Reithallendach muss dicht sein.

OLG Hamm, Urteil vom 10.3.2006 — Aktenzeichen: 12 U 15/03 (im Verfahren)

Sachverhalt
Der Auftraggeber bestellte eine neues Dach für seine Reithalle. Der Dachdecker deckt das Dach neu und verlangt im Prozess Restwerklohn. Der Reithallenbesitzer verweigert die Restzahlung mit der Begründung, dass bei starkem Regen das Dach teilweise nicht hundertprozentig dicht sei. Der Dachdecker hält dem entgegen, dass wegen der Art der Nutzung das Dach einer Reithalle nicht gänzlich regendicht, sondern lediglich regensicher sein müsse. Das Landgericht ist dieser Auffassung des Dachdeckers gefolgt. Der 12. Zivilsenat als einer der Bausenate des OLG Hamm sieht dies in der Berufungsinstanz anders.

Entscheidung
Das OLG Hamm führt aus, dass nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag ein regendichtes und nicht lediglich ein regensicheres Dach geschuldet sei. Entscheidend ist nach Auffassung des OLG Hamm insoweit der Umstand, dass der Dachdecker den Auftraggeber auch nicht darauf hingewiesen habe, dass lediglich Regensicherheit erreicht werde. Dies hat zur Folge, dass die vertraglich geschuldete Dacheindeckung im Streitfall regendicht seien musste. Das OLG hat auch offen gelassen, ob derartige Reithallendächer typischerweise lediglich regensicher ausgeführt werden oder nicht. Offen gelassen hat das OLG ferner, ob für eine solche Ausführung mit dem Ergebnis lediglich der Regensicherheit auch die Höhe des vereinbarten Festpreises spricht. Denn ein Auftragnehmer – hier der Dachdecker – schulde auch bei einer preisgünstigen Halle ein funktionstaugliches und regendichtes Dach, wenn nicht eine andere Beschaffenheit – hier: nur „regensicher“ – vertraglich vereinbart worden sei.

Hinweis für die Praxis
Die Ausführungen des OLG Hamm in dem skizzierten Urteil lassen sich verallgemeinern:

Will der Handwerker/Bauunternehmer unter anderem auch im Hinblick auf einen niedrigen Preis eine einfachere Ausführung (im Streitfall: Regensicherheit statt Regendichtheit) vereinbaren, so muss zwingend ausdrücklich darauf hingewiesen werden. Es empfiehlt sich, diesen Hinweis zwecks Dokumentation schriftlich zu erteilen. Im Übrigen muss dieser Hinweis vor oder spätestens bei Vertragschluss erfolgen.

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Fälligkeit vor Ablauf der Prüfungsfrist?

BGH, Urteil vom 19.1.2006 — Aktenzeichen: IX ZR 104/03

Leitsatz
Die Vergütung des Werkunternehmers wird beim VOB/B-Vertrag bereits vor Ablauf der Prüfungsfrist von zwei Monaten ab Zugang der Schlussrechnung fällig, wenn der Auftraggeber die Schlussrechnung vorher prüft und feststellt. Auch in der wirtschaftlichen Krise kann der Werkunternehmer aufrechnen, selbst dann wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, das Verfahren allerdings noch nicht eröffnet und keine vorläufigen Sicherungsmaßnahmen veranlasst worden sind.

