Mitverschulden auf Hundespielplatz

OLG Celle, Urteil vom 8.7.2014 — Aktenzeichen: 20 U 49/13

Leitsatz
Setzt sich ein Geschädigter auf einem Hundespielplatz bewusst den typischen Tiergefahren einer solchen Lokalität aus (Anspringen und Umrennen durch Hunde), liegt ein anspruchausschließendes Mitverschulden vor.

Sachverhalt
Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 1) aus Tierhalterhaftung sowie den Beklagten zu 2) wegen einer vertraglichen Nebenpflichtverletzung sowie Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen eines Unfalls auf einem Hundespielplatz in Anspruch, bei dem sie vom Hund des Beklagten zu 1) umgerannt wurde und sich u.a. einen Bruch des rechten Sprunggelenks zuzog.

Entscheidung
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein die Haftung des Tierhalters auf Null reduzierendes Mitverschulden des Geschädigten dann gegeben, wenn sich dieser bewusst einer besonderen Gefahr ausgesetzt hat, die über das normalerweise bestehende Maß hinausgeht, weil der Geschädigte sich mit dem Tier in eine gefahrerhöhende Situation begibt (BGH, NJW 1992, 907; NJW-RR 2006, 814). Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Landgerichts gegeben. Wer sich auf einen extra dafür eingerichteten Hundespielplatz begibt, auf dem die Hunde sich frei bewegen können, muss davon ausgehen, dass die Tiere bei ihrem Spiel- und Raufverhalten ungestüm und wild agieren. Dies gebietet bereits die allgemeine Lebenserfahrung und gilt erst Recht, wenn — wie im gegebenen Fall — eine große Anzahl von Hunden unterschiedlichster Rassen aufeinandertreffen. Wer sich in einer solchen Situation mittig auf dem Spielplatz aufhält und seine Aufmerksamkeit darüber hinaus nicht dem Geschehen um sich herum widmet, der setzt sich Risiken aus, die über das Maß der gewöhnlich mit einem Tier verbundenen Gefahren deutlich hinausgehen. Es liegt auf der Hand, dass es beim Herumtollen einer großen Anzahl an Hunden zu einem ungestümen, unkontrollierten und wilden Verhalten kommt. Der Hundespielplatz dient gerade dazu, einen von Außenstehenden getrennten und gesicherten Raum zu schaffen, in dem die Tiere ihrer Natur beim Spiel freien Lauf lassen können.

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Der fingierte Verkehrsunfall mal anders

OLG Hamm, Urteil vom 30.10.2014 — Aktenzeichen: I-6 U 24/14

Sachverhalt
Der Kläger begehrt Schmerzensgeld aus einem vom eigenen Fahrer verschuldeten Verkehrsunfall, bei dem er als Beifahrer zu Schaden gekommen ist. Streitig war zwischen den Parteien allein, ob es sich um eine Privatfahrt oder eine betrieblich veranlasste Fahrt handelte, bei der Schadensersatzansprüche gegenüber dem Fahrer gem. den §§104, 105 SGB VII ausgeschlossen gewesen wäre.

Die beklagte Haftpflichtversicherung hat eine Reihe vom Indizien angeführt, die für eine betrieblich veranlasste Fahrt sprachen. Der beklagte Fahrer hat sich überhaupt nicht eingelassen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Entscheidung damit begründet, dass ein Haftungsausschluss gegeben sei. Hierzu hat es die Grundsätze zu manipulierten Verkehrsunfällen auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn nach seiner Auffassung hat eine ungewöhnliche Häufung von Indizien dafür gesprochen, dass die Parteien, also Fahrer und Beifahrer, die Darstellung einer Privatfahrt abgesprochen hätten, um dem Haftungsausschluss zu Lasten der beteiligten Haftpflichtversicherung zu entgehen.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat die Entscheidung aufgehoben.

