Verkehrssicherungspflicht eines Waldbesitzers

BGH, Urteil vom 2.10.2012 — Aktenzeichen: VI ZR 311/11

Leitsatz
Eine Haftung des Waldbesitzers wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht besteht grundsätzlich nicht für waldtypische Gefahren.

Sachverhalt
Die Klägerin ging in dem planmäßig bewirtschafteten Wald der Beklagten zu 1) spazieren. In einer Abteilung des Waldgebiets stand ein 106-jähriger Eichenwald. Von einer Eiche, die etwas abseits des von der Klägerin begangenen Weges stand, löste sich ein so genannter Starkast, der die Klägerin am Hinterkopf traf. Der Ast war etwa 17 m lang. Sein Durchmesser betrug an der Basis 26 cm und im Ausgangsbereich etwa 23 cm. Die Klägerin erlitt eine schwere Hirnschädigung und nahm die Beklagte zu 1) sowie den bei dieser für den Bereich des Waldgrundstücks zuständigen Diplom-Forstwirt auf Schadensersatz in Anspruch.

Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage durch Grund- und Teilurteil stattgegeben. Mit den Revisionen begehrten die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidung
Der BGH hat der Revision stattgegeben und eine Haftung des Waldbesitzers — Beklagte zu 1) — verneint, da sich lediglich eine waldtypische Gefahr verwirklicht habe, für welche die Beklagte zu 1) nicht verantwortlich zu machen sei.

Zu den typischen Gefahren des Waldes, gegen die der Waldbesitzer Waldwege grundsätzlich nicht sichern müsse, zählten solche, die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben. Hierzu gehörten insbesondere herabhängende Äste oder die mangelnde Stand- oder Bruchfestigkeit von Bäumen. Atypische und damit sicherungspflichtige Gefahren seien hingegen alle nicht durch die Natur oder durch die Art der Bewirtschaftung mehr oder weniger zwangsläufig vorgegebenen Zustände, insbesondere vom Waldbesitzer geschaffene oder geduldete Gefahren, die ein Waldbesucher nicht oder nicht rechtzeitig erkennen könne und auf die er sich nicht einzurichten vermag, weil er nicht mit ihnen rechnen müsse. Dazu könnten etwa (nicht waldtypische) Hindernisse, die einen Weg versperren, oder nicht gesicherte Holzstapel gehören.

Im vorliegenden Fall habe sich demnach mit dem Astabbruch eine Gefahr verwirklicht, die in der Natur des Baumes begründet gewesen sei. Sachverständig wurde festgestellt, dass Auslöser des Astabbruchs der generelle Sommerbruch, d.h., ein durch Trockenheit und hohe Temperaturen begünstigter Versagensmechanismus, gewesen sei. Weiterer Auslöser war eine Faulstelle an der Oberseite des Astes. Die Gefahr, dass sich durch Verletzungen eines Baumes über mehrere Jahrzehnte Faulstellen bilden, die einen Ast schwächen, sei nach Ansicht des BGH ausschließlich in der Natur des Baumes begründet. Gleiches gelte für die Ausbildung eines langen Astwuchses und den Abbruch der Hauptkrone des Baumes. Eine der Beklagten zu 1) zuzurechnende atypische Gefahr habe demnach nicht vorgelegen. Vielmehr sei der Tatbestand des Handelns auf eigene Gefahr erfüllt, da sich die Klägerin in eine Situation drohender Eigengefährdung begeben habe, obwohl sie die besonderen Umstände kennen musste, die für sie eine konkrete Gefahrenlage begründeten. Ein Waldbesucher setze sich mit dem Betreten des Waldes bewusst den waldtypischen Gefahren aus.

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Beklagten zu 2) scheide folgerichtig ebenfalls aus, da ihn keine weitergehenden Pflichten als die Beklagte zu 1) treffen könnten.

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Eigentümer haftet nicht für Folgen einer Dachlawine

OLG Hamm, Urteil vom 14.8.2012 — Aktenzeichen: I-9 U 119/12

Leitsatz
1. Es besteht keine grundsätzliche Pflicht des Grundstückeigentümers, Dritte vor Dachlawinen durch spezielle Maßnahmen zu schützen.

