Herstellerangaben können die Anforderungen an den Arbeitsschutz begrenzen, gerade bei § 110 SGB VII

Landgericht Berlin, Urteil vom 20.2.2014 — Aktenzeichen: 33 O 121/13

Grundsätzlich sind die Unternehmer für den Schutz ihrer Mitarbeiter verantwortlich. So stellen das Arbeitsschutzgesetz und auch Unfallverhütungsvorschriften strenge Anforderungen. Allerdings können sich aus Herstellerrichtlinien Grenzen ergeben.

Leitsatz
1. Sieht ein Hersteller für den Transport von Schal-Elementen keine besonderen Anforderungen an den Arbeitsschutz vor, kann einem Unternehmer aus dem Unterlassen einer selbst vom Hersteller nicht vorgesehenen Maßnahme, kein Vorwurf gemacht werden.

2. Die Ausnahmevorschrift des § 110 SGB VII ist eng auszulegen.

3. Wird ein Strafverfahren gegen einen Unternehmer nach § 170 StPO eingestellt, kann im Zivilrechtsstreit nicht von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden.

Sachverhalt
Die Klägerin macht als Unfallversicherer gemäß § 110 SGB VII Ansprüche wegen eines Unfalls mit tödlichem Ausgang auf einer Baustelle bei Einschalungsarbeiten geltend. Der Beklagte war Arbeitgeber des tödlich Verunglückten. Zu dem Unfall kam es, als Schalungswände eines bestimmten Herstellers mit Hilfe eines Krans transportiert wurden. Beim Umsetzen der Schalungswände mit Abstützböcken löste sich eine Schaltafel und fiel auf den bei der Klägerin gesetztlich unfallversicherten Mitarbeiter des Beklagten.

Die Klägerin machte geltend, die Schalungswände hätten verschwertet, also derart mit einander verbunden werden müssen, dass nicht einzelne Schaltafeln abrutschen konnten. Dazu berief sich die Klägerin auf Arbeitsanleitungen des Herstellers, in denen vorgegeben wurde, dass „nur richtig verschwertete Einheiten“ transportiert werden dürfen. Der Hersteller hatte allerdings den tragischen Unfall zum Anlass genommen, dieses Erfordernis in die Arbeitsanleitung aufzunehmen; zum Unfallzeitpunkt galt diese Anforderung noch nicht. Ein Verschwerten wurde nur gefordert, um die statische Tragfähigkeit während der Schalung sicher zu stellen.

Das gegen den Beklagten gerichtete Strafverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft mangels Tatverdachts eingestellt.

Die Klägerin sah allerdings grobe Versäumnisse des Beklagten und verklagte diesen auf Erstattung der Witwen- und Waisenrente. Sie behauptete, der Beklagte hätte den Arbeitsunfall seines Mitarbeiters grob fahrlässig herbeigeführt.

Entscheidung
Die Klage bleibt ohne Erfolg.

Das Landgericht sieht keine grobe Fahrlässigkeit. Die Klägerin könne sich nicht auf die zur Unfallzeit geltenden Fassung der Hinweise der Herstellerfirma hinsichtlich der Verschwerterung berufen; denn der Schutzzweck sei nicht die Sicherheit der einschalenden Arbeitskräfte, sondern die Tragfähigkeit der Schalung beim Schalen. Etwaige Gefahren hinsichtlich des Transports seien damit nicht angesprochen. Ein entsprechendes Erfordernis habe vor dem Unfall aus Sicht des insoweit sehr viel sachkundigeren Herstellers nicht bestanden. Deshalb könne dem Beklagten kein Vorwurf gemacht werden, schon gar nicht ein grob fahrlässiges Verhalten.

Überdies betreffe der Anspruch nach § 110 SGB VII einen Ausnahmefall; diese Vorschrift sei daher eng auszulegen. Auch die Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zeige, dass keine grobe Fahrlässigkeit vorgelegen habe.