Nach seiner Auffassung sind die Grundsätze der manipulierten Verkehrsunfälle nicht auf andere Konstellationen übertragbar. Denn die Rechtsprechung zur Unfallmanipulation trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei der Einwilligung in einen Verkehrsunfall um einen in betrügerischer Absicht vorgenommenen und für den geschädigten Versicherer nur schwer nachweisbaren Vorgang handelt, weil die Beteiligten an der gemeinsamen Absprache von vorne herein bedacht sind, ihre Absicht geheim zu halten.

Für Beweiserleichterungen, die über die Möglichkeit der Führung eines Indizienbeweises hinaus gehen, besteht dagegen bei der betrieblichen Veranlassung einer zum Schaden führenden Tätigkeit im Sinne des § 105 SGB VII keine Veranlassung. Es handelt sich dabei nämlich in der Regel um ein objektiv nachweisbares Geschehen, dessen Geheimhaltung von den Beteiligten nicht von vorne herein gewollt oder geplant ist.

Die beklagte Haftpflichtversicherung hätte daher den positiven Nachweis zu führen gehabt, dass es sich um eine betrieblich veranlasste Fahrt handelte, was ihr allein über die Darlegung der Indizien nicht gelungen ist, zumal auch der beklagte Fahrer in seiner persönlichen Anhörung in zweiter Instanz von einer Privatfahrt ausging.

Das Urteil hat auch für andere Rechtsbereiche Relevanz. Denn Absprachen, die zur nachträglichen Annahme oder gerade Nichtannahme von Haftungsausschlüssen und anderen Tatbestandsmerkmalen (z.B. Mitverschulden) führen, sind keine Seltenheit. Dennoch verbleibt die volle Beweislast für das Gegenteil bei demjenigen, der an der Absprache nicht beteiligt ist.

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Arbeitsunfall trotz Fachkraft für Arbeitssicherheit

OLG Nürnberg, Urteil vom 17.6.2014 — Aktenzeichen: 4 U 1706/12

Leitsatz

1. Der Vertrag eines Arbeitgebers mit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit entfaltet Schutzwirkung zu Gunsten eines bei einem Arbeitsunfall verletzten Arbeitnehmers.

2. Wird als Fachkraft für Arbeitssicherheit ein selbstständiger, nicht in die Betriebsorganisation eingebundener externer Unternehmer tätig, so kommen ihm bei einem Arbeitsunfall eines Beschäftigten die Haftungsprivilegien des Sozialgesetzbuchs VII nicht zugute.

3. Der Arbeitgeber kann seine Verantwortung für die Sicherheit seiner Beschäftigten nicht mit haftungsbefreiender Wirkung auf die Fachkraft für Arbeitssicherheit übertragen.

4. Die Haftung der Fachkraft für Arbeitssicherheit ist nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld um den Verantwortungsanteil des Arbeitgebers an dem Arbeitsunfall zu kürzen. Arbeitgeber und Fachkraft für Arbeitssicherheit bilden keine Haftungseinheit.
Sachverhalt
Die Klägerin macht als gesetzliche Unfallversicherung gemäß § 116 SGB X auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche des Geschädigten geltend. Der Geschädigte war als Maschinenarbeiter für seinen ehemaligen Arbeitgeber tätig und erlitt während seiner beruflichen Tätigkeit einen schweren Arbeitsunfall. Während seiner Arbeit an einer von seinem Arbeitgeber eingesetzten Pappkartonstanze geriet der Geschädigte, als er Kartonagen in das Walzwerk der Maschine einführte, mit seiner rechten Hand in die sogenannte „Riffelwalze“ dieser Maschine, wodurch die Hand in die Maschine eingezogen und partiell skelettiert wurde. Bei seinem Versuch, die rechte Hand aus der Maschine zu befreien, wurde auch die linke Hand verletzt. Die Pappkartonstanze wurde von der Beklagten zu 1) hergestellt und geliefert. Sie entsprach nicht der Maschinenrichtlinie 89/392/EWG, so dass es zu dem Unfall kommen konnte. Mit schriftlichem Vertrag hatte der Arbeitgeber des Geschädigten den Beklagten zu 2) vertraglich mit der Grundbetreuung nach dem Arbeitssicherheitsgesetz BGV A6 beauftragt. In § 1 des Vertrages wurde vereinbart, dass der Beklagte zu 2) eigenverantwortlich gegen Entgelt die arbeitssicherheitstechnische Betreuung der Betriebsangehörigen übernimmt und in der Ausübung seiner Tätigkeit weisungsfrei und nur dem Gesetz unterworfen ist.

