Haftet Inhaber eines Internetanschlusses für das Verhalten eines erwachsenen Familienangehörigen?

BGH, Urteil vom 8.1.2014 — Aktenzeichen: I-ZR 169/12 – BearShare

Leitsatz
Der BGH hat entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für das Verhalten eines volljährigen Familienangehörigen nicht haftet, wenn er keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass dieser den Internetanschluss für illegales Filesharing missbraucht.

Sachverhalt
Die Klägerinnen sind Tonträgerhersteller. Der Beklagte ist Inhaber eines Internetzuganges, in dessen Haushalt auch sein volljähriger Sohn lebt. Die Klägerinnen mahnten den Beklagten ab mit der Behauptung, dass über seinen Internetanschluss fast 4000 Musikaufnahmen, an denen sie Urheberrechtsschutz besäßen, in einer Internettauschbörse zum Herunterladen verfügbar gemacht worden seien. Der Beklagte weigert sich, die geltend gemachten Abmahnkosten zu zahlen. Die Klägerinnen nehmen den Beklagten auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch. Der Beklagte macht geltend, dass sein bereits damals erwachsener Sohn die Dateien über den Internetanschluss zugänglich gemacht habe. Das Landgericht Köln hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht zum weit überwiegenden Teil ebenso.

Entscheidung
Der BGH hebt das Urteil des OLG Köln auf. Der BGH weist die Klage vollständig ab. Der BGH weist darauf hin, dass die Überlassung durch den Anschlussinhaber an volljährige Familienangehörige auf familiärer Verbundenheit beruhe und Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich seien. Gerade im Hinblick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und dem eigenverantwortlichen Erwachsenen darf der Anschlussinhaber dem Erwachsenen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder aber überwachen zu müssen. Erst wenn der Anschlussinhaber Anhaltspunkte habe für einen Missbrauch des Internetanschlusses, so müsse der Anschlussinhaber entsprechende zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderliche Maßnahmen ergreifen.

Praxistipp
Die oben angeführte Entscheidung des BGH hat Bedeutung über den konkreten Fall hinaus. Dem Abgemahnten wird in Zukunft die Entscheidung des BGH eine Argumentationshilfe sein, sofern im Privathaushalt des Abgemahnten weitere Personen leben. Auch steht anzunehmen, dass die Rechtsprechung sich fortentwickeln wird im Hinblick auf das Alter des tatsächlich Handelnden. Als zwingende tatbestandliche Voraussetzung hat auch der BGH die Volljährigkeit des tatsächlich Handelnden nicht genommen. Insoweit ist anzunehmen, dass auch in Zukunft einerseits auf das familiäre Vertrauensverhältnis, andererseits auf die schlichte Einsichtsfähigkeit auch des noch nicht Volljährigen abzustellen sein wird.

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Kostentragungspflicht des Gläubigers beim durch Erfüllung unzulässig gewordenen Gläubigerantrag

Landgericht Bonn, Beschluss vom 07.12.2011 — Aktenzeichen: 6 T 258/11

Leitsatz
§ 14 Abs. 3 InsO ist eng auszulegen. § 14 Abs. 3 InsO ist nicht einschlägig bei ursprünglich zulässigen und dann durch Erfüllung unzulässig gewordenen Anträgen.

Sachverhalt
Ein Gläubiger stellt einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach Antragstellung erfüllt der Schuldner während des Eröffnungsverfahrens die Forderung. Das Amtsgericht Bonn als Insolvenzgericht weist den Antrag als unzulässig zurück, legt die Kosten dem antragstellenden Gläubiger auf. Das Landgericht Bonn hat über die sofortige Beschwerde zu entscheiden.

Entscheidung
Das Landgericht erachtet die sofortige Beschwerde als unzulässig sowie unbegründet.

Zum einen sei die Beschwerde gem. § 6 InsO nicht statthaft. Die Insolvenzordnung sehe keine gesonderte Beschwerde gegen Kostenentscheidung vor.

