Wann trifft einen Versicherungsmakler im Beratungsgespräch eine Pflicht zur Nachfrage?

OLG Köln, Urteil vom 25.6.2013 — Aktenzeichen: 20 U 246/12

Leitsatz
Das OLG Köln musste sich mit der Frage beschäftigen, ob einen Versicherungsmakler in einem Beratungsgespräch eine Pflicht zur Nachfrage trifft, wenn der Kunde auf die Frage nach Erkrankungen in den letzten drei Jahren angibt, vor langer Zeit einmal eine Erkrankung gehabt zu haben.

Sachverhalt
Die Klägerin und der Beklagte, ein Versicherungsmakler, erörterten in einem Gespräch einen Wechsel der Klägerin von ihrem bisherigen privaten Krankenversicherer zu einem anderen. Die Klägerin hat behauptet, gegenüber dem Beklagten zahlreiche Vorerkrankungen angegeben zu haben. Der Beklagte hat erklärt, auf die Frage nach Erkrankungen in den letzten drei Jahren habe die Klägerin lediglich angegeben, einmal vor langer Zeit eine konkrete Erkrankung gehabt zu haben, sie sei beschwerdefrei und benötige keine Medikamente. Auf die Frage nach Arztbesuchen habe die Klägerin angegeben, es hätten allenfalls Routineuntersuchungen stattgefunden. Der Beklagte nahm keine Erkrankungen in das Antragsformular des neuen privaten Krankenversicherers auf. Die Klägerin unterschrieb sowohl das Antragsformular als auch ein Beratungsprotokoll, aus dem sich ergibt, dass sie sämtliche Fragen nach bestem Wissen sorgfältig und vollständig beantworten muss.

Nach Zustandekommen des neuen privaten Krankenversicherungsvertrags der Klägerin stellten sich Vorerkrankungen der Klägerin heraus. Der Krankenversicherer kündigte den Vertrag. Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, so gestellt zu werden, als ob der Versicherungsvertrag nicht gekündigt worden wäre.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat den Vortrag des Beklagten als wahr unterstellt. Von der Klägerin behauptete Pflichtverletzungen hat es nicht für bewiesen gehalten. Soweit der Beklagte zugestanden hat, dass die Klägerin in dem Gespräch eine konkrete Erkrankung ansprach, kann zu Lasten der Klägerin nur davon ausgegangen werden, dass sie als sehr lange zurückliegend geschildert worden ist. Da der Beklagte ausdrücklich nach Erkrankungen in den letzten drei Jahren fragte, traf ihn auch keine Pflicht, nachzufragen, wann genau die konkrete Erkrankung auftrat. Er durfte davon ausgehen, dass sie außerhalb des abgefragten Zeitraums lag.

Praxishinweis
Im vorliegenden Fall zeigt sich, wie wichtig es für Versicherungsmakler ist, jeweils eine Beratungsdokumentation zu erstellen. In der Beratungsdokumentation sind die Eckpunkte der Beratung festzuhalten. Mit der Beratungsdokumentation lässt sich im Nachhinein die ordnungsgemäße Beratung des Kunden beweisen.

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Liegt Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankentaggeldversicherung vor, wenn der Versicherte zu einzelnen Tätigkeiten noch in der Lage ist?

BGH, Urteil vom 3.4.2013 — Aktenzeichen: IV ZR 239/11

Leitsatz
1. Arbeitsunfähigkeit i. S. von § 1 Abs. 3 S. 1 MB/KT 2009 entfällt nicht, wenn der Versicherte lediglich zu einzelnen Tätigkeiten in der Lage ist, die im Rahmen seiner Berufstätigkeit zwar auch anfallen, isoliert aber keinen Sinn ergeben.

2. Arbeitsunfähigkeit eines Rechtsanwalts ist gegeben, wenn diesem die Fähigkeit zur umfassenden Bearbeitung der übernommenen Mandate und Vertretung des Mandanten fehlt.

