Fehler von Ausführungsplänen

Zum Fall
Die Klägerin errichtet an ihrem Haus einen Anbau mit begehbaren Flachdach. Die Genehmigungsplanung übernahm ein Architekt. Die Kosten für eine Ausführungsplanung und Überwachung der Bauarbeiten dagegen wollte sich die Klägerin sparen.

Die Entwässerung des Flachdachs misslang. Die Dachdecker verstießen in mehrfacher und eklatanter Hinsicht gegen anerkannte Regeln der Technik, so dass es im Anbau zu massiven Feuchteschäden kam.

Ihren Schaden wollte die Klägerin verständlicherweise von den Dachdeckern ersetzt erhalten. Sie klagte. Zu ihrer Überraschung gab das Landgericht der Schadensersatzklage nur teilweise statt. Dem lag Folgendes zugrunde:

Als einen Grund für die Feuchteschäden sah der eingeschaltete Sachverständige das Fehlen von Ausführungsplänen. Solche Detailpläne hätten es den Handwerkern gestattet, die neural-gischen Punkte einer Flachdachentwässerung mit –abdichtung sicher in den Griff zu bekommen. Dass dies nicht gelang, habe sich die Klägerin jedenfalls teilweise selbst zuzuschreiben, da sie aus Kostengründen auf die Erstellung einer Ausführungsplanung verzichtet habe. Hierin sah das Landgericht ein Mitverschulden, was zur Kürzung des Anspruchs um 1/3 führte.

Diese Einschätzung teilte das OLG Hamm und wies die gegen die teilweise Abweisung der Klage gerichtete Berufung als unbegründet zurück. Urteil des 23. Zivilsenats vom 20.1.2005 (23 U 16/04)

Praxishinweis
Mit dieser Entscheidung bricht die Rechtsprechung gewissermaßen mit dem Grundsatz, dass ein Handwerker selbst für das ihm übertragene Gewerk einzustehen hat und insbesondere wissen muss, auf welche Weise er den versprochenen Erfolg sicherstellt. Ein Bauherr läuft künftig Gefahr, dass ein schlecht arbeitender Werkunternehmer einwendet, sein Ergebnis wäre besser gewesen, wenn der Bauherr für eine vernünftige Fachplanung gesorgt hätte.

Aber nicht alle Gerichte entscheiden so streng wie der 23. Senat in der oben genannten Entscheidung. So hat das OLG Celle im Urteil vom 21.10.2004 (14 U 26/04, BauR 2005, 397) ausgeführt:

„Ein Handwerker, der das ihm übertragene Gewerk in Kenntnis dessen übernimmt, dass es eine Fachplanung des Bauherrn oder seiner Architekten nicht gibt, kann sich im Fall einer mangelhaften Ausführung der Werkleistung nicht auf ein Mitverschulden wegen fehlender Planung berufen. Ein Hinweis auf Bedenken gegen die beabsichtigte Bauausführung ist an den Bauherrn selbst zu richten, wenn sich dessen Architekt – sei er auch rechtsgeschäftlich bevollmächtigte – den Bedenken verschließt.“

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Fristsetzung mit Kündigungsandrohung

OLG Hamm, Urteil vom 11.1.2005 — Aktenzeichen: 24 U 61/04

Zum Fall
Der Kläger beauftragte den beklagten Maler mit Wärmedämmarbeiten. Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB/B. Die durchgeführten Arbeiten waren unstreitig mangelhaft. Mit diversen anwaltlichen Schreiben wurde der Beklagte unter Fristsetzung und unter Androhung der Auftragsentziehung zur Mangelbeseitigung aufgefordert. Der Beklagte reagierte zunächst nicht. So setzte der Kläger mit Schreiben vom 14.8.2003 ein letzte Nachfrist bis zum 10.9.2003. Die Kündigung wurde angedroht. Die Nachfrist verstrich.

