Keine Halterhaftung 7 Stunden nach Abstellen des Kfz

LG Köln, Urteil vom 5.10.2017 — Aktenzeichen: 2 O 372/16

Entzündet sich ein außerhalb des Verkehrsraums abgestelltes Fahrzeug sieben Stunden nach dessen Abstellen, realisiert sich hierbei nicht die Betriebsgefahr des Fahrzeuges im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG.

Leitsatz
Gerät ein Kraftfahrzeug, das außerhalb des Verkehrsraums ordnungsgemäß abgestellt ist, sieben Stunden später durch Selbstentzündung in Brand, so geschieht dies nicht „bei dem Betrieb“ im Sinne von § 7 Abs. StVG.

Sachverhalt
Der Pkw des Klägers, ein Maserati Quattroporte, stand in der Tiefgarage in einer Parkbox mit nur zwei Parkplätzen, die nach hinten sowie zu beiden Seiten von Betonwänden umgeben sind, mit der Fahrzeugfront in Richtung Fahrweg. Heiligabend 2013 stellte der Zeuge H, der Schwiegersohn des Klägers, den bei der Beklagten haftpflichtversicherten VW Bus zwischen 16 und 17 Uhr in der Tiefgarage neben den Maserati in gleiche Richtung auf den freien Parkplatz. Gegen 23:49 Uhr ist auf der Videoaufzeichnung der Überwachungskamera ein erstes leichtes Flackern im Bereich des VW Busses erkennbar. Um 23:53 Uhr ist zunächst eine deutliche Rauchentwicklung aus der Motorhaube des Busses erkennbar und anschließend Flammen über dem rechten Scheinwerfer. Bis zum Ende der Aufzeichnung um 00:00:11 Uhr am 25.12.2013 ist durch den Rauch keine Flamme mehr erkennbar. Anschließend brannte der Maserati vollständig aus. Anzeichen für Brandstiftung konnten die Ermittlungsbehörden nicht feststellen. Ebenso wenig konnte eine vorherige Rauchentwicklung an dem Maserati festgestellt werden.

Entscheidung
Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist § 7 Abs. 1 StVG. Hierzu stellt das LG Köln unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BGH fest, dass das Merkmal „bei dem Betrieb“ weit auszulegen ist und insbesondere im Zeitpunkt der Schadenverursachung eine Fahrbewegung des schädigenden Kfz nicht gefordert wird. Es reicht bereits ein naher örtlicher und zeitlicher Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung, wie etwa eine vorausgehende Fahrt (vgl. BGH NJW-RR 2008, 764). Dem gegenüber genügt allein die Brandgefahr durch die mitgeführten Betriebsstoffe nicht.

Im Weiteren stellt sich das LG jedoch gegen die insoweit geänderte Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 21.01.2014 – VI ZR 253/13) indem es feststellt, dass selbst bei Annahme einer Selbstentzündung des Busses jedenfalls ein naher zeitlicher Zusammenhang mit dem Betrieb des Busses nicht mehr bestehe. Sieben oder acht Stunden nach dem Abstellen sei keine Betriebseinrichtung des Kfz mehr tätig und der Motor sei abgekühlt.

So der BGH in der vorgenannten Entscheidung, bei welcher ein Kfz mehr als 24 h nach dem Abstellen durch Selbstentzündung in Brand geraten ist, einen Haftung aus der Betriebsgefahr noch bejaht hat, überschreite der BGH die Grenzen der Auslegung der Tatbestandsmerkmale.

Der BGH verzichte auf einen nahen zeitlichen Zusammenhang, und verstehe das Merkmal „bei dem Betrieb“ als „durch den Betrieb oder eine Betriebseinrichtung“. Das Wort „bei“ erfordert jedoch gerade im Gegensatz zu dem Wort „durch“ einen solchen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang und könne durch den abweichenden Sinngehalt nicht ausgetauscht werden.

Hierbei betont das LG in begrüßenswerter Art und Weise, dass ein fehlendes Erfassen von Schäden, die durch einen technischen Defekt einer Betriebseinrichtung unabhängig von einem Betriebsvorgang nicht, wie der BGH es vornimmt, dazu führen kann, dass die gesetzliche Regelung überdehnt wird, sondern vielmehr wäre, so der Gesetzgeber eine Haftung auch für diese Schäden erreichen möchte, dieser gefordert. Der Richter ist an den Wortlaut des Gesetztes gehalten.

Daher wird, worauf das LG Köln auch hinweist, die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2014 in der Literatur auch einhellig abgelehnt.

Völlig zutreffend hat die Beklagte hervorgehoben, dass die Haftungsfreistellung nach § 8 Ziffer 1 StVG für Fahrzeuge, welche auf ebener Strecke eine höhere Geschwindigkeit als 20 km/h nicht erreichen, nur nachvollziehbar ist, wenn die verschuldungsunabhängige Halterhaftung an die besonderen Gefahren der Bewegung des Fahrzeuges anschließt. Andernfalls müssten auch von § 8 Ziffer 1 StVG erfasste Fahrzeuge, welche Betriebseinrichtung aufweisen und sich daher selbst entzünden können, verschuldungsunabhängig haften.