Sachverhalt
Der Werkunternehmer ging pleite. Der vorläufige Insolvenzverwalter klagte eine Restvergütung aus einem VOB/B-Vertrag ein. Der Auftraggeber wandte ein, ihm stehe aus einem anderen Bauvorhaben noch eine Forderung gegen den Werkunternehmer zu und erklärte die Aufrechnung. Dazu hatte der Auftraggeber noch vor Klageerhebung Schlussrechnung gelegt, die der Werkunternehmer etwa 4 Wochen später, noch vor Klageerhebung prüfte. Der Insolvenzverwalter vertrat die Ansicht, die Aufrechnung sei insolvenzrechtlich nicht zulässig. Das OLG Brandenburg ist dieser Einschätzung nicht gefolgt. Der Bundesgerichtshof hat dies gebilligt und die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Entscheidung
Der BGH hat gemeint, dass die vom Auftraggeber zur Aufrechnung gestellte eigene Vergütungsforderung bereits mit Prüfung und Feststellung der Schlussrechnung fällig geworden sei. Auf den Ablauf der nach § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B maßgeblichen Höchstfrist von zwei Monaten komme es nicht an. Daher habe der Auftraggeber noch aufrechnen können.

Hinweis für die Praxis
Nach den Regelungen in der Insolvenzordnung ist eine Aufrechnung des Insolvenzgläubigers mit eigenen Gegenforderungen gegen Forderungen des Insolvenzverwalters unzulässig, wenn die Gegenforderungen erst nach Insolvenzverfahrenseröffnung und später als die Forderung des Insolvenzverwalters fällig werden. Im vorliegenden Fall hat der Auftraggeber gut daran getan, schlussabzurechnen. Hätte er mit der Schlussrechnung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugewartet, hätte er den Prozess verloren.

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Versorgungsleitungen und Erkundigungspflicht des Bauunternehmers

BGH, Urteil vom 20.12.2005 — Aktenzeichen: VI ZR 33/05

Eine Erkundigungspflicht eines Bauunternehmers nach dem Verlauf von Versorgungs-leitungen vor Grabungsarbeiten auf einem Privatgrundstück besteht nur dann, wenn es konkrete Anhaltspunkte für dort verlegte Versorgungsleitungen gibt.

Sachverhalt
Ein Energieversorger verlangt von einem Tiefbauer Schadensersatz wegen der Beschädigung eines unterirdisch verlegten Stromkabels. Der Tiefbauer wurde von einem Grundstückseigentümer beauftragt, auf dessen Privatgrundstück eine Regenentwässerungsanlage zu errichten. Bei Baggerarbeiten wurde die Stromleitung – von dieser hatte der Grundstückseigentümer keine Kenntnis – beschädigt. Es kam zu einer längeren Versorgungsunterbrechung. Der Energieversorger meinte, der Tiefbauer habe sich vor Beginn der Arbeiten bei ihr nach dem Kabelverlauf erkundigen, jedenfalls sicher stellen müssen, dass Kabel nicht beschädigt werden.

Dies sah der Bundesgerichtshof letztlich anders.

Entscheidung
Zwar bestünden – so der Bundesgerichtshof – hohe Anforderungen an die Pflicht von Tiefbauunternehmen, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach Existenz und Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen. Denn öffentliche Verkehrsflächen würden regelmäßig dazu genutzt, dort Leitungen zu verlegen. Um den unverhältnismäßig großen Gefahren, die durch Beschädigungen von Strom- und anderen Versorgungsleitungen hervorgerufen werden können, zu begegnen, sei mit äußerster Vorsicht vor allem bei der Verwendung von Baggern und anderem schwerem Arbeitsgerät vorzugehen. Der Tiefbauunternehmer müsse sich daher – so der Bundesgerichtshof – nach dem Verlauf von Leitungen erkundigen. Dies sei allerdings auf Privatgrundstücken anders zu beurteilen. Dem Bauunternehmer vor jedweden Grabungsarbeiten auf einem dem Privatgebrauch dienenden Grundstück die Verpflichtung aufzuerlegen, Erkundigungen bei den örtlichen Energieversorgern einzuholen, überschreite die Grenze des Zumutbaren. Nur bei konkreten Anhaltspunkten, dass dort unterirdisch Leitungen liegen, müsse sich der Tiefbauunternehmer erkundigen.