Im Rahmen eines Ortstermins verständigten sich die Parteien einige Tage später auf eine Durchführung der Nachbesserung unter Aufsicht eines Privatsachverständigen. Gleichwohl entzog der Kläger dem Beklagten kurze Zeit später unter Hinweis auf die bereits verstrichene Nachfrist den Auftrag, ließ die Mängel durch ein Drittunternehmen vornehmen und verlangte mit der Klage die Ersatzvornahmekosten vom Beklagten ersetzt.

Die Entscheidung
Erst in der Berufungsinstanz wurde die Klage abgewiesen. Der 24. Zivilsenat des OLG Hamm entschied, dass der Kläger nicht berechtigt war, den Auftrag zu entziehen, nachdem er sich auf den Beklagten wieder eingelassen habe.

Anerkanntermaßen sei eine Auftragsentziehung (Kündigung) nicht mehr möglich, wenn der Auftraggeber sich zwischen Setzung der Nachfrist und der Kündigungserklärung in einer Weise mit dem Auftraggeber eingelassen habe, aus der bei objektiver Betrachtung nicht mehr auf einen ernsthaften Kündigungswillen geschlossen werden könne; in einem solchen Fall setze die Kündigung eine erneute Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung voraus.

Davon sei hier auszugehen, nachdem die Parteien eine (gemeinsame) Nachbesserung unter Aufsicht eines Privatsachverständigen abgestimmt hätten. Dadurch sei objektiv gesehen der Eindruck erweckt worden, als sei die angedrohte Kündigung nach § 8 Nr. 3, 4, Nr. 7 VOB/B hinfällig geworden.

Die Auftragsentziehung aus wichtigem Grund wäre nach alledem nur nach Setzung einer neuen Nachfrist mit Kündigungsandrohung möglich gewesen. Da eine solche Nachfrist nicht gesetzt worden sei, sei die Klage auf Zahlung der Ersatzvornahmekosten unbegründet.

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Sicherungsbürgschaft für Architekten

OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.10.2004 — Aktenzeichen: 21 U 26/04

Ein planender Architekt kann Sicherheit durch Bankbürgschaft nach § 648 a BGB verlangen. Es kommt nicht darauf an, ob sich seine Leistung schon als Wertsteigerung im Bauwerk bemerkbar macht.

Problem / Sachverhalt
Ein Architekt wird mit einer Bauplanung beauftragt. Bereits die erste Abschlagsrechnung über 40.000,00 EUR bleibt unbezahlt. Der Architekt verlangt vor der Ausführung weiterer Leistungen daher eine Bankbürgschaft nach § 648 a BGB zur Absicherung des gesamten Planungshonorars von 98.000,00 EUR. Als diese nicht eintrifft, setzt er eine Nachfrist und rechnet sodann den Vertrag unter Abzug ersparter Aufwendungen ab (75.000,00 EUR).

Entscheidung
Das OLG entscheidet, dass der Architekt grundsätzlich im Recht war. Er durfte – das war bislang umstritten – wie jeder andere Baubeteiligte eine „Handwerkersicherungsbürgschaft“ nach § 648 a BGB anfordern. Da diese nicht einging, durfte er die Leistungen einstellen und auch den Vertrag über eine Nachfrist endgültig beenden.

Allerdings erhält der Architekt kein Honorar für die nicht mehr erbrachten Leistungen. Bei seinem gewählten Vorgehen steht er nicht einem Architekten gleich, dem der Auftrag vom Bauherrn gekündigt wird (§ 649 BGB), sondern seine Ansprüche bestimmen sich nach §§ 643, 645 BGB.

Praxishinweis
Eine Absicherung durch Grundbucheintragung (§ 648 BGB) erhält der Architekt erst, wenn sich seine Arbeit im Grundstücks-/Bauwerkswert niederschlägt. Anders hier: Richtigerweise kommt es bei der Bürgschaft (§ 648 a BGB) darauf nicht an.