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Regelmäßig erzielte Rabatte auch bei fiktiver Abrechnung zu berücksichtigen

LG Karlsruhe, Urteil vom 28.6.2017 — Aktenzeichen: 19 S 33/16

Erhält ein im Rahmen eines Verkehrsunfalls Geschädigter regelmäßig Rabatte bei einer Reparatur, so sind diese auch im Rahmen der fiktiven Abrechnung zu berücksichtigen.

Leitsatz
Auch bei der fiktiven Abrechnung eines Schadens muss sich der Geschädigte regelmäßig erzielte Rabatte schadenmindernd anrechnen lassen.

Sachverhalt
Die Klägerin, ein Leasingunternehmen, unterhält bundesweit eine Fahrzeugflotte von mehreren tausend Fahrzeugen und bietet seinen Leasingnehmern (regelmäßig Großkunden mit Dienstwagen) neben der Bereitstellung der Fahrzeuge unter anderem ein Schadenmanagement an, durch welches, so die Eigenwerbung der Klägerin, nicht nur beim Einkauf der Fahrzeuge Rabatte erzielt werden können, sondern auch die Schadenkosten reduziert werden können.

Nachdem der VN des beklagten KH-Versicherers im Rahmen eines Verkehrsunfalls den klägerischen PKW beschädigt hatte, rechnete die Klägerin unter Vorlage eines Gutachtens den Schaden fiktiv ab.

Die Beklagte zahlte hierauf lediglich einen Teilbetrag, da sie davon ausgeht, dass die Klägerin im Rahmen der Reparatur einen „Flottenrabatt“ erziele und daher 35 % der Nettoreparaturkosten nicht zu erstatten seien. Denn die Klägerin habe Rahmenverträge mit Werkstätten geschlossen und erhalte quasi automatisch und somit ohne weitere Veranlassung den vereinbarten Rabatt mit Abgabe des Fahrzeuges in der Partnerwerkstatt. Da Rabatte von 50 % auf die Gesamtreparatur marktüblich seien und ein Rabatt von 35 % jederzeit erzielbar sei, sei die Klägerin dafür beweisbelastet, dass sie einen solchen Rabatt nicht erhalte. Jedenfalls bestehe eine sekundäre Darlegungslast. Hilfsweise bezieht sich die Beklagte auf die Eigenwerbung der Klägerin und auf die Vorlage von Reparaturrechnungen sowie die Einvernahme des Geschäftsführers der Klägerin bzw. die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hatte die Klage in erster Instanz Erfolg. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte überwiegend Erfolg.

Entscheidung
Nachdem die Kammer zunächst nochmals hervorhebt, dass der Geschädigte grundsätzlich bei Fahrzeugen, die jünger als drei Jahre sind, wie vorliegend gegeben, im Rahmen der fiktiven Abrechnung die Reparaturkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt ersetzt verlangen kann, stellt sie jedoch zutreffend auf den höchstrichterlich bestätigten subjektiven Schadenbegriff ab und weist daraufhin, dass bei der nach § 249 II BGB vorzunehmenden Schadenberechnung nicht auf einen objektiven Durchschnittsaufwand abzustellen ist, sondern vielmehr die persönlichen Verhältnisse des Geschädigten zu berücksichtigen sind und lediglich der Betrag ersetzt verlangt werden kann, den der Geschädigten unter Berücksichtigung dieser Grundsätze aufwenden muss, um den vor dem Unfallereignis bestehenden Zustand wieder herzustellen. Hierbei setzt sich die Kammer umfassend mit der Rechtsprechung zum subjektbezogenen Schadenbegriff auseinander und stellt fest, dass es insbesondere gegen das Bereicherungsverbot verstoßen würde, wenn Rabatte, die der Geschädigte ohne Verhandlungsaufwand im Einzelfall erhält, nicht berücksichtigt würden. Die Wahrnehmung dieser automatisch gewährten Rabatte übersteigen nicht die Grenze der Zumutbarkeit.

Da die Berücksichtigung dem Grunde nach somit geklärt gewesen ist, musste noch die Höhe des Abzuges ermittelt werden. Nachdem die Klägerin bestritten hatte, dass sie solche Rabatte erhalte, hat der Sachverständige in erster Instanz ermitteln können, dass das Unfallfahrzeug etwa ein Jahr vor dem gegenständlichen Ereignis bereits an einem Unfall beteiligt gewesen ist und in derselben markengebundenen Fachwerkstatt, deren Reparaturkosten bei der Ermittlung der Kosten berücksichtigt worden sind, instandgesetzt worden ist. In dieser Rechnung wurden Rabatte auf Einzelpositionen in Höhe von 7 % bis 25 % gewährt. Weiterhin konnte der Sachverständige ermitteln, dass die betreffende Werkstatt einen Großkundenrabatt von 15 % gewährt.

Diesen Feststellungen ist die Klägerin nicht ausreichend entgegengetreten. Zwar hat sie weiterhin bestritten, dass solche Rabatte gewährt werden bzw. diese jedenfalls bei der Ermittlung des Schadens im Rahmen des vorgelegten Gutachtens berücksichtigt worden seien, jedoch stellte die Kammer ebenfalls zutreffen fest, dass der Geschädigte für die Darlegung des tatsächlichen Schadens verantwortlich ist.