Entscheidung
Die Beklagten zu 1) und 2) haben als Gesamtschuldner für die Folgen des Arbeitsunfalles einzustehen.

Haftung der Beklagten zu 1):

Die grundsätzliche der Beklagten zu 1) ergibt sich aus §§ 1 Abs. 1, 2, 3 Abs. 1 b, 4 Abs. 1 und Abs. 2, 8 und 9 ProdHaftG.

Haftung des Beklagten zu 2) nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter:

Der Beklagte zu 2) haftet auf Grund der mangelhaften Erfüllung der vertraglich eingegangenen Verpflichtungen als Fachkraft für Arbeitssicherheit nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter. Der Geschädigte war als Arbeitnehmer des Arbeitgebers in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen.Die von der Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter entwickelten Voraussetzungen sind vorliegend sämtlich erfüllt. Das Merkmal der Leistungsnähe lag vor. Der Geschädigte kam als Beschäftigter des Arbeitgebers mit den vom Beklagten zu 2) auf ihre Arbeitssicherheit zu überprüfenden Maschinen im Betrieb des Arbeitgebers unmittelbar in Kontakt. Die arbeitssicherheitstechnische Betreuung der Betriebsangehörigen gehörte gemäß § 1 des Vertrages zu den vom Beklagten zu 2) übernommenen Aufgaben, so dass die Vertragspflichten des Beklagten zu 2) auch drittbezogen waren. Der Arbeitgeber als Vertragspartner des Beklagten zu 2) schuldete auf Grund des Arbeitsvertrages mit dem Geschädigten diesem auch Schutz und Fürsorge und hatte deshalb ein eigenes Interesse daran, seine Beschäftigten in den Schutzbereich des Vertrages einzubeziehen. Die Drittbezogenheit seiner sicherheitstechnischen Aufgaben, die Leistungsnähe der Beschäftigten und das Einbeziehungsinteresse des Arbeitgebers lagen für den Beklagten zu 2) offen zu Tage und ergaben sich zudem aus dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung. Der Geschädigte war auch schutzbedürftig, da ihm auf Grund der Haftungsprivilegierung des § 104 Abs. 1 SGB VII kein gleichgerichteter vertraglicher Anspruch desselben Inhalts gegenüber dem Arbeitgeber oder einem Dritten zusteht.

Kein Haftungsprivileg
Dem Beklagten zu 2) kommen die Haftungsprivilegien der §§ 104 ff SGB VII nicht zugute. Eine Beschränkung der Haftung nach § 105 Abs. 1 SGB VII scheitert vorliegend bereits daran, dass es sich bei der Tätigkeit des Beklagten zu 2) nicht um eine betriebliche Tätigkeit eines Versicherten desselben Betriebs im Sinne der genannten Vorschrift handelt, sondern um die selbständige, entgeltliche Tätigkeit einer nicht in die Betriebsorganisation eingebundenen externen Fachkraft.

Die Voraussetzung für die Bejahung einer gemeinsamen Betriebsstätte liegen nicht vor. Im vorliegenden Fall befand sich weder der Beklagte zu 2) persönlich noch sein Mitarbeiter W. zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls in dem Betrieb des Arbeitgebers. Die arbeitstechnische Begehung des Beklagten zu 2) fand bereits zwei Wochen zuvor statt. Es fehlt somit bereits an dem zeitlichen und örtlichen Nebeneinander der Tätigkeiten des Geschädigten und des Beklagten zu 2) in der maßgeblichen konkreten Unfallsituation.