Ob die Regelung der (so genannten) Handwerkersicherungsbürgschaft es nicht zulässt, dem Architekten auch den Schaden wegen des nicht mehr ausgeführten Restvertrages zu kompensieren, wird die Zukunft zeigen. Zumindest hätte man hier auch an eine (weitere) Verletzung der Mitwirkungspflicht des Bauherrn denken können, nämlich die Nichtzahlung der Abschlagszahlung. Es kann im Ergebnis ernstlich keinen Unterschied machen, ob der Bauherr kündigt oder den Architekten durch mangelnde Zahlung und mangelnde sonstige Mitwirkung (Freigabe, Unterschrift auf dem Bauantrag usw.) in die Kündigung treibt.

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Neues zum groben Behandlungsfehler

BGH, Urteil vom 27.4.2004 — Aktenzeichen: VI ZR 34/03

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 27.4.2004 (VI ZR 34/03) klargestellt: Ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, führt grundsätzlich zu einer Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden. Dafür reiche – so der BGH –, dass der grobe Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; nahe legen oder gar wahrscheinlich machen muss der Fehler den Schaden nicht. Entsprechendes gelte auch für die Beweislast bei Befunderhebungsfehlern.

Sachverhalt
Nach einem Motorradunfall wurde der Kläger ins beklagte Krankenhaus eingeliefert. Dort wurden einige Frakturen an Rippen und Wirbelkörpern diagnostiziert. Nicht bemerkt wurde eine Beckenringfraktur. Zunächst wurde Bettruhe verordnet, einige Tage später wurde der Kläger mobilisiert. Wenig später verspürte der Kläger Schmerzen beim Gehen. Röntgenaufnahmen wurden nicht veranlasst; die Beckenringfraktur blieb weiterhin unentdeckt. Die behandelnden Ärzte verschrieben bei weiterer Mobilisierung auch jetzt keine Unterarmgehstützen. Nach Entlassung des Klägers begab sich dieser bei persistierenden Schmerzen anderweitig in ärztliche Behandlung. Eine dort veranlasste Beckenübersichtsaufnahme zeigte den Beckenringbruch. Der Bruch war mit einer Verschiebung zusammengewachsen; diagnostiziert wurde eine Pseudoarthrose.

Der Kläger klagte auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Es sei behandlungsfehlerhaft gewesen, dass die Beckenringfraktur nicht schon im Krankenhaus erkannt worden sei. Die festgestellte Pseudoarthrose (neben weiteren Beschwerden) sei darauf zurückzuführen. Die Klage wurde abgewiesen; die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg; das Oberlandesgericht war der Auffassung, dass es in der Verantwortung des Tatrichters im Einzelfall liege, über die Zubilligung von Beweiserleichterungen sowie über deren Umfang und Qualität zu entscheiden. Darin stimmt der Bundesgerichtshof indes nicht zu und hob die Entscheidung auf und verwies die Sache zurück.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat nun klargestellt, dass es im Falle eines groben Behandlungsfehlers (ein solcher muss natürlich vorliegen) nicht um abgestufte Beweiserleichterungen gehe, sondern um die Umkehr der Beweislast. Es gibt keinen „Ermessensspielraum“ des Richters. Die Verlagerung der Beweislast bei einem groben Behandlungsfehler sei nur dann ausgeschlossen, wenn angesichts der geringen Schadensneigung des Fehlers der Ursachenzusammenhang zwischen dem groben Behandlungsfehler und Schaden gänzlich bzw. äußerst unwahrscheinlich sei. Ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbei zu führen, führt zu einer Umkehr der Beweislast für den Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden. Dafür reiche – so der BGH – die Eignung des Fehlers, den Schaden zu verursachen; nahe legen oder wahrscheinlich machen müsse der Fehler den Schaden nicht.

