Recht im Winter – Lichterkette im Mietshaus / Weihnachtsbaum im Gefängnis

Michael PeusMichael Peus

AG Eschweiler, Urteil vom 01.08.2014 – 26 C 43/14
und
LG Berlin, Urteil vom 01.06.2010 – 65 S 390/09
und
KG, Beschluss vom 14.09.2017 – 5 Ws 180/17 Vollz

 

Sachverhalte

  1. Das Amtsgericht Eschweiler hatte einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem sich der Vermieter an der Lichterkette seiner Mieter störte, welche aus sechzehn durch ein Kabel verbundenen – de gustibus non est disputandum – verschieden farbigen runden Leuchtkörpern auf einer Gesamtlänge von drei Metern bestand. Mit Blick auf den Mietvertrag klagte der Vermieter auf Entfernung der Lichterkette. Der Mietvertrag enthält folgende Regelungen:

    Nach Ziffer 2 bedarf der Mieter für Instandsetzung jeglicher Art, baulichen oder sonstigen Änderungen und neuen Einrichtungen die vorherige Zustimmung des Vermieters. Nach Ziffer 3 hat der Mieter sich verpflichtet, bauliche oder sonstige Änderungen und Einrichtungen, die er ohne Zustimmung des Vermieters vorgenommen hat, auf Verlangen des Vermieters zu beseitigen. Nach Ziffer 3 dürfen Außenantennen, Reklameschilder, Leuchtreklame, Schaukästen, Plakate, Warenautomaten usw. der vorherigen Zustimmung des Vermieters. Wegen des genauen Wortlauts wird auf die als Anlage K1 zur Akte gelangte Urkunde des Mietvertrages verwiesen.

  2. Ebenfalls über eine Lichterkette an einem vermieteten Objekt hatte das Landgericht Berlin zu entscheiden. Wegen der nicht konkret genehmigten Lichterkette wurde – neben anderen Gründen – die Kündigung des Mietverhältnisses erklärt.
  3.  Das Kammergericht hatte einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem ein Strafgefangener einen künstlichen Weihnachtsbaum inklusive Lichterkette in seinem Haftraum aufstellen wollte. Das wurde von der Justizanstalt verboten.

 

Entscheidungen

  1. Der Mieter durfte seine Lichterkette behalten und weiterbetreiben. Auch wenn er keine Zustimmung des Vermieters eingeholt hatte, sei die Klausel im Mietvertrag tatsächlich so zu verstehen, dass die Zustimmung des Vermieters auch hierfür erforderlich gewesen wäre. Aber eine Beseitigung würde voraussetzen, dass durch die Nutzung des Balkons mit Lichterkette der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache – hier: Balkon – überschritten sei. Das sei nicht der Fall:

    „Denn es ist anerkannt, dass der vertragsgemäße Gebrauch des Außenbereichs der Mietwohnung anders als die Ausgestaltung der Lebensverhältnisse innerhalb der Wohnung im Einzelfall Einschränkungen unterliegen kann. Dabei hat das Gericht nicht darüber zu befinden, ob die Verwendung der Lichterkette ästhetischen Anforderungen genügt. Denn dann würde es unzulässiger Weise sein Ästhetisches Empfunden an die Stelle des Empfindens der Parteien setzen. Zwar wird der Gesamteindruck des Hauses durch die sichtbare Lichterkette beeinflusst. Die Beeinflussung überschreitet aber nicht das Maß einer Beeinflussung durch die ohne weiteres zulässige Verwendung von z. B. bunten Sonnenschirmen oder einer ebenfalls ohne weiteres zulässigen Balkonbepflanzung und Bestuhlung. Angesichts der zwischenzeitlichen Üblichkeit der Verwendung von Leuchtkörpern im Außenbereich in allen gesellschaftlichen Schichten geht von der Verwendung der konkreten Lichterkette auch kein Makel aus. Mithin hat die Klägerin ihre Verwendung zu dulden.‟

  2. Das Landgericht Berlin hat die Zulässigkeit der Anbringung einer Lichterkette in dem dort zu entscheidenden Fall offengelassen, aber herausgestellt, dass selbst eine Unzulässigkeit kein Kündigungsgrund des Mietverhältnisses wäre:

    Die Lichterkette rechtfertigt auch eine Kündigung nicht. Ob es sich überhaupt um eine Pflichtverletzung handelt, soll hier ausdrücklich dahinstehen, denn immerhin handelt es sich um eine inzwischen weit verbreitete Sitte, in der Zeit vor und nach Weihnachten, Fenster und Balkone mit elektrischer Beleuchtung zu schmücken. Selbst wenn man, obwohl es mangels entsprechender Vereinbarung im Mietvertrag dazu schon keinen Anlass gibt, eine solche gleichwohl unterstellen wollte, handelte es sich jedenfalls um eine so verhältnismäßig geringfügige, dass sie weder eine fristlose noch eine fristgemäße Kündigung rechtfertigen könnte.

  3. Das Kammergericht hat das Verbot der Anstaltsleitung bestätigt. Nachdem bereits für natürliche Weihnachtsbäume entschieden sei, dass diese in Hafträumen unzulässig seien, sei dies nun auch für künstliche Weihnachtsbäume zu bestätigen. Von den Bäumen gehe eine Gefahr der Sicherheit aus, weil mit einer Lichterkette gefesselt und stranguliert werden könne sowie „Pendelkontakt‟ zu anderen Hafträumen hergestellt werden könne. Hohlräume in künstlichen Weihnachtsbäumen würden im Übrigen Möglichkeiten geben, Waffen, Werkzeuge oder Drogen zu verstecken.

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Fiktive Abrechnung im Mietrecht?

Michael PeusMichael Peus

BGH, Beschl. v. 10.05.2022 – VIII ZR 277/20

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach ständiger Rechtsprechung kann im Mietrecht ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB fiktiv abgerechnet werden. Die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats (Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17), in der dieser der fiktiven Abrechnung im Werkvertragsrecht eine Absage erteilt, kann nicht auf das Mietrecht übertragen werden.