Stellt sich die Frage, wie die Kammer es begründet, dass ein Rabatt in Höhe von 35 % zu berücksichtigen ist, obwohl der Sachverständige einen Rabatt in Höhe von 7 % bis 25 % ermittelt hatte. Hierbei dürfte ein gewisser Pönalisierungsgedanke maßgeblich sein. Die Kammer hatte mehrfach den Hinweis erteilt, dass es wichtig sei, den Geschäftsführer der Klägerin zu der Frage der Rabatte anzuhören. Trotz mehrmaliger Ladung ist der Geschäftsführer jedoch nicht erschienen. Hierdurch habe die Klägerin, so die Kammer weiter, die Aufklärung des Sachverhaltes vereitelt, obwohl diese Frage unter Berücksichtigung des Geschäftsmodells der Klägerin wohl nicht von untergeordneter Bedeutung sein dürfte. Da somit durch das Sachverständigengutachten der Vortrag der Klägerin widerlegt worden ist, die Klägerin im Vorfeld gegen die Einholung des Gutachtens protestiert hatte und der Geschäftsführer nicht bereits gewesen ist, den Sachverhalt durch Befragung weiter aufzuklären, geht die Kammer unter zusammenfassender Würdigung der Verhandlungen davon aus, dass der Klägerin ein Rabatt in Höhe von 35 % gewährt werden würde.

Ob dies im Ergebnis vertretbar ist, erscheint fraglich. Wie bereits ausgeführt, dürfte es sich um den Ausdruck einer persönlichen Befindlichkeit handeln, dass die Kammer den behaupteten Rabatt in Höhe von 35 % als zutreffend angenommen hat. Im Weiteren ist der Entscheidung jedoch vollumfänglich zuzustimmen. Daher ist für die tägliche Schadenregulierung nur zu empfehlen, bei Großkunden auf solche Rabatte zu achten und diese im Rahmen der fiktiven Abrechnung eventuell nicht zu erstatten.

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Zurechnung der Betriebsgefahr beim Sicherungseigentum

Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2017 – Aktenzeichen: VI ZR 125/16

Leitsatz
Dem Schadenersatzanspruch des nichthaltenden Sicherungseigentümers aus § 7 Abs. 1 StVG kann die Betriebsgefahr des sicherungsübereigneten Kraftfahrzeuges nicht entgegengehalten werden, wenn ein Verschulden desjenigen, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, nicht feststeht. (Festhalten an den Senatsurteilen vom 30. März 1965 – VI ZR 257/63, NJW 1965, 1273 f.; vom 10. Juli 2007 – VI ZR 199/06, BGHZ 173, 182 ff.; vom 7. Dezember 2010 – VI ZR 288/09, BGHZ 187, 379 ff.).

Dies gilt auch, wenn der nichthaltende Sicherungseigentümer den Halter ermächtigt hat, diesen Anspruch im Wege gewillkürter Prozessstandschaft im eigenen Namen geltend zu machen.

Sachverhalt
Ein Fall aus der täglichen KH-Schadenregulierung: Der Kläger ist als Halter des an eine Bank im Rahmen der Finanzierung sicherungsübereigneten Fahrzeugs an einem Unfall beteiligt. Der KH-Versicherer (hier: Beklagter zu 2)) berücksichtigt im Rahmen der außergerichtlichen Regulierung eine Haftungsquote von 50/50.

Die Bank ermächtigt den Kläger ihre Schadenersatzansprüche gegen die Beklagten im eigenen Namen geltend zu machen, weshalb der Kläger im Rahmen der gewillkürten Prozessstandschaft den Ersatz restlicher Reparaturkosten, der Wertminderung und vorgerichtlicher Sachverständigenkosten sowie aus eigenem Recht Ersatz des Nutzungsausfalls und einer allgemeinen Kostenpauschale begehrt.

Der Verkehrsunfall ließ sich nicht aufklären, ein Verschulden der jeweiligen Fahrzeugführer konnte nicht festgestellt werden. Daher hat das Amtsgericht ebenfalls eine Haftungsteilung angenommen. Auf die Berufung des Klägers hin, welche die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts nicht angegriffen hatte, hat das Berufungsgericht die Beklagte zur vollständigen Zahlung fahrzeugbezogener Schadenpositionen (Sachschaden, Minderwert, Sachverständigenkosten) verurteilt und im Übrigen die vom Amtsgericht berücksichtigte Haftungsquote bestätigt. Mit der Revision verfolgen die Beklagten die vollständige Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidung
Der BGH hält das Berufungsurteil und bestätigt nochmals, dass vorliegend eine gewillkürte Prozessstandschaft zulässig ist, da der Kläger durch die finanzierende Bank ermächtigt worden ist, im eigenen Namen die Schadenersatzansprüche des Eigentümers geltend zu machen und der Kläger auch ein eigenes, nämlich ein wirtschaftliches, Interesse hat. Nach ständiger Rechtsprechung wird gerade für den Fall der Sicherungsübereignung ein solches wirtschaftliche Interesse bejaht. Insbesondere entsteht dem Schädiger auch kein Nachteil, da der Schädiger auch bei einer Geltendmachung der eigenen Ansprüche durch den Sicherungsnehmers, der Schädiger die Betriebsgefahr diesem, wie nachstehend zu zeigen sein wird, mangels Zurechnungsnorm nicht entgegenhalten kann.