Hinweis für die Praxis
Die hohen Anforderungen bei Tiefbauarbeiten hinsichtlich der Überprüfung des Untergrunds gelten bei Erdarbeiten auf Privatgrundstücken nicht uneingeschränkt.

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Wer trägt das Risiko von Stahlpreiserhöhungen?

Dr. Ingo SchmidtDr. Ingo Schmidt

OLG Hamburg, Urteil vom 28.12.2005 — Aktenzeichen: 14 U 124/05

Der Stahlbauunternehmer kann nicht Anpassung angebotener Preise verlangen, wenn die Stahlpreise auf dem Weltmarkt steigen. Auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB kann er sich nicht berufen.

Sachverhalt
Der Auftragnehmer schuldet dem Auftraggeber Stahlbauleistungen. Sein Angebot hat er auf Grundlage eines freibleibenden Angebots seines Stahllieferanten kalkuliert. Das Angebot wurde dem Auftraggeber übermittelt. Just in diesem Moment begannen die Stahlpreise auf dem Weltmarkt stark zu steigen. Der Auftraggeber nahm (natürlich) das sich nunmehr als günstig erweisende Angebot des Auftragnehmers an.

Der Auftragnehmer beruft sich – aufgrund der drastischen Stahlpreiserhöhung auf dem Weltmarkt — auf eine Störung der Geschäftsgrundlage und verlangt die Vereinbarung neuer Preise. Damit war der Auftraggeber nicht einverstanden. Dies nahm der Auftragnehmer zum Anlass, seine Leistungen zu verweigern. Nunmehr drohte großer Schaden. Um einen Stillstand des Bauvorhabens zu vermeiden, vereinbarten die Parteien zunächst höhere Zahlungen, die allerdings unter dem Vorbehalt der Rückforderung standen. Nach Beendigung der Arbeiten verlangte der Auftraggeber Rückzahlung.

Im Ergebnis mit Erfolg.

Entscheidung
Das OLG Hamburg vertritt die Auffassung, dass die eingetretene Preiserhöhung ausschließlich in den Risikobereich des Auftragnehmers falle. Denn für den Auftraggeber sei nicht erkennbar gewesen, dass der Auftragnehmer seinen Preis auf Grundlage eines Angebots des Stahllieferanten kalkuliert habe. Aus diesem Grund sei das Angebot des Lieferanten auch nicht Vertragsgrundlage geworden. Es sei lediglich eine einseitige Erwartung des Auftragnehmers geblieben, sich auf dem Stahlmarkt zu auskömmlichen Preisen mit dem benötigten Stahl eindecken zu können. Auch dem Einwand des Auftragnehmers, es sei nicht gerechtfertigt, dieses außergewöhnliche Risiko einer Stahlpreiserhöhung ihm allein aufzubürden, zog nicht. Das OLG meint, es handele sich hier vielmehr um eine typische vertragliche Risikoverteilung.

Hinweis für die Praxis
Das Risiko, dass sich ein kalkulierter und angebotener Preis späterhin als nicht auskömmlich erweist, trägt grundsätzlich der Auftragnehmer. Dies entspricht auch dem geltenden Baurecht. § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) ändert daran nichts. Dies könnte allenfalls dann anders sein – und so kann das Urteil des OLG Hamburg interpretiert werden -, wenn der anbietende Auftragnehmer seine Einkaufspreise für Stahl im Rahmen der Angebotsphase offen legt. In dieser Konstellation könnte – so jedenfalls das OLG Hamburg – der Einkaufspreis Geschäftsgrundlage werden.

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Wann ist eine AGB-Klausel „zur mehrfachen Verwendung“ vorformuliert?

Dr. Harald ScholzDr. Harald Scholz

BGH, Urteil vom 24.11.2005 — Aktenzeichen: VII ZR 87/04

Wer eine Klausel nur ein einziges Mal einsetzen will, dafür aber ein Muster verwendet, das ein Dritter für eine Vielzahl von Verträgen entworfen hat, verwendet Allgemeine Geschäftsbedingungen.