 

Sachverhalt

Die Beklagte mietete ab Dezember 2007 die Wohnung der Klägerin. Nach dem Mietvertrag ist die Beklagte zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet. Nach Beendigung des Mietvertrages zum 31.07.2017 verlangte die Klägerin unter Fristsetzung die Vornahme von einigen Schönheitsreparaturen. Dem kam die Beklagte nicht nach, sodass die Klägerin Schadensersatz i.H.v. 3.696,75€ aufgrund eines Kostenvoranschlages eines Malerbetriebes verlangte.

Das Amtsgericht gab der Klage statt, die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Die Beklagte sei aufgrund des Mietvertrages zu den Schönheitsreparaturen verpflichtet, die sie innerhalb der Frist nicht vorgenommen habe. Die Schönheitsreparaturen seien auch erforderlich, da die Beklagte die Wände bunt gestrichen habe. Ebenso sei der in dem Kostenvoranschlag geforderte Betrag erforderlich und angemessen.

Die Klägerin könne den Schaden auch fiktiv abrechnen. Der VII. Zivilsenat des BGH habe dies für das Werkvertragsrecht zwar verneint, dies könne jedoch nicht auf das Mietrecht übertragen werden. Im Gegensatz zu einem Besteller könne ein Vermieter die Vergütung nicht mindern (§§ 634 Nr. 3, 638 BGB). Durch die fiktiven Mängelbeseitigungskosten könne der Schaden ziemlich genau und vorhersehbar beziffert werden. Würde der Schadensersatz nach dem Minderwert oder nach den tatsächlich aufgewandten Kosten bemessen, könne dies den Mieter dazu verleitet werden, seinen Pflichten nicht mehr nachzukommen.

Mit der Revision will die Beklagte weiterhin die Klageabweisung erreichen. Das Berufungsgericht ließ die Revision hinsichtlich der „Ersatzfähigkeit fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Mietrecht“ zu.

 

Entscheidung

Ein Zulassungsgrund für die Revision liegt nicht (mehr) vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und ein Zulassungsgrund gem. § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO liegt nicht vor.

Die Frage, ob im Mietrecht ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB fiktiv abgerechnet werden kann, ist höchstrichterlich geklärt. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH können Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung im Mietrecht (auch Kosten für Instandsetzung oder -haltung oder Rückbau) fiktiv berechnet werden.

In seinem Urteil vom 22.08.2018 – VII ZR 46/17 verneinte der VII. Zivilsenat des BGH zwar die fiktive Abrechnung im Werkvertragsrecht, stellte aber auch ausdrücklich klar, dies beziehe sich aufgrund der Besonderheiten des Werkvertragsrecht (insb. Vorschussanspruch des Bestellers gem. § 637 Abs. 3 BGB) nur hierauf.

Im Mietrecht besteht war ein mit § 637 Abs. 3 BGB vergleichbaren Anspruch auf Vorschuss einer beabsichtigten Selbstvornahme, der nach der Rechtsprechung unter den Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB auch für Mietmängel und die erforderlichen Renovierungskosten gilt, sofern der Mieter die Schönheitsreparaturen nicht fristgerecht durchgeführt hat. Vorliegend macht die Klägerin jedoch Ansprüche aufgrund eines beendeten Mietverhältnisses geltend.

Daher hat die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Klägerin kann die Kosten für die Schönheitsreparaturen gem. § 280 Abs. 1, 3, § 282 Abs. 1 BGB nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten berechnen. Die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats ist aufgrund der Besonderheiten der verschiedenen Vertragstypen nicht auf das Mietrecht übertragbar.

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Mietrecht: Keine Anfechtung aufgrund arglistiger Täuschung ohne Wohnungsbesichtigung

Michael PeusMichael Peus

LG Lübeck, Urt. v. 07.07.2022 – 14 S 23/21

 

Leitsätze (redaktionell)

  1. Unterlässt es ein Mieter, die Wohnung vorher zu besichtigen, obwohl hierzu die Gelegenheit bestanden hat, fällt dies grds. in seinen Risikobereich. Eine arglistige Täuschung des Vermieters über den Zustand der Wohnung kommt dann mangels Interesses des Mieters hieran nicht in Betracht.
  2. Der Mieter kann sich dann auch nicht auf Mängelrechte berufen, da ihm die Mängel aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis unbekannt geblieben sind, § 536b BGB.

 

Sachverhalt

Die Beklagte mietete eine möblierte Wohnung der Klägerin ohne vorherige Besichtigung an, obwohl sich die Vertragsparteien zweimal in der Wohnung selbst getroffen hatten. Die Klägerin hatte nur  Bilder aus dem Inserat vor Augen und dann keine Besichtigung durchgeführt.

Vertragsunterzeichnung war am 24.07.2019, die Schlüsselübergabe fand am 26.08.2019 statt und vereinbarter Mietbeginn war der 01.09.2019. Vereinbart war ein Kündigungsausschluss der Mieterin für ein Jahr ab Vertragsbeginn.

Die Beklagte zahlte daraufhin die Miete für den Monat September i.H.v. 900€ sowie die Kaution i.H.v. 1.500€.

Am 10.09.2019 erklärte die Beklagte

  • den Rücktritt vom Vertrag und
  • hilfsweise die außerordentliche und
  • hilfsweise die ordentliche Kündigung sowie
  • die Anfechtung aufgrund arglistiger Täuschung, da die Wohnung und das Mobiliar in der Wohnung in einem schlechten Zustand seien. Die zur Mietwohnung gehörende Couch habe abgenutzte Stellen, die in der Broschüre mit Decken und Kissen bedeckt gewesen seien. Die Wohnung sei auch nicht in dem guten Zustand gewesen, der sich aus der Broschüre ergeben habe.

Weitere Zahlungen leistete die Beklagte auf den Mietvertrag nicht mehr.

Die Klägerin (Vermieterin) verlangt klageweise Erfüllung des Vertrages, die Beklagte (Mieterin) widerklagend Rückzahlung der Miete und der Kaution.