Im Übrigen sei die Beschwerde auch unbegründet. Die Vorschrift des § 14 Abs. 3 InsO sei eng auszulegen. Nach dem Wortlaut sei eindeutige Voraussetzung der Norm, dass ein unbegründeter Antrag zugrunde liege. Eine erweiternde Auslegung bzw. eine analoge Anwendung auf Fälle eines durch Zahlung des Schuldners unzulässig gewordenen Antrags sei weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des Gesetzes zu entnehmen. Fehl gehe also die Auffassung des Beschwerdeführers (Gläubigers) wonach der Gesetzgeber eine Kostenregelung für den Fall eines nachträglich zulässigen Antrags habe schaffen wollen. Der Gesetzgeber habe eine Kostentragungspflicht des Schuldners allein bei der Unbegründetheit des Antrags schaffen wollen.

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Insolvenzanfechtung: Vorsatzanfechtung bei Weiterleitung von Geldbeträgen durch Treuhänder

BGH, Urteil vom 26.4.2012 — Aktenzeichen: IX ZR 74/11

Leitsatz
Ein uneigennütziger Treuhänder unterliegt der Vorsatzanfechtung, wenn er nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ihm überlassene Geldbeträge vereinbarungsgemäß an bestimmte, bevorzugt zu befriedigende Gläubiger des Schuldners weiterleitet. Der vorgenannte uneigennützige Treuhänder ist zum Wertersatz verpflichtet, ohne sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können.

Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter. Die Beklagte ist die Steuerberatersozietät der Schuldnerin. Die Schuldnerin überweist 33.000,00 EURO an die Beklagte. Die Beklagte tilgt mit diesem Geld weisungsgemäß offene Beitragsrückstände der Schuldnerin bei verschiedenen Krankenkassen sowie Lohnforderungen von Arbeitnehmern der Schuldnerin. Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wege der Zahlungsklage 33.000,00 EURO. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein abgewiesenes Zahlungsbegehren über 33.000,00 EURO weiter.

Entscheidung
Der BGH hebt das Urteil des OLG Hamburg auf und verweist die Sache zur weiteren Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Der BGH vertritt entgegen der Auffassung des OLG die Auffassung, dass die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO bestehen können. Der BGH bejaht die objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO durch die Überweisungen des Schuldners an die Beklagte in Höhe von 33.000,00 EURO. Durch die Überweisungen an die Beklagte habe sich die Schuldnerin der 33.000,00 EURO entäußert, ohne hierfür eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten. Kein gleichwertiges Surrogat der abgeflossenen Zahlungsmittel sei der zunächst noch bestehende Herausgabeanspruch der Schuldnerin gegen die Beklagte gewesen. Der BGH hält ausdrücklich daran fest, dass bereits die Weggabe von Geldern an einen uneigennützigen Treuhänder des Schuldners für dessen Gläubiger benachteiligend ist. Der zahlungsvermittelnde Verwaltungstreuhänder sei nicht schutzwürdig. Er habe Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. Durch die Ausführung einer vorsätzlichen gläubigerbenachteiligenden Weisung, die der Treuhänder als solche erkenne, werde er anfechtungsrechtlich nicht entschuldigt. Der uneigennützige Treuhänder sei unter diesen Umständen gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger der mittelbaren Zuwendung zur Rückgewähr der weggegebenen Gelder verpflichtet.

Der BGH hat das Verfahren nur deshalb an das OLG Hamburg zurückgewiesen, da das OLG keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO getroffen hat. Allerdings hat der BGH positiv festgestellt, dass auf der Grundlage des Revisionsvortrages der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin vorlag. Wenn — was der BGH revisionsrechtlich unterstellt — die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO greifen, so wäre auch die Beklagte gemäß § 143 Abs. 1 S. 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 Abs. 1, 989 BGB zur Zahlung der 33.000,00 EURO an den Kläger verpflichtet.

Anmerkung
Zu beachten ist, dass der BGH die Rechtsprechung BGHZ 124, 298, 301 ff ausdrücklich aufgibt, indem er dem uneigennützigen Treuhänder die Möglichkeit nimmt, sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können.