Problem/Sachverhalt
Der Bauherr beauftragt eine Ingenieurgesellschaft mit der Ausschreibung von Rohrleitungen zur Trinkwasserversorgung. In den „Vorbemerkungen / Baustelleneinrichtung“ finden sich Regelungen, wonach der Auftragnehmer Dusch-, Wasch- und WC-Container für die Bewohner aufzustellen, fremden Bauschutt zu entsorgen und für alle Gewerke eine Baustromversorgung aufrechtzuerhalten habe. Dies soll er in die Einheitspreise einkalkulieren. Der Bieter übersieht dies zunächst bei Angebotsabgabe; er weist dann in einem Schreiben auf seinen Irrtum hin, erhält aber vom Bauherrn trotzdem den Zuschlag, weil er der günstigste war. Die Parteien streiten mittlerweile um Schadensersatz, weil der Bieter sich geweigert hat, den Auftrag auszuführen.

Entscheidung
Das Berufungsgericht hat gemeint, der Bauherr dürfe Schadensersatz verlangen. Der BGH kann die Sache nicht selbst entscheiden, weist aber auf Fehler hin und schickt den Fall zurück an das Berufungsgericht.

Grundsätzlich ist der Bieter an sein Angebot gebunden. Allerdings liegt in der Weigerung, die Leistungen lt. Vorbemerkungen kostenlos auszuführen, nur dann ein Vertragsbruch, wenn der Vertrag mit dieser Regelung zustande gekommen ist. Hier kommt jetzt die Frage nach AGB ins Spiel. Denn gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann man sich deutlich besser verteidigen als gegen eine individuell vereinbarte Regelung.

Das Berufungsgericht hatte gemeint: Weil der Bauherr die Bedingungen nur einmal habe verwenden wollen, seien es keine AGB. Anders der BGH: Weil die Ingenieure (wohl) ständig mit solchen Vorbemerkungen arbeiteten, liegen AGB zum mehrfachen Gebrauch vor. Sie verlieren diesen Charakter nicht dadurch, dass sich ein Bauherr nur in einem Einzelfall dieser Klauseln bedient. Sie sind trotzdem vorformuliert „für eine Vielzahl von Verträgen“ (§ 305 BGB).

Der Bieter hat jetzt bei Fortsetzung des Prozesses bessere Chancen, z.B. einzuwenden, die Klausel sei im Kleingedruckten nicht zulässig, weil eine Überraschungsklausel vorliege.

Praxishinweis
Der BGH stellt einen wichtigen Grundsatz des AGB-Rechts nochmals klar. Das war besonders wichtig, weil in einer Entscheidung vom 13.09.2001 (Baurecht 2001, Seite 1895) ein anderer Eindruck aufkommen konnte. Daher gilt z.B. auch weiterhin, dass Formularverträge der Kontrolle auf Angemessenheit unterliegen, auch wenn sie von dem einen Vertragspartner nur für einen einzigen Fall benutzt werden. Beispielsweise ein Musterkaufvertrag vom ADAC, ein Mustermietvertrag vom Haus- und Grundbesitzerverein oder ein vorgedruckter VOB/B-Bauvertrag aus dem Buchhandel oder vom Architekten.

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Arbeitseinstellung bei Streit über Nachträge

Problem/Sachverhalt
Das OLG Düsseldorf hatte einen Fall zu entscheiden, in dem es während der Durchführung eines Bauvorhabens zu Auseinandersetzungen über Nachträge kam. Der Auftragnehmer stellte seine Arbeiten ein. Der Auftraggeber erteilte die Nachträge dem Grunde nach, worauf der Auftragnehmer eine Sicherheit nach § 648a BGB verlangte, die wiederum der Auftraggeber nicht leistete. Der Auftraggeber setzte eine Frist zur Wiederaufnahme der Arbeiten, die fruchtlos verstrich. Sodann entzog der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Auftrag gemäß § 5 Nr. 4 VOB/B i.V.m. § 8 Nr. 3 VOB/B. Mit der Schlussrechnung machte der Auftragnehmer „Schadensersatz/Gewinnausfall“ in Höhe von 150.000,00 € geltend. Der Auftraggeber kürzte die Rechnung auf 15.000,00 €. Der Auftragnehmer erhob Klage.