Eine Zurechnung der Betriebsgefahr nach § 17 StVG scheidet aus, da diese Norm auch eine Haftung des Geschädigten nach den Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes voraussetzt. Im Rahmen der letzten Änderung des § 17 StVG hat der Gesetzgeber, obwohl ihm Bewusst gewesen ist, dass die Eigentümer- und die Halterstellung auseinanderfallen können (BT-Drucks 14/8780, S. 22f.), darauf verzichtet diese im Rahmen des § 17 StVG gleichzustellen. Daher ist eine Übertragung des Anwendungsbereiches des § 17 StVG auf den nichthaltenden Sicherungseigentümer abzulehnen.

Ebenfalls kommt eine Zurechnung nach § 9 StVG, § 254 BGB nicht in Betracht, da hierfür ein Verschulden des Fahrzeugführers erforderlich wäre. Ein vermutetes Verschulden genügt hierfür nicht.

Eine Zurechnung nach § 278 BGB scheitert offensichtlich an der fehlenden Verbindung zwischen der Sicherungseigentümerin und den Beklagten.

Interessant ist noch die Überlegung, dass der Kläger durch die Sicherungsübereignung ein dingliches Anwartschaftsrecht an dem Eigentum des an dem Unfall beteiligten Fahrzeugs erwirbt, welches durch dessen Beschädigung ebenfalls beeinträchtigt sein könnte. Dies war jedoch nicht weiterzuverfolgen, da der Kläger fahrzeugbezogenen Schadenersatzansprüche ausschließlich im Rahmen der Prozessstandschaft und nicht aus eigenem Recht geltend gemacht hat.

Praxishinweis: Da der BGH an seiner Rechtsprechung zur Zurechnung der Betriebsgefahr sowohl beim Leasingfahrzeug als auch bei der Sicherungsübereignung festhält, sollte insbesondere bei neueren sowie bei gewerblich genutzten Fahrzeugen bereits im Rahmen der außergerichtlichen Regulierung diese Berücksichtigung finden und genau aufgeklärt und unterschieden werden, wer Halter und wer Eigentümer ist.

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Gestörtes Gesamtschuldnerverhältnis bei Verkehrsunfällen

OLG Brandenburg, Urteil vom 18.5.2017 — Aktenzeichen: 12 U 192/06

Sachverhalt
Der Kläger macht gegenüber den Beklagten – Halterin und Haftpflichtversicherung des streitgegenständlichen Unfallfahrzeuges – Ansprüche insbesondere auf Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall geltend, bei dem der Kläger als Insasse erheblich verletzt wurde. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist den Beklagten der Beweis gelungen, dass der Kläger bei der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit für den Fahrer des verunglückten Fahrzeuges unterwegs gewesen ist. Bei dem Unfallfahrzeug handelte es sich um ein Mietfahrzeug, welches auf Kosten des Fahrers angemietet wurde. Die Benzinkosten trug ebenfalls ausschließlich der Fahrer. Der Kläger durfte ohne Kostenbeteiligung mitfahren. Das erstinstanzliche Landgericht ging vorliegend von einem Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII aus und schloss Ansprüche gegen die Beklagten nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerverhältnisses aus. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der beim OLG eingelegten Berufung. Das zwischenzeitlich angerufene Sozialgericht stellte rechtskräftig fest, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Unfall für den Kläger um einen Arbeitsunfall handelte.

Entscheidung
Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg.

Nach Auffassung des OLG hat das Landgericht eine Haftung der Beklagten nach §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG a.F. verneint. Zugunsten des Fahrzeugführers, dem Arbeitgeber des Klägers, greift die Haftungsprivilegierung des § 104 Abs. 1 S. SGB VII ein, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall um einen Arbeitsunfall handelt. Dies steht aufgrund der für den Senat nach § 108 Abs. 1 SGB VII bindenden rechtskräftigen Entscheidung des Sozialgerichtes fest. Allein der Umstand, dass der Fahrer anstelle seines eigenen Fahrzeuges einen Mietwagen angemietet hat, nehme der Fahrt nicht ihr innerbetriebliches Gepräge. Insoweit sei der Mietwagen dem betriebseigenen Fahrzeug gleichzusetzen, zumal der Kläger angegeben hat, er habe kostenlos mitfahren dürfen, so der Senat.

Greift somit zugunsten des Fahrzeugführers das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ein, liegt ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis vor mit der Folge, dass der Kläger weder die Beklagte zu 1) als Halter des verunfallten Fahrzeuges nach § 7 Abs. 1 StVG noch die Beklagte zu 2) als zuständigen Haftpflichtversicherer in Anspruch nehmen kann. Die Haftung eines Zweitschädigers beschränke sich im Verhältnis zum Geschädigten auf die Quote des Schaden, die auf diesem im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre. Im Streitfallbeschränke sich der Mitverursachungsanteil der Beklagten zu 1), die allein aus der Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StVG hier hafte, in dem Zurverfügungstellen des Mietfahrzeuges. Im Innenverhältnis ist es daher gerechtfertigt, den Erstschädiger gegenüber der Beklagten zu 1) allein haften zu lassen. Etwas anderes mag gelten, wenn dem Kfz-Halter ein eigenes Verschulden zur Last zu legen ist. Ein solches eigenes Verschulden der Beklagten zu 1) liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Es mache zudem keinen Unterschied, so der Senat, ob der Unfall mit einem betriebseigenen oder einem anderen, angemieteten Fahrzeug verursacht wird, dass nur deswegen benutzt wird, weil sich das eigene Fahrzeug des Unternehmers vorübergehend in Reparatur befindet.