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Korrektur der Rechtsprechung des BGH zur Aufrechnung mit Insolvenzforderungen gegen Masseforderungen

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.2011 — Aktenzeichen: IX ZR 10/11

Leitsatz
Erfüllt der Insolvenzverwalter ein Dienstverhältnis des Schuldners weiter, so kann gegen die Entgeltforderung der Masse nicht mit einer Insolvenzforderung aufgerechnet werden. Dienstverhältnis des Schuldners besteht nicht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, wenn die Dienstleistung nur durch Begründung erheblicher Masseschulden erbracht werden kann.

Sachverhalt
Die Schuldnerin war Trägerin einer Privatschule. In dieser Schule ließen die Beklagten ihren Sohn unterrichten. Das monatliche Schulgeld betrug 250,00 €. Die Beklagten gewährten der Schuldnerin vor der Insolvenz ein Elterndarlehen. Bei Insolvenzeröffnung wurde der Schulbetrieb und die Unterrichtung des Sohnes fortgeführt. Der Insolvenzverwalter nimmt die Beklagten auf Zahlung des Schulgeldes für die drei Monate ab Insolvenzeröffnung in Höhe von insgesamt 750,00 € in Anspruch. Die Beklagten erklären mit der vorinsolvenzlichen Darlehensforderung die Aufrechnung. Die Vorinstanzen bejahten Aufrechnungsmöglichkeit.

Entscheidung
Der BGH verweigert den Beklagten die Aufrechnungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Unzutreffend sei die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe den Schulvertrag nach § 108 Abs. 1 S. 1 InsO fortführen müssen. § 108 InsO greife nach dem Regelungszweck im Streitfall nicht ein, da der Dienstvertrag vom Insolvenzverwalter unter Begründung von Masseverbindlichkeiten mit den Mitteln eines zur Masse gehörenden Dienstleistungsunternehmens erfüllt werden müsse. Mit dieser Entscheidung rückt der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen gegen Forderungen der Masse ist unzulässig.

Praxis-Tipp
Praktische Auswirkungen wird die vorgenannte Entscheidung beispielsweise haben auf das Mietrecht. Eine Aufrechnung mit vorinsolvenzlichen Mietnebenkostenguthaben gegen Mietzinsforderungen insolventer Vermieter werden künftig vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des BGH nicht mehr möglich sein.

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Holländisches Bayerisches Bier?

BGH, Urteil vom 22.9.2011 — Aktenzeichen: I ZR 69/04-Bayerisches Bier II

Leitsatz
In der Bezeichnung „BAVARIA HOLLAND BEER“ kann ein unlauteres Ausnutzen der Marke „Bayerisches Bier“ liegen.

Sachverhalt
Der Streit zwischen der bayerischen Brauwirtschaft und der niederländischen Brauerei BAVARIA über die Marke „BAVARIA HOLLAND BEER“ ist noch nicht endgültig entschieden. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das zugunsten des Bayerischen Brauerbundes ergangene Urteil aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Der Kläger ist der Dachverband der bayerischen Brauwirtschaft. Auf seinen Antrag ist die Bezeichnung „Bayerisches Bier“ von der Bundesregierung zur Eintragung in das von der Europäischen Kommission geführte Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben angemeldet worden. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1347/01 ist die Eintragung der geographischen Angabe erfolgt. Die beklagte niederländische Brauerei ist Inhaberin der international registrierten Marke mit den Wortbestandteilen „BAVARIA HOLLAND BEER“. Diese Marke genießt in Deutschland für die Ware „Bier“ Schutz. Der Bayerische Brauerbund sieht darin eine Verletzung der geschützten geographischen Angabe „Bayerisches Bier“. Er verlangt von der Beklagten, dass sie auf den Schutz ihrer Marke in Deutschland verzichtet.

