Umfassende Neuerungen im GmbH-Recht seit dem 01.11.2008

I.
Beschleunigung der GmbH-Gründung

Die Erleichterung des Gründungsvorgangs war ein maßgebliches Anliegen des Gesetzgebers im Rahmen des MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen). Dieses Gesetz ist seit dem 01.11.2008 in Kraft und hat zu zahlreichen Änderungen im GmbH geführt mit der Folge, dass diesbezüglich teilweise sogar von einer „Jahrhundertreform“ gesprochen wird.

Die Gründungserleichterungen sind auch für bestehende Gesellschaften von Bedeutung, wenn es beispielweise um die Gründung von Tochtergesellschaften oder Schwestergesellschaften geht.

1. Auch nach dem modifizierten GmbH-Recht verbleibt es beim Beurkundungserfordernis, d.h. der Gesellschaftsvertrag bedarf der notariellen Form und ist von allen Gesellschaftern zu unterzeichnen.

Für die normale GmbH verbleibt es auch beim Mindeststammkapital von 25.000 €.

2. Völlig neu ist die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit, unter Verwendung eines sogenannten Musterprotokolls die Gründungskosten zu reduzieren.

Genau genommen handelt es sich um zwei – allerdings inhaltlich praktisch identische – Musterprotokolle, die die unterschiedlichen Gründungssituationen zum einen bei einer Einpersonengesellschaft und zum anderen bei einer Mehrpersonengesellschaft abbilden. Dieses Musterprotokoll faßt den Gesellschaftsvertrag, die Geschäftsführerbestellung und die Gesellschafterliste in eine Urkunde zusammen und soll in einfach gelagerten Fällen eine beschleunigte Gründung ermöglichen. Durch eine zugleich eingeführte Neuregelung in der Kostenordung zur Berechnung der Notargebühren werden die Gründungskosten reduziert. Veränderungen am Musterprotokoll sind nicht zulässig. Die Musterprotokolle gehen bei der Mehrpersonengesellschaft von einem Gesellschafterkreis bis maximal 3 Gesellschaftern aus und nur einem Geschäftsführer, der zudem zwingend von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, wobei der Geschäftsführer nicht Gesellschafter sein muss.

Allerdings ist die Kostenersparnis unter Verwendung der Musterprotokolle bei einer normalen GmbH mit einem Mindeststammkapital von 25.000 € mit einem Kostenvorteil von weniger als 50 € dermaßen gering, dass sich die Verwendung dieser Musterprotokolle faktisch verbietet, zumal dort die generell gebotene individuelle Vertragsgestaltung nicht möglich ist. Zum anerkannten Standard sachgerechter Gestaltungspraxis gehört es beispielsweise, dass der Gesellschaftsvertrag Regelungen über die Veräußerbarkeit von Anteilen, eventuelle Vorkaufsrechte der Mitgesellschafter, Bestimmungen über die Rechtsnachfolge im Todesfall, Einziehungs-, Kündigungs- und Abfindungsregelungen, Festlegungen über Beschlussfähigkeitserfordernisse, Beschlussmehrheiten und Beschlussanfechtungen sowie Bestimmungen über eventuelle Wettbewerbsverbote von Gesellschaftern sowie vieles anders mehr enthält. Bei einer Gesellschaft mit Fremdgeschäftsführern sind andere Regelungen sinnvoll als bei solchen mit Gesellschafter-Geschäftsführern usw.

Bei jeder Mehrpersonengesellschaft ist deshalb von der Verwendung des Musterprotokolls abzuraten, dieses kann allenfalls bei der Gründung einer Einpersonen-Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) sinnvoll sein, bei welcher der Gründer gleichzeitig das Amt des Geschäftsführers übernimmt, allerdings beträgt selbst in diesem Fall die Kostenersparnis für eine solche vereinfachte Gründung gegenüber einer solchen mit individueller Gestaltung auch nicht einmal 200 €.

3. Im Hinblick auf das Eintragungsverfahren im Handelsregister ergeben sich Neuerungen insoweit, als dass die Eintragung einer neuen Gesellschaft, deren durch den Unternehmensgegenstand definierte Tätigkeit der staatlichen Genehmigung im Einzelfall bedarf, nicht mehr vom Vorliegen der staatlichen Genehmigung abhängig gemacht wird. Das Handelsregisterverfahren wird diesbezüglich vom staatlichen Genehmigungsverfahren abgekoppelt und trägt damit dem praktischen Bedürfnis einer Beschleunigung des Gründuichts bei der Kapitalaufbringung eingeschränkt. Nur bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherungen der Geschäftsführer zur Kapitalaufbringung kann das Registergericht insoweit Nachweise verlangen.

Bei Sachgründungen ergibt sich insoweit eine Erleichterung, als das Registergericht nunmehr bei der Werthaltigkeitskontrolle, also der Prüfung, ob der Wert der Sacheinlage mindestens den Wert des Nennbetrages des übernommenen Geschäftsanteils entspricht, auf die Frage beschränkt wird, ob eine nicht unwesentliche Überbewertung vorliegt.

4. Bei der Einpersonengründung kommt es insoweit zu einer Erleichterung, als die bislang in diesen Fällen verlangte Volleinzahlung des Mindeststammkapitals bzw. seine Besicherung künftig nicht mehr erforderlich ist. Auch für die Einpersonengründung gilt wie in allen übrigen Fällen jetzt auch, dass es ausreicht, wenn die Hälfte des Mindeststammkapitals aufgebracht wird, um die Eintragung der Gesellschaft zu ermöglichen.

II.
Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)

Der Gesetzgeber hat mit der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) eine neue „Spielart“ der GmbH geschaffen, die der Sache nach eine GmbH ist, als solche aber nicht bezeichnet werden darf.

1. Die Firmierung bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) ist in der Weise zwingend, dass als Rechtsformzusatz nur „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder aber „UG (haftungsbeschränkt)“ zulässig sind, nicht jedoch die Rechtsformbezeichnung GmbH.

2. Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) kann mit einem Stammkapital gegründet werden (muss es aber nicht), welches den Betrag des Mindeststammkapitals für „normale“ GmbHs von 25.000 € unterschreitet und zwar herab bis zur denkbar minimalen Stammkapitalziffer von 1 €.

Bei einem derartig niedrigen Stammkapital ist allerdings besonderes Augenmerk auf die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers zu richten, da auch bei Ausnutzung aller kostenrechtlichen Privilegierungen die Gründungskosten das Stammkapital einer derartig niedrig kapitalisierten Gesellschaft um ein Vielfaches übersteigen. Zur Vermeidung einer Insolvenzreife schon im Zeitpunkt der Gründung bleibt es den Gesellschaftern indessen unbenommen, der Gesellschaft die für die Gründung erforderlichen Mitteln auf andere Weise zur Verfügung zu stellen, beispielsweise durch ein Gesellschafterdarlehen, Zuzahlung in die freie Kapitalrücklage etc.

3. Die Unternehmergesellschaft darf nur im Wege einer Bargründung erfolgen, eine Sachgründung ist nicht zugelassen.

Ferner muss das gesamte ausgewiesene Stammkapital vor einer Handelsregisteranmeldung vollständig eingezahlt sein.

4. Auch die Unternehmergesellschaft kann – wie jede andere GmbH auch – die Komplementär-Rolle in einer KG übernehmen, dann müsste bei der Firmierung die KG allerdings als „ XY-Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) & Co. KG“ in Erscheinung treten.

5. Zwingend ist bei der Unternehmergesellschaft, dass – zeitlich unbegrenzt – diese jährlich ¼ ihres um einen etwaigen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses in eine gesetzliche Rücklage einzustellen hat. Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass eine mit geringem Stammkapital gegründete Gesellschaft in den ersten Jahren durch Thesaurierung eine höhere Stammkapitalausstattung erreicht. Damit sind den Gesellschaftern indessen erhebliche praktische Gestaltungsspielräume eröffnet. Die Zwangsthesaurierung kann beispielsweise durch entsprechende Gestaltung der Geschäftsführervergütungen faktisch vermieden werden.

Die Verpflichtung zur Rücklagenbildung ist weder höhenmäßig noch zeitlich beschränkt.

Die Rücklage darf nur für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, für den Ausgleich eines Jahresfehlbetrages (soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist) sowie zum Ausgleich eines Verlustvortrages aus der /> Es empfiehlt sich, die Kapitalerhöhung auf das gesetzliche Mindeststammkapital zum frühmöglichsten Zeitpunkt vorzunehmen. Sobald dieses geschehen ist, entfällt der Thesaurierungszwang und die Gesellschaft kann als „GmbH“ firmieren. Diesbezüglich bedarf es indessen einer förmlichen Kapitalerhöhung, wobei ggf. neben der formalen Umwandlung der Rücklagen in Stammkapital auch die Möglichkeit besteht, etwaige Differenzbeträge von außen durch weitere Gesellschaftereinlagen zuzuführen.

Allerdings geschieht eine Umfirmierung von „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ in „GmbH“ nicht automatisch, sondern bedarf als Änderung des Gesellschaftsvertrages eines notariell beurkundeten Gesellschafterbeschlusses und der Anmeldung zum Handelsregister.

6. Eine Unternehmergesellschaft kann nur durch originäre Gründung erzeugt werden, eine „Umwandlung“ einer normalen GmbH oder einer anderen Gesellschaft in eine Unternehmergesellschaft scheidet nach h. M. aus.

7. Da es sich bei der Unternehmergesellschaft um eine völlig neue Variante der GmbH handelt, wird erst die Zeit zeigen, ob und in welchem Umfang die Praxis von dieser gesetzgeberischen Offerte Gebrauch macht, eine Kapitalgesellschaft mit so gut wie keinem Stammkapital zu errichten, wie es um die Überlebensfähigkeit solcher Gesellschaften bestellt ist und wie die Rechtsprechung auf zu erwartende Missbrauchsfälle reagiert.