Das Amtsgericht wies die Klage ab, da die Beklagte den Vertrag aufgrund arglistiger Täuschung der Klägerin über den Zustand der Couch wirksam angefochten habe. Der Widerklage gab es statt.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

 

Entscheidung

Die Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat gem. § 535 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf die ausstehende Miete für Oktober 2019 – August 2020 i.H.v. 9.000€, die Beklagte indes auf Rückzahlung der Kaution.

 

  1. Der Ausschluss der Kündigung für ein Jahr kann wirksam vereinbart werden (vgl. für 2 Jahre AG Mönchengladbach-Rheydt, Urteil vom 21.06.2007 – 20 C 104/07 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 22.12.2003, Az. VIII ZR 81/03; für 4 Jahre: BGH, Urteil vom 6.4.2005, ZMR 2005, 443,). Wegen der im Schreiben vom 10.09.2019 erklärten ordentlichen Kündigung endete das Mietverhältnis zum 31.08.2020. Bis dahin hat die Klägerin den Anspruch auf die Mietzahlungen, die Beklagte aufgrund des inzwischen beendeten Mietverhältnisses Anspruch auf die Auszahlung der Kaution.
  2. Da für die mieterseits geltend gemachten Mängel das Mangelgewährleistungsrecht vorrangig war, konnten sie eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen. Die Erklärung der fristlosen Kündigung war damit wirkungslos.
  3. Ein Rücktritt war nicht möglich, weil dieser nicht im Vertrag vorbehalten wurde und ansonsten nach Überlassung der Mietsache – so wie vorliegend – das Rücktrittsrecht durch das Kündigungsrecht ersetzt wird. Die Rücktrittserklärung war mithin wirkungslos.
  4. Das Mietverhältnis ist auch nicht durch die erklärte Anfechtung beendet worden. Die Beklagte konnte den Mietvertrag nicht wirksam anfechten, da keine arglistige Täuschung der Klägerin nach § 123 BGB vorlag.

Eine Täuschung durch Unterlassen, da die Klägerin die Beklagte nicht über den Zustand der Wohnung aufgeklärt hatte, scheidet mangels Aufklärungspflicht aus. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn gem. § 242 BGB nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte mit einer Aufklärung gerechnet werden durfte. Jede Partei nimmt grds. ihre eigenen Interessen wahr, weshalb keine Pflicht besteht, ungünstige Eigenschaften, die für die Entscheidung der anderen Partei von Bedeutung sein könnten, ohne Nachfrage offenzulegen. Mangels Aufklärungspflicht der Klägerin über den Zustand der Couch liegt keine arglistige Täuschung der Klägerin vor. Die übrigen Mängel sind offensichtlich und wären bei einer Wohnungsbesichtigung leicht erkennbar gewesen. Zudem konnte die Beklagte die Wohnung vor Abschluss des Mietvertrages besichtigen. Bevor der Mietvertrag unterschrieben wurde, fanden zwei Treffen in der Wohnung statt. Besichtigt der Mieter die Wohnung trotz Gelegenheit nicht, fällt dies in seinen Risikobereich.

Die Klägerin hat auch nicht durch aktives Tun über den Zustand der Wohnung getäuscht. Eine Täuschung durch aktives Tun liegt vor, wenn ein Irrtum erregt oder aufrechterhalten wird durch Vorspiegelung falscher oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen. Nach dem Wortlaut des § 123 BGB muss der Getäuschte zudem dadurch zu einer Willenserklärung veranlasst worden sein. Auch das vorherige Inserat mit den Fotos kann keine aktive Täuschung begründen, denn diese zeigen schon allein aufgrund der Art der Bilder zwangsläufig einen gepflegteren Zustand. Zudem dienen diese nur dazu, sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Weiterhin werden keine einzelnen Einrichtungsgegenstände gezeigt, wobei gepflegte besonders und abgenutzte gar nicht erst gezeigt werden.
Ebenso stellt die Tatsache, dass die Klägerin die abgenutzte Couch mit Kessen und Decken dekoriert hatte keine aktive Täuschung gem. § 123 BGB dar. Gem. § 123 BGB muss die Täuschung zu einer Abgabe einer Willenserklärung geführt haben. Da die Beklagte die Wohnung trotz zweimaliger Gelegenheit nicht genauer besichtigte, deutete darauf hin, dass sie der konkrete Zustand der Wohnung zu diesem Zeitpunkt nicht interessierte. In dem Fall, dass jemandem etwas egal ist, kann er hierüber auch nicht getäuscht werden. Gleiches gilt für die offensichtlichen Mängel, die bei einer Wohnungsbesichtigung leicht zu erkennen gewesen wären.

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Zur Angabe „Wohn-/Nutzfläche“ im Mietvertrag zählen auch Kellerräume

Michael PeusMichael Peus

LG Saarbrücken, Urt. v. 23.06.2022 – 10 S 136/21

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Bezeichnung „Wohn-/Nutzfläche“ im Mietvertrag umfasst neben dem Wohnraum auch außerhalb der Wohnung gelegene Nutzräume, wie z.B. Dachboden, Heizungsraum oder Keller.

 

Sachverhalt

Die Klägerin und die Beklagte verbindet ein Mietverhältnis über eine Mietwohnung der Beklagten. Im Mietvertrag wird die „Nutz-/Wohnfläche“ mit 55m2 angegeben. Im Mietvertrag angegeben wird u.a. auch der mitvermietete Kellerraum. Neben dem Kellerraum (8,95m2) hat die Klägerin einen Platz in der Waschküche (1,15m2) zum Aufstellen einer Waschmaschine o.Ä.

Die Klägerin maß ihre Wohnung nach und kam auf eine Wohngröße von 42,32m2. Daraufhin forderte sie von der Beklagten die überbezahlte Miete zurück. Es sei schon während der Wohnungsbesichtigung von einer Wohnungsgröße von 55m2 gesprochen worden. Die Beklagten sind hingegen der Auffassung, von der Wohnungsgröße allein sei nie die Rede gewesen. Bei der Besichtigung sei gesagt worden, dass die Wohnung mit Keller und dem Platz der der Waschküche 55m2 habe. So sei auch die Angabe der Quadratmeterzahl unter dem Punkt „Wohn-/Nutzfläche“ im Mietvertrag zu verstehen.