Sachverhalt
Der Kläger, von Beruf Rechtsanwalt, machte Leistungsansprüche aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Krankentagegeldversicherung für einen Zeitraum von ca. einem Jahr geltend. Der Versicherung lagen soweit hier entscheidend, die MB/KT 2009 zugrunde. Aufgrund eines leichten Schlaganfalls mit der Folge einer Lesestörung (Dyslexie) war der Kläger ab dem 23.08.2006 arbeitsunfähig. Die Beklagte, die zunächst daraufhin das vereinbarte Krankentagegeld zahlte, stellt dieses indes ein mit der Behauptung, das Versicherungsverhältnis sei durch den Eintritt von Berufsunfähigkeit des Klägers beendet worden. Insoweit hatte der Kläger in einem Vorverfahren des jetzigen Rechtsstreits erreicht, dass die Beklagte rechtskräftig zur Zahlung von Krankentagegeld bis einschließlich 27.02.2009 verurteilt worden war. Die Beklagte nahm nach diesem Urteil die Zahlungen wieder auf, kündigte aber mit Schreiben vom 01.03.2010 erneut die Einstellungen der Zahlungen an, weil nunmehr Berufsunfähigkeit vorliege. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Zahlung von Krankentagegeld über den Einstellungszeitpunkt hinaus.

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Das danach angerufene Berufungsgericht, das Oberlandesgericht (OLG), hatte die Klage abgewiesen. Dabei hatte das OLG die Frage offen gelassen, ob beim Kläger inzwischen Berufsunfähigkeit eingetreten war. Das OLG stützte vielmehr die Abweisung der Klage auf die Begründung, es fehle bereits an einem Versicherungsfall im Sinne von § 1 Nr. 2 MB/KT. Denn innerhalb des insoweit entscheidenden Zeitraumes habe keine andauernde Arbeitsunfähigkeit mehr vorgelegen. Der Kläger habe seiner Berufstätigkeit jedenfalls in einem geringen Umfang wieder nachgehen können. Bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit bestehe indes nach § 1 Nr. 3 MB/KT nur bei „vollständiger“ Arbeitsunfähigkeit, bereits der Wiedereintritt auch nur teilweiser Arbeitsfähigkeit lasse die Leistungspflicht des Versicherers vollständig entfallen. Da dem Kläger das Lesen von Texten nach dem in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachten nicht unmöglich, sondern nur mit größerem Zeitaufwand verbunden sei, alle anderen Anwaltstätigkeiten (Mandantengespräche, Diktate, Auftreten vor Gericht) keinen Einschränkungen unterlägen, sei insoweit von einer teilweisen Arbeitsfähigkeit auszugehen. Ebenfalls sei der Kläger in der Lage, die für einen Fachanwalt notwendigen Fortbildungen wahrzunehmen, wodurch gleichzeitig auch das Argument des Klägers entkräftet werde, dass er sich bei Übernahme eines Mandats unkalkulierbaren Haftungsrisiken aussetze.

Gegen dieses Berufungsurteil wandte sich der Kläger mit der Revision, mit der die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidung
Der BGH hat auf die Revision des Klägers hin das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Zur Begründung führt der BGH aus, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts dessen Annahme einer teilweise gegebenen Arbeitsfähigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu tragen vermögen.

Zwar gehe das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass bereits eine nur zum Teil gegebene Arbeitsfähigkeit genüge, um den Anspruch auf Krankentagegeld auszuschließen. Diese setze allerdings voraus, dass der Versicherungsnehmer in der Lage sei, den ausgeübten Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung mind. teilweise nachzugehen (vgl. BGH VersR 1993, 297). Entgegen der Auffassung des Gerichts genüge es allerdings nicht, dass der Versicherte lediglich zu einzelnen Tätigkeiten in der Lage sei, die im Rahmen seiner Berufstätigkeit zwar auch anfielen, isoliert aber keinen Sinn ergäben. Dementsprechend sei es ausgeschlossen, bei einem selbstständig tätigen Rechtsanwalt, der eigenständig Mandate bearbeite, nur auf einen Ausschnitt der dabei anfallenden Aufgaben, wie z. B. das „Führen von Mandantengesprächen“, abzustellen. Vielmehr stelle die Fähigkeit zum flüssigen Lesen und Durcharbeiten von Texten regelmäßig eine Grundvoraussetzung für das Ausüben des juristischen Berufs dar; für den Beruf des Rechtsanwalts sei eine weitgehend erhaltene Lesefähigkeit aus vielerlei, im Einzelnen im Urteil dazu vom BGH aufgegriffenen Gründen unabdingbar. Nur so sei für den Rechtsanwalt — möge auch eine Übernahme von Mandaten in nur reduziertem Umfang nötig sein — die Fähigkeit zur umfassenden Bearbeitung solcher übernommenen Mandate und Vertretung des Mandanten gegeben. Ob der Kläger wieder in der Lage sei, die Anforderungen zu erfüllen, die nach den insoweit vom BGH entwickelten Grundsätzen an die anwaltliche Tätigkeit zu stellen seien, und damit dem Kläger die Wiederaufnahme seiner durch ein komplexes Berufsbild gekennzeichneten Berufstätigkeit möglich sei, habe das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dementsprechend müsse dieser Frage im fortgesetzten Verfahren durch das Berufungsgericht nachgegangen werden.