III.
Kapitalaufbringung, Kapitalerhöhung, Kapitalerhaltung

1. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf das Stammkapital diverse Neuerungen eingeführt. Im bisherigen Recht war lediglich von der auf das Stammkapital zu leistenden Einlage (Stammeinlage) die Rede. Nunmehr differenziert der Gesetzgeber zwischen der Zahl und den Nennbeträgen der Geschäftsanteile, die jeder Gesellschafter übernimmt, sowie der darauf zu leistenden „Einlage auf das Stammkapital (Stammeinlage)“, zu welcher letzterer durch die Übernahme verpflichtet wird.

Die Gesellschafter können jetzt frei über die Höhe ihrer Stammeinlagen bestimmen. Die bisherige Beschränkung, wonach die Stammeinlage mindestens 100 € betragen musste und nur in Einheiten aufgeteilt werden durfte, welche durch 50 glatt teilbar sind, ist weggefallen. Allerdings muss der Nennbetrag des Geschäftsanteils auf volle Euro lauten.

Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt in der Gesellschafterversammlung eine Stimme.

Der Nennbetrag kann für die einzelnen Anteile unterschiedlich bestimmt werden. Gleichzeitig mit dem Absenken der Höhe des Mindestnennbetrages für Geschäftsanteile hat der Gesetzgeber nunmehr erlaubt, dass ein Gesellschafter bei der Gründung oder bei einer Kapitalerhöhung mehrere Geschäftsanteile übernimmt, was bisher ausgeschlossen war. Damit besteht größtmögliche Gestaltungsfreiheit für die Aufteilung des Stammkapitals in Geschäftsanteile für einzelne Gesellschafter. Selbst kleinste Beteiligungen lassen sich damit künftig darstellen.

Um die einzelnen Geschäftsanteile besser identifizierbar zu machen, verlangt das Gesetz jetzt ausdrücklich, dass die Geschäftsanteile bei der Gründung in der Gesellschafterliste nummeriert werden. Gleiches gilt für spätere Gesellschafterlisten bei jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder im Umfang ihrer Beteiligungen. Sinnvoll dürfte es deshalb sein, die Nummerierung bereits im Gesellschaftsvertrag vorzunehmen, auch wenn dies gesetzlich nicht vorgeschrieben ist.

Hinsichtlich der praktischen Handhabung dieser neuen Gestaltungsfreiheit wird man sich in den meisten Fällen einer der beiden Extrempositionen zuwenden. Entweder man bleibt dabei, dass jeder Gesellschafter nur einen einzigen Geschäftsanteil bei der Gründung übernimmt, oder man wählt die größtmögliche Zahl an Geschäftsanteilen und gibt für jeden Euro des Stammkapitals einen Geschäftsanteil in Höhe von 1 € aus. Bei der ersten Lösung besteht der Vorteil in einer deutlich größeren Übersichtlichkeit. Bei der zweiten Lösung liegt der Vorteil darinnteilen sowie die Frage nach der Möglichkeit einer „gespaltenen“ Stimmabgabe aus der Beteiligung eines einzelnen Gesellschafters nicht mehr stellt, für letztere kann beispielsweise in Treuhandfällen ein Bedürfnis bestehen.

2. Die bisherigen Teilungsbeschränkungen für Geschäftsanteile sind entfallen, insbesondere ist die bislang unzulässige Vorratsteilung künftig prinzipiell zulässig. Diesbezüglich gilt allerdings das Zustimmungsbedürfnis des § 46 Nr. 4 GmbH-Gesetz. Dabei ist streitig, ob der eigentliche Akt der Teilung des Anteils durch Erklärung des betroffenen Gesellschafters unter späterer Zustimmung der Gesellschafterversammlung erfolgt oder ob die Gesellschafterversammlung selbst Kraft Beschlusses die Teilung vollzieht und dazu ggf. die Zustimmung des Gesellschafters benötigt. Die gleiche Problematik ergibt sich im Übrigen auch bei der Zusammenlegung mehrerer Geschäftsanteile eines Gesellschafters. Da es sich bei dem Zustimmungserfordernis um dispositives Recht handelt, empfiehlt es sich, etwaige Kontroversen entweder durch Stückelung in 1 Euro-Anteile oder aber durch eine teilungsfreundliche Vertragsgestaltung zu vermeiden.

Den Gefahren einer Überfremdung der Gesellschaft ist durch geeignete Verfügungsbeschränkungen in der Satzung zu begegnen, wobei solche Regelungen ohnehin in jeden Gesellschaftsvertrag gehören, jedenfalls dann, wenn es mehrere Gesellschafter gibt.

3. Eine Neuerung im GmbH-Recht ist, dass künftig sowohl bei der Gründung als auch nachträglich durch Satzungsänderung ein genehmigtes Kapital geschaffen werden kann. Die Ermächtigung ist auf fünf Jahre und maximal die Hälfte des zur Zeit ihrer Eintragung vorhandenen Stammkapitals beschränkt. Die Erhöhung gegen Sacheinlagen ist nur statthaft, wenn die Ermächtigung dies ausdrücklich vorsieht. Mit dieser Neuregelung will der Gesetzgeber der Geschäftsführung ermöglichen, „für den Erwerb von Beteiligungen, Unternehmen oder zur Realisierung von Kapitalerhöhungen kurzfristig neue Anteile“ zu schaffen. Der neugeschaffene § 55 a GmbH-Gesetz ist aktienrechtlichen Regelungen nachempfunden worden. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Geschäftsführung im Zusammenhang mit der Ausnutzung des genehmigten Kapitals ermächtigt wird, die Stammkapitalziffer im Gesellschaftsvertrag anzupassen.

4. Da nach der jetzigen Rechtslage erforderlich ist, dass die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile stets dem Stammkapital entspricht, müssen sogenannte Einziehungsklauseln über die Einziehbarkeit von Anteilen entsprechend formuliert werden. Nach bisherigem Recht konnte die Einziehung eines Geschäftsanteils zu einer Divergenz der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile und der Stammkapitalziffer führen, was jetzt nicht mehr zulässig ist. Ein Auseinanderfallen muss deshalb durch geeignete Maßnahmen verhindert werden. Auch hier besteht deshalb Überprüfungsbedarf bei bestehenden Gesellschaftsverträgen.

5. Bedeutsame Neuerungen gibt es bei der sogenannten verdeckten Sacheinlage. Damit werden die Fälle erfasst, in denen zwar formal eine Bareinlage vereinbart wird, deren Betrag der Sache nach aber als Vergütung für eine Sachleistung zurückfließt. Klassischer Fall ist die Verwendung der erbrachten Bareinlage zum Erwerb von
Vermögensgegenständen des Gesellschafters oder ihm nahestehender Dritter. Nach der bisherigen Rechtsprechung hat der Gesellschafter in solchen Fällen de facto nicht die deklarierte Bareinlage, sondern den veräußerten Gegenstand eingebracht.

Eine weitere, vorwiegend bei einer Kapitalerhöhung auftretende Fallgruppe ist die Verrechnung der Einlageschuld mit Forderungen des Gesellschafters. Wird hier eine Bareinlage vereinbart, kann die Gesellschaft mit ihrer Forderung gegen den Anspruch des Gesellschafters aufrechnen. Im praktischen Ergebnis wird in diesem Fall nicht Geld, sondern eine Forderung eingebracht. Die auf eine verdeckte Sacheinlage abzielende Abrede zwischen Gesellschafter und Gesellschaft wird nach der einschlägigen höchstrichterlichenusammenhang zwischen der Begründung oder der Erfüllung der Bareinlagepflicht und dem verdeckten Verkehrsgeschäft besteht. Der zeitliche Zusammenhang ist sogar bei einem Abstand von einem halben Jahr noch gegeben.

Nach dem bisher geltenden Recht wurde bei Annahme einer verdeckten Sacheinlage die Erfüllungswirkung der geleisteten Bareinlage verneint, der Gesellschafter musste die geschuldete Bareinlage also noch einmal an die Gesellschaft bezahlen. Zwar hatte er einen Bereicherungsanspruch gegenüber der Gesellschaft auf Rückzahlung des zur vermeintlichen Erfüllung der Einlagepflicht Geleisteten. Mit diesem Anspruch konnte er allerdings nicht gegenüber der Gesellschaft aufrechnen. Zudem war dieser Gegenanspruch faktisch regelmäßig wertlos, da verdeckte Sacheinlagen meistens erst in der Insolvenz der Gesellschaft entdeckt werden, wenn der Insolvenzverwalter den Gesellschafter zur Einlageleistung auffordert. Die sich daraus ergebende Konsequenz der Pflicht zur doppelten Einlageleistung durch den Gesellschafter wurde vom Gesetzgeber als zu hart empfunden. Mit den neuen gesetzlichen Regeln sollen die harten Konsequenzen einer verdeckten Sacheinlage gemildert, die Unterscheidung zwischen Bar- und Sacheinlage aber nicht aufgegeben werden.

Zunächst wird jetzt im Gesetz klargestellt, dass ein Gesellschafter bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage grundsätzlich nicht von seiner Einlagepflicht befreit wird. Vorsätzliche verdeckte Sacheinlagen sind unzulässig. Der Geschäftsführer darf in der Handelsregisteranmeldung nicht versichern, dass ihm die erbrachte Bareinlage zur freien Verfügung steht, wenn die Absprache zu einer verdeckten Sacheinlage getroffen wurde. Wird dem Registergericht die verdeckte Sacheinlage bekannt, darf die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister nicht erfolgen.

Obwohl die verdeckte Sacheinlage den Gesellschafter nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen nicht von seiner Einlagepflicht befreit, wird im Ergebnis die Verpflichtung zur doppelten Leistung gleichwohl beseitigt, weil nach den jetzt geltenden gesetzlichen Vorschriften der Wert des verdeckt eingebrachten Gegenstandes auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Gesellschafters angerechnet wird (sogenannte Anrechnungslösung). Dabei erfolgt die Anrechnung automatisch.

Für die Bestimmung des Wertes des verdeckt eingebrachten Gegenstandes ist der Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung im Handelsregister oder der Zeitpunkt der Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt, maßgeblich. Die Anrechnung kann aber nicht vor der Eintragung im Register erfolgen. Mit der Anrechnung erlischt der Einlageanspruch im Wert des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstandes.

Ganz besonders wichtig ist, dass der Gesellschafter die Beweislast für die Werthaltigkeit des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstandes hat. Die damit verbundenen Beweisprobleme sind evident.