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„Wie-Beschäftigter“ nach § 2 Abs. 2 SGB VII

Landgericht Gera, Urteil vom 27.2.2014 — Aktenzeichen: 4 O 1407/12

Sachverhalt
Der bei einer Speditionsfirma angestellte Kläger lieferte auftragsgemäß Baustahlmaterialien mittels Lkw auf eine von der Beklagten zu 1) betriebene Baustelle. Nachdem der Kläger auf dem Baustellengelände angekommen war, öffnete er den Auflieger seines Sattelzuges und half den Angestellten der Beklagten zu 1) zunächst, Mattenkörbe von seinem Lkw zu entladen. Obwohl auch dies nicht vertraglich geschuldet, wollte der Kläger anschließend auch beim Abladen der auf seinem Lkw mitgeführten Stahlmatten helfen. Nachdem sich der bei der Beklagten zu 1) als Baggerfahrer beschäftigte Beklagte zu 2) mit seinem Bagger dem Lkw des Klägers genähert und den bereits mit Ketten für das Anhängen der Stahlmatten versehenen Kopf des Baggerarmes über die auf dem Lkw liegenden Stahlmatten bewegt hatte, ergriff der Kläger die Ketten und befestigte diese an den Seiten einer Stahlmatte. Unmittelbar nach dem anschließenden Anheben des Baggerarmes löste sich jedoch eine der Ketten und die Stahlmatte viel herab, wobei sie den sich noch in der Nähe befindlichen Kläger verletzte. Dieser begehrte Schadensersatz von den Beklagten zu 1) und zu 2).

Entscheidung
Das Landgericht hat die Klage gegenüber beiden Beklagten abgewiesen:

Während der schadenstiftenden Tätigkeit sei der Kläger als „Wie-Beschäftigter“ i.S.d. § 2 Abs. 2 SGB VII in den Betrieb der Beklagten zu 1) eingegliedert gewesen. Das Abladen der Matten habe unstreitig nicht mehr zur vertraglich vom Kläger und dessen Arbeitgeber gegenüber der Beklagten zu 1) geschuldete Leistung gehört. Für die Dauer seiner lediglich im Interesse der Beklagten zu 1) erfolgten Hilfeleistung sei der Kläger deshalb in deren Betrieb eingegliedert gewesen. Somit könne sich die Beklagte zu 1) in jedem Fall auf § 104 Abs. 1 SGB VII und der Beklagte zu 2) auf den Haftungsausschluss nach § 105 Abs. 1 SGB VII berufen.

Darüber hinaus stellt das Landgericht klar, dass auch eine gemeinsame Betriebsstätte gem. § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII vorgelegen habe, so dass dem Kläger auch deshalb keine Ansprüche gegenüber dem Beklagten zu 2) zustünden. Zugunsten der Beklagten zu 1) käme zwar nicht § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII zur Anwendung, wohl aber die Grundsätze zur gestörten Gesamtschuld i.V.m. § 840 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift haftet im Innenverhältnis zweier oder mehrerer Gesamtschuldner derjenige nicht, der im Gegensatz zu den anderen nur aus vermutetem Verschulden hafte. Da die Beklagte zu 1) nur nach § 831 Abs. 1 BGB gehaftet hätte, sei sie somit auch in dieser Konstellation haftungsbefreit.

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Grenzen der Verkehrssicherungspflicht

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1.10.2013 — Aktenzeichen: VI ZR 369/12

Eigentümer von Transportcontainern können sich darauf verlassen, dass die in der Transportkette jeweils verantwortlich handelnde Beteiligten erkennbare Gefahrenquellen zum Anlass nehmen, sich selbst zu schützen.

Leitsatz
Zur Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers eines Transportcontainers und zu seiner Haftung gegenüber einem Transporteur, der durch die zugeschlagene Tür des Containers verletzt wird.

Sachverhalt
Der Kläger ist selbstständiger Transportunternehmer und Eigentümer einer Sattelzugmaschine. Er führt selbst Transporte durch. Die Beklagte zu 1) betreibt ein Containerterminal im Hafen von Duisburg. Die Beklagte zu 1) beauftragte den Kläger mit einem Transport eines leeren Containers; dieser gehörte der Beklagten zu 4). Der Kläger führte den Transport durch und fuhr den Container mit geöffneten Türen an eine Laderampe. Die rechte Tür war mit einem Nylonseil gesichert, welches sich bereits bei Aufnahme des Containers an diesem befand. Dieses war morsch und riss, als eine Windböe die Containertür zuschlug. Der Kläger wurde durch die zuschlagende Tür schwer verletzt. Er verlangt Schadensersatz von der Eigentümerin des Containers, der Beklagten zu 4).
Entscheidung

Ohne Erfolg.