Aber Haftungskürzung wegen gestörter Gesamtschuld:

Eine den Arbeitgeber exkulpierende Übertragung der Sicherheitsverantwortung auf die externe Fachkraft für Arbeitssicherheit kann bereits deshalb nicht erfolgen, da die Vorschrift des § 6 BGV A6 ausdrücklich die den Arbeitgeber lediglich unterstützende und beratende Funktion der Fachkraft für Arbeitssicherheit hervorhebt. Aufgaben oder Befugnisse zur eigenverantwortlichen Behebung sicherheitstechnischer Defizite oder gar ein Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitgeber oder seinen Beschäftigten sind § 6 BGV A6 oder dem konkreten Vertrag nicht zu entnehmen. Ohne das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII würde somit auch den Arbeitgeber des Geschädigten eine Mithaftung für den Arbeitsunfall und dessen Folgen treffen.

Da der Arbeitgeber des Geschädigten wegen § 104 Abs. 1 SGB VII jedoch von seiner eigenen Haftung befreit ist und somit auch von den Beklagten zu 1) und 2) nicht im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 BGB in Anspruch genommen werden kann, hat der Ausgleich nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld in der Weise zu erfolgen, dass die Haftung der verbliebenen Haftpflichtigen um den Verantwortungsteil des privilegierten Schädigers zu reduzieren ist (hier um 1/3).

Die für den Arbeitsunfall Verantwortlichen, also die Beklagte zu 1), der Beklagte zu 2) und der Arbeitgeber des Geschädigten, bildeten vorliegend auch keine Haftungseinheit, welche die Anwendung der Grundsätze der gestörten Gesamtschuld ausschließen würde. Eine solche liegt vor, wenn sich die Verursachungsbeiträge mehrerer Personen zu ein und demselben Umstand vereinigt haben oder zumindest im Wesentlichen zu ein und demselben Schadensbeitrag verschmolzen sind, bevor der Verursachungsbeitrag einer weiteren außenstehenden Person hinzutritt. Eine Haftungseinheit besteht demgegenüber nicht, wenn sich die Schadensbeiträge der einzelnen Schuldner auf dem Wege zur Schadensentstehung lediglich addieren und ihre eigene Bedeutung behalten. Um eine derartige Gefahrenaddition, nicht aber um ein Verschmelzen der Gefahrenbeiträge handelt es sich im vorliegenden Fall.

Ein sehr komplexer Fall, der wegen der oft übersehenen Figur des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sowie einer gestörten Gesamtschuld besondere Aufmerksamkeit verdient.

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Haftung des Futtermittelherstellers in Verdachtsfällen nur eingeschränkt

BGH, Urteil vom 22.10.2014 — Aktenzeichen: VIII ZR 195/13

Sachverhalt
Die vermeintlich Geschädigte machte gegen eine Futtermittelherstellerin Ansprüche auf Schadensersatz im Wege der Aufrechnung geltend. Bei einer Untersuchung anderer im selben Zeitraum hergestellter Futtermittel hatte die Herstellerin eine Verunreinigung des Futtermittels in Form einer Überschreitung der zulässigen Dioxinkonzentration festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt war das Futtermittel bereits verfüttert. Über den Jahreswechsel 2010/2011 wurden vorsorglich zwei Ställe gesperrt. Die entstandenen Umsatzeinbußen wollte die Herstellerin nicht ersetzen.

Landgericht und Oberlandesgericht waren der Auffassung, dass die Herstellerin für den Schaden ohne Rücksicht auf ein Verschulden einzustehen habe, wenn der auf konkrete Tatsachen gestützte Verdacht einer Verunreinigung bestehe.