Der Bundesgerichtshof hat weiter ausgeführt, dass diese Grundsätze entsprechend für den Nachweis des Kausalzusammenhangs bei einem einfachen Befunderhebungsfehler gelten, wenn – wie in dem Fall – zugleich auf einen groben Behandlungsfehler zu schließen ist, weil sich bei der unterlassenen Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion auf ihn als grob fehlerhaft darstellen würde. Ist das Verkennen des gravierenden Befundes oder die Nichtreaktion auf ihn generell geeignet, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbei zu führen, tritt nach Einschätzung des BGH – wenn nicht ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Fehler und dem Schaden äußerst unwahrscheinlich ist – grundsätzlich eine Beweislastumkehr ein. In einem derartigen Fall führt nämlich bereits das nicht grob fehlerhafte Unterlassen der gebotenen Befunderhebung wie ein groberes Kausalverlaufs. Es verhindert die Entdeckung des wahrscheinlich gravierenden Befundes und eine entsprechende Reaktion darauf mit der Folge, dass hierdurch das Spektrum der für die Schädigung des Patienten in Betracht kommenden Ursachen besonders verbreitert oder verschoben wird.

Genau dies galt nach Ansicht des BGH in dem zu entscheidenden Fall. Die Befunde waren nicht erhoben. Der (einfache) Befunderhebungsfehler hat die gebotene und zur Vermeidung des eingetretenen Schadens geeignete Reaktion auf die Beckenringfraktur verhindert. Die Aufklärung des hypothetischen weiteren Krankheitsverlaufs war erschwert.

Praxishinweis
So sehr die Entscheidung auch aus Patientensicht zu begrüßen ist, ist nicht zu verkennen, dass dem Tatrichter Spielräume bleiben bei der Frage, ob ein Behandlungsfehler letztlich als grob fehlerhaft zu bewerten ist. An dieser Stelle entscheidet sich also häufig der Prozess. Nach wie vor sind Gerichte und insbesondere Sachverständige mit der Bewertung eines Fehlers als grob fehlerhaft sehr zurückhaltend.

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Schlechte Zahlungsmoral – Wie sichert sich der Unternehmer?

Seit Jahren liegt die Bauwirtschaft am Boden. Aufträge bleiben aus. Rechnungen werden nicht bezahlt. Bauunternehmen werden insolvent. Für die Misere wird (auch) die schlechte Zahlungsmoral der Auftraggeber verantwortlich gemacht. Die Zahlungsmoral verbessern soll nun das geplante Forderungssicherungsgesetz. Ob dies gelingen kann, wird kontrovers diskutiert.

Bisherige Versuche des Gesetzgebers, durch Regelungen die Zahlungsbereitschaft von Auftraggebern zu verbessern, waren weitestgehend erfolglos, auch weil die Baupraxis das rechtliche Instrumentarium nicht annahm. Nun soll das Forderungssicherungsgesetz den Handwerkern Geld in die Kassen spülen.

Der Bundesrat hat – nach zahlreichen Diskussionen in Arbeitsgruppen und Unterarbeits-gruppen – am 11.6.2004 den Entwurf des Forderungssicherungsgesetz in das Gesetzgebungs-verfahren eingebracht (BR-Drucksache 458/04). Dabei hat man sich auf die Fahne geschrieben, durch ein Bündel von Maßnahmen die Zahlungsmoral bessern zu wollen. So sollen Handwerksbetriebe in die Lage versetzt werden, ihre Werklohnansprüche effektiv zu sichern.

Folgende Neuerungen sind angedacht:

  • Der Handwerker soll im Hinblick auf viel zu lange dauernde Prozesse durch eine vorläufige Zahlungsanordnung des Gerichts schneller an einen vollstreckbaren Zahlungstitel gelangen können, wenn nach Auffassung des Gerichts die Klage nach bisherigem Sach- und Streitstand hohe Aussicht auf Erfolg hat und die Anordnung nach Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt ist, die sich aus der voraussichtlichen Verfahrensdauer ergeben.
  • Ferner soll der Handwerker einen Anspruch auf Abschlagszahlung haben, wenn er seinem Auftraggeber die vertragsgemäße Leistung in nicht mehr entziehbarer Weise zur Verfügung gestellt hat. Im Gegenzug kann der Auftraggeber allerdings eine Sicherheit in Höhe von 5 % des Vergütungsanspruchs verlangen, dass das Werk rechtzeitig und ohne wesentliche Mängel fertig gestellt wird. Die schmälert natürlich die Liquidität des Handwerkers.
  • Neu ist auch, dass Subunternehmer ihr Geld nicht nur fordern können, wenn der Bauherr gezahlt hat, sondern auch wenn das Werk ohne Zahlung abgenommen wurde oder der Generalunternehmer keine Angaben über die eingegangene Zahlung macht.
  • Der Druckzuschlag aus dem Zurückbehaltungsrecht, der bisher den dreifachen Wert der Mängelbeseitigungskosten betrug, wird auf den zweifachen Wert reduziert.
  • Der Anspruch auf Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB wird (klarstellend) auf die Zeit nach Abnahme des Werkes erweitert.
  • Kündigt ein Auftraggeber den Vertrag nach § 649 BGB, soll der Unternehmer künftig 5 % der vereinbarten (wenn auch noch nicht verdienten) Vergütung beanspruchen können.