Das Amtsgericht gab der Klage statt. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Mietrückzahlung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu. Fehle eine ausdrückliche Vereinbarung, sei durch Auslegung zu ermitteln, welches Berechnungsverfahren für die Wohnfläche nach dem Parteiwillen gelte. Ob sich die Parteien dahingehend geeinigt hätten, könne aufgrund widersprüchlicher Zeugenaussagen nicht festgestellt werden. Eine konkludente Vereinbarung sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Daher sei die Wohnflächenverordnung heranzuziehen, nach der Kellerräume nicht mitgerechnet würden.

Hiergegen legten die Beklagten Berufung ein und führen u.a. an, dass im Mietvertag mit der Bezeichnung „Wohn-/Nutzfläche“ eine ausdrückliche Vereinbarung über die Berechnung getroffen worden sei.

 

Entscheidung

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung überbezahlter Miete gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, da keine relevante Abweichung von der vereinbarten Wohnungsgröße vorliege.

Die Beklagten und die Klägerin haben im Mietvertrag den Kellerraum angegeben und die Quadratmeterangabe „55m2“ auf die „Wohn-/Nutzfläche“ bezogen, mithin also die Nutzfläche dem Wortlaut nach mit in die Berechnung miteinbezogen.

Unter den Begriff der Wohnfläche fallen die Grundflächen der Räume, die ausschließlich der Wohnung zuzurechnen sind, wohingegen unter die Nutzfläche auch außerhalb der Wohnung gelegene Räume wie z.B. Keller, Dachboden oder Heizungsräume fallen.

Es gibt keinen Grundsatz, dass die mietvertraglich vereinbarte Fläche immer die Wohnfläche z.B. nach der Wohnflächenverordnung darstellt. Wenn der Begriff der „Wohnfläche“ auslegungsbedürftig ist, bedarf es konkreter Anhaltspunkte, dass die Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung gemeint war. Vorliegend fehlen solche Anhaltspunkte, sodass mit „Nutz-/Wohnfläche“ die objektiv angemieteten Flächen, also auch der Kellerraum gemeint war.

Mit der Fläche des Kellerraumes und dem Platz in der Waschküche ergibt sich eine Wohn-/Nutzfläche von 52,42m2, die keine relevante Abweichung von der Angabe im Mietvertrag (55m2) darstellt. Diese Abweichung liegt deutlich unter der Grenze i.H.v. 10%.

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Zahlung der vollen Miete trotz coronabedingten Umsatzeinbußen?

Michael PeusMichael Peus

BGH, Urteil vom 13.07.2022 – XII ZR 75/21

 

Sachverhalt

Die Beklagte hat von dem Kläger für knapp 3.500 Euro monatlich ein Ladenlokal gemietet, das sie für ein Café nutze. Dieses musste sie aufgrund der Coronaschutzverordnung vom 22. März 2020 bis zum 19. April 2020 schließen. Daraufhin forderte sie den Vermieter im Mai 2020 zu einer befristeten Anpassung des Mietvertrags in Höhe von 20 % auf, da die Mieterin der Ansicht war, sie müsse wegen der erheblichen Umsatzeinbußen aufgrund der behördlichen Maßnahmen die Miete nicht in voller Höhe zahlen. Eine Vertragsanpassung wies der Vermieter jedoch zurück und fordert nun die Zahlung der restlichen Miete aus Mai 2020 in Höhe von 627 Euro.

 

Entscheidung

Zuvor hatten das AG und LG Düsseldorf der Beklagten ein Recht auf Minderung abgesprochen. Die hoheitlichen Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie würden sich nicht gegen die Vermietung von Räumen, sondern gegen die Öffnung für den Publikumsverkehr richten. Gegen dieses Urteil legte die Mieterin beim BGH Revision ein, jedoch ohne Erfolg.

Der BGH schließt sich den Vorinstanzen an. Nach § 535 II BGB habe der Vermieter gegen die Mieterin einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Miete für den Monat Mai. Die Miete wurde weder gemindert gem. § 536 I BGB, noch sei die Mieterin aufgrund von Unmöglichkeit nach §§ 275 I, 326 I BGB von ihrer Zahlungspflicht befreit.

Des Weiteren stehe der Mieterin auch keine Anpassung des Mietvertrages aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 I BGB zu. Ein Umsatzrückgang von 20 % im Monat Mai würde noch keine Unzumutbarkeit der vollständigen Zahlung der geschuldeten Miete begründen. Zudem habe die Mieterin nicht erklärt, inwieweit sie durch staatliche Hilfen und notwendige Kurzarbeit Lohnkosten gespart hatte.

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Mietzahlungspflicht trotz coronabedingter Absage einer Hochzeitsfeier

Dr. Ingo SchmidtDr. Ingo Schmidt

BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21

 

Sachverhalt

Die schon seit 2018 verheirateten Kläger mieteten bei der Beklagten Räume für ihre am 01.05.2020 geplante nachträgliche Hochzeitsfeier. Man vereinbarte eine Miete von 2.600 €. Noch vor der Feier stellte die Beklagte den Betrag in Rechnung; die Kläger bezahlten auch sofort. Jedoch konnte die Hochzeitsfeier, zu der etwa 70 Personen eingeladen waren, aufgrund der am 27.04.2020 in NRW erlassenen Coronaschutzverordnung nicht stattfinden. Die Beklagte hatte einige Alternativtermine angeboten, um die Hochzeitsfeier zu verschieben. Die Kläger verlangten allerdings Rückzahlung der geleisteten Miete und erklärten gleichzeitig den Rücktritt vom Vertrag.

In erster Instanz hat das Amtsgericht die Klage auf Rückzahlung der vollen Miete abgewiesen. Das Landgericht hingegen hat in der Berufungsinstanz entschieden, dass die Beklagte die Hälfte des Betrags (1.300 €) an die Kläger zurückzahlen musste. Die Sache ging zum BGH.