Entscheidung
Der BGH hob die Entscheidung auf und wies die Sache an das Berufungsgericht zurück, da ein Verkäufer zwar verschuldensabhängig haftet, wenn in Folge einer tatsächlichen Überschreitung der zulässigen Dioxinkonzentration im Futtermittel ein Schaden entsteht — in diesem Fall nach § 24 LFGB a.F..

Dies gilt jedoch nicht für solche Schäden, die lediglich aufgrund des Verdachts einer unzulässigen Dioxinverunreinigung des Futtermittels entstanden sind.

Für solche Schäden haftet ein Verkäufer nur nach den allgemeinen Grundsätzen gem. § 280 Abs. 1 BGB iVm. § 437 Nr. 3 BGB, sodass eine Schadensersatzverpflichtung nur dann in Betracht kommt, wenn die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach das Verschulden vermutet wird, nicht widerlegt werden kann. Weiterhin beließ der BGH es aber dabei, dass auch der konkrete Verdacht einer unzulässigen Verunreinigung einen Sachmangel des gelieferten Futtermittels darstellen kann, wenn dadurch die Futtermittel unverkäuflich werden.

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Strenge Anforderungen an die Verkehrssicherung bei Beteiligung von Kindern

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 6.3.2014 — Aktenzeichen: 6 U 183/13

Kinder müssen in besonderem Maße geschützt werden. Die Anforderungen an die Verkehrssicherung sind streng. Ein Modegeschäft muss sich auf Kleinkinder einstellen.

Sachverhalt
Die Eltern besuchten mit ihrer 4jährigen Tochter ein Modegeschäft, um dort einzukaufen. Die Tochter spielte dort zunächst in der Spielecke des Modehauses. In einem von ihren Eltern unbeobachteten Moment begab sie sich zu einem Warenständer in der auf derselben Etage befindlichen Herrenabteilung, in der sich ihre Eltern aufhielten. An dem ca. 1,60 m hohen, mittels Rollen leicht zu bewegenden Ständer waren zu verkaufende Gürtel aufgehängt. Die Tochter zog an einem Gürtel, der Ständer kippte und fiel auf die Tochter. Die Tochter erlitt eine schwere Augenverletzung.

Entscheidung
Das OLG Hamm sah eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Modehauses; es habe Gürtel auf einem Warenständer angeboten, der bei einer geringen Zugbelastung von nur 800 Gramm, die auch ein kleines Kind ausüben kann, habe kippen können. Kunden dürften darauf vertrauen, das Modegeschäft auch gemeinsam mit Kleinkindern betreten zu können. Es sei damit zu rechnen, dass Kinder in kurzen Momenten der Unaufmerksamkeit ihrer Eltern auch an Waren ziehen könnten. Darauf müsse sich das Modehaus einrichten.

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Ermessensspielraum des Zwangsverwalters

LG Paderborn, Urteil vom 20.2.2014 — Aktenzeichen: 3 O 385/13

Sachverhalt
Die Klägerin beantragte 2011 die Zwangsverwaltung über ein Grundstück, welches von einem Lebensmittelmarkt angemietet worden war. Der Beklagte war als Zwangsverwalter eingesetzt.

Zur Absicherung der Verkehrssicherungspflichten im Winter bot ein Unternehmen dem Beklagten an, den Winterdienst wahlweise gegen eine monatliche Pauschalvergütung oder eine Vergütung pro Einsatz durchzuführen. Der beklagte Zwangsverwalter entschied sich für die Pauschalvereinbarung, da er naturgemäß nicht voraussehen konnte, zu wie vielen Räum- und Streueinsätzen es im kommenden Winter kommen würde. Die Vereinbarung galt für mehrere Monate.