Die Eigentümerin des Containers trifft keine weitergehende Verantwortlichkeit als den Kläger, der die Containertür selbst mit dem morschen Seil befestigt hatte. Ein Transporteur wie der Kläger weiß, dass der Zustand von Containern sich aufgrund der verschiedenen Transportvorgänge, des Eingriffs von Personen sowie aufgrund technischer Gegebenheiten gefahrenträchtig verändern kann. Die Eigentümerin darf sich darauf verlassen, dass die in der Transportkette jeweils verantwortlich handelnde Personen erkennbare Gefahrenquellen zum Anlass nehmen, sich selbst zu schützen.

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Verletzung eines Mitschülers bei Prügelei auf dem Schulhof

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 8.11.2013 — Aktenzeichen: 26 U 31/13

Geraten Schüler in Streit, fliegen gelegentlich die Fäuste. Erleidet ein Schüler dadurch eine schwere Verletzung, stellt sich die Haftungsfrage. Damit hat sich das OLG Hamm aktuell befasst.

Leitsatz
Erleidet ein Schüler in der Schule durch Faustschläge eines Mitschülers eine schwerwiegende Augenverletzung, kann der Geschädigte vom Schädiger Schmerzensgeld verlangen, soweit dieser die Verletzung billigend in Kauf genommen hat. Weitergehende, vom Vorsatz des Schädigers nicht umfasste Verletzungsfolgen sind bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht zu berücksichtigen.

Sachverhalt
Die Parteien waren Hauptschüler und besuchten Parallelklassen. Als sie gemeinsam Unterricht hatten, kam es zunächst zwischen dem Beklagten und einem weiteren Mitschüler zu einer Rangelei, über die sich der Kläger lustig machte. Nach dem Unterricht verließen die Schüler das Schulgebäude in Richtung Pausenhof. Dort fühlte sich der 14jährige Beklagte vom Kläger provoziert. Der Beklagte ging auf den Kläger zu und schlug im zweimal gegen das rechte Auge, der dabei neben einem blauen Auge nebst Gehirnerschütterung, mehrere schwere Verletzungen erlitt, u.a. eine schwere Augenverletzung, die operiert und stationär behandelt werden musste.

Der Kläger verlangte klageweise Schmerzensgeld von 20.000 Euro. Das Landgericht hat ein Schmerzensgeld von 500 Euro zugesprochen, wogegen sich beide Parteien mit ihren Berufungen wandten.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht urteilt ein weiteres Schmerzensgeld von 500 Euro aus; im weitergehenden Umfang scheitere der Anspruch an dem Haftungsausschluss der §§ 104, 105 SGB VII.

Das Oberlandesgericht stellt klar, dass ein sog. doppelter Vorsatz notwendig sei, der nicht nur die vorsätzliche Handlung, sondern auch die herbeigeführte Körperverletzung erfordert. Das Oberlandesgericht ging nicht davon aus, dass der Beklagte die hier eingetretene schwere Folge beabsichtigt oder dies auch nur annähernd für mögliche gehalten hat. Keine Bedenken hat das Oberlandesgericht aber, allein wegen des blauen Auges und der eingetretenen Gehirnerschütterung ein Schmerzensgeld von insgesamt 1000 Euro anzusetzen.

Anmerkung
Bei sog. Schulunfällen greift das Haftungsprivileg der §§ 104 ff. SGB VII; dieses Privileg, welches die Haftung „sperrt“ wird bei Vorsatz wieder „entsperrt“, wobei Einigkeit darüber besteht, dass sich der Vorsatz auch auf die Folgen beziehen muss. Was aber ist, wenn sich dieser Vorsatz — wie hier — nur auf einen Teil der Schadensfolgen bezieht? Diese Frage ist höchstrichterlich nicht entschieden, was die Zulassung der Revision wohl gerechtfertigt hätte.

Nach der gesetzlichen Regelung ist der grundsätzlich Privilegierte zum Ersatz „des“ Personenschadens, den „ein Versicherungsfall verursacht hat“, nur verpflichtet, wenn die Person „den Versicherungsfall“ vorsätzlich herbeigeführt hat. Die Gesetzesformulierung könnte dafür sprechen, den Versicherungsfall als einheitlichen Lebensvorgang zu verstehen; dann aber überzeugt die Aufspaltung in einen haftungsprivilegierten Schaden (= blaues Auge) und einen nicht privilegierten Schaden (= schwere Augenverletzung) nicht.

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Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers gegenüber Bauherrn?

Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 5.3.2014 — Aktenzeichen: 5 U 1090/13

Die Erfordernisse des Arbeitschutzes gebieten es, Treppenlöcher abzudecken, damit die Arbeiter dort nicht abstürzen können. Wenn aber an der Baustelle (vorübergehend) nicht gearbeitet wird, kann dies anders zu beurteilen sein — so die Entscheidung des OLG Koblenz.

Leitsatz
Im Obergeschoss eines Rohbaus ohne Innentreppen ist in Zeiten der Arbeitsruhe kein Verkehr eröffnet, den der Bauunternehmer sichern müsste. Dies gilt auch dann, wenn das Obergeschoss durch Hochklettern an einem Außengerüst erreichbar ist.

Sachverhalt
Der Kläger ließ von einer Baufirma ein Haus bauen. Der Beklagte war mit der örtlichen Bauleitung betraut. Zu einem Zeitpunkt, als die Treppenöffnungen im Rohbau nicht gesichert waren — der Einbau der Treppenanlage stand noch aus -, kletterte der Kläger über ein Außengerüst in den Rohbau, stürzte in das Treppenloch und verletzte sich erheblich. Zu jenem Zeitpunkt sollte die Baufirma nicht mehr arbeiten; der Innenausbau stand noch nicht an.

Entscheidung
Die Klage hatte vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Es fehle — so das Gericht — schon eine haftungsrelevante Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, denn am Unfalltag sei kein Verkehr in das Obergeschoss eröffnet oder geduldet worden; deshalb seien auch keine Maßnahmen zu seiner Sicherung notwendig gewesen.

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„Voll beherschbare Risiken“ in Pflegeheimen

OLG Schleswig, Urteil vom 31.5.2013 — Aktenzeichen: 4 U 85/12

Leitsatz
In einer Pflegeeinrichtung mit großenteils demenzerkrankten Heimbewohnern ist dem Personal nicht abzuverlangen, ständig Aufsicht über diese zu führen. Es stellt aber eine Verletzung der Obliegenheitspflicht dar, wenn die Heimbewohner in einem Aufenthaltsraum mit mit heißem Tee gefüllten Thermoskannen allein gelassen werden und sich anschließend daran verbrühen.

Sachverhalt
Die klagende Krankenkasse nimmt aus übergegangenem Recht das beklagte Heim auf Erstattung von Behandlungskosten der bei ihr versicherten Frau R. in Anspruch, nachdem sich diese in dem Pflegeheim der Beklagten im Oberschenkelbereich verbrüht hatte. Frau R. war zuvor mit anderen Heimbewohnern im Aufenthaltsraum, in dem auch Thermoskannen mit Tee standen. Die Klägerin hat behauptet, der Versicherten sei von dem Pflegepersonal nahezu kochend heißer Tee vorgesetzt und sie dann ohne Aufsicht allein gelassen worden. Bei dem Versuch zu trinken, habe sie sich den Tee über ihre Oberschenkel gegossen. Hilfsweise hat die Klägerin behauptet, die Verbrühungen seien „auf welchem Wege auch immer“ entstanden, jedoch auf den heißen Tee zurückzuführen.

Entscheidung
Zwar konnte die Klägerin ihre Behauptung, das Personal der Beklagten habe der Versicherten heißen Tee vorgesetzt und sie dann allein trinken lassen, nicht beweisen. Jedoch sah das OLG Schleswig eine Pflichtverletung bereits darin, dass heißer Tee in Thermoskannen unbeaufsichtigt in einem Raum mit pflegebedürftigen Heimbewohnern, auch Demenzerkrankten, gelassen wurde. Eine Pflichtverletzung läge unter dem Gesichtspunkt des „voll beherrschbaren Risikobereichs“ vor, da sich der schädigende Vorfall in einer konkreten Gefahrensituation mit gesteigerten Obhutspflichten ereignet habe. Vorliegend wäre es der Beklagten ohne finanziell erheblichen und unzumutbaren Aufwand möglich gewesen, das vorhersehbare Schadensgeschehen abzuwenden. So hätte es ausgereicht, dass das Personal bei Verlassen des Aufenthaltsraumes die Thermoskannen schlicht mitnimmt, um damit eine Gefahr abzuwenden, der die Versicherte ansonsten ausgeliefert gewesen wäre.