Der Anspruch auf vollständige Erfüllung der Einlageleistung verjährt nach zehn Jahren, bei Insolvenz tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ein.

Die übrigen Gesellschafter haften weiterhin nach § 24 GmbH-Gesetz im Wege der Ausfallhaftung für offen gebliebene Bareinlageverpflichtungen eines Mitgesellschafters.

Die neuen Bestimmungen beim Institut der verdeckten Sacheinlage gelten rückwirkend auch für solche verdeckt vorgenommenen Rechtsgeschäfte, die sich vor dem 01.11.2008 ereignet haben.

6. Die zweite wesentliche Änderung im Bereich der Vorschrift über die Kapitalaufbringung bezieht sich auf das sogenannte „Hin- und Herzahlen“. Dabei geht es um Konstellationen, in denen eine geleistete Bareinlage auf Grund einer vorherigen Absprache wieder an den Gesellschafter zurückfließt.

In diesen Fällen ist nicht zugleich stets die Voraussetzung einer verdeckten Sacheinlage gegeben, beispielsweise, wenn die Gesellschaft die als Einlage erhaltenen Beträge dem Gesellschafter auf Grund einer vortellt. Umgekehrt muss eine verdeckte Sacheinlage nicht
mit einem „Hin- und Herzahlen“ verbunden sein, beispielsweise wenn die Gesellschaft auf der Basis einer Absprache im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung vom Gesellschafter einen Gegenstand erwirbt und der Gesellschafter dann mit der erhaltenden Vergütung seine Einlageschuld bezahlt.

Nach bisherigem Recht war das „Hin- und Herzahlen“ kapitalaufbringungsrechtlich irrelevant und wurde so behandelt, als habe der Gesellschafter das Geld für sich behalten, die Einlageschuld war noch komplett offen.

Nach der Neuregelung in § 19 Abs. 5 GmbH-Gesetz wird der Gesellschafter von seiner Einlageverpflichtung in diesen Fällen jetzt doch befreit, allerdings nur dann, wenn die Leistung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig gestellt werden kann. Auch diese Neuregelung gilt rückwirkend für Fälle vor dem 01.11.2008, es sei denn, am 01.11.2008 lag schon ein rechtskräftiges Urteil oder eine wirksame Vereinbarung zwischen den Beteiligten vor.

Die Neuregelung ist nicht zuletzt auf die sogenannte Cash-Pool-Gestaltung zugeschnitten, also auf „Konzernverhältnisse“.

Nach der neuen Rechtslage ist also bei Vollwertigkeit und jederzeitiger Fälligkeit des Rückgewähranspruchs eine Leistung zur freien Verfügung der Geschäftsführer und damit eine Erfüllung der Einlageschuld gegeben, was zur Konsequenz hat, dass die Mitgesellschafter, Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger des betroffenen Gesellschafters nicht mehr insoweit in Anspruch genommen werden können.

Beim „Hin- und Herzahlen“ liegt indessen nur bei 100%iger Vollwertigkeit des Gegenleistungsanspruches eine wirksame Einlageerbringung vor. Das unterscheidet diese Konstellationen von der verdeckten Sacheinlage, bei der die Einlageschuld auch teilweise erfüllt sein kann, nämlich soweit die verdeckt eingebrachten Gegenstände werthaltig sind. Diese unterschiedliche Behandlung hat der Gesetzgeber augenscheinlich so gewollt. Die weitere Rechtsentwicklung
durch die künftige Rechtsprechung bleibt abzuwarten.

7. Eine der wichtigsten Änderungen durch das MoMiG betrifft die Neufassung von
§ 30 Abs. 1 GmbH-Gesetz. Die dortigen Sätze 1 und 2 lauten nun:

„Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden.
Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen, oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen Gesellschafter gedeckt sind.“

Hierdurch ist klargestellt, dass ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsgrundsätze ausscheidet, sofern eine Leistung (der GmbH) durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt ist. Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Vollwertigkeit der der Auszahlung. Spätere, nicht vorhersehbare Entwicklungen führen nicht zu einer verbotenen Auszahlung. Allerdings kann eine Auszahlung auch in der Verlängerung von Darlehen am Ende der Laufzeit und in der Nichtausübung von Kündigungsmöglichkeiten im Krisenfall gesehen werden. Es empfiehlt sich deshalb, von vertraglichen und gesetzlichen Kündigungsrechten Gebrauch zu machen, wenn die Vollwertigkeit des Rückforderungsanspruches beeinträchtigt ist.

IV.
Neukonzeption des Eigenkapitalersatzrechts

1. Nach dem bisherigen Recht wurden Darlehen des Gesellschafters an die GmbH und einer Darlehensgewährung für vergleichbar erachtete Unterstützungen, die in einer Unternehmenskrise erfolgten oder in dieser der Gesellschaft belassen wurden, als sogenanntes Ersatzkapital besonderen Beschränkungen unterworfen. Die Rechtsprechung hat diese Fälle durch analoge Anwendung der Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 30, 31 GmbHG) behandelt. Der Gesetzgeber hat 198weiter geltenden Rechtsprechungsregeln Anwendung gefunden haben. Die Funktion des Eigenkapitalersatzrechtes lag im Schutz der Gläubiger, die davor bewahrt werden sollten, dass Gesellschafter insbesondere durch die Gewährung von Darlehen eine Gesellschaft künstlich am Leben erhielten und sich dadurch die Haftungsmasse in der späteren Insolvenz zu Lasten der übrigen Gläubiger verringerte. Das Kapitalersatzrecht verlangte von den Gesellschaftern, dass sie im Fall einer Krise die Gesellschaft entweder liquidieren oder aber Eigenkapital nachschossen. Gewährten sie stattdessen (formales) Fremdkapital, so sollte dieses letztlich wie Eigenkapital behandelt werden. Das hatte zur Folge, dass der Gesellschafter derartige kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen in der Unternehmenskrise nicht zurückverlangen durfte, tat er es doch, war er einem Rückzahlungsanspruch an die Gesellschaft ausgesetzt. Diesen Anspruch verwirklichte dann in der Praxis regelmäßig der Insolvenzverwalter bzw. außerhalb eines förmlichen Insolvenzverfahrens der GmbH-Gläubiger.

Das alte, sehr komplizierte Ersatzkapitalrecht gilt allerdings weiter für solche Insolvenzverfahren, die vor dem 01.11.2008 eröffnet worden sind.

2. Für die ab dem 01.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren gilt nun das neue Recht.

Dieses hat in § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG ausdrücklich die Anwendbarkeit der alten Rechtsprechungsregeln zu kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen abgeschafft und die gesamten einschlägigen rechtlichen Bestimmungen nun rechtsformübergreifend allein in der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz geregelt, so dass sich im GmbH-Gesetz diesbezüglich nunmehr keine Vorschriften finden.

Das hat zur Konsequenz, dass künftige Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen vor der Insolvenz auch bei Vorliegen einer Unterbilanz, d.h. wenn das Gesellschaftsreinvermögen hinter der Stammkapitalziffer zurückbleibt, zulässig sind. Allerdings ist nun in der Insolvenzordnung geregelt, dass der Gesellschafter das zurückerhaltene Darlehen dann doch wieder (an den Insolvenzverwalter) zurückzahlen muss, wenn innerhalb eines Jahres nach der an den Gesellschafter erfolgten Darlehensrückzahlung Insolvenzantrag bezüglich der GmbH gestellt wird.

Dabei ist von ganz besonderer Bedeutung, dass es nun nach dem neuen Recht nicht mehr auf die Existenz einer Krise der GmbH ankommt. Auch wenn die Gesellschaft sich im Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung an den Gesellschafter bester wirtschaftlicher Verfassung erfreut hat und dieses auch noch diverse Monate so geblieben ist und dann erst urplötzlich auf Grund nicht absehbarer Faktoren eine Situation eintritt, die letztlich zur Insolvenzantragstellung zwingt, führt dieses dann, wenn zwischen Darlehensrückzahlung an den Gesellschafter und Insolvenzantragstellung nicht mehr als ein Jahr liegt, zur Verpflichtung des Gesellschafters, das erhaltene Darlehen an den Insolvenzverwalter auszukehren.

Hat der Gesellschafter seinen Darlehensrückzahlungsanspruch vor Insolvenz-
verfahrenseröffnung noch nicht verwirklicht, so kann er seinen Rückzahlungsanspruch zwar zur Tabelle anmelden, der Rückzahlungsanspruch ist jedoch nachrangig und kann erst dann befriedigt werden, wenn alle übrigen Gläubiger zuvor komplett befriedigt sind. Das führt im Insolvenzfall regelmäßig zum Komplettausfall des Gesellschafter mit seinem Rückzahlungsanspruch.

Da es nun für die Anwendung des im Insolvenzrecht verorteten Ersatzkapitalrechts nicht mehr darauf ankommt, ob bei der Darlehensgewährung eine Unternehmenskrise vorlag, ist insbesondere für solche Gesellschafter besondere Aufmerksamkeit geboten, welche sich ihr Gesellschafterdarlehen zu einem Zeitpunkt zurückzahlen lassen, zu dem die Gesellschaft wirtschaftlich gesund ist, und die sodann das Unternehmen verkaufen und damit den Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verlieren. Führt nämlich der Erwerber die GmbH innerhalb der Jahresfrist in die Insolvenz, so läuft der Altgesellschafter Gefahr, dem Insolvenzverwalter die zurückerhaten zu müssen. Um diese Risiken zu bekämpfen, müssen mithin künftig veräußerungswillige Gesellschafter sich rechtzeitig Gedanken um Handlungsalternativen machen, die solche Risiken vermeiden, zumindest jedoch minimieren, was entsprechende Vertragsgestaltungen erfordert.

3. Wie nach dem bisherigen Recht auch schon ist nicht jeder GmbH-Gesellschafter Adressat des Rechts der Gesellschafterdarlehen. Es bleibt auch nach dem neuen Recht dabei, dass auf Grund einer wertenden Betrachtung sich das Recht der Gesellschafterdarlehen auch auf solche Gläubiger erstreckt, die formell keine Gesellschafterstellung besitzen, was z. B. bei Treuhandverhältnissen, Nießbrauch, verbundenen Unternehmen oder Angehörigen der Fall sein kann.