2. Sicherungsmaßnahmen sind dann geboten, wenn besondere Umstände vorliegen.

3. Als solche kommen neben der allgemeinen Schneelage des Ortes die Beschaffenheit und Lage des Gebäudes, die allgemein üblichen Sicherheitsvorkehrungen, die konkreten Schneeverhältnisse sowie Art und Umfang des gefährdeten Verkehrs in Betracht.

Sachverhalt
Der Kläger parkte sein Fahrzeug auf einem Abstellplatz, der an das Grundstück der Beklagten in Bielefeld grenzt. Vom Dach des Hauses der Beklagten stürzten Schneemassen herab, die das parkende Fahrzeug beschädigten.

Für den Schaden sollte nach Auffassung des Klägers die Beklagte einstehen.

Das Landgericht Bielefeld wies die Klage ab.

Entscheidung
Das OLG Hamm wies den Kläger darauf hin, diese Entscheidung bestätigen zu wollen, woraufhin der Kläge die Berufung zurücknahm.

Eigentümer bzw. Hausbesitzer sind, wenn es nach dem OLG geht, nicht verpflichtet, Dritte vor Dachlawinen zu schützen.

Eine solche Pflicht ergab sich im vorliegenden Fall jedenfalls nicht aus einer Satzung der Stadt Bielefeld. Auch allgemeine Verkehrssicherungspflichten seien nach Auffassung des OLG nicht betroffen.

Dieser Grundsatz gelte aber nicht ohne Ausnahme:

Besondere Pflichten ergäben sich bei entsprechenden Umständen, wie der allgemeinen Schneelage des Ortes, ortsüblichen Sicherheitsvorkehren oder einer besonderen Beschaffenheit des Gebäudes. Solch Besondere Umstände konnte der Senat allerdings im vorliegenden Fall nicht erkennen.

Auch eine Warnung sei nicht erforderlich gewesen, weil der Kläger — wie jeder — damit rechnen musste, dass es bei solchen Witterungsbedingungen zum Abrutschen von Eis und Schnee vom Dach kommen kann.

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Tierhalterhaftung bei Unterbringung von Tieren verschiedener Tierhalter auf einer gemeinsamen Koppel bei Unaufklärbarkeit desjenigen Tieres, das mit seiner Tiergefahr konkret für den Unfall schadensursächlich gewesen ist.

OLG München, Urteil vom 19.4.2012 — Aktenzeichen: 14 U 2687/11

Leitsatz
Haben verschiedene Tierhalter ihre Tiere in einem gemeinsamen Pferch untergebracht, so ist eine Tierhalterhaftung nach § 833 S. 1 BGB i.V.m. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB auch dann anwendbar, wenn sich nur bei einem Tier die Tiergefahr konkret schadensverursachend verwirklicht hat, es sich aber nicht mehr feststellen lässt, bei welchem von mehreren verschiedenen Haltern zuzuordnenden Tieren.

Sachverhalt
Der Beklagte sowie ein Dritter hatten auf einer mit einem Elektrozaun versehenen Koppel mehrere Schafe untergebracht, von denen ein Teil dem Beklagten und der übrige Teil dem Dritten gehörten. Unstreitig wurde der Kläger in der Nähe dieser Koppel von einem auf dieser Koppel untergebrachten Schafe umgestoßen, wobei sich jedoch nicht feststellen ließ, welches der Tiere konkret die Koppel verlassen und den Unfall verursacht hatte.

Entscheidung
Eine Tierhalterhaftung des Beklagten nach § 833 S. 1 BGB kam nur in Betracht, wenn der Beklagte nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB trotz Unaufklärbarkeit des den Schaden konkret verursachenden Tieres haften würde.

Dies ist vom OLG München bejaht worden. Nach Auffassung des Senats sei nämlich § 830 Abs. 1 S. 2 BGB auch dann anwendbar, wenn sich nur bei einem Tier die Tiergefahr konkret schadensverursachend verwirklicht habe, es sich aber nicht mehr feststellen lasse, bei welchem von mehreren verschiedenen Haltern zuzuordnenden Tieren. Dies gelte jedenfalls, wenn dieses Tier zu einer gemeinsamen Herde von Tieren verschiedener Halter gehört, die sich in einem gemeinsamen Pferch befindet oder anderweitig einer einheitlichen und gemeinsamen Überwachung unterliegt.