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Regress nach §§ 110, 111 SGB VII: Grobe Fahrlässigkeit

LG Dresden, Urteil vom 4.7.2013 — Aktenzeichen: 4 O 76/12

Sachverhalt
Das LG Dresden hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem ein Versicherter der klagenden Berufsgenossenschaft bei Baumfällarbeiten zu Schaden gekommen war. Die auf §§ 110 Abs. 1, 111 SGB VII gestützte Regressklage richtete sich gegen den haftungsprivilegierten Arbeitgeber und Vorarbeiter des Geschädigten: Beide hatten den Geschädigten ohne Einweisung und Anleitung zur Sicherung des zu fällenden Baums erstmalig für Fällarbeiten eingeteilt.

Das LG hat unter Annahme folgender Voraussetzungen eine grob fahrlässige Herbeiführung des Arbeitsunfalls durch beide Beklagte bejaht:

Entscheidung
Kommt es bei Baumfällarbeiten zu einem Arbeitsunfall, steht dem gesetzlichen Unfallversicherungsträger ein Regressanspruch wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls gegen den Vorarbeiter des mit bauvorbereitenden Maßnahmen beauftragten Unternehmens zu, wenn dieser trotz unzureichender Qualifikation in Forstarbeiten die Fällung eines Baumes angeordnet hat, er wusste, dass der Geschädigte keine berufliche Erfahrung hinsichtlich Forstarbeiten bzw. Baumpflegearbeiten hatte und er keinerlei Anweisungen bzw. Unterrichtungen im Arbeitsschutz erteilt hat.

Die Sicherung eines zumindest 6 m langen Astes mit einem an einer Terrassenbrüstung eines seit Jahren leerstehenden Hauses befestigten Seil, ohne die Brüstung auf ihre Stabilität hin zu überprüfen, stellt eine so offensichtliche objektive Sorgfaltspflichtverletzung dar, dass hieraus der Rückschluss auf subjektiv grob fahrlässiges Verhalten zulässig ist.

Der Geschäftsführer des beauftragten Unternehmens ist gemäß § 111 SGB VII ebenfalls zum Ersatz aller übergangsfähigen Aufwendungen verpflichtet, da er im Wissen, dass auf dem Hanggrundstück eine Eiche gefällt werden sollte, unqualifizierte Personen zur Durchführung des Auftrags ausgewählt, diese nicht ausreichend eingewiesen und auch die Arbeiten nicht überwacht hat.

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Gemeinsame Betriebsstätte

BGH, Urteil vom 22.1.2013 — Aktenzeichen: VI ZR 175/11

Leitsatz
Zum Vorliegen der „Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation“ als Voraussetzung einer gemeinsamen Betriebsstätte.

Eine Bindung gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII besteht nicht hinsichtlich der Frage, ob eine gemeinsame Betriebsstätte vorliegt

Sachverhalt
Die Klägerin macht als BG für das Unternehmen X Schadensersatzansprüche aus einem Unfall des bei ihr versicherten und bei dem vorgenannten Unternehmen beschäftigten Geschädigten geltend. Die X war damit beauftragt, Straßenbauarbeiten auf einer Baustelle am Ende der Straße „Zum Sand“ durchzuführen. Der Geschädigte führte am Unfalltag Teer- und Asphaltierarbeiten durch. Der Beklagte zu 2 ist bei der Beklagten zu 1 beschäftigt. Er hatte den Auftrag, benötigtes Füllgut mit einem bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversicherten Lkw anzuliefern, dessen Halterin die Beklagte zu 1 war. Der Beklagte zu 2 fuhr mit dem mit Bitumen und Teer beladenen Lkw rückwärts in die Straße „Zum Sand“ ein. Das Ladegut sollte auf der am Ende der Straße gelegenen Baustelle abgeliefert werden. Dazu setzte der Beklagte zu 2 mehrere hundert Meter auf der schmalen Straße zurück, ohne sich eines Einweisers zu bedienen. Dabei übersah er zwei am rechten Fahrbahnrand geparkte Lkw und fuhr auf den einen auf, der gegen den dahinter abgestellten Lkw geschoben wurde. Zwischen diesen beiden Lkw stand der Geschädigte. Er wurde eingequetscht und erlitt schwere Verletzungen.