3.1 Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen findet keine Anwendung auf sogenannte Kleinbeteiligte. Das sind Gesellschafter mit einer Beteiligungshöhe von nicht mehr als 10 %, die zudem nicht Geschäftsführer sind. Für die Beteiligungshöhe kommt es allein auf die Kapitalbeteiligung an, nicht auf die Stimmkraft oder die Gewinnbeteiligung. Die Rechtsprechung wird noch näher zu klären haben, ob das Kleinbeteiligtenprivileg für alle Gesellschafter gilt, die im Zeitpunkt der Darlehensgewährung die Voraussetzungen für die Privilegierung erfüllten, oder ob es schädlich ist, wenn der Gesellschafter seine Beteiligung danach dann aufstockt oder ob umgekehrt ein bei Darlehensgewährung nicht privilegierter Gesellschafter zum Privilegierten dadurch wird, dass sich nach der Darlehensgewährung Veränderungen ergeben, die ihn in den Kreis der Privilegierten führen könnten. Es dürfte manches dafür sprechen, dass die Rechtsprechung letztlich all denjenigen das Kleinbeteiligtenprivileg versagt, die irgendwann einmal zwischen Darlehensgewährung und Insolvenz nicht zum Kreis der Kleinbeteiligten zählten.

3.2 Privilegiert sind weiter diejenigen Gläubiger, die bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung der Gesellschaft Anteile zum Zweck der Sanierung der GmbH erwerben. Bis zur nachhaltigen Sanierung findet das Recht der Gesellschafterdarlehen keine Anwendung. Anders als nach dem alten Recht knüpft das Sanierungsprivileg nun nicht mehr an eine Unternehmenskrise sondern an die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung an. Das Sanierungsprivileg gilt jetzt ausdrücklich nur bis zur nachhaltigen Sanierung. Kann diese mithin erreicht werden und tritt später dann eine neue Krise ein und muss deshalb innerhalb eines Jahres Insolvenzantrag gestellt werden, so sind eventuelle Rückzahlungen während dieses Jahreszeitraums demnach nicht geschützt sondern anfechtbar mit der Konsequenz, dass der Gesellschafter den zurückerhaltenen (ursprünglichen) Sanierungskredit an den Insolvenzverwalter rückerstatten muss.

Es wird der Klärung durch die Rechtsprechung überlassen bleiben, ob das Sanierungsprivileg sich nur an solche Gläubiger richtet, die erstmals in den Anwendungsbereich des Rechts der Gesellschafterdarlehen fallen oder ob auch Altgesellschafter, die bereits Adressat des Rechts der Gesellschaftsdarlehen sind, privilegierungsfähig sind.

3.3 Letztlich wird verbindlich durch die Rechtsprechung zu klären sein, welchen Einfluss auf die Durchsetzbarkeit bzw. die Gefahr der Erstattungspflicht zuvor zurückerhaltener Darlehen es hat, wenn die Darlehensforderung eines Gesellschafters an einen Nicht-Gesellschafter abgetreten wird oder wenn ein Gesellschafter nachträglich seine Gesellschafterstellung verliert. Nach dem bisherigen Recht behielt die Forderung ihren kapitalersetzenden Charakter mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen bei, auch wenn die Forderung später abgetreten wurde oder der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung verlor. Wahrscheinlich dürfte die Tendenz der höchstrichterlichen Rechtsprechung dahin gehen, auch im Rahmen des neuen Rechtes in größtmöglichem Umfang an diesen alten Grundsätzen festzuhalten.

4. Wie nach dem bisherigen Recht auch werden solche Gesellscharlehensgewährung wirtschaftlich entsprechen, beispielsweise stehen gelassene Geschäftsführervergütungen, nicht sogleich eingeforderte Gegenleistungen aus Austauschgeschäften wie beispielsweise einem Kauf etc.

5. Eine wichtige Neuregelung ergibt sich bezüglich der sogenannten Nutzungsüberlassung.

5.1 Nach altem Recht wurde die Überlassung eines Gegenstandes (Grundstück, Maschinen etc.) zur Nutzung an eine Gesellschaft in der Krise wie eine Darlehensgewährung angesehen, was dazu führte, dass der Gesellschafter verpflichtet war, dem Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung die Nutzung der Sache bis zum Ende der vertraglichen Laufzeit bzw. bei einer unüblich kurzen Laufzeit während eines angemessenen weiteren Zeitraums unentgeltlich zu ermöglichen. Mietzinsansprüche konnte der Gesellschafter in der Insolvenz nicht durchsetzen. Zuvor von der Gesellschaft erhaltene Mieten waren anfechtbar bzw. zurückzuerstatten.

5.2 Nach dem nun geltenden Recht ist der Gesellschafter lediglich verpflichtet, während des eröffneten Insolvenzverfahrens, höchstens aber für einen Zeitraum von einem Jahr, seinen Herausgabeanspruch bezüglich des genutzten Gegenstandes nicht geltend zu machen, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist. Mit dieser Neuregelung soll dem Insolvenzverwalter eine eventuelle Sanierung erleichtert werden. Für den Gebrauch des Gegenstandes durch den Insolenzverwalter gebührt dem Gesellschafter indessen ein Ausgleich, der als Masseverbindlichkeit und damit nicht nachrangig zu begleichen ist. Der Ausgleich berechnet sich nach der im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung geleisteten Vergütung, bei kürzerer Dauer der Überlassung ist der Durchschnitt während dieses Zeitraums maßgebend. Dabei kommt es nur auf die tatsächlich geleisteten Zahlungen an. Wurde Nutzungsentgelt geschuldet aber nicht bezahlt, kann der Gesellschafter während des Insolvenzverfahrens keinen Zahlungsanspruch als Masseforderung geltend machen.

Allerdings dürfte es so sein, dass der Insolvenzverwalter weiterhin das Wahlrecht bei beweglichen Sachen und Rechten hat, ob er derartige Überlassungsverträge weiterhin erfüllt sehen will. Möchte er dieses nicht, den Gegenstand aber gleichwohl nutzen, muss der Gesellschafter dieses nach der Neuregelung in § 135 Abs. 3 der Insolvenzordnung für einen Zeitraum von einem Jahr hinnehmen. Vergleichbares gilt bei Immobilien, wenn der Insolvenzverwalter den zu Grunde liegenden Mietvertrag gekündigt hat, nach Ablauf der Kündigungsfrist die Immobilie aber weiter nutzen will. Bis zum Ablauf von höchstens einem Jahr kann der Gesellschafter dann seinen Aussonderungsanspruch trotz des beendeten Vertragsverhältnisses unter Umständen nicht geltend machen, wenn die Nutzung der Immobilie für die Unternehmensfortführung von erheblicher Bedeutung ist. Der Gesellschafter hat aber dann den oben beschriebenen Vergütungsanspruch.

Für Nutzungsentgeltansprüche des Gesellschafters aus dem Zeitraum vor Insolvenzeröffnung fehlen ausdrückliche Regelungen im neuen Recht. Teilweise wird vertreten, alle offenen Forderungen des Gesellschafters aus der Nutzungsüberlassung seien nachrangig, gezahlte Nutzungsentgelte seien anfechtbar. Nach anderer Auffassung ist eine Anfechtbarkeit bzw. Nachrangigkeit nur dann gegeben, wenn der Gläubiger die Nutzungsentgeltansprüche gestundet oder stehen gelassen hat. Auch hier wird letztlich erst die Rechtsprechung Klarheit bringen.

6. Hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Sicherheiten, welche die GmbH für Gesellschafterdarlehen gibt, ergeben sich im Vergleich zum bisherigen Recht keine wesentlichen Änderungen. Die Sicherheitengestellung bleibt für einen Zeitraum von zehn Jahren vor Insolvenzantragstellung anfechtbar (§ 135 Nr. 1 InsO). Auch hier ist nach dem neuen Recht – anders als früher – völlig unerheblich, ob eine Krise der Gesellschaft vorlag.

7. Im Hinblick auf die Regelungen zu sogenannten gesellschafterbesicherten Drittdarlehen verbleibt es bei Gesellschafter sich für das Darlehen eines Dritten – typischerweise einer Bank – verbürgt oder dingliche Sicherheiten wie eine Grundschuld aus seinem Privatgrundstück gibt oder sein privates Wertpapierdepots verpfändet. In diesen Fällen bleibt es dabei, dass der Kreditgeber bei Insolvenz der Gesellschaft zuerst Befriedigung aus der Sicherheit suchen muss.

Hat die Gesellschaft an die Bank geleistet und ist der Gesellschafter damit insoweit frei geworden, läuft der Gesellschafter auch nach dem neuen Recht Gefahr, dass er Adressat eines Anfechtungsanspruches wird und dem Insolvenzverwalter bzw. außerhalb eines Insolvenzverfahrens dem Anfechtungsgläubiger den Betrag zu leisten hat, der dem Wert der Sicherheit entspricht, von der er frei geworden ist. Das kommt nun in § 143 Abs. 3 InsO zum Ausdruck.

Auch dieses gilt nur für Befriedigungshandlungen, die im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag oder aber danach vorgenommen worden sind.

8. Nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen sind bei der Überschuldungsprüfung Gesellschafterdarlehen bzw. Verbindlichkeiten, die solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, grundsätzlich zu passivieren. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn diesbezüglich ausdrücklich ein Rangrücktritt vereinbart wurde. Es empfiehlt sich, eine Rangrücktrittsvereinbarung so zu formulieren, dass der Gesellschafter damit in den Rang des § 39 Abs. 2 der InsO zurücktritt. Auch bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit dürfte viel dafür sprechen, dass diesbezüglich nur solche Gesellschafterforderungen nicht anzusetzen sind, die einem Rangrücktritt unterliegen, welcher auch die Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit betrifft. Es dürfte sich empfehlen, die fehlende Einforderung im Rangrücktritt ausdrücklich klarzustellen.