Entscheidung
Die Klage hatte beim Landgericht und beim Oberlandesgericht Erfolg. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Nach einer ersten Verhandlung Ende 2007 hat der BGH dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt

Die geographische Angabe „Bayerisches Bier“ war nach einem in der einschlägigen EU-Verordnung vorgesehenen vereinfachten Verfahren eingetragen worden. Nachdem der EuGH entschieden hat, dass es nicht auf die 1994 erfolgte Anmeldung durch die Bundesregierung, sondern auf die erst 2001 erfolgte Veröffentlichung der Eintragung im europäischen Recht ankommt, hat der BGH nunmehr das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht wird prüfen müssen, ob der mit der Klage geltenden gemachte Anspruch aus den Bestimmungen des deutschen Markengesetzes zum Schutz geographischer Herkunftsangaben (§§ 126, 127 MarkenG) hergeleitet werden kann. Dieser Schutz nach nationalem Recht tritt zwar grundsätzlich hinter den Schutz aus dem europäischen Recht zurück, besteht aber bis zur Eintragung der Angabe „Bayerisches Bier“ in dem bei der Europäischen Kommission geführten Register fort. In Betracht kommt vorliegend, dass die Marke der Beklagten den Ruf der Bezeichnung „Bayerisches Bier“ in unlauterer Weise ausnutzt (§ 127 Abs. 3 MarkenG). Ob dies der Fall ist, muss nun das OLG entscheiden.

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Verjährung eines erst in einem zweiten Insolvenzverfahren geltend gemachten Anfechtungsanspruchs

LG Düsseldorf, Urteil vom 2.5.2011 — Aktenzeichen: 2b O 13/10

Leitsatz
Ein mehrere Jahre zurückliegendes und abgeschlossenes Insolvenzverfahren hindert die Geltendmachung damals bereits gegebener Insolvenzanfechtungsansprüche im Rahmen des neuen Insolvenzverfahrens nicht. Für die Verjährung der Ansprüche gemäß § 146 InsO ist allein der Zeitpunkt der Eröffnung des späteren Insolvenzverfahrens maßgblich.

Sachverhalt
Das Landgericht Düsseldorf hatte die Frage zu beantworten, wie die Verjährung eines Anfechtungsanspruchs zu beurteilen ist, der in einem ersten und abgeschlossenen Insolvenzverfahren nicht verfolgt wurde, dann aber vom Insolvenzverwalter in einem weiteren Insolvenzverfahren geltend gemacht wird.

Über das Vermögen des Schuldners wurde im Jahre 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach erfolgter Schlussverteilung wurde das Insolvenzverfahren anschließend wieder aufgehoben. Anfechtungsansprüche wurden nicht geltend gemacht. Im Jahre 2008 kam es sodann aufgrund eines Eigenantrags zu einem weiteren Insolvenzverfahren über das Vermögen dieses Schuldners. Der Kläger (Insolvenzverwalter) macht nunmehr Anfechtungsansprüche gemäß § 133 InsO geltend. Dies betrifft Zahlungen des Schuldners aus dem Jahre 2002. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Entscheidung
Das Gericht wendet § 146 Abs. 1 InsO in der neuen Fassung an. Es gelte über §§ 195, 199 Abs. 1 BGB die dreijährige Verjährungsfrist. Ausschlaggebend sei insofern, dass der Anspruch gemäß § 143 Abs. 1 InsO erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehe. Da der Zahlungs- bzw. Rückgewähranspruch des § 143 InsO ausschließlich durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden könne und dessen Bestellung naturgemäß von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abhängig sei, könne ein Anfechtungsanspruch frühestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Entstehen gebracht werden. Ab dann kann auch lediglich die Verjährung beginnen. Zwar sei der ursprüngliche Anfechtungsanspruch aus dem ersten Verfahren bereits 2002/2003 entstanden. Dies bedeute, dass bei Zugrundelegung des § 146 InsO a.F. (bis 15.12.2004) der Anspruch verjährt sei im Jahre 2005. Durch das neue Insolvenzverfahren sei dieser Anspruch nicht wieder aufgelebt, sondern gänzlich neu entstanden mit der Folge, dass der neu entstandene Anspruch einer eigenständigen und neu beginnenden Verjährung unterlegen sei. Mit dieser Begründung hat das Landgericht den Anfechtungsanspruch für nicht verjährt gehalten.

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Verwechselungsgefahr

OLG Hamm, Urteil vom 24.5.2011 — Aktenzeichen: I-4 U 216/10

Sachverhalt
Der Anspruchsteller ist Inhaber der Marke „Warendorfer Pferdeäppel“ für die Klasse 30 und betreibt ein Café. Der Anspruchsgegner stellt Pralinen unter der Bezeichnung „Warendorfer Pferdeleckerli“ her. Der Anspruchsteller nimmt den Anspruchsgegner auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht verneint einen Unterlassungsanspruch, der Anspruchsteller legt Berufung gegen dieses Urteil vor dem OLG Hamm ein.