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass bei der Bewertung der Frage, ob konkret in Bezug auf eine versicherte Person „Arbeitsunfähigkeit“ im Sinne der MB/KT vorliegt, nicht lediglich auf untergeordnete Einzeltätigkeiten, die u. U. wieder möglich sind, abzustellen ist, sondern vielmehr auf das Gesamtberufsbild und dessen sinnvolle Ausübung.

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Zu den Voraussetzungen der ärztlichen Invaliditätsfeststellung in der privaten Unfallversicherung

OLG Koblenz, Urteil vom 18.11.2011 — Aktenzeichen: 10 U 230/11

Das OLG Koblenz hat mit Urteil vom 18.11.2011 klargestellt, dass in Fällen, in denen die Vertragsparteien einer privaten Unfallversicherung (PUV) in den besonderen Bedingungen der Unfallversicherung eine Erweiterung des Versicherungsschutzes in Form einer zusätzlichen Unfallrente ab einem Invaliditätsgrad von 50 % vereinbaren, auch für diesen Anspruch die Fristen zum Invaliditätseintritt und zur ärztlichen Invaliditätsfeststellung der Grundversicherungsbedingungen Geltung finden. Darüber hinaus hat das Gericht klargestellt, dass der Bericht eines Neuropsychologen nicht die Voraussetzungen einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung erfüllt, weil ein Neuropsychologe kein Arzt ist.

Hintergrund für den Rechtsstreit war eine private Unfallversicherung, im Rahmen derer die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) 94 vereinbart waren. Gem. § 7 Nr. I (1) Abs. 2 AUB war Voraussetzung für einen Anspruch des dort klagenden Versicherungsnehmers auf Versicherungsleistung, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellt worden sein musste. In dem konkreten Versicherungsvertrag waren zwischen den beteiligten Parteien darüber hinaus weitere „Besondere Bedingungen für die Versicherung einer monatlichen Unfallrente bei einem Invaliditätsgrad ab 50 %“ vereinbart. Durch diese besonderen Bedingungen wurde § 7 Nr. I AUB 94 im konkreten Fall dahingehend erweitert, dass dann, wenn der Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit des Versicherten von mind. 50 % führte, unabhängig vom Lebensalter des Versicherten zusätzlich die im Versicherungsschein festgelegte Unfallrente gezahlt werden sollte.

Da mit dieser besonderen Bedingung nur eine Erweiterung der Regelungen des § 7 Nr. 1 AUB 94 erfolgen sollte, sind — so das OLG Koblenz — die hierin vorgesehenen formellen Voraussetzungen für eine Invaliditätsleistung (Eintritt der Invalidität von 12 Monaten und ärztliche Feststellung innerhalb von 15 Monaten) auch einschlägig, soweit es um Invaliditätsleistungen in Form einer Rente ging.

Soweit der Kläger eine Bescheinigung einer psychologischen Psycho- und Verhaltenstherapeutin und Neuropsychologin, die innerhalb der relevanten Frist erstellt worden sei, vorgelegt habe, stelle diese Bescheinigung im Übrigen keine den Anforderungen des § 7 Nr. I AUB 94 gerecht werdende „ärztliche Invaliditätsfeststellung“ dar. Zum einen enthielten nämlich die dortigen Ausführungen nicht die konkrete Feststellung, dass der Unfall des Klägers für bestimmte, bei ihm eingetretene dauerhaften Folgen ursächlich sei.

Zum anderen fehle es aber auch an einer „ärztlichen“ Feststellung, weil die dort attestierende Neuropsychologin gerade keine Ärztin sei.