 

Entscheidung

Die Kläger gingen am Ende leer aus. Der BGH teilte die Auffassung des Amtsgerichts, hob das Berufungsurteil auf und stellte die erstinstanzliche Entscheidung wieder her.

Der BGH hat gemeint, dass die vorliegende Nutzung der Mieträume durch die Einschränkungen der Pandemie nicht unmöglich im Sinne der §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB geworden sei. Durch die Coronaschutzverordnung werde weder der Beklagten die Überlassung der Mieträumlichkeiten noch den Klägern die Nutzung der angemieteten Räume tatsächlich oder rechtlich verboten.

Die Beklagte hätte zum Zeitpunkt der geplanten Hochzeit den Klägern den Gebrauch des Mietobjekts zur Verfügung stellen können, trotz der in NRW geltenden Regelungen, die Veranstaltungen – wie eine Hochzeitsfeier – untersagten und Kontaktbeschränkungen anordneten. Der BGH hat auch keinen Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags dahingehend gesehen, dass die Kläger von ihrer Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Miete vollständig oder teilweise befreit wären. Zwar käme – so der BGH – nach seiner Rechtsprechung (Urteil 12.01.2022, XII ZR 8/21) für den Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolge, ein solcher Anpassungsanspruch grundsätzlich in Betracht. Nach der vorliegenden Entscheidung gälte dies auch für Räume, die zur Durchführung einer Veranstaltung gemietet wurden, wenn die Feier aufgrund von hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie nicht stattfinden konnte. Dies bedeutete aber nach Ansicht des BGH nicht, dass der Mieter in diesen Fällen stets eine Anpassung der Miete verlangen kann. Ob ihm ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (§ 313 Abs. 1 BGB). Hier wurde den Klägern zum Verhängnis, dass sie das Angebot des Beklagten, die Feier zu verlegen, nicht akzeptieren wollten. Dies wäre – so der BGH – den Klägern aber zumutbar gewesen.

 

Anmerkung

Auch dieser Fall zeigt, dass sich pauschale Betrachtungsweisen verbieten. Vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist oder nicht. Wie so oft sind sämtliche Umstände des Einzelfalls maßgeblich. In diesem Fall verbleibt auch kein Störgefühl, weil die Mieter einen der zahlreichen Ausweichtermine hätten auswählen können; vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass die Hochzeitsfeier aus anderen Motiven nicht mehr stattfinden sollte.

 

Beitrag zum BGH Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21 

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Fristlose Kündigung aufgrund Mietrückstand

Dr. Ingo SchmidtDr. Ingo Schmidt

BGH, Urteil vom 08. Dezember 2021, VIII ZR 32/20

(Leitsätze)

Die Erheblichkeit des zur außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs berechtigenden Mietrückstands ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB allein nach der Gesamthöhe der beiden rückständigen Teilbeträge zu bestimmen. Danach ist der Rückstand jedenfalls dann nicht mehr unerheblich, wenn er die für einen Monat geschuldete Miete übersteigt. Für eine darüberhinausgehende gesonderte Bewertung der Höhe der einzelnen monatlichen Rückstände im Verhältnis zu jeweils einer Monatsmiete und damit für eine richterliche Anhebung der Anforderungen an eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs lässt das Gesetz keinen Raum.

 

Sachverhalt

Die Klägerin, Vermieterin einer Wohnung in Berlin, kündigte der beklagten Mieterin wegen Zahlungsrückständen in Höhe von insgesamt 839 Euro im Februar 2018.

Die Mieterin schuldete ihr von der monatlichen Miete in Höhe von 704 Euro im Januar 2018 noch 135 Euro und im Februar die gesamte Miete.
Der Mieterin wurde daraufhin gekündigt und eine Räumungsfrist bis zum 31.01.2019 zugeschrieben. Zur Zeit der Kündigung sei die Beklagte mit der Miete für zwei aufeinanderfolgende Monate in Verzug gewesen, weshalb die außerordentliche fristlose Kündigung wirksam sei.

Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass der Gesamtbetrag des Rückstands zwar eine Monatsmiete übersteige, jedoch der Verzug im ersten Monat nur “19 % der Gesamtmiete“ ausmache. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass ein erheblicher Rückstand der Miete – der nach § 543 II 1 Nr. 3 a Alt. 2 BGB erforderlich ist – erst beim Verzug eines Mietanteils von etwa der Hälfte einer monatlichen Miete gegeben sei.

 

Entscheidung

Der Mietsenat des BGH widerspricht dem Landgericht und hebt das Urteil auf.

Erforderlich für eine außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ist laut Gesetz ein wichtiger Grund i.S.v. § 543 BGB. Dieser liegt laut Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a Alt. 2 dann vor, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist.

Die für alle Mietverhältnisse geltende Vorschrift § 543 II 1 Nr. 3a Alt. 2 BGB lässt offen, wann von einem „nicht unerheblichen Teil“ der Miete auszugehen ist. Der Gesetzeswortlaut in dieser Vorschrift „für zwei aufeinanderfolgende Termine“ bezieht sich darauf, dass der Mieter „für“ beide Termine im Verzug mit der Miete ist. Es bestehe kein Zusatz, der verlangt, dass beide aufeinanderfolgenden Einzelrückstände jeweils als „nicht unerheblich“ zu gelten hätte. Daher müsse dies unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgelegt werden.

Dem Schutzzweck des § 569 III Nr. 1 S. 1 BGB gebiete es nicht die Erheblichkeitsschwelle über den Gesamtrückstand hinaus auch zusätzlich an dem Verhältnis der Einzelrückstände zu der jeweils geschuldeten Monatsmiete zu messen. In dieser Norm solle lediglich die kündigungsbewehrte Schwelle der Erheblichkeit des Mietrückstands unter Beachtung beiderseitigen Interessen ausgewogen bestimmt werden. Bei einem Verzug von mehr als zwei aufeinanderfolgenden Terminen sei die Fortsetzung des Mietverhältnisses dann für den Vermieter unzumutbar.