Begründet wird diese Auffassung des Senats mit dem Hinweis, das für die Haftung nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche anspruchsbegründende Verhalten des Beklagten und des weiteren Tierhalters bestehe in der Haltung der Tiere in einem gemeinsamen Pferch, also in einer konkreten Situation, mit der sie Andere der von einem Tier ausgehenden, nur unzulänglich beherrschbaren Gefahr aussetzen. Beklagter und Dritter hätten gemeinsam eine auf den konkreten Ort und die konkrete Situation im Schadenszeitpunkt bezogene Gefahrenlage geschaffen.

Persönliche Anmerkung
Nach Auffassung des Verfassers ist dieses Urteil des OLG München sehr bedenklich. Allein der Umstand der Unterbringung von Tieren verschiedener Tierhalter auf einer gemeinsamen Koppel kann noch nicht das für die Haftung nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche anspruchsbegründende Verhalten rechtfertigen.

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Schockschaden der Eltern nach tödlichem Unfall ihrer volljährigen Tochter

OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2011 — Aktenzeichen: 1 U 255/10

Leitsatz
Keine Ersatzansprüche von Eltern wegen eines erlittenen Schockschadens, wenn die bei einem Kfz-Unfall tödlich verletzte volljährige Tochter den Unfall als Fußgängerin grob schuldhaft herbeigeführt hat und der beteiligte Kfz-Fahrer den Unfall nicht vermeiden konnte.

Sachverhalt
Nachdem die Eltern miterlebt hatten, dass ihre volljährige Tochter bei dem Versuch des Überquerens eines Fußgängerübergangs trotz bestehenden Rotlichts der für sie geltenden Fußgängerampel von einem Fahrzeug erfasst und tödlich verletzt worden war, machten sie gegen den Fahrzeugführer Ersatzansprüche wegen eines erlittenen Schockschadens geltend.

Entscheidung
Nachdem das Gericht zunächst festgestellt hatte, dass sich der Zusammenstoß für den Fahrzeugführer nicht als ein Fall höherer Gewalt i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG dargestellt habe, wies das Gericht sodann zutreffend darauf hin, dass auch unter Berücksichtigung von § 7 StVG in der seit dem 01.08.2002 geltenden Fassung bei einem groben Eigenverschulden eines nicht motorisierten Verkehrsteilnehmers dieser zu 100 % für die Folgen eines Kollisionsereignisses haftbar sein könne. Sodann führte das Gericht aus, dass sich die klagenden Eltern das erhebliche, die Haftung des Fahrzeugführers ausschließende Mitverschulden ihrer volljährigen Tochter auch bei dem von ihnen geltend gemachten Schockschaden anrechnen lassen müssen. Diese Anrechnung ergebe sich analog §§ 254, 242 BGB aus Billigkeitserwägungen; da nämlich die rechtlich anerkannte psychisch vermittelte Schädigung nur auf einer besonderen persönlichen Bindung zu dem unmittelbar Verletzten beruhe und nur dieses verwandtschaftliche Näheverhältnis einen Kausalitätszusammenhang zum Unfallereignis, den sich der Fahrzeugführer zurechnen lassen müsse, begründe, müsse sich der Angehörige folgerichtig auch das fremde Mitverschulden des unmittelbar verletzten Familienangehörigen anrechnen lassen.

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Haftung für gefährliches Missverständnis

OLG Hamm, Urteil vom 7.11.2012 — Aktenzeichen: I-30 U 80/11

Leitsatz
1. Ein Hotelbetreiber ist verpflichtet, den gefahrlosen Zutritt zum Hotelzimmer zu gewährleisten — bei entsprechender Abrede auch zu jeder Zeit.

2. Diese Pflicht wird verletzt, wenn die Hoteleingangstür von dem spät zurückkehrenden Gast nicht geöffnet werden kann und dem — die deutsche Sprache nur unzureichend verstehenden — Beauftragten nicht verständliche Anweisungen zur Rückkehr erteilt wurden.