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Kasko: MwSt bei Leasing-Kfz

OLG Hamm, Urteil vom 1.2.2013 — Aktenzeichen: I-20 U 207/11

Entscheidung
Hat der Leasingnehmer für das geleaste Fahrzeug eine Kraftfahrzeugvollkaskoversicherung abgeschlossen, kommt es bei einem Totalschaden des Fahrzeugs für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer allein auf die Verhältnisse des Leasinggebers (hier: der zum Vorsteuerabzug berechtigten Gesellschaft) an. Dieses Ergebnis bedarf für den Leasingnehmer auch unter Billigkeitsgesichtspunkten keiner Korrektur, da die Versicherungswirtschaft (so auch im konkreten Fall) speziell für Leasingfahrzeuge gegen einen — in der Regel geringen — Aufpreis eine sog. GAP-Versicherung anbietet, mit der die Finanzierungslücke zwischen dem bedingungsgemäß zu erstattenden Wiederbeschaffungswert und dem Abrechnungsbetrag, wie er sich aus dem Leasingvertrag ergibt, geschlossen werden kann.

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Kasko: Kausalitätsgegenbeweis bei Unfallflucht

OLG Naumburg, Urteil vom 21.6.2012 — Aktenzeichen: 4 U 85/11

Leitsatz
Verlässt der Versicherungsnehmer entgegen seiner Aufklärungsobliegenheit unerlaubt den Unfallort, geht dies regelmäßig mit konkreten Feststellungsnachteilen für den Versicherer einher, die einen Kausalitätsgegennachweis aus § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG unmöglich machen und damit entsprechend § 28 Abs 2 Satz 1 VVG zum Verlust des Vollkaskoschutzes führen.

Sachverhalt
Am 10. Juli 2010 kam es mit dem Fahrzeug des Klägers, der bei der Beklagten kaskoversichert war, im Bereich einer Baustelle gegen 07:20 Uhr zu einem Unfall, bei dem nicht nur erheblicher Schaden am Pkw entstand, sondern auch mehrere Bauzaunfelder beschädigt wurden. Unmittelbar anschließend, ohne dass irgendwelche Feststellungen zum Unfall getroffen wurden, verließ der Fahrer des Pkw die Unfallstelle und stellte das beschädigte Fahrzeug mehrere hundert Meter weiter ab. Der Kläger hat behauptet, er sei Führer des Pkw gewesen und habe lediglich aus Unachtsamkeit, ohne unter Alkohol- oder Drogeneinfluss zu stehen, den Unfall verursacht. Anschließend sei er verstört gewesen, habe den Ort deshalb unüberlegt verlassen.

Entscheidung
Nach Ansicht des OLG sind bei einer Unfallflucht zugunsten des Versicherungsnehmers kaum noch Möglichkeiten zur Führung des Kausalitätsgegenbeweises eröffnet. Schon dann, wenn — wie in der Regel — nicht mehr feststellbar sei, ob weitere Leistungsverweigerungsgründe (Obliegenheitsverletzungen) in Frage kommen, sei der Gegenbeweis wegen konkreter Feststellungsnachteile ausgeschlossen:

Der Kausalitätsgegenbeweis sei bei Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit erst dann erbracht, wenn feststehe, dass dem Versicherer hierdurch keine Feststellungsnachteile erwachsen sind. Bleibe dies unklar und in der Schwebe, sei der Versicherungsnehmer beweisfällig und der Versicherer nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei. Bereits das unerlaubte Entfernen des angeblichen Fahrers von der Unfallstelle führe in diesem Sinne zu konkreten Feststellungsnachteilen beim Versichrer, welche sich auch durch spätere Angaben nicht mehr kompensieren ließen. So waren konkret keine Feststellungen mehr möglich zu einer möglichen Alkoholisierung oder Drogenbeeinträchtigung des Fahrers, die gegebenenfalls aufgrund des entsprechenden Verbots in D.2.1 nach der Regelung in D.3.1 Satz 1 und 2 AKB 2008 zum Wegfall des Versicherungsschutzes oder zu einer Leistungskürzung hätten führen können. Da der Kläger jedoch, aus welchem Grunde immer, erst am Folgetag auf der Polizeidienststelle erschienen sei, waren derartige Feststellungen, etwa mittels einer aussagekräftigen Blutprobe, nicht mehr möglich.

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Kein Kausalitätsgegenbeweis bei Unfallflucht

OLG Naumburg, Urteil vom 21.6.2012 — Aktenzeichen: 4 U 85/11

Das OLG Naumburg hat mit Urteil vom 21.06.2012 klargestellt, dass einem Versicherungsnehmer (VN) in der Kaskoversicherung nach einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort keine Möglichkeit eröffnet ist, den Kausalitätsgegenbeweis im Hinblick auf eine Obliegenheitsverletzung zu erbringen.