Die Klägerin (BG) begehrt Ersatz der für den Geschädigten erbrachten Aufwendungen. Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen

Entscheidung
Der BGH bestätigt das erstinstanzliche Urteil. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liege keine vorübergehende betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII vor, welche eine Haftungsprivilegierung nach §§ 104, 105 SGB VII oder nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses rechtfertigen könne. Das Berufungsgericht lasse aber außer Betracht, dass im Streitfall die Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation fehlte, die die „gemeinsame Betriebsstätte“ entscheidend kennzeichnet. Die Beurteilung, ob in einer Unfallsituation eine „gemeinsame“ Betriebsstätte vorliege, müsse sich auf konkrete Arbeitsvorgänge beziehen und knüpfe daran an, dass eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation gegeben sei. Eine solche zum Unfallzeitpunkt konkrete Verbindung zwischen den Tätigkeiten des Geschädigten, der Teer- und Asphaltierarbeiten durchführte, und der Tätigkeit des Beklagten zu 2, welcher das dafür erforderliche Füllmaterial anlieferte, läge zwar vor, wenn sich der Unfall entsprechend dem nach den Ausführungen der Beklagten üblichen Arbeitsablauf bei den Abladevorgängen am „Fertiger“ an der Baustelle selbst zugetragen hätte. Unstreitig habe sich der Geschädigte zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls aber nicht an der Stelle befunden, wo an dem „Fertiger“ gearbeitet wurde, bzw. bei dem Bagger, wo der Abladevorgang stattfinden sollte. Er hatte sich vielmehr von dieser Stelle wegbegeben und war im Zeitpunkt des Unfalls wieder auf dem Rückweg zur Baustelle, als er zwischen den geparkten Fahrzeugen eingequetscht wurde. Dies reiche für eine gemeinsame Betriebsstätte nicht aus.

Eine Haftungsprivilegierung der Beklagten sei auch nicht deshalb anzunehmen, weil unstreitig sozialrechtlich ein „Betriebsunfall“ anerkannt worden sei. Eine Bindung gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte bestehe nicht, wenn es nach Anerkennung eines Arbeitsunfalls durch die Berufsgenossenschaft nur noch um die Frage gehe, ob der in Anspruch genommene Schädiger wegen des Vorliegens einer gemeinsamen Betriebsstätte haftungsprivilegiert, oder wenn das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte zu verneinen sei.

Neben den klarstellenden Ausführungen zur Bindungswirkung nach § 108 SGB VII, kann der Entscheidung vor allem entnommen werden, dass in Zukunft wohl von einer restriktiveren Auslegung des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII durch den BGH auszugehen ist. Ein bloßes vorübergehendes Tätigwerden reicht zur Annahme einer gemeinsamen Betriebsstätte allein nicht mehr aus. Der BGH stellt auf die konkrete Unfallsituation ab und differenziert zwischen Miteinander und Nacheinander. Einheitliche Vorgänge sind demnach verstärkt in ihre einzelnen Teilakte aufzusplitten, wobei dann genau zu prüfen ist, bei welchem dieser Teilakte der Unfall unter welchen Bedingungen — § 106 SGB VII — geschehen ist.

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Wann verjähren Ansprüche nach § 110 SGB VII?

Landgericht Cottbus, Urteil vom 20.9.2013 — Aktenzeichen: 6 O 269/10

Die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen Ansprüche nach § 110 SGB VII verjähren, wird in Rechtsprechung und Rechtsliteratur kontrovers diskutiert. Die Diskussion wurde nun durch eine Entscheidung des LG Cottbus bereichert.

Leitsatz
1. Die bindende Feststellung der Leistungspflicht nach § 113 SGB VII erfolgt durch jeden Verwaltungsakt des Unfallversicherungsträgers, der entsprechende Leistungen enthält. Dazu zählt auch die Zahlung von Verletztengeld.

2. Die Verjährungsfrist beginnt taggenau, also nicht mit dem Schluss des Jahres.

3. Ein Verjährungsverzicht oder ein Anerkenntnis gilt nur gegenüber demjenigen, zu dessen Gunsten er abgegeben wurde; eine Erklärung, die gegenüber einem Rentenversicherungsträger abgegeben wurde, hat keine Wirkungen gegenüber einem Unfallversicherungsträger.

Sachverhalt
Die Klägerin ist ein Unfallversicherungsträger. Der Beklagte ist Zimmermann und war damit befasst, für ein Einkaufszentrum Zimmermannsarbeiten auszuführen. Zum Auftragsumfang gehörte u.a. die Montage von Bindern. Während der Montage kippten die bereits aufgestellten, aber noch nicht befestigten Binder um. Zwei Mitarbeiter des Beklagten stürzten einige Meter tief nach unten und verletzten sich schwer.