V.
Verbesserung der Mobilität und Flexibilität

1. Nach dem neugefassten § 4 a GmbHG soll es Gesellschaften künftig nach der Intention des Gesetzgebers möglich sein, ihren Verwaltungssitz an einen anderen Ort als ihren Satzungssitz zu verlegen, und zwar auch ins Ausland. Grund für diese Entscheidung des Gesetzgebers war der Wunsch, deutschen Gesellschaften erhöhte Mobilität zu verschaffen, insbesondere sollen deutsche Konzernobergesellschaften ihre Auslandstöchter als Kapitalgesellschaft deutschen Rechts führen können.

Ob allerdings nunmehr ohne Weiteres die Zulässigkeit eines ausländischen Verwaltungssitzes gegeben ist, bleibt vorerst angesichts gewichtiger Stimmen in der Literatur, die daran zweifeln, offen.

Da die Sitzverlegung schwerlich von der Geschäftsführungskompetenz der Unternehmensleiter gedeckt sein wird, dürfte es diesbezüglich einer Legitimation durch Gesellschafterbeschluss bedürfen. Zur Vermeidung aller Unsicherheiten empfiehlt es sich, in den GmbH-Verträgen Regelungen über den Rechtssitz um eine Aussage über den Verwaltungssitz zu ergänzen. Dabei sind je nach Interessenlage völlig unterschiedliche Regelungen denkbar.

Zum Handelsregister muss eine Änderung des Verwaltungssitzes lediglich dann angemeldet werden, wenn damit eine Veränderung der inländischen Geschäftsanschrift der Gesellschaft verbunden ist.

2. Wie oben bereits dargelegt unter Ziffer III Rdz. 2 hat das MoMiG sowohl die Teilbarkeit bestehender Anteile erheblich vereinfacht als auch die Möglichkeit zum originären Erwerb von Kleingeschäftsanteilen geschaffen, wodurch die Übertragbarkeit der Beteiligung erheblich erleichtert worden ist.

2.1 Nach dem alten Recht war es im Fall der Veräußerung eines Geschäftsanteils so, dass nur derjenige, dessen Erwerb der Gesellschaft unter Nachweis des Übergangs angezeigt wurde, als Gesellschafter galt. Ohne Anmeldung des neuen Gesellschafters konnte und durfte die GmbH nur den zuletzt angemeldeten als Gesellschafter behandeln.

2.2 Das ist jetzt anders geworden. Nach dem neuen § 16 Abs. 1 GmbHG gilt jetzt im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen dInhaber eines Geschäftsanteils, der als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 1 GmbHG eingetragen ist. Das führt zu einer massiven Aufwertung der Funktion der Gesellschafterliste, da die an die Aufnahme in die Gesellschafterliste geknüpfte Legitimationsfunktion wesentlich zur Richtigkeit der eingereichten Liste beitragen wird. Es liegt jetzt im ureigensten Interesse eines jeden Gesellschafters, penibel darauf zu achten, dass seine Gesellschafterstellung in der Gesellschafterliste korrekt wiedergegeben wird. Andernfalls gilt er entweder gar nicht oder jedenfalls nicht mit allen Geschäftsanteilen als Gesellschafter.

Bislang wurde die Gesellschafterliste in der Praxis sehr häufig stiefmütterlich behandelt und nicht aktualisiert. In der Vergangenheit sind insbesondere die Stückelungen der Anteile in den eingereichten Listen nicht immer zutreffend gewesen. Häufig wurde vergessen, nach einer Veränderung, die ohne Mitwirkung eines Notars erfolgte, eine aktuelle Liste einzureichen.

2.3 Solche Nachlässigkeiten sind nunmehr wegen der gravierenden Folgen, die sich aus unrichtigen Gesellschafterlisten ergeben können, nicht mehr tragbar.

So droht beispielsweise die Unwirksamkeit aller Gesellschafterbeschlüsse, die unter Mitwirkung eines Gesellschafters gefasst werden, der nicht in der Liste steht.

Ein Geschäftsanteil, der in der Liste nicht einem bestimmten Gesellschafter zugeordnet wird, kann von einem Dritten von diesem nicht gutgläubig erworben werden. Weist dagegen die Gesellschafterliste einen Geschäftsanteil einem (vermeintlichen) Gesellschafter zu, so kann ein Dritter diesen Anteil von ihm unter bestimmten Voraussetzungen gutgläubig erwerben mit der Konsequenz, dass der wahre Gesellschafter seinen Anteil verliert.

2.4 Angesichts solcher Gefahren besteht ein erhebliches Haftungspotenzial sowohl für die die Antragsübertragung beurkundenden Notare als auch für die Geschäftsführer der GmbH. Diese Risiken sollten in jedem Fall durch eine entsprechende Haftpflichtversicherung abgedeckt sein.

Nach § 40 Abs. 2 GmbHG hat vorrangig ein Notar, der an der Veränderung der Beteiligung mitgewirkt hat, die Gesellschafterliste zu erstellen, die Wirksamkeit zur Veränderung zu prüfen und nach Feststellung der Wirksamkeit beim Handelsregister einzureichen und der Gesellschaft eine Abschrift von der eingereichten Liste zu übermitteln. Die Mitwirkung eines Notars an einer solchen Anteilsveränderung ist jedenfalls gegeben, wenn er diesen Vertrag beurkundet. Dagegen genügt eine Beglaubigung von Unterschriften unter einem Fremdentwurf nicht, so dass in diesen Fällen primär der Geschäftsführer für die Richtigkeit der Liste verantwortlich ist.

Gleiches gilt beispielsweise für den Fall, dass eine Rechtsnachfolge von Todes wegen eintritt. Selbst wenn ein Notar zuvor ein notarielles Testament beurkundet hatte, begründet dieses keine Mitwirkung des Notars an der Rechtsänderung und damit auch keine Verpflichtung zur Einreichung einer neuen Gesellschafterliste durch ihn.

Der Notar hat keine Verpflichtung, den Gesellschafterbestand später zu beobachten, beispielsweise darauf, ob eine auflösende Bedingung eingetreten ist oder der von ihm zuvor beurkundete Vertrag rückgängig gemacht wird. Die sich daraus für den Gesellschafterbestand ergebenden Konsequenzen hat der Geschäftsführer zu beachten und seinerseits eine aktualisierte Liste einzureichen.

Der Notar hat die Gesellschafterliste auch an den Geschäftsführer zu übermitteln, um diesem Kenntnis von der durch den Notar eingereichten Liste zu verschaffen. Gleichzeitig wird dadurch die Kenntnis des Geschäftsführers von der Berechtigung des (neu) eingetragenen Gesellschafters sichergestellt.

Eine originäre Pflicht des Geschäftsführers zur Einreichung der Gesellschafterliste besteht zudem immer dann, wenn an der Veränderung kein (inländischer) Notar mitgewirkt hat. Hauptanwendungsfälle sind die Gesamtsrechtsnachfolge von Todes wegtsanteilen.

Die Verpflichtung zur Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste setzt Kenntnis des Geschäftsführers von den Veränderungen voraus. Diese müssen ihm mithin mitgeteilt und nachgewiesen werden. Ggf. muss der Geschäftsführer Nachforschungen anstellen. Will er Haftungsrisiken weitestgehend ausschließen oder bestehen Zweifel an der Echtheit von Dokumenten, hat er sich die Originale bzw. beglaubigte Kopien vorlegen zu lassen.

Insbesondere bei einer Gesamtsrechtsnachfolge von Todes wegen kann eine unklare Rechtslage vorliegen. Solange nicht feststeht, wer die Gesamtsrechtsnachfolge angetreten hat, kann der Geschäftsführer die aktualisierte Gesellschafterliste nicht einreichen. Bis zur Klärung der Erbenstellung kann indessen erhebliche Zeit verstreichen. Deshalb muss schon bereits mit dem Feststehen der Veränderung die Gesellschafterliste aktualisiert werden, der Geschäftsführer kann nicht ein Erbscheinsverfahren oder gar eine gerichtliche Klärung der Erbfolge abwarten. Wenn Unklarheiten bei der Erbfolge existieren und damit der oder die neuen Gesellschafter noch nicht feststehen, ist dieses entsprechend in der Gesellschafterliste zu vermerken und zunächst nur allgemein „der oder die Erbe(n)“ ohne nähere Bezeichnung zu erwähnen.

2.5 Bei fehlender Einreichung, Einreichung einer falschen Gesellschafterliste oder bei schuldhaft verzögerte Einreichung haftet der Geschäftsführer nach § 40 Abs. 3 GmbHG auf Schadensersatz gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft und auch gegenüber denjenigen, deren Beteiligung sich geändert hat. In den Schutzbereich einbezogen sind somit auch der wahre Berechtigte, der seine Gesellschafterstellung durch etwaigen gutgläubigen Erwerb eines Dritten verliert, der Anteilserwerber sowie jeder Gesellschafter, der berechtigt auf die Richtigkeit der zuletzt eingereichten Gesellschafterliste vertrauen durfte und deswegen einen Schaden erlitten hat. Als Schadensposition kommen aber auch z. B. Kosten in Betracht, die auf Grund einer falschen Eintragung für Beratung und für die Ermittlung der wahren Sachlage entstehen.

2.6 In die Gesellschafterliste sind bei natürlichen Personen Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort als personenbezogene Daten aufzunehmen, bei juristische Personen ist an Stelle des Wohnortes der Sitz anzugeben und auf eine exakte Firmenbezeichnung zu achten, damit die juristische Person eindeutig identifiziert werden kann. Bei jedem Gesellschafter ist der genaue Umfang der Beteiligung durch Bezeichnung jedes einzelnen Geschäftsanteils anzugeben. Ferner hat eine Nummerierung der Geschäftsanteile zu erfolgen.

2.7 Im Übrigen bleibt es bezüglich der Legitimation von Altgesellschaftern bei der alten Rechtslage. Bis zum 01.11.2008 gilt mithin gegenüber der Gesellschaft nur derjenige als Inhaber eines existierenden Geschäftsanteils, der diesen entweder bei Gründung der Gesellschaft, bei einer späteren Kapitalerhöhung oder auf Grund eines gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Erwerbvorgangs erworben hat und der Gesellschaft den Erwerb nach § 16 Abs. 1 GmbHG alte Fassung angezeigt hat.

