versicherungsnehmer ist daher weiterhin nicht zu empfehlen, den Haftpflichtanspruch eines Dritten ohne Absprache mit dem Versicherer anzuerkennen oder gar zu erfüllen, selbst wenn es sich hierbei um einen „Bekannten“ handelt. Er verliert hierdurch nämlich in jedem Fall den mitversicherten Anspruch zur Abwehr unbegründeter Schadensersatzforderungen und hat zudem gegenüber dem Versicherer den in der Praxis oft schwierigen Beweis zu führen, dass der anerkannte Anspruch tatsächlich in voller Höhe berechtigt war.

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Zuständiges Gericht bei Klagen des Versicherungsnehmers gegen seine Versicherung (§ 215 VVG-2008)

OLG Saarbrücken – Beschluss vom 23.09.2008 — Aktenzeichen: 5 W 220/08-83

Durch das seit dem 01.01.2008 neu geregelte VVG ist mit § 215 Abs.1 VVG-2008 eine neue örtliche Zuständigkeit für Klagen des Versicherungsnehmers (VN) gegen seine Versicherung oder auch gegen Versicherungsvermittler begründet worden: Die Klage kann auch am für den Wohnsitz des VN zuständigen Gericht erhoben werden.

Das OLG Saarbrücken hat durch Beschluss vom 23.09.2008 klargestellt, dass diese Regelung für alle ab dem Jahre 2008 erhobenen Klagen gilt.

Dies gilt vor allem auch, wenn die ab dem 01.01.2008 erhobene Klage einen Vertrag betrifft, der vor Inkrafttreten des neuen VVG, also bis zum 31.12.2007, abgeschlossen wurde (sog. Altverträge).

In der Literatur wurde teilweise unter Hinweis auf die Übergangsregelungen zum VVG (hier: Art. 1 Abs.1 EGVVG) die Ansicht vetreten, Klagen aus bzw. wegen Altverträgen könnten (nur) bei den nach der bis zum 31.12.2007 geltenden Rechtslage zuständigen Gerichten (Gericht am Sitz der Versicherung oder u.U. am Sitz eines Agenten, der den Vertrag vermittelt oder abgeschlossen hat) anhängig gemacht werden.

Dieser Auffassung stellt sich das OLG Saarbrücken entgegen: Die Übergangsregelungen betreffen — so das OLG — nur die Frage, welches Recht für die Beurteilung der rechtlichen Beziehungen zwischen VN und Versicherung Anwendung findet. Die Zuständigkeitsregelungen des alten und neuen VVG (§ 48 VVG a.F. bzw. § 215 VVG-2008)beträfen indes nicht diese rechtlichen Beziehungen aus dem Vertrag.

Danach kann jede Klage eines VN ab dem 01.01.2008 gegen seine Versicherung bei dem für den Wohnsitz des VN örtlich zuständigen Gericht anhängig gemacht werden. Der frühere Gerichtsstand des § 48 VVG a.F. findet für solche Klagen keine Anwendung mehr.

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Kfz-Haftpflichtversicherung

BGH, Urteil vom 25.6.2008 — Aktenzeichen: IV ZR 313/06

Das auf den ersten Blick eher unscheinbare Urteil des BGH vom 25.06.2008 kann zukünftig für „innerfamiliäre“ Unfälle einige Schwierigkeiten nach sich ziehen.

Der Sachverhalt: Der Kläger war Halter zweier Kraftfahrzeuge (eines Golfs und eines Mini Coopers), für die er als VN Kfz-Haftpflichtversicherungsverträge bei der beklagten Versicherungsgesellschaft abgeschlossen hatte. Eines der Fahrzeuge, der VW Golf, stand im Eigentum seiner Ehefrau. Als Fahrerin ihres Fahrzeugs stieß die Ehefrau auf dem Hofgelände der Eheleute gegen den Mini Cooper ihres Ehemanns, das zweite versicherte Fahrzeug. Hierbei entstand ein Sachschaden.

Der Kläger verlangte nunmehr von seiner eigenen Versicherung diesen Schaden ersetzt mit der Begründung, er sei — wie jeder andere Unfallgeschädigte — als „Dritter“ ersatzberechtigt. Die Versicherung lehnte Regulierungen ab. Sie berief sich auf die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Kraftfahrtversicherung (AKB) verankerte Regelung des § 11 Nr.2 AKB, wonach Haftpflichtansprüche des Versicherunngsnehmers, Halters oder Eigentümers gegen mitversicherte Personen wegen Sach- oder Vermögensschäden von der Versicherung ausgeschlossen sind.

Der BGH hat klargestellt, dass in einer derartigen Konstellation wegen der Sach- und Vermögensschäden dem Kläger keine Ansprüche gegen die eigene Versicherung zustehen.

Grundsätzlich käme als Grundlage eines Direktanspruchs des Klägers nur § 3 Nr.1 PflVG in Betracht, der voraussetze, dass eine „Dritter“ geschädigt sei. Als Partei des Versicherungsvertrages – auch des unfallverursachenden PKW Golf — sei der Kläger aber nicht „Dritter“ in diesem Sinne. Vielmehr greife der Leistungsausschluss des § 11 Nr. 2 AKB.

Dieser regele nach seinem Wortlaut eindeutig, dass kein Anspruch auf Ersatz von Sach- und Vermögensschäden bestehe, die dem Kläger durch eine mitversicherte Person — diese werden in § 10 Abs. 2 AKB im einzelnen aufgezählt — entstehen.

Der Kläger hatte argumentiert, der Ausschluss solle sich nur auf Schäden an Fahrzeugen beschränken, bei denen der Schädiger mitversicherte Person sei. Diese Interpretation hält der BGH für fernliegend und weist drauf hin, dass gerade in der Kfz-Haftpflichtversicherugngenerel der VN davon ausgehe, dass diese Versicherung Dritte schützt, nicht hingegen den VN selbst, der einen solchen Schutz vielmehr in der Kaskoversicherung sieht.

Der BGH stellt allerdings gleichzeitig auch klar, dass dann etwas anderes gilt, wenn der VN durch eine mitversicherte Person einen Personenschaden erleidet ( so schon BGH VersR 1986, 1010).

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