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Der aufgewirbelte Stein als unabwendbares Ereignis

LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 30.3.2017 — Aktenzeichen: 2 S 2191/16

Sachverhalt
Auszugehen ist von folgendem Sachverhalt: Die Klägerin ist mit ihrem Pkw im Baustellenbereich hinter dem Lkw der Beklagten gefahren. Im befahrenen Bereich war allerdings nicht mit auf der Fahrbahn liegenden Steinen zu rechnen, da dort keine Arbeiten durchgeführt wurden. Dennoch wurde durch den Lkw ein auf der Straße liegender Stein aufgewirbelt und hat den Pkw der Klägerin beschädigt.

Entscheidung
Beim zugrundezulegenden Sachverhalt ist eine Haftung der Beklagten aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG grundsätzlich zunächst ohne weiteres zu bejahen, da der Schaden am Klägerfahrzeug beim Betrieb des versicherten Beklagten-Lkw entstanden ist. Nicht beantwortet hat aber das erstinstanzliche Gericht die Frage, ob die Haftung der Beklagten nach § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen ist, weil der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde. Das ist nach Auffassung des Berufungsgerichts, des LG Nürnberg-Fürth, hier der Fall.

Als unabwendbar gilt ein Ereignis dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1, 2 StVG liegt nicht nur bei absoluter Unvermeidbarkeit des Unfalls vor, sondern auch dann, wenn dieser bei Anwendung der äußerst möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus, so dass der Fahrer der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, sich wie ein Idealfahrer verhalten haben muss (BGH NJW 1998, Seite 2222). Damit verlangt § 17 Abs. 3 Satz 1, 2 StVG, dass der Idealfahrer in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden (BGH VersR 2006, Seite 369).

Ein solch abwendbares Ereignis kann vorliegen, wenn ein auf der Straße liegender Stein von den Rädern eines Lkw aufgewirbelt und auf ein nachfolgendes Fahrzeug geschleudert wird (z.B. LG Heidelberg NZV 2012, 299; AG Buchen r+s 2016, Seite 362 m.w.N.; vgl. auch BGH VersR 1974, Seite 1030).

Zwar müsse nach Auffassung des Landgerichts im Baustellenbereich grundsätzlich mit herumliegenden Steinen gerechnet und die Geschwindigkeit entsprechend angepasst werden, um andere Fahrzeuge nicht zu beschädigen. In diesem Fall fanden die eigentlichen Arbeiten jedoch an einer anderen Stelle statt. Mit dennoch herumliegenden Steinen müsse dann nicht gerechnet werden; dass vorliegend dennoch ein Stein aufgewirbelt wurde, hätte selbst bei Beachtung der äußersten möglichen Sorgfalt nicht verhindert werden können. Aufgrund dessen könne sich die Beklagte zurecht auf einen Haftungsausschluss nach § 17 Abs. 3 StVG wegen eines unabwendbaren Ereignisses berufen. Die Klage war deshalb abzuwarten.

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Subjektbezogene Schadenbetrachtung bei Abtretung der Sachverständigengebühren an ein Inkassounternehmen

Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.2.2017 — Aktenzeichen: 6 ZR 76/16

Leitsatz
1. Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu denen mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. 2. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter im Rahmen der Schätzung der Höhe dieses Schadensersatzanspruchs bei subjektbezogener Schadenbetrachtung gem. § 287 ZPO bei Fehlen einer Preisvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen und Abtretung des Schadenersatzanspruchs an den Sachverständigen bei Erteilung des Gutachtenauftrags an die übliche Gebühr gem. § 632 Abs. 2 BGB anknüpft, denn der verständige Geschädigte wird unter diesen Umständen im Regelfall davon ausgehen, dass dem Sachverständigen die übliche Gebührenvergütung zusteht.

Sachverhalt
Die Klägerin – ein Inkassounternehmen – begehrt von der beklagten Haftpflichtversicherung aus abgetretenem Recht Ersatz restlicher Sachverständigenkosten aus einem Verkehrsunfall von Januar 2015. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Die Geschädigte beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zur Schadenhöhe und trat ihm ihren Schadenersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe des Bruttoendbetrags der Rechnung des Sachverständigen erfüllungshalber ab. Im Gutachtenauftrag ist festgehalten, dass der Sachverständige sein Honorar nach der ermittelten Schadenshöhe zzgl. der entstandenen Nebenkosten berechnet. Für die Begutachtung erstellte er eine Rechnung über 867,00 € brutto, die ein Grundhonorar von 603,00 € und Nebenkosten in Höhe von 125,57 € auswies. Mit Vertrag vom 10.01.2015 trat der Sachverständige die Ansprüche an die Klägerin ab. Hierauf zahlte die Beklagte an die Klägerin 761,60 €. Hinsichtlich des Mehrbetrags von 105,40 € macht sie geltend, dass sowohl das Grundhonorar als auch die Nebenkosten überhöht seien. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 48,91 € zu bezahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidung
Das Berufungsurteil hielt einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Die Revision wendet sich im Ergebnis ohne Erfolg gegen die vom Berufungsgericht angenommene Höhe der für die Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs erforderlichen Kosten.