Folgende Daten sind für die Entscheidung relevant:

30.08.2005 Unfall

15.09.2005 Klägerin informiert Geschädigte, dass ein Arbeitsunfall vorliege und Sozialleistungen erbracht werden

15.10.2005 Klägerin erlässt Bescheid über Verletztengeld

28.08.2007 Klägerin erlässt Rentenbescheid, zugleich Anerkennung als Arbeitsunfall.

19.11.2007 Klägerin teilt mit, sie habe zu prüfen, ob zivilrechtliche Ansprüche bestünden; deshalb bittet sie den Beklagten um Mitteilung, bei welchem Haftpflichtversicherer der Beklagte versichert ist.

20.11.2007 Beklagte teilt telefonisch mit, es solle doch „das gerichtliche Verfahren“ abgewartet werden.

02.02.2010 Haftpflichtversicherer erklärt gegenüber dem Rentenversicherungsträger (!), dass Einwendungen zum Haftungsgrund nicht erhoeben werden.

19.02.2010 Klägerin meldet Ansprüche beim Haftpflichtversicherer an.

26.02.2010 Versicherer bestätigt Eingang und kündigt Ermittlungen an.

08.03.2010 Versicherer verzichtet gegenüber Rentenversicherungsträger (!) auf Einrede der Verjährung bis Ende 2012.

23.03.2010 Versicherer lehnt Haftung ab und stellt Klage anheim.

07.10.2010 Erhebung der Klage (Zustellung am 02.11.2010).

Entscheidung
Das Landgericht hat Klage schon wegen Verjährung abgewiesen und die schwierigen Fragen, ob gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen wurde und wenn ja, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, dahinstehen lassen.

Die Verjährung richtet sich nach § 113 SGB VII. Danach verjährt der Anspruch nach § 110 SGB VII entsprechend den Bestimmungen der §§ 195, 199 Abs. 1 und 2 und § 203 des BGB mit der Maßgabe, dass die Frist von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt oder ein entsprechendes Urteil rechtskräftig geworden ist.

Nach Auffassung des Landgericht stellt eine solche Leistungsfeststellung bereits die Zahlung von Verletztengeld dar. Jedenfalls habe die Verjährung durch den Bescheid über die Gewährung von Verletztengeld zu laufen begonnen.

Das Landgericht nimmt ferner eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist vor; die Frist beginne taggenau mit der Feststellung der Leistungspflicht und ende drei Jahre später, hier also im September/Oktober 2008. Für diese Auslegung spreche der Wortlaut, aber auch eine historische Betrachtung und der gesetzgeberische Wille; denn die Regelung gehe zurück auf das Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das SGB aus 1996, nach dem § 852 BGB ebenfalls mit der Maßgabe gelten sollte, dass die Frist von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht bindend festgestellt wird. Die spätere Fassung des § 113 SGB VII beruhte — so das LG — darauf, dass § 852 BGB durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts geändert worden ist. In der Gesetzesbegründung heiße es — so das LG — lediglich, dass sich die entsprechenden Regelungen nunmehr in den neuen §§ 195, 199 Abs. 1 und 2 und § 203 BGB befänden; es sei mit keinem Wort darauf hingewiesen worden, dass mit der Neufassung die taggenaue Verjährungsfrist nicht mehr habe gelten sollen.

Die gegenüber der Rentenversicherung abgegebenen Erklärungen wirkten nach Ansicht des Landgerichts nicht gegenüber der Klägerin, und zwar selbst dann, wenn man von einer Gesamtgläubigerschaft ausginge.

Im November 2007 habe es keine Verhandlungen gegeben; auch wenn der Begriff der Verhandlung weit auszulegen sei, führten der Hinweis, „man prüfe Ersatzansprüche“, und die Bitte um Mitteilung des Haftpflichtversicherers nicht zur Hemmung; deshalb könne auch der telefonische Hinweis des Beklagten, es solle das Verfahren abgewartet werden, nicht als beginnende Verhandlung angesehen werden.

Verhandlungen habe es nur vom 22.02.2010 bis zum 24.03.2010 gegeben. Dieser Zeitraum habe die Verjährung nicht mehr hinreichend hemmen können. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Verjährungsfrist spätestens am 28.09.2010 endete, so dass die Klage im Oktober nichts mehr bewirken konnte.

