Vorfinanzierung von Reparatur-, Sachverständigen- und Abschleppkosten durch den Rechtsanwalt ist unzulässig.

BGH , Urteil vom 20.6.2016 — Aktenzeichen: AnwZ 26/14

Sachverhalt
Die Kläger betrieben gemeinsam eine Rechtsanwaltskanzlei in A. Die Kanzlei ist spezialisiert auf die Abwicklung von Verkehrsunfällen. Sie bietet ihren Mandanten die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen- sowie Abschleppkosten i.H. der geschätzten Haftungsquote an.

Die beklagte RAK hält die Vorgehensweise für unzulässig. Sie hat daher beiden Klägern einen belehrenden Hinweis dahingehend erteilt, dass die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen- und/oder Abschleppkosten für Mandanten im Rahmen der Bearbeitung von Verkehrsunfallangelegenheiten gegen § 49 b Abs. 2 S. 2 BRAO sowie gegen § 49 b Abs. 3 S. 1 BRAO verstoße.

In der ersten Instanz unterlagen die Kläger. Der Anwaltssenat des BGH hat die Berufung gegen dieses Urteil als unbegründet zurückgewiesen.

Entscheidung
Der Anwaltssenat des BGH sieht in der beanstandeten Verfahrensweise einen Verstoß gegen § 49 b Abs. 3 S. 1 BRAO. § 49 b Abs. 3 S. 1 BRAO untersagt dem Rechtsanwalt, für die Vermittlung von Aufträgen einen Teil der Gebühren zu zahlen oder sonstige Vorteile zu gewähren. Es soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandanten treten, die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandanten „gekauft“ und „verkauft“ werden. Unter sonstigem Vorteil ist auch die Erbringung von berufsfremden Dienstleistungen zu verstehen, wie hier die sofortige Bezahlung der Rechnung von Kfz-Werkstätten und Abschleppunternehmen für den Mandanten. Die betroffenen Kfz-Werkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer erhalten als Geldzahlung zwar nur ihre Leistungen im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vergütet. Sie haben aber den sonstigen Vorteil einer sofortigen, sicheren Zahlung und sind deshalb an der von der Kanzlei der Kläger angebotenen Verfahrensweise interessiert.

Mit der Zusage, Werkstatt-, Abschlepp- und Sachverständigenkosten zu verauslagen, werden die Mandanten mit einer unentgeltlichen Leistung beworben, die in deren Situation keinen geringen Wert hat. Diese Werbung ist nicht berufsbezogen und zudem auf die Erteilung des Mandats im Einzelfall gerichtet. Die Verauslagung der Kosten des Mandanten wird in Aussicht gestellt, um diese nach Verkehrsunfällen, also bei bestehendem Beratungsbedarf, konkret zum Abschluss des Anwaltsvertrages zu bewegen. Dies ist nach Auffassung des Anwaltssenates unzulässig.

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§ 110 SGB VII: Grobe Fahrlässigkeit

LG Aachen, Urteil vom 26.2.2015 — Aktenzeichen: 12 O 178/14

Leitsatz
1. Ein Arbeitgeber verstößt grob fahrlässig gegen die Unfallverhütungsvorschriften für Reparaturarbeiten auf Dächern, wenn er weder Absturzsicherungen noch Auffangeinrichtungen oder Anseilschutzmaßnahmen ergriffen hat, um seine Arbeiter vor tödlichen Gefahren zu schützen.

2. Der Umstand, dass ein Versicherter zum Zeitpunkt des Unfalls keine persönliche Schutzausrüstung getragen hat, führt nicht zu einem Mitverschulden, wenn geeignete Anschlagpunkte zur Befestigung der Schutzausrüstung auf dem Dach nicht vorhanden waren.

Sachverhalt
Die Klägerin ist gesetzlicher Unfallversicherer der X1, deren Geschäftsführer der Beklagte ist. Sie nimmt den Beklagten auf Erstattung von Aufwendungen in Anspruch, die ihr infolge eines Arbeitsunfalls des bei ihr versicherten Verletzten entstanden sind.