Sind nach einem Unfall Feststellungen zum Fahrer des Kfz und zu seiner Alkoholisierung oder Drogenbeeinflussung aufgrund unerlaubten Entfernens vom Unfallort nicht mehr möglich, kann der Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 S. 1 VVG nicht geführt werden. Denn der Nachweis fehlender Ursächlichkeit ist — so das OLG Naumburg weiter — bei Verletzung einer Aufklärungspflicht erst dann erbracht, wenn feststeht, dass dem Versicherer (= VR) hierduch keine Feststellungsnachteile erwachsen sind. Bleibt dies unklar und in der Schwebe, ist der VN beweisfällig und der VR nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei. Denn bereits das unerlaubte Entfernen von der Unfallstelle führt schon zu konkreten Feststellungsnachteilen, die durch spätere Angaben des VN nicht mehr zu kompensieren sind.

Am Rande weist das OLG Naumbrg weiter darauf hin, dass in derartigen Konstellationen keine Belehrung gem. § 28 Abs. 4 VVG hinsichtlich der Folgen einer Obliegenheitsverletzung Voraussetzung für eine Leistungsfreiheit ist, da es sich bei dem notwendigen Verbleiben an der Unfallstelle um eine spontan vom VN nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Obliegenheit handelt.

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Private Unfallversicherung – Wirksamkeit der Fristenregelung in Ziffer 2.1.1.1. AUB

BGH, Urteil vom 20.6.2012 — Aktenzeichen: IV ZR 39/11

In der Privaten Unfallversicherung wird seit Jahrzehnten in den Versicherungsbedingungen als Voraussetzung eines Anspruchs auf eine vereinbarte Invaliditätsleistung die Wahrung der sog. 15-Monatsfrist zur Geltendmachung und ärztlichen Feststellung einer Invalidität definiert (§ 7 AUB 88, § 7 AUB 94, Ziffer 2.1.1.1. AUB 1999 — AUB 2008)

Ausgangspunkt der jetzigen Entscheidung des BGH war die im Schrifttum und der Rechtsprechung umstrittene Frage, ob infolge der Neugestaltung der AUB die nunmehr in Ziffer 2.1.1.1 AUB n.F. enthaltene Fristenregelung wegen Verstoßes gegen § 307 BGB und insbesondere gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs.1 S.2 BGB) unwirksam sei, obschon sie inhaltlich mit den vorangehenden Regelungen in § 7 AUB 88 bzw. § 7 AUB 94 identisch war.

Das OLG Hamm ging — allerdings lediglich in einem obiter dictum – von einer Unwirksamkeit dieser Regelung aus (vgl.: OLG Hamm r+s 2008, 124) und schloss sich damit einer nicht unerheblichen Meinung im Schrifttum (vgl.: Knappmann in Prölls/Martin, VVG, 28. Aufl., AUB 2008, Nr. 2, Rn.8; Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 179 Rn. 21; Schubach in Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung, Ziffer 2.1., Rn. 28) an, während andere Obergerichte die Klausel für wirksam hielten (OLG Düsseldorf r+s 2009, 424; OLG Düsseldorf r+s 2007, 256; OLG Köln r+s 2010, 525; OLG Karlsruhe r+s 2009, 425; OLG Celle zfs 2009, 34).

Mit seinem jetzigen Urteil hat der BGH die letztgenannte Auffassung bestätigt: Die Fristenregelung in den AUB ist wirksam.

Der BGH stellt fest, dass Ziffer 2.1.1.1. AUB n.F. weder mit Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar sei, noch wesentliche, sich aus der Natur der Unfallversicherung ergebende Rechte oder Pflichten so einschränke, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet sei (so bereits der BGH zu den früheren, inhaltlich identischen Regelungen in § 7 AUB 88 und § 7 AUB 94: BGH r+s 1998, 79; BGH r+s 2005, 257).

Die Regelung in Ziffer 2.1.1.1. AUB sei auch nicht intransparent.