3. Verletzt der Beauftragte den Gast bei seinem Eintrittsversuch, haftet der Hotelbetreiber für die Folgen, selbst wenn die Körperverletzung vorsätzlich erfolgte.

4. Der Anspruch ist nicht aufgrund von Mitverschulden zu kürzen, wenn der Gast versucht, trotz Widerstandes in die geöffnete Hoteleingangstür zu gelangen.

Sachverhalt
Der Kläger und sein Bekannter hatten bei den Beklagten ein Zimmer gebucht.

Beim Abendessen teilten sie den Beklagten mit, noch eine Weihnachtsfeier besuchen zu wollen und später alkolisiert ins Hotel zurückzukehren. Der Kläger und sein Bekannter erhielten daraufhin einen Schlüssel mit dem Hinweis, damit könne auch in der Nacht noch die Tür zum Hotel geöffnet werden.

Auch der türkischen, kaum deutsch verstehenden Aushilfsreinigungskraft war ein Schlüssel überlassen worden mit der Maßgabe, nach Vollendung der Arbeiten das Hotel abzuschließen. Über die später Rückkehr der Hotelgäste war er nicht bzw. nicht in verständlicher Form informiert worden.

Als der Kläger und sein Bekannter gegen 4 Uhr stark alkoholisiert zurückkehrten, ließ die Tür sich nicht öffnen, da von innen noch ein Schlüssel steckte. Als die Reinigunskraft an die Tür kam, konnte sich keiner dem anderen verständlich machen. Die Reinigungskraft verstand nicht, dass es sich bei dem Kläger und seinem Bekannten um Hotelgäste handelte. Ihnen gelang es dann zwar — unter Verletzung der Reinigungskraft -, ins Hotel zu gelangen, die Reinigungskrafte besorgte sich jedoch ein langes Messer. Im Rahmen der weiteren Verfolgung verletzte die Reinigungskraft sowohl den Kläger als auch seinen Bekannten. Letzterer starb an seinen Verletzungen.

Während die Reinigungskraft wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstraße von fünf Jahren verurteilt wurde, verlangte der Kläger Schmerzensgeld von den Betreibern des Hotels. Das Landgericht wies die Klage ab, da das Verhalten der Reinigungskraft nicht vorhersehbar gewesen sei; der Zurechnungszusammenhang sei unterbrochen.

Entscheidung
Das OLG Hamm hob die Entscheidung des LG Münster auf und verurteilte die Betreiber zur Zahlung von 6.500 € Schmerzensgeld.

Eine Unterbrechung des Ursachenzusammenhangs sei hier nicht gegeben, weil durch die Handlung der Hotelbetreiber bzw. ihr Unterlassen eine besondere Gefahrsteigerung eingetreten sei; mit ihrer Pflichtverletzung hätten sie den Boden für alles weitere geebnet. Denn das Verhalten des Klägers und seines Bekannten sei vorhersehbar gewesen, weil es nicht unwahrscheinlich sei, dass stark alkoholisierte Gäste versuchen würden, lautstark auf sich aufmerksam zu machen, um Zutritt zu erhalten. Gleichzeitig sei es nicht unwahrscheinlich, dass ein unzureichend informierter Mitarbeiter Gewalt einsetzen würde, um das Hotel und sich vor (lauten, alkoholisierten) Eindringlingen zu schützen.

Das Missverständnis konnte letztlich auch nur aufgrund der Sprachbarriere nicht beseitigt werden, die den Beklagten allerdings bekannt und damit auch vorhersehbar war.

Eine Kürzung des Anspruchs wegen Mitverschuldens dagegen schied nach Auffassung des OLG aus, weil von Seiten der Gäste nicht vorhergesehen werden konnte, dass die Situation derart eskalieren würde, wenn man sich als Berechtigter versucht, Zutritt zu verschaffen.

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Grobes Foul rechtfertigt Schadensersatzanspruch

OLG Hamm, Urteil vom 22.10.2012 — Aktenzeichen: I-6 U 241/11

Leitsatz
Ein rücksichtsloses Foul beim Fußball kann einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch rechtfertigen.