Laut BGH sei das Mietverhältnis der streitenden Parteien somit zurecht durch eine außerordentliche fristlose Kündigung beendet worden, da die Mieterin mit einem erheblichen Teil der Miete in Verzug gewesen sei. Eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzug sei nach der Gesamthöhe der beiden rückständigen Teilbeträge zu bestimmen. Als nicht unerheblich gelte daher bereits ein Betrag, der die geschuldete Miete für einen Monat übersteige (§ 569 III Nr. 1 S. 1 BGB). Dem stehe auch nicht entgegen, dass die geschuldete Miete vom Januar (135 Euro von 704 Euro) für sich allein betrachtet als unerheblich zu werten sei.

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Mietminderung aufgrund pandemiebedingter Geschäftsschließung?

Dr. Ingo SchmidtDr. Ingo Schmidt

BGH, Urteil vom 12. Januar 2022, XII ZR 8/21

 

Leitsätze

  1. Die durch die COVID-19-Pandemie bedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts führt nicht zu einem Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise unmöglich.
  2. Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, kommt grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht.
  3. Bei der Prüfung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise. Maßgeblich sind vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls. Daher sind auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat.

 

Sachverhalt

Die Klägerin vermietet an die Beklagte Räumlichkeiten zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs.
Aufgrund des im März 2020 in Deutschland verbreiteten SARS-CoV-2-Virus erließ das Sächsische Staatsministerium für Soziales Allgemeinverfügungen, aufgrund deren die Beklagte ihr Textileinzelhandelsgeschäft schließen musste. Infolge der behördlich veranlassten Schließung zahlte die Beklagte keine Miete mehr. Die Klägerin klagte die Miete ein. Das Landgericht verurteilte die Beklagte, die vollständige Miete zu zahlen. Das Berufungsgericht war demgegenüber der Auffassung, dass nur die Hälfte der Miete zu zahlen sei unter dem Aspekt einer Störung der Geschäftsgrundlage. Beide Parteien waren mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und gingen zum Bundesgerichtshof.

 

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil des Berufungsgerichts auf und weist die Sache an dieses zurück.

Die auf den Allgemeinverfügungen des Sächsischen Staatsministeriums beruhende Betriebsschließung begründe – so der Bundesgerichtshof – nicht schon einen Mangel. Voraussetzung hierfür sei, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang stehe. Die mit der Schließungsanordnung verbundene Gebrauchsbeschränkung der Beklagten erfülle diese Voraussetzung nicht. Die behördlich angeordnete Geschäftsschließung knüpfe allein an die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr an, der die Gefahr einer verstärkten Verbreitung des Virus begünstige und der aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt werden solle. Durch die Allgemeinverfügung werde – so der Bundesgerichtshof – jedoch weder der Beklagten die Nutzung der angemieteten Geschäftsräume im Übrigen, noch der Klägerin tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt habe daher trotz der Schließungsanordnung weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung gestanden.

Dem Mieter von gewerblich genutzten Räumen könne aber – so der Bundesgerichtshof – im Fall einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB zustehen. Aufgrund der vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie Geschäftsschließungen, Kontakt- und Zugangsbeschränkungen und der damit verbundenen massiven Auswirkungen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 sei die sogenannte große Geschäftsgrundlage betroffen. Darunter verstehe man die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde. Diese Erwartung der Parteien sei dadurch schwerwiegend gestört worden, dass die Beklagte aufgrund der zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassenen Allgemeinverfügungen ihr Geschäftslokal in der Zeit hat schließen müssen. Dafür, dass bei einer zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie behördlich angeordneten Betriebsschließung die tatsächliche Voraussetzung des § 313 Abs. 1 Satz 1 BGB einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage erfüllt sei, spreche die Vorschrift des Art. 240 § 7 EGBGB. Danach werde vermutet, dass sich ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert habe, wenn vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar seien.

Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB berechtige – so der Bundesgerichtshof – jedoch noch nicht automatisch zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr verlange die Vorschrift als weitere Voraussetzung, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne. Beruhe die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters wie im vorliegenden Fall auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie einer Betriebsschließung für einen gewissen Zeitraum, geht dies über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus. Denn die wirtschaftliche Benachteiligung, die ein gewerblicher Mieter aufgrund einer pandemiebedingten Betriebsschließung erlitten habe, beruhe nicht auf unternehmerischen Entscheidungen oder der enttäuschten Vorstellung, in den Mieträumen ein Geschäft betreiben zu können, mit dem Gewinne erwirtschaftet werden. Sie seien vielmehr Folge der umfangreichen staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, für die keine der beiden Mietvertragsparteien verantwortlich gemacht werden könne. Durch die COVID-19-Pandemie habe sich letztlich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das von der mietvertraglichen Risikoverteilung ohne eine entsprechende vertragliche Regelung nicht erfasst werde. Das damit verbundene Risiko könne regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden.

Dies bedeute aber nicht, dass der Mieter stets eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der Schließung verlangen kann. Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar sei, bedürfe einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Eine pauschale Betrachtungsweise werde den Anforderungen an dieses normative Tatbestandsmerkmal der Vorschrift nicht gerecht. Deshalb komme die vom Berufungsgericht vorgenommene Vertragsanpassung dahingehend, dass ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände die Miete für den Zeitraum der Geschäftsschließung grundsätzlich um die Hälfte herabgesetzt werde, weil das Risiko einer pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung der Mietsache keine der beiden Mietvertragsparteien allein treffe, nicht in Betracht. Es bedürfe vielmehr einer umfassenden und auf den Einzelfall bezogenen Abwägung, bei der zunächst von Bedeutung sei, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden seien. Diese bestünden bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung, wobei jedoch nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen sei. Berücksichtigt werden könne auch, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen habe, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu mindern.

Da eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage aber nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen dürfe, seien – so der Bundesgerichtshof – bei der Prüfung der Unzumutbarkeit grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt habe. Dabei können nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch Leistungen einer ggf. einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters zu berücksichtigen sein; staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die nur auf Basis eines Darlehens gewährt wurden, hingegen nicht, weil der Mieter durch sie keine endgültige Kompensation der erlittenen Umsatzeinbußen erreiche. Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters sei nicht erforderlich.