Nachdem es in der Wintersaison 2011/2012 verhältnismäßig wenig geschneit hatte, nahm die Klägerin als Zwangsvollstreckungsgläubigerin den Verwalter auf Schadensersatz in Anspruch. Sie war der Auffassung, dass man sich mehrere tausend Euro gespart hätte, hätte man sich nicht für den monatlichen Pauschalpreis, sondern die Abrechnung pro tatsächlichem Einsatz entschieden hätte.

Entscheidung
Das Landgericht wies die Klage ab.

Es war mit dem Beklagten der Auffassung, ihm stehe ein wirtschaftlich freies Ermessen zu, innerhalb dessen er das zwangsverwaltete Objekt in den Grenzen des wirtschaftlich Möglichen und rechtlich Zulässigen ordnungsgemäß zu nutzen habe. Diese Pflichten seien nicht durch den Abschluss einer Pauschalvereinbarung verletzt worden, da Ermessensfehler nicht ersichtlich seien. Der Beklagte habe nicht vorhersehen können, wieviel Räumeinsätze in der Zukunft tatsächlich erforderlich sein werden. Außerdem seien gerade bei öffentlich zugänglichen Flächen mit viel Publikumsverkehr strenge Anforderungen an den Winterdienst zu stellen, weshalb möglicherweise auch an einem Tag mehrere Streueinsätze erforderlich sein könnten. Insofern war die Vorstellung des Beklagten, dass etwa 20 Einsätze pro Monat für den Räum- und Streudienst erforderlich werden könnten, nicht verfehlt.

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Sachverständigenhaftung: Unverwertbar ≠ unrichtig

Beschluss OLG Hamm vom 14.04.2014 — Aktenzeichen: 9 U 231/13

Sachverhalt
Im Auftrag des LG Essen begutachtete ein gerichtlich bestellter Sachverständiger Mängel an einer veräußerten Immobilie.

Da er Feststellungen über seinen Gutachterauftrag hinaus machte, wurde er vom Landgericht für befangen erklärt. Sein Gutachten wurde weder verwertet noch vergütet.

Der Kläger verklagte den gerichtlich bestellten Sachverständigen auf Schadensersatz, da er im Vertrauen auf die erfolgte Begutachtung Renovierungsarbeiten veranlasst hatte.

Das LG Essen wies die Klage in erster Instanz ab.

Entscheidung
Auf entsprechenden Hinweisbeschluss des OLG Hamm nahm der Kläger seine Berufung zurück. Nach Auffassung des OLG Hamm haftet der gerichtlich bestellte Sachverständige weder in direkter noch in analoger Anwendung des § 839 a BGB, der die Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen regelt.

Denn ein unverwertbares Gutachten ist nicht gleich unrichtig im Sinne der Vorschrift. Für die Unrichtigkeit müssen die festgestellten Tatsachen von der objektiven Rechtslage abweichen. Anderweitige Mängel des Gutachtens sind auch nicht im Wege der Analogie im Rahmen von § 839a BGB zu berücksichtigen.

Im Übrigen hatte die Klage keine Aussicht auf Erfolg, weil § 839 a BGB voraussetzt, dass der geltend gemachte Schaden durch eine gerichtliche Entscheidung eingetreten ist — wie beispielsweise ein Urteil, welches sich auf das auf ein unrichtiges Gutachten stützt. Vorliegend hatte der Kläger jedoch selbst Dispositionen getroffen, ohne hierzu gerichtlich veranlasst worden zu sein.

Die Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen gem. § 839 a BGB ist grundsätzlich respektiv zu beurteilen. Der Sachverständige haftet nur für Schäden, die auf unrichtigen Gutachten beruhen und die zu nachteiligen gerichtlichen Entscheidungen geführt haben — und auch dann nur, soweit der Fehler grob fahrlässig begangen wurde.