Sachverhalt
Bei einem Meisterschaftsspiel der Kreisliga A 3 des Kreises Dortmund kam es zwischen zwei Spielen der gegnerischen Mannschaften zu einem Zusammenstoß mit Folgen. Der Beklagte hatte den Kläger mit gestrecktem Bein zu Fall gebracht. Der Schiedsrichter ahndete das Foul mit einer gelben Karte.

Der Kläger jedoch konnte als Folge des Fouls seinen Beruf als Maler und Lackierer nicht mehr ausüben, weshalb er den (haftpflichtversicherten) Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld i.H.v. ca. 50.000 € in Anspruch nahm.

Entscheidung
Das OLG Hamm bestätigte die für den Kläger günstige Entscheidung des LG Dortmund, wonach der Beklagte für die Schäden und Schmerzen des Klägers einzustehen hat.

Grundsätzlich hafte ein Fußballspieler nicht, wenn er einen anderen bei regelrechter Spielweise und dem Fairnessgebot entsprechend verletze; eine Haftung komme aber dann in Betracht, wenn — wie hier — grob rücksichtslos gehandelt und damit gegen Nr. 12 der DFB-Fußballregeln verstoßen werde.

Praxishinweis
Die Entscheidung bewegt sich in einem heiklen Bereich, da taktische Fouls und damit Verstöße gegen Nr. 12 der DFB-Fußballregeln nicht nur im professionellen Fußball an der Tagesordnung sind. Den feinen Unterschied dürfte hier wohl die Feststellung des Gerichts ausmachen, dass der Zweikampf ohne jede Rücksicht auf die Gefahr und die Folgen des Einsteigens geführt wurde. Denn bei vorsätzlicher und grob fahrlässiger Regelwidrigkeit sowie dem Überschreiten der Grenze zwischen noch gerechtfertigter Härte und einem unfairen Regelverstoß geht die Rechtsprechung bei fremdverursachten Sportverletzungen regelmäßig von einer Haftung des Schädigers aus (vgl. u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 04.07.2005, NJW-RR 2005, 1477; OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.04.2004, RuS 2005, 435).

Im Bereich des Profi-Fußballs ist diese Rechtsprechung noch weiter einzuschränken: Da Berufsfußballer als Beschäftigte ihres Vereins unfallversichert sind und beim Spiel auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig werden, haften sie nur für vorsätzlich herbeigeführte Versicherungsfälle, vgl. §§ 106 Abs. 3, 105 Abs. 1 SGB VII.

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Zu Streupflichten auf öffentlichen Parkplätzen

Oberlandesgericht München, Urteil vom 10.10.2012 — Aktenzeichen: 1 U 2408/12

Leitsatz
Die von winterlichen Wetterverhältnissen ausgehenden Gefahren fallen nicht in den Risikobereich des Verkehrssicherungspflichtigen, sondern in das allgemeine Lebensrisiko des Nutzers der Verkehrsfläche. Der Verkehrssicherungspflichtige schuldet, dies gilt erst recht für einen Parkplatz, keine perfekten Lösungen, sondern er muss lediglich im Rahmen des ihm Zumutbaren der von winterlichen Verhältnissen ausgehenden Gefährdung begegnen.

Sachverhalt
Die Klägerin kam auf einem öffentlichen Parkplatz zu Fall, als sie auf Glatteis stürzte. Dabei hätte sie die glatte Stelle meiden können. Es gab nämlich einen Zebrastreifen, der hätte benutzt werden können. Daher gab´s am Ende kein Schadensersatz.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat Folgendes entschieden:

Ein öffentlicher Parkplatz ist kein Gehweg. Aus diesem Grund dürfen an die Räum- und Streupflicht auf öffentlichen Parkplätzen auch nicht die Anforderungen angelegt werden, die für Fußgängergehwege gelten. Ein Parkplatz ist in erster Linie zur Aufnahme des ruhenden Kfz-Verkehrs bestimmt. Da ein Parkplatz aber auch von den Fahrzeuginsassen als Fußgänger benutzt werden muss, darf ein Parkplatz andererseits rechtlich nicht einfach wie eine Fahrbahn behandelt werden. Deshalb muss der Verkehrssicherungspflichtige auch auf einem Parkplatz, jedenfalls wenn dieser belebt ist, in gewissem Umfang für die Sicherheit der Fußgänger sorgen. Die Situation des Fußgängers auf einem Parkplatz ist sach- und rechtsähnlich wie das Überqueren der Fahrbahn durch Fußgänger gelagert. Der Verkehrssicherungspflichtige muss deshalb jedenfalls für eine Möglichkeit zum gefahrlosen Verlassen des Parkplatzes bzw. zum gefahrlosen Wiedererreichen des geparkten Fahrzeuges sorgen.

Deshalb muss sich die Klägerin entgegenhalten lassen, dass sie die Parkplatzstraße nicht über den Zebrastreifen, sondern abseits von diesem abkürzend überquert hat.

Da die Beklagten auf dem Parkplatz nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur einen (!) sicheren Weg bereithalten mussten, hat die Klägerin die Straße abseits des Zebrastreifens auf eigenes Risiko hin abkürzend gequert. Die Klägerin ist damit, was einer Haftung der Beklagten von vorneherein entgegensteht, in einem nicht sicherungspflichtigen Bereich gestürzt. Die vom Bundesgerichtshof gezogene Sach- und Rechtsanalogie zur Überquerung der Fahrbahn durch Fußgänger lässt keinen Zweifel daran, dass der Zebrastreifen und nur dieser zu sichern war. Den durch Pfosten abgetrennten Eingangsbereich des Marktes, für den die vorgenannten Grundsätze der Parkplatzrechtsprechung nicht gelten, hatte die Klägerin zum Zeitpunkt des Sturzes nicht erreicht.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die von winterlichen Wetterverhältnissen ausgehenden Gefahren nicht in den Risikobereich des Verkehrssicherungspflichtigen, sondern in das allgemeine Lebensrisiko des Nutzers der Verkehrsfläche fallen. Der Verkehrssicherungspflichtige schuldet, dies gilt erst recht für einen Parkplatz, keine perfekten Lösungen, sondern er muss lediglich im Rahmen des ihm Zumutbaren der von winterlichen Verhältnissen ausgehenden Gefährdung begegnen. Im Übrigen muss sich der Nutzer selbst vorsehen.

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Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens im Prozess

OLG Hamm – Beschluss vom 14.08.2012 — Aktenzeichen: I – 25 W 203/12

In seinem Beschluss vom 14.08.2012 hat das OLG Hamm hierzu ausgeführt, dass der unterlegene Gegner gem. § 91 Abs.1 Satz 1 ZPO die Kosten eines von der Gegenseite eingeholten Privatgutachtens zu tragen hat, wenn dieses zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war, wobei solche Kosten nach überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur nur ausnahmsweise im Kostenfestsetzungsverfahren — unbeschadet etwaiger Erstattungsansprüche aus materiellem Recht — berücksichtigungsfähig sind (vgl. Übersicht bei Stein/Jonas/Bork, 21. Auflage, § 91 -„Privatgutachten“ ; Baumbach/Hartmann, 56.Auflage, § 91 Rd-Nr. 102 – „Gutachten‟). Entscheidend ist nicht allein das Kriterium einer „Prozessbezogenheit“, sondern die Frage der Notwendigkeit, die kritisch zu prüfen ist. Im Falle prozessbegleitender Gutachten sind an die Notwendigkeit dabei besonders strenge Anforderungen zu stellen, da während des Prozesses eine Beweisaufnahme nämlich grundsätzlich nur im Rahmen der gerichtlichen Beweisanordnungen stattfindet. Die Klärung strittiger Tatsachenfragen ist nicht Sache der Parteien, sondern des Gerichts in dem nach der ZPO hierfür vorgesehenen Beweisaufnahmeverfahren. Daher ist die Notwendigkeit eines Privatgutachtens nur ausnahmesweise zu bejahen, wenn ein Privatgutachten dazu dient, ein gerichtliches Sachverständigengutachten zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern oder Fragen an den gerichtlichen Sachverständigen zu formulieren oder wenn die Partei nur auf der Basis eines Privatgutachtens in der Lage ist, substantiiert und sachgerecht auf den Vortrag der fachlich versierten Gegenpartei schriftsätzlich vortragen zu können.