Die Firma X1 hatte den Auftrag, auf dem Dach einer Reithalle eine Solaranlage zu installieren. Zu diesem Zweck befanden sich der Verletzte und weitere Mitarbeiter der Firma auf dem Dach der Reithalle, welches eine Firsthöhe von ca. 10 m aufweist. Das Dach ist mit Trapezblechen gedeckt, die etwa alle 5 m von ca. 1 m breiten Lichtbändern unterbrochen werden. Für die zum Unfallzeitpunkt eingesetzten Mitarbeiter der X1 waren in dem vor Ort befindlichen Fahrzeug persönliche Schutzausrüstungen vorhanden. Keiner der Arbeiter hatte jedoch diese Sicherheitsgurte angelegt. Geeignete Anschlagpunkte zur Befestigung der Gurte waren auf dem Dach nicht vorhanden. Ein Gerüst war nicht aufgestellt. Ein Sicherheitsnetz war ebenfalls nicht aufgespannt. Auf den Lichtplatten waren keine lastverteilenden Beläge, Laufstege oder sonstige Einrichtungen zur Verhinderung von Abstürzen angebracht.

Der knapp unterhalb des Firsts beschäftigt Verletzte stürzte aus einer Höhe von ca. 8 m mit dem Hinterkopf auf den Boden der Reithalle, wobei er schwer verletzt wurde.

Entscheidung
Das LG bejaht die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls i.S.d. § 110 SGB VII.

In seiner Begründung setzt es sich zunächst mit der BGH-Rechtsprechung auseinander, wonach nicht jeder Verstoß gegen einschlägige Unfallverhütungsvorschriften schon als ein grob fahrlässiges Verhalten im Sinne des § 110 SGB VII zu werten ist, sondern es immer eine Wertung des Verhaltens des Schädigers bedarf, in die auch die weiteren Umstände des Einzelfalles einzubeziehen sind. Indiziell kommt es darauf an, ob es sich um eine Unfallverhütungsvorschrift handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hat. Auch spielt eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig waren. Im letzteren Fall kann — muss aber nicht — der objektive Verstoß gegen elementare Sicherungspflichten ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt ist.

Die im Streitfall einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften für Reparaturarbeiten auf Dächern der BGV C 22 sehen in § 12 Abs. 1 Nr. 4 in erster Linie Absturzsicherungen vor. In § 11 ist zudem vorgesehen, dass für Arbeiten auf Bauteilen, die beim Begehen brechen können, besondere Arbeitsplätze und Verkehrswege geschaffen werden müssen. All diese Bestimmungen haben nach Ansicht des LG Aachen elementare Sicherungspflichten zum Inhalt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befassen.

Auf dieser Grundlage bejaht das LG grobe Fahrlässigkeit, weil die Beklagte keinerlei Maßnahmen zur Einhaltung besagter Normen ergriffen habe. Ein Anseilschutz sei zwar im Baustellenfahrzeug vorhanden gewesen, jedoch hätten zur Verantwortung der Beklagten die Voraussetzungen für einen ausnahmsweisen Einsatz dieser persönlichen Schutzausrüstungen nicht vorgelegen, da nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin geeignete Anschlagpunkte nicht vorhanden gewesen sein. Die bloße Aufforderung an die Arbeitnehmer, nicht die Lichtplatten zu betreten, sei zur Erfüllung der dargestellten Unfallverhütungsvorschriften. Diese eklatante Nichteinhaltung der o.g. Unfallverhütungsvorschriften sei auch subjektiv unentschuldbar, insbesondere in der Gesamtschau der Verstöße.

Ein Mitverschulden des Verletzten wird zwar diskutiert, jedoch im Ergebnis verneint. Dieser habe zwar zum Zeitpunkt des Unfalls keine persönliche Schutzausrüstung getragen, obwohl eine solche im Einsatzfahrzeug zur Verfügung gestanden hätte. Da jedoch geeignete Anschlagspunkte zur Befestigung dieser Schutzausrüstung auf dem Dach nicht vorhanden gewesen seien, greife dieses Moment nicht durch.