Entscheidung
Der 4. Zivilsenat bestätigt das landgerichtliche Urteil. Ein Unterlassungsanspruch setze voraus, dass Anspruchsgegner ein verwechselungsfähiges Zeichen im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Anspruchstellers benutzt habe. Eben diese Verwechselungsgefahr zwischen „Warendorfer Pferdeäppel“ einerseits und „Warendorfer Pferdeleckerli“ andererseits verneint der Senat. Zwar bejaht im Streitfall das OLG Hamm eine Identität der sich gegenüberstehenden Waren (Pralinen/Trüffel). Doch verneint der Senat im Ergebnis eine Verwechselungsgefahr mit der Begründung, entscheidend abzustellen sei nicht auf den Ortsbestandteil „Warendorfer“, sondern auf die weitere Teilbezeichnung
„Pferdeäppel“ sowie „Pferdeleckerli“. Hier sei auch abzustellen auf den Unterschied im Rahmen der Bedeutung der Begriffe. „Pferdeleckerli“ sei als leckere Zugabe zum Essen/Fressen bestimmt, im Wortsinn durch die Pferde. „Pferdeäppel“ seien dagegen als Exkremente die lästige Folge auch guter Ernährung der Pferde. Unterstützend hat der Senat darauf abgestellt, dass der Anspruchsgegner selbst vorgetragen habe, dass „Pferdeleckerli“ die essbaren Dinge seien, die vorne in das Pferd hinein gelangten, während die „Pferdeäppel“ das bezeichne, was nach Aufnahme der Nahrung am Schluss hinten aus dem Pferd wieder heraus komme. Mangels Verwechselungsgefahr verneint folglich das OLG Hamm den Unterlassungsanspruch des Anspruchstellers.

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Keine Geschäftsführerhaftung für Mängelbeseitigungskosten

OLG Koblenz, Urteil vom 2.6.2010 — Aktenzeichen: 6 U 1441/09

Leitsatz
Ein Neugläubiger kann nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 64 GmbHG nicht jeden Schaden ersetzt verlangen, der durch den Vertragsschluss mit der insolventen Gesellschaft verursacht wurde. Nur solche Schadensfolgen können ersetzt verlangt werden, die innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm liegen. Bei Mängelbeseitigungskosten ist dies nicht der Fall.

Sachverhalt
Die Kläger beauftragten die spätere Schuldnerin mit der Erbringung eines Wärmedämm-verbundsystems. Nach Abnahme traten Mängel auf. Im ersten Prozess nahmen die Kläger sowohl die spätere Schuldnerin als auch den beklagten Geschäftsführer in Anspruch. Die Ansprüche wurden auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 263 StGB gestützt. Die Klage gegen die spätere Schuldnerin war erfolgreich, mangels Vorsatzes wurde die Klage gegen den Geschäftsführer abgewiesen. Anschließend erfolgte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin.

In dem hier interessierenden zweiten Prozess machen die Kläger Schadensersatzansprüche gegen den beklagten Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung geltend, § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 64 Abs. 1 GmbHG a. F.

Das OLG Koblenz verneint die Haftung des Geschäftsführers auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten.

Entscheidung
Das OLG Koblenz stellt klar, dass die Kläger als Neugläubiger anzusehen seien. Das Gericht geht auch davon aus, dass die spätere Schuldnerin im Zeitpunkt der Auftragserteilung bereits zahlungsunfähig war, dem beklagten Geschäftsführer folglich eine Insolvenzverschleppung zur Last zu legen sei. Dann jedoch differenziert das OLG Koblenz. Es hält fest, dass der Gläubiger nicht den Ersatz jeden Schadens verlangen kann, der durch den Vertragsschluss mit einer insolventen Gesellschaft verursacht wird. Mängelbeseitigungskosten fallen nicht in den Schutzzweck der Norm. Der Schutzzweck des § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. bestehe gerade darin, potenzielle Neugläubiger dazu bewahren, einer unerkannt zahlungsunfähigen Gesellschaft noch Leistung zu erbringen und dadurch einen Schaden zu erleiden.