Das Transparenzgebot verlange vom Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, dass die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar dargestellt seien und die Klauseln darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lasse, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne (BGH VersR 2007, 1690; BGHZ 136, 394, 401). Eine Regelung sei auch dann intransparent, wenn sie etwa an verschiedenen Stellen in den Bedingungen niedergelegt sei, die nur schwer miteinander in Zusammenhang zu bringen seien, oder wenn der Regelungsgehalt auf andere Weise durch die Verteilung auf mehrere Stellen verdunkelt werde.

Diesem Prüfungsmaßstab halte die streitige Regelung stand. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Fristenregelung getrennt von den in Nr. 7 AUB geregelten Obliegenheiten den Bestimmungen über den Umfang der Versicherung in Nr. 2 AUB zugeordnet worden sei. Bei der Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität und Geltendmachung handele es sich um eine Anspruchsvoraussetzung (BGH VersR 2007, 1114). Systematisch gehöre sie damit nicht zu den Obliegenheiten.

Der Blick auf diese Anspruchsvoraussetzung werde dem durchschnittlichen VN durch die den einzelnen Klauseln vorangestellte Inhaltsübersicht nicht verstellt. Vielmehr könne er es sich in keinem Falle ersparen, die Regelungen über den Versicherungsumfang zu lesen, wenn er einen Anspruch auf Invaliditätsentschädigung geltend machen wolle. Der VN, der sich anhand des Inhaltsverzeichnisses eingangs der Bedingungen orientiere, werde sich nach den dort enthaltenen Überschriften zum Versicherungsumfang, von denen eine „2.1 Invaliditätsleistung“ laute, im Falle von unfallbedingter Invalidität im Text der Nr. 2.1 darüber informieren, welche Ansprüche ihm in diesem Fall zustehen. Dabei werde er unmittelbar nach der Überschrift „Invaliditätsleistung“ auf die weitere Überschrift „Voraussetzungen für die Leistung“ stoßen, auch wenn diese im Inhaltsverzeichnis nicht genannt sei. Er werde daran anschließend die Fristenregelung und deren Inhalt zur Kenntnis nehmen. Dem VN, der sich nach Eintritt der Invalidität über seinen Versicherungsschutz anhand der Versicherungsbedingungen unterrichte, könne bei verständiger Lektüre auch der Inhaltsübersicht nicht verborgen bleiben, dass der Versicherungsumfang im ersten Abschnitt getrennt von den Obliegenheiten geregelt sei.

Durch dieses Urteil sind damit die bisherigen Unstimmigkeiten in der Wertung der Obergerichte beseitigt.

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BGH: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort und Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung

BGH, Urteil vom 21.11.2012 — Aktenzeichen: IV ZR 97/11

Leitsatz
Ein Verstoß gegen § 142 Abs. 2 StGB (nicht unverzügliche Ermöglichung nachträglicher Feststellungen nach zunächst erlaubtem Entfernen vom Unfallort) stellt nicht in jedem Falle zugleich eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gegenüber dem Fahrzeugversicherer dar, die zu dessen Leistungsfreiheit führt.

Sachverhalt
Der Kläger erlitt mit seinem bei der Beklagten kaskoversicherten Fahrzeug gegen 1 Uhr morgens einen Unfall, als er – nach seiner Behauptung bei einem Ausweichmanöver wegen auf der Straße stehender Rehe – auf einer Landstraße in einer Rechtskurve nach links von der Fahrbahn abkam und mit dem Fahrzeugheck gegen einen dadurch beschädigten Baum prallte. Nach dem Unfall verständigte er den ADAC, der das Fahrzeug abschleppte, und ließ sich von einem herbeigerufenen Bekannten an der Unfallstelle abholen. Die Polizei und den Geschädigten (das für den Baum zuständige Straßenbauamt) verständigte er nicht. Ein gegen ihn eingeleitetes Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde später eingestellt.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Regulierung des Schadens an seinem Fahrzeug. Die Beklagte lehnte die Regulierung wegen der Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten (hier E.1.3. AKB 2008) durch unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ab. Hiergegen wendete sich die Revision des Klägers.

Entscheidung
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die Aufklärungsobliegenheit stets verletzt sei, wenn der Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verwirklicht werde. Das gelte auch in den Fällen des § 142 Abs. 2 StGB, gegen den der Kläger verstoßen habe.