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Tiergefahr vs. Betriebsgefahr

OLG Celle, Urteil vom 20.1.2016 — Aktenzeichen: 14 U 128/13

Leitsatz
Kann im Fall des Scheuens eines Pferdes bei einem sich nähernden Kfz mit Ausnahme einer sich nachweislich auswirkenden Tier- und Betriebsgefahr weder ein Verschulden des Kfz-Führers noch des Reiters/Halters des Pferdes festgestellt werden, ist eine Haftungsteilung vorzunehmen.

Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Einstandspflicht der Beklagten für die der Klägerin bei einem Unfallereignis durch ihr Pferd zugefügten Verletzungen. Diese war durch ihr scheuendes Pferd zu Boden gerissen und mittels Huftritten ins Gesicht schwer verletzt worden.

Streitig war zwischen den Parteien insbesondere die Ursächlichkeit des Betriebs des vom Beklagten zu 2) gesteuerten und bei der Beklagten zu 1) versicherten Fahrzeugs für das Verhalten des klägerischen Pferdes. Während dieses nach Auffassung der Klägerin darauf zurückzuführen sei, dass der Beklagte zu 2) mit seinem Pkw verbotswidrig auf einem nur für land- und forstwirtschaftlichen Verkehr freigegebenen Weg mit aus ihrer Sicht erheblich überhöhter Geschwindigkeit dicht an ihr und dem von ihr geführten Pferd vorbeigefahren sei, nehmen die Beklagten einen Zusammenhang zwischen dem Betrieb ihres Fahrzeugs und dem Ausbrechen des klägerischen Pferdes mit der Behauptung in Abrede, bereits 10 bis 15 m vor der Stelle, an der der Beklagte zu 2) die Klägerin mit ihrem Pferd habe stehen sehen, nach links auf das Feld zu dem dort befindlichen Misthaufen abgebogen zu sein und dementsprechend die Klägerin und das Pferd mit seinem Wagen gar nicht passiert zu haben.

Entscheidung
Das OLG stellt zunächst fest, dass sich die Betriebsgefahr des Kfz im Unfall ausgewirkt habe, so dass die Beklagten aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 VVG haften. Zwar sei die bloße Anwesenheit des Beklagtenfahrzeugs am Unfallort keine Haftung begründet, sondern stattdessen müsse ein adäquater Ursachenzusammenhang zwischen dem Fahrzeugbetrieb und dem Schaden bestehen. Die Klägerin habe jedoch nachvollziehbar vorgetragen, dass sie infolge des Motorengeräusches auf das herannahende Fahrzeug aufmerksam geworden sei und ihr Pferd davon abgehalten habe, weiter zu grasen, um eine größere Distanz zwischen sich und dem Fahrzeug herbeiführen zu können, indem sie sich mit dem Tier aus der Gefahrenzone heraus weiter weg begeben wollte. Dies stelle eine adäquate Reaktion eines Pferdeführers dar, damit das Pferd von dem als gefährlich einzustufenden Objekt nicht überrascht wird und als Fluchttier instinktgesteuert fortzulaufen versucht. Da ein Orttermin sowie ein Sachverständigengutachten ergeben habe, dass sich die Situation in enger räumlicher Verbindung zwischen Pferd und Kfz ereignet habe, habe sich hier im konkreten Fall die Betriebsgefahr des Pkw ausgewirkt.