Das OLG Koblenz schränkt die Haftung des Geschäftsführers ersichtlich ein. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH die Rechtsauffassung des OLG Koblenz teilt. Die Klägerseite hat Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt.

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Pfändbarkeit der Berufsunfähigkeitsrente eines Selbstständigen

Landgericht Dortmund, Urteil vom 29.7.2010 — Aktenzeichen: 2 O 65/10

Leitsatz
Die Berufsunfähigkeitsrente eines selbstständigen Steuerberaters unterliegt dem Insolvenzbeschlag, da die Berufsunfähigkeitsrenten Selbstständiger keinen Pfändungsschutz genießen.

Entscheidung
Der Kläger hatte eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auf Basis einer Lebensversicherung abgeschlossen. Der Kläger nahm die beklagte Versicherung auf Leistung in Anspruch. Zuvor war das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden. Die Beklagte meint u.a., es fehle an der Aktivlegitimation des Klägers.

Dieser Argumentation folgt das Landgericht Dortmund. Das Landgericht Dortmund weist die Klage ab mit der Begründung, dass der Kläger nicht aktivlegitimiert sei zur Erhebung der Klage. Die Berufsunfähigkeitsrente unterliegt nach Auffassung des Landgerichts Dortmund dem Insolvenzbeschlag, da die Berufsunfähigkeitsrenten Selbstständiger keinen Pfändungsschutz nach § 850 Abs. 3 lit. b, § 850 b Abs. 1 Nr. 1 oder § 851 c ZPO genießen. Da die Rente folglich gepfändet werden kann, unterliegt diese auch dem Insolvenzbeschlag. Die Verfügungsbefugnis über die Ansprüche aus der Versicherung stand damit dem Insolvenzverwalter, nicht aber dem Steuerberater (Kläger) zu.

Praxistipp
Das Urteil des Landgerichts Dortmund ist bei der Abwicklung von Insolvenzverfahren Selbstständiger zu beachten. Soweit Versicherungen nicht unpfändbar sind, können die sich daraus ergebenen Ansprüche durch den Insolvenzverwalter zur Masse gezogen werden.

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Architekt als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn

OLG Celle, Urteil vom 2.6.2010 — Aktenzeichen: 14 U 205/03

Leitsatz
Der Architekt ist im Planungsbereich Erfüllungsgehilfe des Bauherrn. Hinsichtlich der Ausführungsleistungen des Bauunternehmers gilt dies nicht.

Sachverhalt
Der Kläger lässt einen Neubau errichten. Anschließend stellt sich heraus, dass bei Niederschlag das Regenwasser in das Gebäude eindringt. Der Kläger begehrt Schadensersatz. Beklagte sind u. a. das ausführende Unternehmen sowie der planende und bauleitende Architekt. Der ausführende Bauunternehmer meint, der Kläger müsse sich ein Mitverschulden des Architekten zurechnen lassen. Insoweit moniert der Bauunternehmer sowohl Planungsfehler als auch Überwachungsfehler des Architekten.

Entscheidung
Das OLG Celle stellt fest, dass der Kläger sich kein Mitverschulden wegen einer Pflichtverletzung des Architekten anrechnen lassen muss. Ein etwaiger Bauaufsichtsfehler des Architekten führt nicht dazu, dass dies dem Kläger im Verhältnis zum Bauunternehmer zuzurechnen wäre. Grund ist der Umstand, dass der Kläger als Auftraggeber dem Bauunternehmer keine Beaufsichtigung dessen eigener Leistung schuldet. Damit ist der Architekt auch nicht Erfüllungsgehilfe des Klägers, ein Mitverschulden des Klägers wegen einer Pflichtverletzung im Bereich der Bauaufsicht scheidet aus.

Zurechenbar wäre dem Kläger jedoch ein Planungsfehler des Architekten gewesen. Genau ein solcher hat sich allerdings nicht feststellen lassen in dem vom OLG Celle entschiedenen Prozess.

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