Bei den ab dem 01.11.2008 eintretenden Veränderungen in Gesellschafterkreis gilt gegenüber der Gesellschaft nur derjenige als Inhaber eines bestimmten (rechtsgeschäftlich oder gesetzlich) von einer anderen Person erworbenen oder im Wege einer Kapitalerhöhung neu geschaffenen Geschäftsanteils, der als Inhaber dieses Anteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist.

2.8 Entgegen der bisherigen Rechtslage ist es nunmehr möglich, einen Geschäftsanteil gutgläubig zu erwerben (§ 16 Abs. 3 GmbHG). Danach kann ein Erwerber einen Geschäftsanteil auch dann erwerben, wenn der Veräußerer zwar nicht der wirkliche Anteilsinhaber ist, jedoch

– als Inhaber des zu erwerbenden Geschäftsanteils in der Gesellschafterliste ausgewiesen ist,
– die Gesellschafterliste seit mindestens drei Jahren unrichtig ist oder die (kürzere) Unrichtigkeit dem wahrenliste kein Widerspruch zugeordnet ist und
– der Erwerber hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des Veräußerers gutgläubig ist.

Deshalb sollte jeder Neuerwerber eines Anteils im ureigensten Interesse darauf achten, dass seine Gesellschafterstellung in der Liste entsprechend vermerkt wird, damit später nicht ein Dritter den Anteil gutgläubig erwerben kann. Die entsprechende Überprüfungsmöglichkeit ist für jeden Gesellschafter im Übrigen angesichts der Tatsache, dass das Handelsregister elektronisch geführt wird und die historischen und aktuellen Gesellschafterlisten für jedermann jederzeit einsehbar sind, unproblematisch gegeben.

VI.
Bekämpfung von Missbräuchen

Die Missbrauchsbekämpfung ist ein weiteres Hauptanliegen der GmbH-Reform. Insbesondere die Praxis bei sogenannten „Bestattungsfällen“, Gesellschaften durch Unerreichbarkeit und Führungslosigkeit einem ordnungsgemäßen Liquidations- bzw. Insolvenzverfahren zu entziehen, soll bekämpft werden. Um dieses Ziel zu erreichen hat der Gesetzgeber zahlreiche neue Bestimmungen geschaffen, die größtenteils rechtsformunabhängig sind.

1. Um die Zustellung von Schriftstücken und den Zugang von Willenserklärungen zu erleichtern, ist die Pflicht zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister, die Möglichkeit der Eintragung einer empfangsberechtigten Person, die Empfangsvertretung durch GmbH-Gesellschafter bei Führungslosigkeit, sowie die Erleichterung der öffentlichen Zustellung und der Zugang von Willenserklärungen an unerreichbare Gesellschaften geschaffen worden. Diese Neuerungen richten sich in erster Linie gegen unlautere „Firmenbestattungen“. Außerdem reagiert der Gesetzgeber damit auf den wachsenden Einsatz ausländischer Kapitalgesellschaften im Inland. Deren Gläubiger müssen nicht selten den zeit- und kostenintensiven Weg der Auslandszustellung gehen, um die Zustellung eines Schriftstücks oder den Zugang einer Willenserklärung zu bewirken. Künftig ermöglicht die inländische Geschäftsanschrift eine Inlandszustellung.

Generell ist bei jeder GmbH nach der neuen Rechtslage bei der Anmeldung zum Register die Geschäftsanschrift anzugeben, unter der können gegenüber allen Vertretern der Gesellschaft Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke zugestellt werden. Es wird eine unwiderlegliche Vermutung erzeugt, dass unter der eingetragenen Adresse ein Vertreter der Gesellschaft erreicht werden kann. Es kommt also entgegen der bisherigen Rechtslage nicht mehr darauf an, ob dort tatsächlich ein Geschäftsführer erreichbar ist. Irrelevant ist folglich ebenfalls, ob der Vertreter der Gesellschaft sich dauerhaft im Ausland aufhält oder untergetaucht ist.

Bei Führungslosigkeit der GmbH sind nunmehr die Gesellschafter Zustellungsempfänger für alle maßgeblichen Schreiben. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Gesellschafter von der Führungslosigkeit positiv wissen.

Die Zustellung an die Geschäftsanschrift ist allerdings nur insoweit möglich, als dort tatsächlich ein Geschäftslokal besteht oder der zurechenbare Rechtsschein eines Geschäftsraums gesetzt worden ist. Fehlt es hieran, hat das MoMiG eine vereinfachte Möglichkeit der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung geschaffen. Um diese erleichterten Möglichkeiten auszunutzen, wird gleichwohl der Gläubiger regelmäßig anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen.

2. Der erweiterte Katalog der Ausschlussgründe in § 6 Abs. 2 GmbHG für die Geschäftsführerbestellung umfasst jetzt auch Verurteilungen wegen Insolvenzverschleppung, wegen falscher Angaben bei Gründung oder Kapitalmaßnahmen, wegen unrichtiger Darstellung in der Rechnungslegung sowie u.a. wegen Betrugs, Kreditbetrugs, Untreue oder Vorenthalten oder Veruntreuung von Arbeitsentgelt.

GmbH-Gesellschafter, die einer vom Geschäftsführeramt ausgeschlossenen Person die Führung der Geschäfte überlassen, haften ihrer Gesellschaft für Schäden aus den von dieser Person begangenen Pflichtverletzungen. Die ein Verschulden bei der Bestellung, Nicht-Abberufung oder faktischen Überlassung der Geschäftsführung voraus; für geschäftliche Fehlentscheidungen haften die Gesellschafter demnach nicht.

3. Die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer ist aus dem GmbH-Gesetz herausgenommen worden und – rechtsformübergreifend – in einen neuen § 15 a InsO verlagert worden. Das erleichtert auch die Anwendung dieser Verpflichtung auf Auslandsgesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz.

Sachlich geht die neue Rechtslage insofern über die bisherigen Normen hinaus, als nunmehr auch die Gesellschafter selbst Kraft einer Ersatzzuständigkeit bei Führungslosigkeit der GmbH zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet sind. Die Insolvenzantragspflicht ist unverändert strafbewehrt und begründet im Falle ihrer Verletzung eine zivilrechtliche Haftung. Die grundsätzlich jeden Gesellschafter – bei Führungslosigkeit der Gesellschaft – treffende Insolvenzantragspflicht besteht nur dann nicht, wenn der Gesellschafter vom Insolvenzgrund oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis besitzt. Von großer Bedeutung ist, dass die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Kenntnis den Gesellschafter trifft. Hier lauern erhebliche Haftungsgefahren. Man wird davon ausgehen dürfen, dass mit der Größe der Beteiligung auch die Probleme eines Gesellschafters wachsen, der den Beweis für seine fehlende Kenntnis führen möchte.

4. Das MoMiG hat in § 64 Satz 3 GmbHG eine neue Haftung des Geschäftsführers für die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft durch Auszahlung an Gesellschafter eingeführt.

4.1 Der Geschäftsführer macht sich – wie auch schon nach altem Recht – schadenersatzpflichtig, wenn er nach Eintritt der Insolvenzlage noch Zahlungen vornimmt, es sei denn er handelt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, beispielsweise um den sofortigen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern oder aber weil nur so Sanierungsmaßnahmen erfolgversprechend sind.

Ferner haftet der Geschäftsführer u.a., wenn er an Gesellschafter Zahlungen aus dem Stammkapital entgegen § 30 Satz 1 GmbHG vornimmt, also unter Verletzung des Grundsatzes der Erhaltung des Kapitals.

Der Geschäftsführer hat ferner etwaigen Sanierungsbedarf für die Gesellschaft zu erkennen, die Gesellschafter davon bei Zeiten zu unterrichten, nach den Ursachen der Krise zu forschen und Vorschläge zur Krisenbeseitigung zu erarbeiten.

Unverändert bleibt es auch bei der Haftung des Geschäftsführers für den Fall der Nichtabführung des Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung und bei nicht abgeführten Steuern, insbesondere Lohnsteuer.

Darüber hinaus muss der Geschäftsführer bei Insolvenzreife darauf achten, keine Insolvenzstraftaten zu begehen.

4.2 Zu all diesen Haftungsrisiken hat der Gesetzgeber nun für den Geschäftsführer eine zusätzliche Haftungsnorm geschaffen in § 64 S. 3 GmbHG. Der Geschäftsführer darf nun auch dann keine Zahlungen an den Gesellschafter leisten, wenn dadurch zwar nicht das Stammkapital angegriffen wird, jedoch die Liquidität der Gesellschaft dermaßen beeinträchtigt wird, dass darauf hin die Illiquidität bei der GmbH eintritt. Erfasst sind mithin die Fälle, in denen sich im Moment der Leistung schon klar abzeichnet, dass die Gesellschaft unter normalen Verlauf der Dinge ihre Verbindlichkeiten nicht mehr wird erfüllen können. Dafür muss eine überwiegende Wahrscheinlichkeit sprechen. Wenn sich das Risiko dann allerdings später durch Eintritt der Illiquidität verwirklicht hat, dürfte es dem Geschäftsführer häufig sehr schwer fallen darzulegen, dass die spätere Entwicklung für ihn im Zeitpunkt der Auszahlung an den Gesellschafter nicht erkennbar war.

Ganz wichtig ist, dass der Geschäftsführer sich diesbezüglich nicht dadurch entlasten kann, dass er einen Gesellschafterbeschluss zur Auszahlung an die Gesellschafter befolgt. Der Gesetzgeber sinnt in derartigen Konstellationen dem Geschäftsführer an, sein Amt niederzührer diesbezüglich nicht ein Leistungsverweigerungsrecht für sich bemühen will.

Jedem Geschäftsführer ist zumindest anzuraten, seine Finanzplanung sorgfältig zu dokumentieren, wenn er später nicht Gefahr laufen will, aus § 64 S. 3 GmbHG erfolgreich in Anspruch genommen zu werden.

5. Für Klagen des Insolvenzverwalters gegen die einzelnen Gesellschafter ist unabhängig von deren allgemeinem Gerichtsstand der Sitz der Gesellschaft maßgeblich.