Der BGH hat einen solchen Automatismus verneint. Er hat entschieden, dass dem Aufklärungsinteresse des Versicherers trotz eines Verstoßes gegen § 142 Abs. 2 StGB dann in ausreichender Weise genügt ist, wenn der Versicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, in dem eine nachträgliche Information des Geschädigten noch „unverzüglich“ im Sinne von § 142 Abs. 2 StGB gewesen wäre und eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift vermieden hätte, zwar nicht den Geschädigten, aber unmittelbar seinen Versicherer oder dessen Agenten informiert hat. Dies hatte der Kläger behauptet. Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur Aufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

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Nebenintervention des Haftpflichtversicherers bei Manipulationsverdacht

BGH – Beschluss vom 29.11.2011 — Aktenzeichen: BGH VI ZR 201/10

Immer wieder kommt es vor, dass der wegen eines Unfallereignisses neben seinem Versicherungsnehmer (VN) in Anspruch genommene Kfz-Haftpflichtversicherer den Verdacht hat, es handele sich um ein manipulierts Unfallereignis. In diesen Fällen ist der Versicherer (VR) allerdings gehindert, eine Abwehr der klageweise gegen den VN und den VR gleichzeitig geltend gemachten Ansprüche dadurch herbei zu führen, dass er einen Anwalt seiner Wahl mit der Interessenwahrnehmung beider beklagten Parteien beauftragt: Denn der Anwalt gerät mit dem gewünschten Vortrag einer abgestimmten, dolosen Beteiligung des VN an dem Unfall in einen unauflöslichen Interessenkonflikt. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der VR eigenständig nur für sich einen Anwalt beauftragen und dann im Wege der Nebenintervention auf Seiten des VN dem Rechtstreit beitreten und Klageabweisung beantragen kann (vgl.: BGH VersR 1993, 625; OLG Köln r+s 1991, 220; OLG Düsseldorf Urteil v. 29.03.2004, 1 U 161/03; MüKo-Schultes, ZPO, 3.Auflage, § 66 Rz. 16; Lemcke r + s 1990, 161/162).

Problematisch in derartigen Fällen erschien in der Vergangenheit, ob der VR sich mit seinem Vorbringen — z.B., indem er das gesamte behauptete Unfallgeschehen mit Nichtwissen bestreitet — auch in Widerspruch zum Vorbringen der „unterstützten Hauptpartei“, also des eigenen VN, setzen kan oder solches Vorbringen gem. § 67 HS.2 ZPO unbeachtlich ist (offengelassen noch in BGH r+s 1994, 212).

Mit Beschluss vom 29.11.2011 hat der BGH hierzu nunmehr klargestellt, dass der in diesen Konstellationen beklagte VR nicht nur abweichend vom mitbeklagten VN argumentieren, sondern auch als dessen Streithelfer Klageabweisung beantragen durfte, da er streitgenössischer Nebenintervenient ist, der nicht den Beschränkungen des § 67 HS.2 ZPO unterliegt.

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Kein Regress auch bei nur nicht nachgewiesenem Zugang an das neue VVG angepasster AKB

OLG Celle, Urteil vom 29.9.2011 — Aktenzeichen: 8 U 58/11

Leitsatz
Ein Versicherer kann sich zur Begründung seines Regressanspruchs gegen den VN auch dann nicht auf seine alten AKB berufen, wenn er diese zwar umgestellt hat, aber deren Zugang nicht beweisen kann, und der VN vorsätzlich gegen Obliegenheiten verstoßen hat (hier: Trunkenheitsfahrt 2009)

Sachverhalt
Zwischen den Parteien bestand ein Haftpflichtversicherungsvertrag für einen Pkw. Diesem lagen die AKB des auf Regress wegen Obliegenheitsverletzung klagenden Versicherers mit Stand vom 1.5.2005 zugrunde. § 2 b Abs. 2 AKB sieht Leistungsfreiheit vor, wenn der VN das Fahrzeug u.a. wegen Alkoholgenusses nicht mehr sicher führen kann (Trunkenheitsklausel). Zum 1.1.2009 stellte der Versichrer seine AKB entsprechend dem neuen VVG um. IM Jahr 2009 verursacht der VN im rahmen einer Trunkenheitsfahrt einen Drittschaden, dessen Aufwendungen die Klägerin bezahlt und im Wege der Klage bei VN regressieren möchte. Der VN beruft sich darauf, dass ihm die neuen AKB, nach denen die Klägerin tatsächlich leistungsfrei geworden ist, nicht zugegangen sein. In den alten AKB fehlte der Hinweis auf den nach § 28 VVG n.F. grundsätzlich zulässigen Kausalitätsgegenbeweis.