Auch die Klägerin hafte jedoch aus dem Gesichtspunkten der Gefährdungshaftung für die eigene, unfallursächliche Tiergefahr im Umfang von 50 %. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich vorliegend das einem Pferd wesensimmanent anhaftende Gefahrenpotential und die damit verbundenen weitaus geringeren Möglichkeiten, auf es steuernd einzuwirken, ausgewirkt habe. Demgegenüber stehe die besondere Gefährlichkeit eines Kraftfahrzeugs, die sich aus seiner Masse, seiner technischen Einrichtungen und seiner Geschwindigkeit zusammensetze und im zugrundeliegenden Fall das Scheuen des Pferdes verursacht habe. Beide Verursachungsbeiträge wiegen nach Auffassung des Senats in etwa gleich schwer. Motorbetriebene Kraftfahrzeuge seien typischerweise geeignet, geräuschempfindliche Tiere, wie Pferde, die zudem besonders auf Bewegungen in ihrem Umfeld zu reagieren, zu erschrecken, vor allem, wenn diese Gefährte auf sie zukämen. Umgekehrt seien auch Pferde, die an Straßenverkehr gewöhnt sind, nicht davor gefeit, ausnahmsweise schreckhaft auf Motoren- und Fahrgeräusche zu reagieren, insbesondere dann, wenn etwas geschehe, was sie nicht erwarten, wie hier der — als solcher nicht vorwerfbare — Abbiegevorgang des Beklagten zu 2) auf ein Feld, der überdies zu einer Veränderung der Geräuschkulisse geführt habe. Somit hätten weder die Betriebsgefahr für das Fahrzeug noch die Tiergefahr für das klägerische Pferd in größerem Umfange zur Schadensverursachung beigetragen als der jeweils andere Teil, sodass eine Haftungsquote von 50 % zu 50 % gerechtfertigt sei.

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Ersatz des Vermögensschaden nach dem StVG

BGH, Urteil vom 9.12.2014 — Aktenzeichen: VI ZR 155/14

Leitsatz
1. Eine Sache ist dann „beschädigt“ im Sinne des § 7 StVG, wenn entweder ihre Substanz nicht unerheblich verletzt oder wenn ihre Brauchbarkeit zu ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung nicht unerheblich beeinträchtigt worden ist, ohne dass zugleich ein Eingriff in die Sachsubstanz vorliegt. Eine Beeinträchtigung der Brauchbarkeit einer Sache zu ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung liegt nicht schon dann vor, wenn nur der tatsächliche Bedarf für die entsprechende Verwendung eingeschränkt wird.

2. Soweit Vorschriften der StVO nach ihrem Sinn und Zweck den Straßenverkehr selbst vor Störungen schützen wollen, dienen sie dem öffentlichen Interesse und nicht auch den Vermögensinteressen derjenigen, die von einer Verkehrsstörung und der daraus folgenden Beschränkung der Nutzbarkeit der Straße besonders betroffen sind.

3. Soll der berechtigte Besitz an einer Sache dazu dienen, eine bestimmte Nutzung der Sache zu ermöglichen, so stellt es eine Rechtsgutsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB dar, wenn der Besitzer an eben dieser Nutzung durch einen rechtswidrigen Eingriff in relevanter Weise gehindert wird. Voraussetzung ist freilich stets, dass die Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Sache ihren Grund in einer unmittelbaren Einwirkung auf die Sache selbst hat.

Sachverhalt
Die Parteien streiten um Ansprüche auf Ersatz von Einnahmeausfällen, die der Klägerin als Betreiberin einer Autobahnrastanlage infolge einer unfallbedingten Sperrung der Autobahn entstanden sein sollen.

Bei der Beklagten handelt es sich um den Haftpflichtversicherer eines Sattelzuges, der auf der Bundesautobahn (BAB) 5 gegen eine über die Autobahn führende Brücke stieß. Durch die Kollision wurde die Brücke so stark beschädigt, dass Einsturzgefahr bestand. Das betroffene Teilstück der BAB 5 wurde deshalb für mehrere Tage gesperrt. Im Rundfunk wurde empfohlen, den gesperrten Bereich großräumig zu umfahren. Wenige Kilometer vom gesperrten Bereich entfernt, aber außerhalb des gesperrten Bereichs selbst, befindet sich an der BAB 5 eine Autobahnrastanlage. Sie wurde vom Betreiber für die Dauer der Autobahnsperrung geschlossen.

Mit der Behauptung, Betreiberin der vorgenannten Autobahnrastanlage zu sein und infolge der Unerreichbarkeit der Anlage für den Durchgangsverkehr während der Sperrung erhebliche Einnahmeausfälle erlitten zu haben, nimmt die Klägerin die Beklagte auf Ersatz entgangenen Gewinns in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die hiergegen von der Klägerin geführte Berufung zurückgewiesen.