6. Für Auslandsgesellschaften mit inländischer Zweigniederlassung sind besondere Publizitätspflichten durch das MoMiG erweitert worden. Nun hat die Eintragung der Errichtung der Zweigniederlassung neben dem Ort der Zweigniederlassung auch eine inländische Geschäftsanschrift zu erhalten. Gläubiger erfahren so unmittelbar aus dem Handelsregister, an welche Anschrift sie sich wenden können, was bei fehlender oder fehlerhafter Geschäftsbriefpublizität der Zweigniederlassung von Bedeutung ist.

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Ende der Privilegierung der VOB/B bei Verbraucherverträgen

OLG Hamm, Urteil vom 20.12.2004 — Aktenzeichen: 22 U 41/04

Zum Sachverhalt
Die Parteien stritten über Schadensersatzansprüche der Käufer eines Wohnhauses. Vor Vertragsschluss erfolgten mehrere Besichtigungen. Hinweise auf Feuchtigkeit im Kellerbereich gaben die Beklagten nicht. Tatsächlich waren die Kellerwände teilweise feucht. Der Feuchtigkeitsbefall stieg von den Böden und den Sockeln in die Wände auf. Die Kläger (= Käufer) behaupteten, den Beklagten (= Verkäufer) seien die Feuchtigkeitserscheinungen bekannt gewesen. Die Beklagten haben sich der Klage mit der Begründung entgegengestellt, dass zwar teilweise Feuchtigkeitsspuren feststellbar gewesen seien, diese Feuchtigkeitsspuren seien einer Besichtigung jedoch ohne weiteres zugänglich gewesen. Mängel seien nicht kaschiert worden. Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 41.000,00 € zuzüglich Zinsen verurteilt, die von uns vertretenen Beklagten haben in der Berufungsinstanz eine Abänderung erreicht. Der 22. Zivilsenat des OLG Hamm hat die Klage insgesamt abgewiesen.

Zur Begründung
Der Senat hat ausgeführt, dass ein Schadensersatzanspruch nicht bestehe.

Zwar liege ein Sachmangel vor, auch hat der Senat unterstellt, dass die Feuchtigkeit bei Abschluss des Kaufvertrages bereits vorlag. Dennoch hat der 22. Zivilsenat eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht gesehen. Der Senat hat insoweit differenziert. Soweit es um die Durchfeuchtungen im Sockelbereich gegangen sei, habe eine Aufklärungspflicht nicht bestanden. Dass die Beklagten von weiteren Durchfeuchtungen Kenntnis gehabt hätten, hätten die Kläger nicht bewiesen.

Ausgegangen ist der Senat von der Eigenverantwortlichkeit jeder Partei. Eine Aufklärungspflicht besteht nur dann, wenn der andere Teil (hier: Käufer) nach Treu und

Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten darf. Eine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Vertragsteils von Bedeutung sein könnten, besteht nicht. Bei Verkauf eines Hausgrundstücks bedeutet dies, dass eine Pflicht zur Offenbarung regelmässig nur wegen verborgener, nicht unerheblicher Mängel oder solcher nicht erkennbarer Umstände anzunehmen ist, die nach der Erfahrung auf das Entstehen bestimmter Mängel schliessen lassen. Dagegen kann ein Käufer Aufklärung über solche Mängel, die einer Besichtigung zugänglich oder ohne weiteres erkennbar sind, nicht erwarten, weil er solche Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat ausgeführt, dass die Kläger gerade deshalb nicht hätten aufgeklärt werden müssen, weil sie die Feuchtigkeit an den Wänden und Böden des Kellers bei der Besichtigung hätten erkennen können.

Da es noch um weitere Feuchtigkeitserscheinungen ausserhalb des Sockelbereiches ging, hat der Senat weiter ausgeführt, dass bezüglich der sonstigen Feuchtigkeit nicht bewiesen sei, dass die Beklagten Kenntnis hiervon gehabt hätten und aus diesem Grunde arglistig gehandelt hätten. Arglistig handelt nur, wer einen Fehler der Kaufsache kennt oder zumindest für möglich hält, gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.

Praxistipp
Das obige Urteil zeigt die sorgfältige Abwägung und Abgrenzung der Käuferinteressen von den Verkäuferinteressen. Das Urteil beschäftigt sich mit dem typischen Fall, dass Feuchtigkeit im Kellerbereich auftritt. Die obige Entscheidung ist wichtig für all jene Fälle, bei denen „das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“. Besser ist es, bei erkennbaren Feuchtigkeitsmängeln diese unter örtlicher Bezeichnung ganz klar als Feuchtigkeitsstellen im notariellen Kaufvertrag zu erwähnen. Alternativ kommt eine gesonderte Erklärung gleichen Inhalts in Betracht, die vom zukünftigen Käufer zu unterzeichnen ist. Mit einer derartigen Erklärung sichert sich der Verkatte von der Existenz der Feuchtigkeitsstellen.

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Mahnbescheid — Kein sicheres Instrument, den Lauf der Verjährung zu hemmen!?

Bundesgerichtshof, Urteil vom 6.11.2007 — Aktenzeichen: X ZR 103/05

Das Mahnverfahren ist eine Prozessart, in der für Geldforderungen voraussichtlich unstreitig und ohne Verhandlung dem Gläubiger ein rechtskräftiger, vollstreckbarer Titel verschafft werden kann. Die entsprechenden Formulare sind im Schreibwarenladen zu haben. Das Mahnverfahren stellt einen einfachen und günstigen Weg zum Vollstreckungstitel dar, indem es das langwierige und teure Urteilsverfahren erspart.

So weit die Theorie.

In der Praxis legen die Schuldner aber regelmäßig Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein, mit der Folge, dass in das gerichtliche Urteilsverfahren übergegangen wird. Legt der Schuldner Widerspruch ein, hat der Gläubiger nichts gewonnen. Aus diesem Grund kommt dem Mahnverfahren größere Bedeutung als verjährungshemmende Maßnahme zu. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB wird die Verjährung gehemmt durch die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren.

Da es für den Mahnantrag keinen Anwaltszwang gibt (anders als beispielsweise für Klagen vor dem Landgericht), schleichen sich beim Ausfüllen der Mahnformulare nicht selten Fehler ein, die Grund für Beanstandungen des Mahngerichts sind. Die Fehler können sogar ein solches Gewicht haben, dass der angestrebte Zwecke der Verjährungshemmung nicht erreicht wird.

Die Risiken zeigt eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Leitsatz
1. Ein Mahnbescheid hemmt den Lauf der Verjährung nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend individualisiert ist. 2. Bei einer Mehrzahl von Forderungen ist jede Einzelforderung zu bezeichnen. Eine Bezugnahme auf Rechnungen reicht nur aus, wenn dem Schuldner die Rechnungen vorliegen.

Sachverhalt
Die Klägerin verlangt im beantragten Mahnbescheid vom 28.12.2000 eine Vergütung aus mehreren Rechnungen. Dabei wird im Mahnantrag Bezug genommen auf den zugrunde liegenden Vertrag sowie auf sechs jeweils auf den 13.3.1997 datierenden Rechnungen mit Rechnungsnummer und Betrag.

Im Verfahren meinte der Beklagte, sie habe die Rechnungen erstmals im Verfahren erhalten, die Forderungen seien verjährt, da die Ansprüche nicht hinreichend individualisiert seien. Dem trat die Klägerin entgegen; aus den gleichlautenden Rechnungsdaten, den (teilweise identischen) Rechnungsnummern und Zahlbeträgen habe die Beklagte entnehmen können, worauf sich die Rechnungen bezogen.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof wies die Klage als verjährt ab. Ein Mahnbescheid hemme den Lauf der Verjährung nur, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend individualisiert sei. Der Anspruch müsse durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so abgegrenzt werden, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann. Der Schuldner müsse erkennen können, welcher Anspruch geltend gemacht werde. Bei einer Mehrzahl von Forderungen sei — so der BGH — jede einzelne zu bezeichnen. Da der Beklagte im Verfahren unwidersprochen vorgetragen habe, er habe die Rechnungen nicht erhalten, habe er die Rechnungsdaten auch nicht zuordnen können.

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Erstmaliger Verjährungseinwand in der Berufungsinstanz

OLG Karlsruhe, Urteil vom 4.11.2004 — Aktenzeichen: 19 U 216/03 -, rechtskräftig.

Die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Einrede der Verjährung ist nicht nach

§ 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt unstreitig ist und bei Zulassung keine Beweisaufnahme erforderlich wird.

Problemstellung
Nach der ZPO-Reform sind in der Berufungsinstanz neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, von den Ausnahmen des § 531 Abs. 2 ZPO abgesehen, grundsätzlich ausgeschlossen. Dies wird in der Rechtsprechung der OLG überwiegend für die erst in der Berufungsinstanz erhobene Einrede der Verjährung angenommen.

Entscheidung des OLG Karlsruhe
Das OLG Karlsruhe ist in seiner Entscheidung hiervon abgerückt. Da neuer unstreitiger Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen sei, gelte dies auch für den Einwand der Verjährung, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt unstreitig sei und bei Zulassung keine Beweisaufnahme erforderlich werde.

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Aktuelles zum Persönlichkeitsrecht

  1. Verletzung des Steuergeheimnisses durch Presseerklärung der Staatsanwaltschaft

    Eine Presseerklärung der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit einer Anklageerhebung in einem Steuerstrafverfahren muss grundsätzlich dann als rechtswidrige Verletzung des Steuergeheimnisses erachtet werden, wenn in der Presseerklärung unter namentlicher Bezeichnung des Beschuldigen konkrete Angaben über im Ausland geführte Konten, zur Höhe des angeblich hintergezogenen Betrages und zur Dauer der angeblichen Hinterziehungsdelikte enthalten sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ausnahmsweise ein zwingendes öffentliches Interesse an der Preisgabe dieser mitgeteilten Erkenntnisse im Steuerstrafverfahren besteht.
    (vgl. dazu: VG Saarlouis, AfP 2004, 483)

  2. Zulässigkeit der Veröffentlichung von Luftbildaufnahmen prominenter Feriendomizile

    Von einem Eingriff in die Privatsphäre ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn jemand unter Überwindung bestehender Hindernisse oder mit geeigneten Hilfsmitteln (Leiter, Teleobjektiv, Flugdrachen, Hubschrauber usw.) den räumlichen Lebensbereich eines anderen ausspäht.