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um ein möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Den Geschädigten trifft gem. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB grundsätzlich die Darlegungslast hinsichtlich des erforderlichen Herstellungsaufwandes. Dieser Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlegung der Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeuges beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrags zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bildet nicht der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag als solcher, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung tatsächlich erbrachter Aufwand einen Anhalt zur Bestimmung der Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Der Grund für die Annahme einer Indizwirkung des vom Geschädigten tatsächlich erbrachten Aufwands bei der Schadensschätzung liegt darin, dass bei der Bestimmung des erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch seine möglicherweise beschränkte Erkenntnismöglichkeiten, zu berücksichtigen sind. Dies schlage sich regelmäßig in tatsächlich aufgewendeten Beträgen nieder, nicht hingegen in der Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solche.

Diese Grundsätze gelten auch bei einer Abtretung der Forderung auf Ersatz der Sachverständigenkosten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung zwar nicht auf die Erkenntnismöglichkeiten des Erstzessionars, also des Sachverständigen, abzustellen, denn der Zessionar erwirbt die Forderung in der Form, wie sie zuvor in der Person des Zedenten bestand. Dennoch ist es unter Umständen des Streitfalls nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den für die Erstellung des Gutachtens erforderlichen Aufwand in Höhe der gem. § 632 Abs. 2 BGB üblichen Vergütung für einen Kraftfahrzeugsachverständigen geschätzt hat. Der verständige Geschädigte, der keine Honorarvereinbarung trifft und den Schadensersatzanspruch bei Erteilung des Gutachtensauftrags abtritt, wird im Regelfall davon ausgehen, dass dem Sachverständigen die übliche Vergütung zusteht. Der Senat hat den subjektiven Schadenbegriff vorliegend verdrängt, indem er die Perspektive des Geschädigten gegen die des Sachverständigen austauscht. So führt er aus, dass der Geschädigte den auf das Honorar bezogenen Schadenersatzanspruch bereits vor Rechnungsstellung an den Sachverständigen abgetreten habe. Entscheidend sei daher nicht seine, sondern die Perspektive des Sachverständigen.

Da beim Sachverständigen keinerlei beschränkte Erkenntnismöglichkeit vorliegt, kann dieser in Ermangelung einer konkreten Preisabrede auch nur den nach § 632 Abs. 2 BGB ortsüblichen und angemessenen Tarif für seine Leistung abrechnen.

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Die Indizien einer Unfallmanipulation

Saarländisches OLG, Urteil vom 28.4.2016 — Aktenzeichen: 4 U 96/15

Sachverhalt
Im vorliegenden Fall machte die Klägerin Schadensersatzansprüche gegenüber dem KH-Versicherer und dem Fahrer und Halter eines angeblich unfallbeteiligten Fahrzeugs geltend. Die beklagte Halterin und Fahrerin des Fahrzeugs befuhr am Schadenstag den Parkplatz des Einkaufszentrums Globus in Homburg-Einöd. Sie sei mit ihrem Fahrzeug mit einem roten Kennzeichen rückwärts aus einem sich quer zur Fahrbahn befindlichen Parkplatz herausgefahren. Der Zeuge, Ehemann der Klägerin, habe nicht mehr reagieren können und sei zu einem Zusammenstoß gekommen, wobei das klägerische Fahrzeug nicht unerheblich beschädigt worden sei. Ihr sei ein Schaden in Höhe von insgesamt 7.228,98 € entstanden. Diesen Betrag forderte die Klägerin nunmehr von den beklagten Parteien. Die beklagte Haftpflichtversicherung der Unfallgegnerin bestritt, dass es zwischen den in der Klageschrift genannten Fahrzeugen an der genannten Örtlichkeit zu einem Unfallgeschehen unter Beteiligung der genannten Personen gekommen sei und das sich die genannten Fahrzeuge überhaupt berührt hätten. Sollte eine Berührung der Fahrzeuge dargelegt und nachgewiesen werden, werde bestritten, dass dies unfreiwillig geschehen sei.

Das Landgericht Saarbrücken hat die Klage abgewiesen. Es ging von einem manipulierten Unfall aus. Hiergegen wandte sich die Klägerin durch Einlegung eines Rechtsmittels. Das saarländische OLG bestätigte jedoch das erstinstanzliche Urteil voll umfänglich.