Entscheidung
Der BGH bestätigt, dass die Klägerin im Hinblick auf die Rastanlage keine Ansprüche aus §§ 7, 18 StVG hat. Es fehlt an einer „Beschädigung“ der in ihrem berechtigten unmittelbaren Besitz stehenden Anlage oder deren Einrichtungen. Dass die Rastanlage durch die vom bei der Beklagten versicherten Sattelzug verursachte Sperrung der BAB 5 wenige Kilometer entfernt in ihrer Sachsubstanz verletzt worden wäre, steht nicht in Rede. Aber auch die Brauchbarkeit der Rastanlage zu ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung wurde durch die Sperrung nicht beeinträchtigt. Denn die Funktionsfähigkeit der Anlage und ihrer Einrichtungen selbst wurde durch die Sperrung nicht betroffen. Die Anlage und ihre Einrichtungen hätten auch während der Sperrung der Autobahn in jeder Hinsicht bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen werden können. Dass infolge der Sperrung und der damit zusammenhängenden Empfehlung, den Bereich weiträumig zu umfahren, Durchgangsverkehr und damit nennenswerter Kundenzustrom nicht zu erwarten war, ändert daran nichts. Zudem umfasst der von § 7 StVG gewährleistete Schutz des Integritätsinteresses nicht die Garantie, mit einer Sache ungehindert Gewinne erzielen zu können.

Deswegen scheitert im Streitfall auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB. Die Versicherten der Beklagten haben kein Gesetz verletzt, das dem Schutz der Klägerin als Betreiberin einer Autobahnrastanlage vor Gewinneinbußen zu dienen bestimmt ist. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) ist primär kein Gesetz zum Schutz des Vermögens. Sie ist Teil des Straßenverkehrsrechts, durch das die Teilnahme am Straßenverkehr geregelt und insbesondere dessen Sicherheit und Leichtigkeit gewährleistet werden soll. Dieses dient als sachlich begrenztes Ordnungsrecht der Abwehr von typischen Gefahren, die vom Straßenverkehr ausgehen und die dem Straßenverkehr von außen oder durch Verkehrsteilnehmer erwachsen. Soweit Vorschriften der StVO nach ihrem Sinn und Zweck den Straßenverkehr selbst vor Störungen schützen wollen, dienen sie allein dem öffentlichen Interesse und nicht auch den Vermögensinteressen derjenigen, die von einer Verkehrsstörung und der daraus folgenden Beschränkung der Nutzbarkeit einer Straße besonders betroffen sind.

Schließlich lassen sich die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB herleiten. Es fehlt bereits an einem haftungsrelevanten Eingriff in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut. Es entspricht zwar ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass eine Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB nicht zwingend einen Eingriff in die Sachsubstanz voraussetzt, sondern auch durch eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung der betreffenden Sache erfolgen kann. Im Streitfall kann damit nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin durch die Autobahnsperrung in ihrem berechtigten Besitz an der Rastanlage verletzt wurde. Denn die wenige Kilometer von der Rastanlage entfernte Sperrung, die die unmittelbare Zufahrt zur Anlage selbst sogar unbeeinträchtigt ließ, wirkte nicht unmittelbar auf die Rastanlage und ihre Einrichtungen ein. Die Auswirkungen der Sperrung auf die Rastanlage beschränkten sich vielmehr auf den Wegfall des Durchgangsverkehrs für die Zeit der Sperrung, das deshalb zu erwartende Ausbleiben von Kunden und die sich daraus ergebende vorübergehende Einengung der wirtschaftlichen Nutzung der Anlage. Nach den dargelegten Grundsätzen berührt dies allein das Vermögen der Klägerin. Ein Anspruch der Klägerin aus Verletzung ihres eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist nicht gegeben. Ein solcher Anspruch kommt nur in Betracht, wenn die Beeinträchtigung unmittelbar in den Bereich des Gewerbebetriebs eingreift, also betriebsbezogen ist und nicht von diesem ohne weiteres ablösbare Rechte betrifft. Ein derartiger Eingriff liegt im Streitfall nicht vor. Der Unfall hat in keiner unmittelbaren Beziehung zum eingerichteten und ausgeübten Betrieb der Klägerin gestanden.