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Verschluckter Pflegehandschuh begründet Haftung

Landgericht Bielefeld, Urteil vom 27.2.2014 — Aktenzeichen: 5 O 201/13

Sachverhalt
Aufgrund eines Pflegeheimunfalls hatte die klagende Krankenkasse Aufwendungen zur Heilbehandlung in erheblicher Höhe zu erbringen. Der Versicherte der Klägerin litt seit frühester Kindheit an schweren psychischen Störungen und hatte keinerlei Gespür für Gefahren. Er neigte zu autoaggressivem Verhalten sowie dazu, sich Gegenstände in den Mund zu stecken.

Zehn Minuten nachdem der Versicherte von einer Pflegekraft versorgt worden war, fand man ihn regungslos im Flurbereich des beklagten Heimes auf. Bei den Reanimationsmaßnahmen stellte man fest, dass der Versicherte an einem Einmalhandschuh aus Latex zu ersticken drohte. Zwar überlebte der Versicherte. Er erlitt jedoch einen Hirnschaden, der nachhaltige Heilbehandlungskosten erforderlich machte.

Unaufklärbar blieb, wie der Versicherte an den Pflegehandschuh gelangt ist, den er sich in den Mund gesteckt hatte.

Entscheidung
Das Landgericht gab der Klage statt.

Das beklagte Heim war nach Auffassung des Landgerichts Bielefeld verpflichtet, darzulegen und zu beweisen, dass es seine Pflichten nicht verletzt hat. Ein solcher Nachweis sei aber nicht gelungen. Der Annahme des Landgerichts lag die Rechtsprechung zu vollbeherrschbaren Gefahrenbereichen zugrunde, nach der eine Beweislastumkehr eingreift, wenn sich der Bewohner des Pflegeheims in einer konkreten Gefahrensituation befindet, die gesteigerte Obhutspflichten auslöst und die Beherrschung einer speziell dafür eingesetzten Pflegekraft anvertraut worden ist.

Vorliegend konnte dem beklagten Heim jedoch nicht der Nachweis gelingen, dass die Pflegekraft, die den Kläger zehn Minuten zuvor versorgt hatte, den Pflegehandschuh nicht vergessen hatte.

Da der Gesundheitszustand und die Neigung, sich Gegenstände in den Mund zu schieben, bekannt waren, musste das beklagte Heim außerdem gesondert dafür Sorge tragen, dass Gegenstände, die grundsätzlich geeignet waren, die Gesundheit des Versicherten zu gefährden seinem Zugriff entzogen werden. Stattdessen waren die Pflegehandschuhe aber so aufbewahrt worden, dass sie für den Geschädigten grundsätzlich zugänglich waren.

Da die Beklagte nach allen denkbaren Sachverhaltsvarianten für den Schaden verantwortlich war, hat sie daher heute für den Schaden einzustehen.

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Zu heißes Badewasser im Pflegeheim – Wer haftet für Verbrühungen?

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 16.10.2013 — Aktenzeichen: 12 U 3/13

Immer wieder erleiden Pflegebedürftige Verletzungen, weil das Badewasser zu heiß ist. Kann dann der Sanitärunternehmer in Anspruch genommen werden? Das OLG Hamm meint nein.

Leitsatz
Bei zu heißem Badewasser handelt es sich um eine vor sich selbst warnende Gefahr. Sinn und Zweck der DIN-EN 806-2, DIN 1988 ist es, so gut wie möglich vor Verbrühungen zu schützen. Bei einer Badewannenarmatur kann dieser Schutz, insbesondere von Personen, die die Gefahr nicht selbst erkennen können, auch durch Absperrhähne außerhalb der Badewanne herbeigeführt werden. Eine Temperaturbegrenzung ist dann nicht zwingend und dessen Fehlen kein Mangel.