Das Berufungsgericht hat nach der Zurückverweisung nunmehr zu prüfen, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen die Geschäftsschließung in dem streitgegenständlichen Zeitraum für die Beklagte hatte und ob diese Nachteile ein Ausmaß erreicht haben, das eine Anpassung des Mietvertrags erforderlich macht.

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Mieterstattung bei falscher qm-Angabe im Mietvertrag?

Dr. Ingo SchmidtDr. Ingo Schmidt

BGH, VIII ZR 26/20, Beschluss vom 22.06.2021

 

Leitsatz
Bei der Auslegung, welche Flächen als Wohnflächen gelten, ist grundsätzlich auch eine individuelle Mietvertragsvereinbarung heranzuziehen. Sie darf auch die Anrechnung von Kellerarealen mit unterdurchschnittlicher Beleuchtung vorsehen, die etwa nach der Wohnflächenverordnung unberücksichtigt bleiben würden.

 

Zum Fall
Die (Wider-)Klägerin ist Mieterin einer Wohnung der beklagten Vermieterin. Im Mietvertrag ist vereinbart, dass die Wohnung im „Erd-, Unter- und Zwischengeschoss‟ vermietet werde, deren Größe „ca. 180 qm‟ betrage. Die Mieterin begehrte die Erstattung der bereits erbrachten (und ihrer Meinung nach zu hohen) Mietzahlungen i.H.v. knapp 47.500 €. Dies hat sie darauf gestützt, dass die tatsächliche Wohnfläche lediglich 144,50 qm betrage und die Miete deshalb gemindert gewesen sei.

 

Entscheidung
Dies blieb ohne Erfolg. Der BGH hat ausgeführt, dass das Berufungsgericht Rückzahlungsansprüche wegen überzahlter Miete rechtsfehlerfrei verneint habe. Die von der Mieterin geleistete Miete sei insgesamt mit Rechtsgrund erfolgt, weil der von ihr geltend gemachte Mangel einer zu geringen Wohnfläche nicht bestehe und die Miete deshalb nicht gemindert sei.

Allerdings sei – so der BGH – die Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag regelmäßig nicht als unverbindliche Beschreibung, sondern als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen, die bei einer Abweichung von mehr als 10 % zu einem Mangel der Mietsache führt. Dies gelte auch in dem Fall, wenn die Angabe der Wohnfläche im Mietvertrag – wie hier – mit dem Zusatz „circa‟ versehen sei.

Der Begriff der Wohnfläche sei aber auslegungsbedürftig. Dabei dürfte zwar grundsätzlich auch bei frei finanziertem Wohnraum die Bestimmungen für den preisgebundenen Wohnraum hinzugezogen werden; allerdings seien die Parteien nicht gehindert, im Einzelfall abweichende Regelungen zu treffen. Die Vereinbarung der Parteien darüber, welche Flächen zum Wohnraum zählen, sei – so der BGH – dann vorrangig.

Das Berufungsgericht habe den Mietvertrag dahin ausgelegt, dass die Parteien mit der Formulierung, die Räume im Erd-, Zwischen- und Untergeschoss würden „zur Benutzung als Wohnraum‟ vermietet, abgestimmt haben, dass die Grundflächen dieser – vom Mieter auch tatsächlich als Wohnraum genutzten – Räume in die Berechnung der im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche einfließen sollten. Diese Auslegung beanstandete der BGH nicht.

 

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Erhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete & Berechnung der Mietfläche

Michael PeusMichael Peus

BGH, Urteil vom 17.4.2019 — Aktenzeichen: VIII ZR 33/18

Die Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete unterliegt der Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB). Wie diese Kappungsgrenze zu berechnen ist bei Abweichung der tatsächlichen von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche, stellt der BGH dar. Weiter führt er aus, wonach die Wohnfläche (z.B. Balkone, Schrägen) zu berechnen ist.

Leitsatz

  1. Grundsätzlich wird die Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung berechnet.
  2. Falls ein anderes Regelwerk, also die II. Berechnungsverordnung, die DIN 283 oder die DIN 277 ortsüblich angewendet wird, kann die Berechnung anhand dieser Verkehrssitte erfolgen. Im Einzelfall können individuelle Berechnungsmethoden Vorrang haben.
  3. Die Berechnung der Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 BGB erfolgt unter Ansatz der vertraglichen Miete.
    Sachverhalt
  • Mietbeginn (Wohnung in Berlin) im Januar 2007
  • Wohnfläche im Mietvertrag: „ca. 94,48 qm“
  • Nettokaltmiete anfangs 470 €
  • Nettokaltmiete ab August 2007 auf 423 € herabgesetzt
  • 30.01.2012: Klägerin begehrt die Zustimmung zu einer Mieterhöhung um 84,60 € (20 %) auf 507,60 € ab dem 01. April 2012
  • Mieter
    • erkennt im Rechtsstreit eine Erhöhung der Miete auf insgesamt 444,36 € an
    • macht widerklagend die Rückzahlung überzahlter Miete in Höhe von zuletzt 2.055,30 € nebst Zinsen geltend, weil
    • seiner Ansicht nach die Wohnfläche um 12,46 % geringer ist als im Mietvertrag angegeben
  • ein Sachverständiger stellt aufgrund der Wohnflächenverordnung eine Wohnfläche von 84,01 qm fest. Der straßenseitige Balkon der Wohnung wird dort mit 25 % angesetzt

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zustimmung zu einer Mieterhöhung um 63,45 € auf 486,45 € verurteilt und den Widerklageantrag abgewiesen. Dabei ist es der Wohnflächenermittlung der Sachverständigen bezüglich des Balkons nicht gefolgt. Es hat die Fläche des Balkons vielmehr zur Hälfte angerechnet, weil in Berlin der Entscheidung des LG Berlin (Grundeigentum 2011, 1086) zufolge eine entsprechende örtliche Praxis bestehe, Balkone weiterhin (wie in der II. Berechnungsverordnung) zur Hälfte anzurechnen. Deshalb betrage die Wohnflächenabweichung nicht mehr als 10 % und sei eine Mietminderung nicht gerechtfertigt.