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Einzelne Glätteflächen bedingen keine Streupflicht

BGH, Urteil vom 12.6.2012 — Aktenzeichen: VI ZR 138/11

Leitsatz
Sind im Bereich eines Grundstücks nur vereinzelte Glättestellen ohne erkennbare Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr vorhanden, ist nicht von einer allgemeinen Glättebildung auszugehen, die eine Streupflicht begründen könnte.

Sachverhalt
Der BGH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die Klägerin aufgrund eines Sturzes Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden verlangte. Der Sturz geschah auf einem etwa zwei Meter breiten Weg, der zu dem Hauseingang der Beklagten führte. Dabei war die Klägerin auf einer nach eigenen Angaben 20 x 30 cm großen Eisfläche ausgerutscht, während andere Eisflächen nicht erkennbar waren. Der Weg war insgesamt — und dies unstreitig — nicht gestreut.

Entscheidung
Der BGH verneinte Ansprüche der Klägerin und wies darauf hin, dass die Streupflicht eine allgemeine Glättebildung voraussetzt. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn es sich lediglich um eine kleine Eisfläche handelt und ansonsten in der näheren Umgebung keine vereisten Flächen aufzufinden sind.

Daneben käme eine Streupflicht nur in Betracht, wenn ausnahmsweise die Wetterlage Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr gebe, die zu vorbeugenden Maßnahmen veranlasse. Dies war indes bei der zu treffenden Entscheidung nicht der Fall, so dass die Klage nicht erfolgreich sein konnte.

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Aufsatz: Die Aufsicht in öffentlichen Bädern — Eine Zusammenfassung (VersR 2012, 833 — 837)

In der haftungsrechtlichen Praxis beruhen viele Schadensfälle darauf, dass Inhalt und Umfang der Aufsichtspflichten der Betreiber öffentlicher Bäder nicht hinlänglich bekannt sind. Mit Zunahme des Angebots an Attraktionen und der hierfür erforderliche Technik, haben sich die Aufsichtspflichten in den letzten Jahren zudem ausgeweitet und sind vielschichtiger geworden. Im Rahmmen einer zusammenfassenden Darstellung befasste sich der Aufsatz mit den Schwerpunkten der Aufsichtspflichten, ihren Anforderungen sowie den bestehenden Haftungsrisiken. Beleuchtet werden insbesondere…

– die Grundlagen der Aufsicht und ihrer Organisation nach der DIN EN 15288-2: „Sicherheitstechnische Anforderungen an den Betrieb“ sowie der Richtlinie der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen e. V 94.05: „Verkehrssicherungs- und Aufsichtspflicht in öffentlichen Bädern während des Badebetriebes“,

– die Umsetzung der Becken- bzw. Wasseraufsicht anhand der Fragen: Wieviel Aufsichtskräfte sind zu stellen? Wie hat die Wahrnehmeung der Aufsicht konkret zu erfolgen? Welche Maßnahmen müssen bei unvermeidbarer Abwesenheit der Aufsichtsperson getroffen werden? Kann die Aufsicht aus sog. „Schwimmmeisterräumen“ heraus erfolgen?…sowie

– die weiteren besonderen Aufsichtspflichten hinsichtlich Fußböden, Freibädern, Sprunganlagen, Wasserrutsch- und Spielanlagen, beim Schulschwimmen…etc

unter Berücksichtigung praxisrelevanter Fallgestaltungen und aktueller Rechtsprechung.

Der Gesamtkomplex „Aufsicht“ ist mittlerweile so umfangreich geworden, dass Badbetreibern und deren Haftpflichtversicherern nur angeraten werden kann, sich hiermit eingehend zu befassen. Der Aufsatz soll hierzu Hilfestellungen und Orientierungslinien geben. Nur wer über ein ganzheitliches Konzept zur Vermeidung von Schadensfällen verfügt, kann die Haftungsrisiken weitestgehend begrenzen.

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