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Gem. Betriebsstätte / Wie-Beschäftigung / Bindungswirkung

BGH, Urteil vom 30.4.2013 — Aktenzeichen: VI ZR 155/12

Leitsatz
Die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 108 Abs. 2 SGB X wegen unterlassener Beteiligung des Schädigers am Verwaltungsverfahren ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie eine bloße Förmelei wäre.

Diente die Tätigkeit des Schädigers sowohl dem Interesse des Unfallbetriebs als auch dem seines eigenen bzw. seines Stammunternehmens, kann sie dem Unfallbetrieb nur dann im Sinne des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII zugeordnet werden, wenn sie der Sache nach für diesen und nicht für das eigene Unternehmen geleistet wurde.

Zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII.

Sachverhalt
Der Kläger ist bei der B. AG angestellt und arbeitet in deren Werk in D. Er wird an Arbeitstagen von einem sogenannten Werksbus der B. AG von seinem Wohnort in E. abgeholt und an seine Arbeitsstelle gebracht. Mit der Durchführung der Fahrten der Werksbusse beauftragte die B. AG die Beklagte zu 2, die hierfür u.a. den bei ihr als Busfahrer angestellten Beklagten zu 1 einsetzte. Am 22. Juni 2009 holte der Beklagte zu 1 den Kläger mit einem Bus der Beklagten zu 2, der bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversichert ist, in E. ab und erreichte die Ausstiegsstelle für den Werksbus der B. AG in D. Der Kläger stieg an der hinteren Tür des Busses aus, kam dabei zu Fall und zog sich eine distale Unterarmfraktur links mit Gelenkbeteiligung zu. Die für die B. AG zuständige BG erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an.

Mit der Behauptung, der Beklagte zu 1 habe die hintere Bustür geschlossen, als er gerade im Begriff gewesen sei, auszusteigen, begehrt der Kläger u.a. die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Die Beklagten machen geltend, ihre Haftung sei gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen, weil der Beklagte zu 1 zum Unfallzeitpunkt in den Betrieb der B. AG wie ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII eingegliedert gewesen sei.

Entscheidung
Nach Auffassung des Berufungsgerichts war die Haftung der Beklagten gemäß § 106 Abs. 3 Fall 3, § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen. Der Unfall habe sich aber bei einer vorübergehenden Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII ereignet.

Der BGH hebt auf und urteilt, den Beklagten komme kein Haftungsprivileg zugute: Gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII sei der Zivilrichter an unanfechtbare Entscheidungen der Unfallversicherungsträger und der Sozialgerichte auch hinsichtlich der Frage gebunden, ob der Verletzte den Unfall als Versicherter aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 SGB VII erlitten hat und welchem Betrieb der Unfall zuzurechnen sei. damit stünde mit dem Bescheid der BG fest, dass der Unfall nur der B. AG zuzuordnen sei, so dass eine Einordnung des Verletzten in den Betrieb des Busunternehmens unmöglich sei. Das hier die Beklagten zu 1 und 2 gemäß § 12 Abs. 2 SGB X nicht in der gebotenen Weise an dem Verfahren beteiligt worden waren, sei ausnahmsweise unschädlich, da die im Fall einer unterlassenen Beteiligung des Schädigers an sich gebotene Aussetzung des Verfahrens gemäß § 108 Abs. 2 SGB X im Streitfall eine bloße Förmelei gewesen wäre. Die Belagten hatten sich hierauf nicht einmal berufen und die Entscheidung der BGB akzeptiert.

Auch der Beklagte zu 1 habe im Unfallzeitpunkt keine betriebliche Tätigkeit für die B. AG erbracht. Er sei für sie insbesondere nicht wie ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII tätig geworden, sondern habe vielmehr die Aufgaben seines Stammunternehmens (Bus), der Beklagten zu 2, wahrgenommen.

Schließlich habe sich der Unfall, auch nicht bei einer vorübergehenden betrieblichen Tätigkeit des Klägers und des Beklagten zu 1 auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet. Ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken des Klägers mit dem Beklagten zu 1 in der konkreten Unfallsituation sei nicht gegeben. Es fehle sowohl an einem bewussten Miteinander im Betriebsablauf als auch an dem erforderlichen wechselseitigen Bezug betrieblicher Aktivitäten. Selbst wenn in dem Aussteigen des Klägers eine betriebliche Tätigkeit im Sinne des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII zu sehen wäre, sei diese in keiner Weise auf die Tätigkeit des Beklagten zu 1 bezogen, mit ihr verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet gewesen. Es fehle somit das Merkmal der Betriebsbezogenheit.

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