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Haftung des Eigenheimerwerbers für Mängel von Eigenleistungen?

LG Arnsberg, Urteil vom 12.5.2004 — Aktenzeichen: Az. 2 O 104/04 (rechtskräftig)

Ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung ist der Erwerber einer Eigentumswohnung gegenüber dem Bauträger nicht gewährleistungspflichtig.

Problem / Sachverhalt
Die Erwerber einer neu zu errichtenden Eigentumswohnung in einem Sechsfamilienhaus errichten u.a. die Innentreppe in der Wohnung als Eigenleistung. Bald nach Fertigstellung des Hauses rügt ein anderer Erwerber Mängel im Trittschallschutz. Der Bauträger führt daraufhin ein selbständiges Beweisverfahren durch. Der Sachverständige gelangt zu dem Schluss, dass die Treppe nicht schalltechnisch vom Baukörper getrennt ist. Die Erwerber lösen das Problem, indem sie die Treppenstufen mit Teppichboden belegen. Der Bauträger verlangt nun die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens von den Erwerbern erstattet.

Entscheidung
Ohne Erfolg. Das Landgericht weist die Klage ab, weil es keine Anspruchsgrundlage gibt. Im notariellen Vertrag zeichnet sich der Bauträger zwar von jeder Verantwortung und von jeder Überwachungspflicht für Eigenleistungen frei. Das bedeutet aber nicht, dass der Erwerber gegenüber dem Bauträger wie einer seiner Nachunternehmer gewährleistungspflichtig wäre. Eine solche Vereinbarung enthielt der Vertrag nicht. Die Pflicht zur Übernahme der Gutachterkosten würde aber eine vertragliche Pflichtverletzung der Erwerber voraussetzen. Die Berufung wurde nach entsprechendem Hinweis des OLG Hamm zurückgenommen.

Praxishinweis
Das Urteil zeigt die Schwierigkeiten des Bauträgers bei Eigenleistungen des Erwerbers auf. Solange sich Mängel nur in der Wohnung des Erwerbers auswirken, reicht die auch hier vereinbarte Freizeichnung von eigener Verantwortlichkeit aus. Wirken sich die Mängel der Eigenleistung aber auf die übrigen Wohneinheiten aus – wie exemplarisch beim Schallschutz – dann offenbart sich das Dilemma. Der Bauträger schuldet nämlich den übrigen Erwerbern mängelfreie Wohnungen trotz Eigenleistungen. Diese Verpflichtung kann es erforderlich machen, dass der Bauträger – obwohl er gegenüber demjenigen Erwerber, der die Eigenleistungen erbringt, nicht dazu verpflichtet ist – dessen Arbeiten gleichwohl begleiten und überwachen muss. Seinen Käufer kann er für mangelhafte Eigenleistungen per Gesetz nicht etwa in die Gewährleistung nehmen wie einen seiner übrigen Auftragnehmer. Ob man anderes ausdrücklich in einem Notarvertrag vereinbaren dürfte, erscheint wegen der AGB-Problematik zweifelhaft, war aber vorliegend vom Gericht nicht zu beantworten.

Von dem hier behandelten Problemkreis abzugrenzen sind spätere Um- und Einbauten eines Erwerbers nach der Abnahme. Wenn dadurch Probleme entstehen, dürften diese nur über das Wohnungseigentumsgesetz zwischen den Wohnungseigentümern zu lösen sein.