Entscheidung
Nach Auffassung des OLG hat das Landgericht eine Haftung der Beklagen mit Recht verneint, weil es sich vorliegend um ein manipuliertes Unfallgeschehen handele bei den die Einwilligung in die Beschädigung des PKW der Klägerin ein Ersatz des Schadens entgegen steht. Danach entfällt eine Haftung des Schädigers, wenn in ausreichende Maße Umstände vorliegen, die die Feststellung gestatten, dass es sich bei dem Schadenereignis um einen verabredeten Unfall handelt. Diesen Nachweis hat grundsätzlich der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer zuführen, wobei allerdings der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für unredliches Verhalten genügt. Die ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen, die für eine Manipulation sprechen, gestattet eine entsprechende Feststellung nach § 286 Abs. 1 ZPO. Entscheidend ist stets die Werthaltigkeit des oder der Anzeichen in der Gesamtschau.

Das OLG führte weiterhin aus, dass gegen die Annahme einer Unfallmanipulation es nicht spreche, wenn zwar die Polizei hinzugezogen wird, diese aber über die Verkehrsunfallanzeige hinaus keine eigenen konkreten Feststellung zum Unfallhergang und zu den Unfallfolgen träfe und auch keine Spuren sichere.

Auch ein Schadenereignis an einem belebten Ort nahe bei einem großen Einkaufszentrum oder auf dessen Parkplatz stehe der Annahme einer Unfallmanipulation im Einzelfall nicht entgegen.

Wer eine vor dem Schadenereignis bereits bestehende Freundschaft oder Bekanntschaft der Unfallbeteiligten verschwiegen oder wahrheitswidrig in Abrede gestellt und sodann durch verdeckte Befragung von Seiten des Inanspruch genommenen Haftpflichtversicherers oder auf andere Weise aufgedeckt und dem Rechtstreit nachgewiesen, liegt darin ein besonders werthaltiges Indiz für eine Unfallmanipulation so das OLG.

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Dashcam als Beweismittel

LG München I – Beschluss vom 19.10.2016 — Aktenzeichen: 17 S 6473/16

Bei der Dashcam-Aufnahme kann es sich um ein zulässiges Beweismittel handeln, das analog § 371 ZPO in Augenschein genommen werden kann und bei einem unfallanalytischen Sachverständigengutachten auch Berücksichtigung finden darf.

Beweisverwertungsverbote sind in der ZPO ausdrücklich nicht normiert. Ein solches kann indes indiziert sein, wenn ein Beweismittel unter Verstoß gegen einfach gesetzliche Normen erlangt wird, und in diesem Fall nur ausnahmsweise eine Verwertbarkeit als Beweismittel zulässig sein, in Abhängigkeit von gegenüberstehenden berechtigter Interessen im Verhältnis zu durch die einfach gesetzliche Norm geschützte Sphäre und einer umfassenden Interessen- und Güterabwägung der Parteien.

Aus Sicht der Kammer des LG München I ist bei der Aufzeichnung von Verkehrsvorgängen mittels einer Dashcam ein berechtigtes Interesse und ein hinreichend konkreter Verwendungszweck anzunehmen, als dass es um die Sicherung von Beweismitteln im Falle eines möglichen Verkehrsunfalles geht, insbesondere betreffend das Fahrverhalten und die Art der Unfallbeteiligung des Gegners.

Bezogen auf die Dashcam-Aufzeichung eines Verkehrsunfalls ist aus Sicht der Kammer lediglich die Individualsphäre betroffen (so auch Landgericht Frankenthal, Urteil v. 30.12.2015, Az.: 4 O 358/15), nicht etwa der Kernbereich der privaten Lebensführung.

Das Interesse einer Partei an einer Sicherung von Beweismitteln allein ist zwar grundsätzlich nicht ausreichend, kann aber dann ein besonderes Gewicht erlangen, wenn sich der Beweisführer in einer Notwehr bzw. notstandsähnlichen Situation befindet, insbesondere etwa weil ihm keine anderen Mittel zur Beweisvorsorge in der konkreten Situation zur Verfügung stehen. Davon kann insoweit aufgrund der Schnelle und Unvorhersehbarkeit von Unfallereignissen vor Fahrtantritt ausgegangen werden.

Entscheidend für die Frage der Verwertbarkeit ist dabei für die Kammer, ob eine permanente oder eine anlassbezogene Aufzeichnung mit der klägerischen Dashcam stattfindet, insbesondere aber auch, ob eine automatische Löschung und Überschreibung der Aufzeichnung innerhalb von bestimmten Zeiträumen erfolgt (vgl. insoweit auch Landgericht Frankenthal, s. o.).

Bezogen auf die Dashcam-Aufzeichnung des Klägers im hiesigen Fall ging die Kammer davon aus, dass diese lediglich zur Beweissicherung und Beweisführung im hiesigen Rechtsstreit verwendet werden sollten und nicht zu sonstigen Veröffentlichungen bestimmt waren und auch künftig keine anderweitige Verwendung finden sollen, mithin keine Veröffentlichungsgefahr zu besorgen ist.

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Anspruch auf die Wiederbeschaffungskosten entfallende Umsatzsteuer / Nutzungswille wird vermutet / vier Wochen Prüfungsfrist für Haftpflichtversicherer angemessen

Landgericht Stralsund, Urteil vom 13.7.2015 — Aktenzeichen: 7 O 19/15

Sachverhalt
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalles. Strittig ist der auf den Wiederbeschaffungswert entfallende Umsatzsteueranteil. Nach Auffassung der Haftpflichtversicherung wird dieser nicht geschuldet. Soweit der Kläger eine Nutzungsausfallentschädigung fordert, beanstanden die Beklagten das der Kläger zu Nutzungswillen nicht ausreichend vorgetragen habe. Weiterhin vertritt die Beklagte die Auffassung, dass der Kläger keine ausreichende Prüfungs- und Regulierungsfrist eingeräumt habe.