Sachverhalt
Eine demente Bewohnerin eines Pflegeheims erlitt schwere Verbrühungen, als eine Pflegekraft zu heißes Badewasser in die Badewanne eines sog. Nostalgiebades einließ und die Bewohnerin sodann in zu heißem Wasser badete. Den Schaden in Form von u.a. Operations-, Behandlungs- und weitere Pflegekosten übernahm der Betriebshaftpflichtversicherer des Pflegeheims. Sodann versuchte der Haftpflichtversicherer bei dem ausführenden Sanitärunternehmen zu regressieren. Er argumentierte damit, das Handwerksunternehmen müsse deshalb haften, weil sie entgegen der geltenden Vorschriften keinen Verbrühschutz eingebaut habe. So sei nach der DIN EN 806-2, Punkt 9.3.2 in Pflegeeinrichtungen die Wasserauslauftemperatur auf max. 45° C zu beschränken.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht gibt dem Werkunternehmer Recht. Das Fehlen eines Verbrühschutzes bzw. Temperaturbegrenzers stelle keine negative Abweichung der Ist- von der vertraglich geschuldeten Sollbeschaffenheit dar, weil die Parteien nicht vereinbart haben, dass in den Nostalgiebädern ein Temperaturbegrenzer eingebaut werden sollte. Die Ausführung widerspricht auch sonst nicht den anerkannten Regeln der Technik. Aus den technischen Normen ergebe sich lediglich, dass das Risiko der Verfrühung zu minimieren sei. Dies sei hier durch weitere Baumaßnahmen erfolgt; denn der Sanitärunternehmer habe durch anderweitige Maßnahmen sichergestellt, dass ein Heimbewohner nicht allein und unbeaufsichtigt das Nostalgiebad habe benutzen können. Ein eigenständiges Bedienen sei verhindert worden. Im Übrigen hätte jedem Nutzer — insbesondere dem Pflegepersonal — erkennbar sein müssen, dass keine automatische Temperaturbegrenzung erfolgt ist. Deshalb hafte der Sanitärunternehmer nicht.

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Gesunder Baum – keine Verkehrssicherungspflicht?

BGH, Urteil vom 6.3.2014 — Aktenzeichen: III ZR 352/13

Sachverhalt
Vor dem Wohnblock des zur Miete wohnenden Klägers befanden sich auf beiden Seiten der Straße öffentliche Parkplätze. An die Parkplätze grenzte ein Grünstreifen der beklagten Stadt auf dem einige Pappeln standen. Der Kläger stellte eines Abends seinen Pkw auf einem der Parkplätze in der Nähe der Pappeln ab. Von einer der Pappeln fiel ein Ast auf das Auto. Der Kläger nahm die Stadt wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.

Entscheidung
Der BGH hat entschieden, dass eine verkehrssicherungspflichtige Gemeinde bei gesunden Straßenbäumen keine besonderen Schutzmaßnahmen gegen herabfallende Äste ergreifen muss, wenn kein erhöhtes Risiko besteht, dass im gesunden Zustand Äste abbrechen und Schäden verursachen können.

Der BGH meint: Die Gemeinde genüge ihrer Verkehrssicherungspflicht, wenn sie außer der stets gebotenen regelmäßigen Beobachtung auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder Frostrisse eine eingehende Untersuchung der Bäume nur dann vornimmt, wenn besondere Umstände wie das Alter des Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein statischer Aufbau oder ähnliches dies angezeigt erscheinen lassen. Im vorliegenden Fall sei die beklagte Gemeinde diesen Pflichten nachgekommen. Die streitgegenständliche Pappel und der den Schaden verursachende Ast seien vor dem Schadensfall gesund gewesen. Allein der Umstand, dass bei manchen Baumarten ein erhöhtes Risiko bestehe, dass auch im gesunden Zustand Äste abbrechen, führe nicht dazu, dass diese Bäume als im Verkehrsinteresse grundsätzlich zu beseitigende Gefahrenquellen eingestuft werden müssten und der Verkehrssicherungspflichtige weitergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen habe. Ein natürlicher Astbruch gehöre zum hinzunehmenden Lebensrisiko. Deshalb bedürfe es auch keiner Absperrung des Luftraums oder der Aufstellung von Warnschildern.

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