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Zulässigkeit von Wahlpositionen

OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.3.2004 — Aktenzeichen: VII-Verg 7/04
  1. Jedenfalls Wahlpositionen von einiger Bedeutung dürfen nur ausgeschrieben werden, wenn der Vergabestelle ein berechtigtes Interesse zur Seite steht.
  2. Zur Gewährleistung eines transparenten Vergabeverfahrens muss die Vergabestelle dem Bieterkreis vorab die Kriterien bekannt geben, die für die Inanspruchnahme der ausgeschriebenen Wahlpositionen maßgebend sein sollen.

Problem / Sachverhalt
Eine Rathausfassade wird in einem nichtoffenen Verfahren nach öffentlicher Vergabebekanntmachung zur Vergabe ausgeschrieben. Ein nicht für den Zuschlag vorgesehener Bieter beantragt die Aufhebung eines Vergabeverfahrens mit der Begründung, es sei eine unzulässige Vielzahl von Wahlpositionen verwendet worden. Insbesondere hat die Vergabestelle eine Fassade in Weißglas, alternativ in Floatglas oder in Blechausführung vorgesehen. Gleiches galt für die Lamellen. Ferner war wahlweise eine Doppel- und eine Einfachfassade ausgeschrieben.

In den Ausschreibungsunterlagen findet sich keine Erläuterung dazu, warum die verschiedenen Varianten ausgeschrieben sind.

Entscheidung
Das Vergabeverfahren ist aufzuheben. Die Aufnahme von Wahlpositionen in ein Leistungsverzeichnis ist nicht von vornherein unstatthaft. Die Vergabestelle muss hieran jedoch ein berechtigtes Interesse haben, weil Wahlpositionen die Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung beeinträchtigen und die Transparenz der Vergabe berühren.

Diese strengen Anforderungen gelten jedenfalls dann, wenn gewichtige Teile der Gesamtleistung unter diesem Wahlvorbehalt stehen.

Der Vergabestelle steht hier schon ein berechtigtes Interesse zur Seite. Sie hat ihr Vorgehen nachvollziehbar damit gerechtfertigt, dass für die Erneuerung der Rathausfassade lediglich Haushaltsmittel in Höhe von 4,45 Mio. € zur Verfügung stehen. Angesichts dieser begrenzten Haushaltsmittel ist nicht vorhersehbar, ob die in erster Linie bevorzugte Auführungsvariante durchführbar ist oder ob auf eine kostengünstigere Gestaltungsalternative zurückzugreifen ist. Die Vergabestelle muss nicht mehrere zeit- und kostenintensive Vergabeverfahren nacheinander durchführen und kann stattdessen Wahlpositionen ausschreiben.

Die Vergabestelle muss allerdings zur Gewährleistung eines transparenten Vergabeverfahrens dem Bieterkreis vorab die Kriterien bekannt geben, die für die Inanspruchnahme der ausgeschriebenen Wahlpositionen maßgebend sein sollen. Sie hätte dazu in ihren Verdingungsunterlagen auf die begrenzten Haushaltsmittel als entscheidender Maßstab hinweisen und festlegen müssen, in welcher Reihenfolge die Varianten von ihr bevorzugt werden. Dadurch wäre auch jede Manipulationsmöglichkeit beim Zuschlag mit Hilfe der Wahlpositionen ausgeschlossen worden.

Praxishinweis
Mit dieser Entscheidung gibt das OLG Düsseldorf wichtige Leitlinien für die Aufnahme von Wahlpositionen vor. Die Vergabestelle muss sich von Anfang an Gedanken machen, warum überhaupt Wahlpositionen notwendig sind und sie muss die Wahlkriterien schon in der Ausschreibung festlegen. Dieser Weg ist sicher vorzugswürdig gegenüber der Auffassung der VK Arnsberg, wonach „eine große Menge“ an Wahlpositionen immer unzulässig sein sollte.

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