Entscheidung
Das Landgericht Stralsund kommt in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass die Umsatzsteuer zu erstatten ist soweit sie tatsächlich angefallen ist. Dies gilt nicht nur, wenn das beschädigte Fahrzeug repariert wird, sondern auch für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges; den auch diese ist eine Form der Naturalrestitution (BGH NJW 2014, 1943). Dass die Umsatzsteuer angefallen ist, kann der Geschädigte nachweisen, in dem er die Umsatzsteuer ausweisende Rechnung über das Ersatzfahrzeug vorlegt. Ausreichend ist hierfür, dass der Geschädigte die Auftragsbestätigung und die verbindliche Bestellung einreicht. Der Höhe nach hat der Geschädigte Anspruch auf die tatsächliche angefallene Umsatzsteuer, also auf die Umsatzsteuer aus dem tatsächlichen Kaufpreis für das Neufahrzeug. Der Restwert ist dabei nicht abzuziehen.

Im Hinblick auf den geltend gemachten Nutzungsausfallschaden wies das Landgericht daraufhin, dass der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung voraussetzte, dass der Kläger den Willen und die Möglichkeit gehabt hat, das Fahrzeug zu nutzen. Es stellte dabei ausdrücklich klar, dass der Nutzungswille vermutet werde. Deshalb müsse dazu in der Regel keine näheren Einzelheiten vorgetragen werden (vgl. OLG Köln vom 25.06.1998, 1 U 20/89; OLG Düsseldorf vom 26.08.2014, 1 U 151/13).

Weiterhin hat das LG Stralsund im vorliegenden Fall eine Prüfungsfrist von vier Wochen für die gegnerische Haftpflichtversicherung als angemessen erachtet. Es führte dazu aus, dass die Länge der Frist von den Umständen des Einzelfalles abhänge, insbesondere von der Schwierigkeit der Sache. Bei gewöhnlichen keine besonderen Schwierigkeiten aufwerfenden Unfallsachen wird teilweise eine Frist von drei Wochen für angemessen gehalten (OLG Düsseldorf vom 27.06.2007, 1 W 23/07), teilweise eine Frist von vier bis sechs Wochen (Zöller – Herget, ZPO, 30. Auflage Rdnr. 6 „Haftpflichtversicherung“). Im vorliegenden Fall sei von einer eher einfachen Angelegenheit auszugehen, weshalb eine Prüffrist von vier Wochen als angemessen erachtet wurde.

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Kläger kann von der Beklagten den an seine Haftpflichtversicherung zur Vermeidung der Verringerung seines Schadenfreiheitsrabattes gezahlten Betrages nicht aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung verlangen.

Amtsgericht Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 10.5.2016 — Aktenzeichen: 715 C 451/15

Entscheidung
Das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek vertritt in seinem Urteil die Auffassung, dass der Kläger von der Beklagten den an seine Haftpflichtversicherung zur Vermeidung der Verringerung seines Schadenfreiheitsrabattes gezahlten Betrages nicht aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung verlangen kann. Der Kläger hat mit der Zahlung eine Leistung an seine Haftpflichtversicherung erbracht, keine Leistung an die Beklagte, so dass eine Leistungskondition nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB scheitert. Aber auch eine Nichtleistungskondition ist dem Kläger angesichts der grundsätzlich innerhalb vorhandener Leistungsbeziehung zu erfolgenden Kondition nicht möglich. Die Haftpflichtversicherung hat auf eine eigene Schuld nach § 115 VVG geleistet. Aus diesem Leistungsverhältnis kann der Kläger keine Ansprüche herleiten.

Nach Auffassung des Gerichts steht dem Kläger aber auch ein Schadensersatzanspruch nicht zur Seite. In Betracht kämen allenfalls Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB, 826 BGB, wenn die Beklagte den Kläger bzw. deren Haftpflichtversicherung über die Entstehung eines Schadens durch den streitgegenständlichen Vorfall getäuscht hätte. Hinzu kommen müsse für einen Schadensersatzanspruch, dass die Beklagte in Kenntnis der Nichtverursachung der Schäden durch den Unfall diese gegenüber der Versicherung geltend gemacht hätte. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die als die Schäden aus dem aktuellen Schadenereignis stammenden bezeichneten Stellen von der Beklagten bewusst unwahr als die Schadenstelle aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis bezeichnet worden sind.

Abgesehen davon beruhe die von dem Kläger an seine Haftpflichtversicherung geleistete Zahlung auf seinem eigenen Willensentschluss. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang zu einem etwaigen schädigenden Verhalten ist in einem solchen Fall nur anzunehmen, wenn die Aufwendung zur Abwendung eines konkret drohenden Vermögensnachteils getätigt wird. Die Ersatzpflicht besteht nur für Aufwendungen, die ein wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Diesbezüglich habe der Kläger jedoch nichts vorgetragen und auch keinen Beweis dafür angetreten.

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