Entscheidung
Das OLG stellt zunächst die strengen Anforderungen an den Zugang vertragswesentlicher Unterlagenn heraus. Der Einwand der Kl., sie habe ihre Bedingungen umgestellt, könne lediglich den Zugang nicht nachweisben, greife zu kurz. Aus Art. 1 Abs. 3 EGVVG ergebe sich nicht nur das Recht zur einseitigen Vertragsänderung durch Anpassung der AVB an die neue Rechtslage, sondern auch, dass die Änderung dem VN mitgeteilt werden müsse. Nach allgemeinen Regeln habe den Zugang der Absender, mithin hier die Kl., zu beweisen. Für irgendwelche Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherers sei schon in Anbetracht des Wortlauts von Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen Raum. Zwar könnte vorliegend der vorsätzlich handelnde VN als weniger schutzbedürftig erscheinen, wenn der Versicherer seine AVB immerhin angepasst hat, es aber „nur“ an dem Nachweis des Zugangs an den VN fehlt. Jedoch erscheinen solche auf den Einzelfall bezogenen Fragen nach fehlender Schutzbedürftigkeit oder -würdigkeit nicht geeignet, die formale Frage des Zugangs zu umgehen.

Danach gilt vorliegend zwar für die Tatbestandsseite, dass die in Betracht kommenden Obliegenheiten unverändert geblieben sind, was auch der Bekl. nicht in Abrede genommen hat. Anders aber verhält es sich auf der Rechtsfolgenseite. Die neuen, nicht wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogenen AKB enthalten, der Neufassung des § 28 VVG entsprechend, den Hinweis auf die Möglichkeit des Kausalitätsgegenbeweises. Dieser Hinweis fehlt naturgemäß in den alten AKB 05, die darüber hinaus die nun nicht mehr zutreffende Aussage enthalten, auch im Fall des Vorsatzes sei der Versicherer – in bestimmten Grenzen — von der Verpflichtung zur Leistung frei. Dass sich der Hinweis auf den Kausalitätsgegenbeweis aus der Neufassung des VVG selbst ergibt, kann nicht zu einer „Heilung“ des Widerspruchs zwischen vertraglicher Vereinbarung und Gesetz führen. Schon Art. 1 Abs. 3 EGVVG zeigt, dass der VN gerade nicht gehalten sein soll, statt in den Vertrag ins Gesetz zu sehen. Auch in dem vom OLG Köln entschiedenen Fall ( VersR 2010, 1592 ) verhielt es sich so, dass die Neuregelung für den VN günstiger als die von dem Versicherer verwendeten Versicherungsbedingungen war. Im Ergebnis wie hier hat das OLG Köln entschieden, dass es dann an einer wirksamen Vereinbarung i. S. v. § 28 VVG fehlt.

Die Abweichung der neuen von den alten AKB führe dann jedoch zur Unanwendbarkeit der alten AKB, weil eine unangemessenen Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gegeben sei. Nach Ansicht des Senats gebe hier den Ausschlag, dass der Bekl. unter Zugrundelegung der alten AKB möglicherweise von der Wahrung seiner Rechte aus dem Versicherungsverhältnis abgehalten wird, weil für den Fall vorsätzlichen Handelns er davon ausgehen muss, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, dem Verdikt der Leistungsfreiheit des Versicherers und des Regresses zu entgehen. Eine solche Irreführung des VN, die zu vermeiden Sache des Versicherers als Verwender der Bedingungen war, kann nicht hingenommen werden. Eine geltungserhaltende Reduktion komme nicht in Betracht. Weiter habe auch eine ergänzende Vertragsauslegung zu unterbleiben.

Die Entscheidung führt erneut vor Augen, wie scharf das Schwert des fehlenden Zugangsnachweises ist. Der Versicherer hatte es hier aber ferner versäumt, sich auf Auffangregelungen zu berufen. Beispielhaft seien die Regelungen über die Gefahrerhöhung nach §§ 23 ff. VVG, die Bestimmungen über die Herbeiführung des Versicherungsfalls gem. § 81 VVG und die Obliegenheiten nach § 82 VVG gennannt. Auch wenn es an einem nachweisbaren Zugang oder an einer Novellierung überhaupt fehlt, kann im Einzelfall über diese Vorschriften Leistungsfreiheit erreicht werden.

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