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Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms

BGH, Urteil vom 17.6.2014 — Aktenzeichen: VI ZR 281/13

Leitsatz
Laut BGH trifft Radfahrer keine Mitschuld an eigenen Verletzungen, falls sie bei einem Zusammenprall keinen Helm getragen haben.

Sachverhalt
Die Klägerin befand sich im Jahr 2011 mit ihrem Fahrrad auf einer innerstädtischen Straße und trug dabei keinen Fahrradhelm. Plötzlich öffnete sich die Tür eines rechts am Fahrbahnrand parkenden PKW. Der Klägerin hatte keine Chance auszuweichen. Sie fuhr gegen die Fahrertür, stürzte zu Boden, fiel auf den Hinterkopf und zog sich dabei schwere Schädel-Hirnverletzungen zu. Die Klägerin nahm daraufhin die PKW-Fahrerin sowie deren Haftpflichtversicherung auf Schadenersatz in Anspruch. In der Berufungsinstanz gab das OLG Schleswig der Klägerin wegen Nichttragens eines Fahrradhelms eine 20-prozentige Mitschuld an dem Unfall.
Entscheidung

Die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil des OLG Schleswig war erfolgreich. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage vollumfänglich stattgegeben.

Nach Ansicht des BGH führt das Nichttragen eines Fahrradhelms nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens, da das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben ist.

Zwar lässt sich ein Mitverschulden der Geschädigten auch ohne einen Vorschriftenverstoß herleiten, etwa wenn zum damaligen Zeitpunkt das Tragen von Schutzhelmen nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen ist. Ein solches Bewusstsein hat es nach Ansicht des BGH zum Unfallzeitpunkt (2011) jedoch noch nicht gegeben. Hierzu beruft sich der BGH auf das Ergebnis von Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen, wonach im Jahr 2011 innerorts lediglich 11 Prozent der Radfahrer einen Schutzhelm trugen.

Ob der BGH an dieser Einschätzung auch in jüngeren Fällen und solchen sportlicher Betätigung des Radfahrers festhält, bleibt abzuwarten. Diese Frage war nicht zu entscheiden.

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Handy im Straßenverkehr

OLG Hamm, Beschluss vom 12.07.2006 — Aktenzeichen: 2 Ss OWi 402/06

Sachverhalt
Der Fahrzeugführer eines Lkw mit Anhänger hatte während der Fahrt sein privates Mobiltelefon in die Hand genommen, um von diesem eine dort gespeicherte Telefonnummer abzulesen. Der Fahrzeugführer hatte vor, diese abgelesene Telefonnummer sodann in das ebenfalls im Fahrzeug vorhandene dienstliche Telefon mit Freisprecheinrichtung einzugeben, um zu telefonieren. Das Amtsgericht hat den Fahrzeugführer zur Zahlung einer Geldbuße von 100,00 € verurteilt. Dies zu Recht – so das Oberlandesgericht Hamm in der Entscheidung vom 12.07.2006, 2 Ss OWi 402/06.

Entscheidung
Die verbotene Benutzung eines Mobiltelefons durch einen Fahrer liegt nach Auffassung des Oberlandesgerichts auch dann vor, wenn der Fahrzeugführer das Mobiltelefon während der Fahrt in die Hand nimmt, um vom Display des Telefons eine dort gespeicherte Telefonnummer abzulesen. Bereits dies stelle – so das OLG – einen Verstoß gegen § 23 I a StVO dar, wonach einem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt ist, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnimmt oder hält. Das Oberlandesgericht hat gemeint, „Benutzen“ im Sinne dieser Regelung betreffe sämtliche Bedienfunktionen des Mobiltelefons, somit auch das Ablesen einer gespeicherten Notiz.

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