Das Landgericht hat — nach Einholung eines weiteren Gutachtens zur Frage, ob Balkone im Jahr 2007 üblicherweise zur Hälfte angerechnet wurden — das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten lediglich zu einer Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf 451,36 € verurteilt sowie der Widerklage in Höhe von 1.827,93 € nebst Zinsen stattgegeben.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils, (also Mietzins in Höhe von [nur noch, aber immerhin] 486,45 EUR sowie Abweisung der Widerklage).

Entscheidung
Bezüglich der Klage hat die Vermieterin den Anspruch entsprechend des Urteils des Amtsgerichts. Die Klägerin kann (mindestens, § 308 Abs. 2 ZPO) den Mietzins von 486,45 EUR verlangen. Bezüglich der Widerklage hat das Berufungsgericht aber zutreffend entschieden. Die Vermieterin muss 1.827,93 EUR zurückzahlen.

Denn:

  • Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB auf eine monatliche Nettokaltmiete von 486,45 € zu. Denn die Zustimmung zur Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete kann verlangt werden, wenn
    • die Miete in den vergangenen 15 Monaten unverändert geblieben ist,
    • sich die Miete dadurch innerhalb von 3 Jahren um nicht mehr als 20% erhöht (ausgenommen Erhöhungen nach §§ 559 und 560 BGB)
    • bzw. in den Fällen des § 558 Abs. 3 BGB sich die Miete in den letzten 3 Jahren um nicht mehr als 15% erhöht.
  • Ausgangspunkt für die Mieterhöhung („Ausgangsmiete‟) ist dabei die vertraglich vereinbarte Miete, bei späteren Änderungen nach § 557 oder § 558 BGB die zuletzt vereinbarte Miete. Mietminderungen (§ 536 Abs. 1 BGB) bleiben bei der für die Berechnung der Kappungsgrenze maßgebenden Ausgangsmiete nach allgemeiner Meinung grundsätzlich unberücksichtigt; das gilt auch für Minderungen wegen geringerer Wohnfläche.
  • Vorliegend ist danach auf die in August 2007 vereinbarte Miete von 423 EUR abzustellen.
  • Die Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 BGB ist neben dem Maßstab der ortsüblichen Vergleichsmiete eine zweite, selbständig einzuhaltende Obergrenze für Mieterhöhungen nach § 558 BGB und dient dem Schutz des Mieters in wirtschaftlicher Hinsicht.
  • Dieser Schutz vor einem zu raschen Anstieg seiner Zahlungspflichten orientiert sich jedoch an der Miete, zu deren Begleichung sich der Mieter vertraglich verpflichtet hat. Diese anfängliche oder während des laufenden Mietverhältnisses vereinbarte Miete hat der Mieter durch eigene Entscheidung übernommen und für sich als wirtschaftlich tragfähig angesehen. Hieran bemisst sich sein Schutz vor einer finanziellen Überforderung im Rahmen der jeweiligen Mietsteigerung.
  • Die Größe der Wohnung (§ 558 Abs. 2 Satz 1 BGB) ist nach der tatsächlichen und nicht nach der vertraglich vereinbarten Wohnfläche zu berechnen. Somit wird an dieser Stelle den schutzwürdigen Belangen des Mieters hinreichend Rechnung getragen und im Ergebnis vermieden, dass er eine im Verhältnis zur Wohnfläche überhöhte Miete zahlt.
  • Die Vergleichsmiete beträgt vorliegend 6,48 EUR/qm.
  • Die beantragten 486,45 EUR liegen sowohl — unabhängig von der Entscheidung über den Streit der Berechnung der Wohnfläche und ob nun eine Deckelung bei 15% oder 20% vorliegt — im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete als auch innerhalb der Kappungsgrenze. Deshalb hatte der BGH hier keine weitere Feststellung zu treffen, § 308 Abs. 2 ZPO.

Bezüglich der Widerklage hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeurteilt. Denn es gilt:

  • Auch bei einer Vereinbarung der Wohnfläche mit „ca.‟-Angaben ist dieser Wert anzusetzen.
  • Weicht die tatsächliche Fläche mindestens 10% von der vereinbarten Fläche ab, liegt ein erheblicher Mangel vor, der zur Minderung berechtigt.
  • Die Wohnfläche ist vorliegend anhand der Wohnflächenverordnung zu berechnen.
    • Auch bei frei finanziertem Wohnraum ist zur Größenberechnung grundsätzlich auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Wohnflächenverordnung abzustellen.
    • Etwas anderes gilt dann, wenn die Parteien dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beimessen oder ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich oder nach der Art der Wohnung naheliegender ist
    • Mit dem Begriff des ortsüblichen Berechnungsmodus ist eine bestehende örtliche Verkehrssitte zur Wohnflächenberechnung gemeint. Eine solche maßgebliche Verkehrssitte als eine die beteiligten Verkehrskreise untereinander verpflichtende Regel verlangt, dass sie auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen tatsächlichen Übung beruht, die sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums für vergleichbare Geschäftsvorfälle gebildet hat und der eine einheitliche Auffassung sämtlicher beteiligten Kreise an dem betreffenden, gegebenenfalls räumlich beschränkten Geschäftsverkehr zu Grunde liegt. Erforderlich ist somit, dass die Vorgehensweise bei Mietern und Vermietern Zustimmung gefunden hat.
    • Nicht ausreichend ist, dass ein erheblicher oder auch überwiegender Teil der Marktteilnehmer ein Regelwerk unzutreffend anwendet oder verschiedene Regelwerke miteinander vermischt. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob sich bezüglich der Berechnung einer Teilfläche eine bestimmte Übung der Mehrheit der Marktteilnehmer herausgebildet hat oder ob das zu dieser Frage eingeholte Gutachten nicht auf einer ausreichend repräsentativen Marktbefragung beruhte oder in den Fragebögen auf einen unzutreffenden Zeitraum abgestellt worden war.

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