    Deshalb kann die Veröffentlichung von Luftbildaufnahmen eines Privathauses oder eines Ferienhauses eines Prominenten ohne dessen Zustimmung eine relevante Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen und das Recht auf Selbstbestimmung des Prominenten bei der Offenbarung seine persönlichen Lebensumstände verletzen. Da durch die Veröffentlichung von solchen Fotos in der Regel jedoch nicht der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts betroffen ist, kann im Rahmen einer einzustellenden Rechtsgüterabwägung der Pressefreiheit dann der Vorrang eingeräumt werden, wenn bereits in der Vergangenheit mit Zustimmung des Prominenten die betroffenen persönlichen Lebensumstände veröffentlicht wurden.
    (Urt. des BGH vom 09.12.2003)

  3. Zur äußerungsrechtlichen Behandlung einer Frage

    Immer wieder kommt es vor, dass in redaktionellen Beiträgen Äußerungen in eine Frageform gekleidet sind. Die Auslegung eines derartigen Fragesatzes kann ergeben, dass der Fragesatz keine „echte Frage“, sondern vielmehr die unwahre Behauptung einer Tatsache enthält. Entscheidend für die Auslegung eines solchen Fragesatzes ist insbesondere auch der Kontext und die Umstände der Äußerung.
    (vgl. dazu: Urt. des BGH vom 09.12.2003 — Az: IV ZR 38/03)

  4. Zum Wegfall des berechtigten Interesses auf Abdruck einer Gegendarstellung

    Von einem Wegfall des berechtigten Interesses auf Abdruck einer Gegendarstellung ist in aller Regel dann auszugehen, wenn bereits mit einer redaktionellen Richtigstellung oder einem Widerruf die Unrichtigkeit der Erstmitteilung eingeräumt wird und zugleich damit die Ausräumung der Fehlvorstellung hinreichend sichergestellt ist.
    (Urt. des LG Berlin vom 07.10.2003 — Az: 27 O 526/03)

  5. Zur Darlegungslast des Beklagten im Verfahren auf Abdruck eines Widerrufs

    Grundsätzlich muss der betroffene Beklagte die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung nachweisen, denn niemand darf verpflichtet werden, in der Form des Widerrufs etwas als unwahr zu bezeichnen, was möglicherweise wahr ist. Allerdings trifft den Äußernden eine Darlegungslast, da der erforderliche Negativbeweis vom betroffenen Beklagten nur dann geführt werden kann, wenn diesem die konkreten Fakten bekannt sind, auf die der Kritiker seinen Vorwurf stützt.
    (Urt. des LG Berlin vom 29.01.2004 — Az: 27 O 695/03)

  6. Zur verfassungsrechtlichen Bewertung von in einem Presseartikel mit Kommentarcharakter enthaltenen Tatsachenbehauptungen

    Auch wenn ein Presseartikel insgesamt als wertender Kommentar zu verstehen ist, schließt das nicht aus, dass ein einzelner Satz einen tatsächlichen Gehalt hat, der im Kommentar zum Gegenstand einer Bewertung gemacht wird.
    (Beschluss des BVerfG vom 27.02.2003 — 1 BvR 1811/97)

  7. Zur Zulässigkeit der Veröffentlichung einer Fotomontage einer bekannten Persönlichkeit

    Ist eine Fotomontage als s des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst, ist es nicht statthaft, Einzelteile dieser Fotomontage im Rahmen einer „sezierenden Betrachtung“ gesondert auf ihre Zulässigkeit hin zu untersuchen.
    (Urt. des BGH vom 30.09.2003 — VI ZR 89/02)

  8. Zum Verständnis von mehrdeutigen Äußerungen

    Bei mehreren sich nicht gegenseitig ausschließenden möglichen Deutungen ist diejenige der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt.
    (Urt. des BGH vom 25.11.2003 — VI ZR 226/02)

  9. Zur Zulässigkeit der Veröffentlichung des Fotos eines Zeugen in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren

    Zeugen in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren können, wenn es sich um ein dem Zeitgeschehen zuzurechnendes Verfahren handelt, dann relative Personen der Zeitgeschichte sein, so dass eine Zulässigkeit der Veröffentlichung des Fotos des Zeugen gegeben ist, wenn sie dabei selbst eine Rolle von zeitgeschichtlicher Bedeutung spielen.
    (Urt. des LG Berlin vom 04.12.2003 — 27 O 704/03)

  10. Erkennbarkeit des Betroffenen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Zeitungsartikel

    In der höchstrichterlichen Rechtsprechung war es bislang allgemein anerkannt, dass von einer erforderlichen Erkennbarkeit des Betroffenen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Presseartikel dann auszugehen ist, wenn die Person zumindest für einen Teil der Leser- oder Adressatenschaft aufgrund der mitgeteilten Umstände hinreichend erkennbar wird. Bereits nach dieser Rechtsprechung war hierfür die Nennung des Namens, auch in abgekürzter Form, nicht unbedingt erforderlich; es kann bereits die Übermittlung von Teilinformationen genügen, aus denen die Identität für die sachlich interessierte Leserschaft sich ohne weiteres ergibt oder mühelos ermitteln lässt.

    In einem Beschluss des BVerfG vom 14.07.2004 hat nunmehr das BVerfG zur Frage der Erkennbarkeit des Betroffenen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Presseartikel ausgeführt, dass es tatsächlich für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Zeitungsartikel nicht entscheidend sei, ob alle oder ein erheblicher Teil der Leser oder gar die Durchschnittsleser einer Zeitung die gemeinte Person identifizieren können. Es hat ausgeführt, dass das Grundrecht schon dann betroffen sein kann, wenn über die Medien der Zeitung persönlichkeitsrechtsverletzende Informationen an solche Leser geraten, die wegen der im Presseartikel enthaltenen individualisierenden Merkmale wie beispielsweise die Schilderung von Einzelheiten des Lebenslaufs oder die Nennung von Wohnort und Berufstätigkeit aufgrund ihrer sonstigen Kenntnisse (etwa des beruflichen oder persönlichen Umfelds des Betroffenen) in der Lage sind, die Person zu identifizieren, auf die sich der Zeitungsartikel bezieht.
    (BVerfG vom 14.07.2004 — 1 BvR 263/03)

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Aktuelles zum Strafrecht

  1. Zur Zulässigkeit einer angeordneten Durchsuchung
    Eine nach § 103 Abs. 1 S. 1 StPO angeordnete Durchsuchung muss die gesuchten Beweismittel soweit konkretisieren, dass kein Zweifel über den gesuchten Gegenstand bestehen kann.
    (Beschluss des LG Frankfurt a.M. vom 21.10.2003 in MMR 2004, 339)
  2. Rechtsschutzinteresse bezüglich der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zur Ausführung gekommenen Durchsuchungsbeschlusses
    Trotz Erledigung des Durchsuchungsbeschlusses kann bei besonderem Rechtsschutzinteresse die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme begehrt werden.
    (Beschluss des LG Frankfurt a.M. vom 21.10.2003 in MMR 2004, 339)
  3. Zur Anordnung eines Fahrverbots
    Erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen, gewöhnlich und durchschnittliche Umstände genügen, um die Ausnahme von der Anordnung des Regelfahrverbots zu begründen. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die wirtschaftliche Existenz gefährdet ist. Das Amtsgericht muss sich dieser Möglichkeit bewusst sein. Das Amtsgericht muss daher in der Regel Feststellungen darüber treffen, welche Berufstätigkeit der Betroffene ausübt.
    (OLG Köln NZV 98, 293)
  4. Zur Anordnung eines Fahrverbots
    Mit der Formulierung „Gesichtspunkte für ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes seien nicht ersichtlich, insbesondere auch nicht vor dem Hintergrund der beruflichen Situation des Betroffenen“ kommt nicht eindeutig zum Ausdruck, dass sich der Tatrichter der Möglichkeit, trotz der Annahme eines Regelfalls unter Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung des Fahrverbots absehen zu können, bewusst war.
    (OLG Hamm NZV 98, 296)
  5. Widerruf der Strafaussetzung nach neuer Straftat
    Der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer neuen Straftat kann nicht allein mit dem Hinweis des Gerichts, das über den Widerruf zu befinden hat, begründet werden, aufgrund eigener Überzeugungsbildung sei von einem neuerlichen strafbaren Verhalten des Verurteilten auszugehen. Der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer neuen Straftat ist ohne rechtskräftige Aburteilung der Anlasstat allerdings dann zulässig, wenn der Verurteilte die neue Straftat glaubhaft vor einem Richter eingestanden hat.
    (vgl.: Beschluss des OLG Stuttgart vom 26.07.2004 – 4 Ws 180/04)
  6. Zur Verlängerung der Bewährungszeit bei Einstellung eines Folgeverfahrens
    Weder darf ein Bewährungswiderruf noch eine Verlängerung der Bewährungszeit angeordnet werden, wenn ein Strafverfahren wegen einer während einer laufenden Bewährung begangenen Tat gem. § 153 StPO eingestellt wird.
    (Beschluss des AG Lüdinghausen vom 25.10.2004 – 9 Ds 35 Js 350/02 – 178/02)
  7. Grundlage für den Tatnachweis einer Trunkenheit im Straßenverkehr
    Wird eine Person betrunken oder schlafend am Steuer eines parkenden Kraftfahrzeugs aufgefunden, so kann dem Abstellort des Fahrzeugs im Rahmen der Beweiswürdigung besonderes Gewicht beikommen und eine ausreichende Grundlage für den Tatnachweis einer Trunkenheit im Straßenverkehr darstellen.
    In diesem vom OLG Karlsruhe zu beurteilenden Fall ging es um die Beurteilung um die Trunkenheitsfeststellung im Straßenverkehr, wobei der Fahrzeugführer an einem Montagmorgen gegen 9 Uhr in seinem Fahrzeug über das Lenkrad gebeugt und bei laufendem Motor fest schlafend in seinem Fahrzeug in einer Seitenstraße einer etwa 50 – 100 m entfernt vorbeiführenden Landstraße mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,75 o/oo angetroffen wurde.
    (OLG Karlsruhe vom 21.09.2004 – 1 Ss 102/04)

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