Entscheidung

Die Klage blieb erfolglos.

Der Auftraggeber ist gemäß § 1 Nr. 3 VOB/B berechtigt, Bauentwurfsänderungen vorzunehmen. Als Folge dieses Rechts entsteht der Vergütungsanspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B. Grundlage des Vergütungsanspruches ist die ursprüngliche Preisvereinbarung mit dem Auftragnehmer, hinzuzusetzen sind die vorauskalkulierten Mehr- und Minderkosten. Zwar soll gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B eine neue Preisvereinbarung getroffen werden, dies möglichst vor Beginn der Ausführung. Doch ist dies letztlich lediglich eine Empfehlung, nicht aber eine Wirksamkeitsvoraussetzung. Eine fehlende Einigung über die Höhe einer dem Grunde nach unstreitigen Nachtragsvergütung berechtigt den Auftragnehmer nicht, die Arbeiten einzustellen.

Auch ist der Auftragnehmer nicht berechtigt, auf der Grundlage einer neuen Berechnung des Werklohns eine höhere Sicherheitsleistung nach § 648a BGB zu verlangen, wenn es eine neue Preisvereinbarung noch nicht gibt. Einer solchen bedarf es allerdings nach Auffassung des OLG Düsseldorf als Grundlage einer Sicherheitsleistung.

Praxishinweis
Vor der Möglichkeit des Leistungsverweigerungsrechts sollte nur ganz zurückhaltend durch den ausführenden Handwerker Gebrauch gemacht werden. Nur ausnahmsweise kommt das Leistungsverweigerungsrecht im Hinblick auf § 18 Nr. 4 VOB/B in Betracht. Nur in den Fällen, in denen der Auftraggeber die Bezahlung einer berechtigten Nachtragsforderung nachhaltig verweigert, kann ein Recht zur Arbeitseinstellung angenommen werden. Bei dem oben geschilderten Fall war diese Voraussetzung nicht erfüllt. Die Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf ist insoweit zutreffend.

Bedenklich allerdings erscheint die Begründung des OLG Düsseldorf zum angeblich nicht bestehenden Anspruch auf Leistung einer Sicherheit gemäß § 648a BGB. Die Sicherheit nach § 648a Abs. 1 Satz 2 BGB ist in Höhe der voraussichtlichen Vergütung zu leisten, wie sie sich aus dem Vertrag oder dem Nachtrag ergibt. Folgerichtig hätte das OLG Düsseldorf zumindest den Anspruch auf Leistung einer Sicherheit gemäß § 648a BGB bejahen müssen, da es sich im Streitfall um einen unstreitigen Nachtrag handelt, die voraussichtliche Vergütung folglich zu berechnen ist.

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Funktionale Baubeschreibung – Was ist geschuldet?

OLG Celle, Urteil vom 14.7.2005 — Aktenzeichen: 14 U 217/04

In Bauverträgen bleibt es nicht selten dem Werkunternehmer überlassen, die Details der Ausführung festzulegen. Dies gilt insbesondere bei funktionalen Leistungsbeschreibungen. Dies kann für den Werkunternehmer gefährlich sein.

Sachverhalt
Der Auftragnehmer schuldete einem öffentlichen Auftraggeber den Bau einer Brücke. Im Leistungsverzeichnis wurde vereinbart, dass der Stahlüberbau „entsprechend den statischen und konstruktiven Erfordernissen nach Zeichnung“ unter Verwendung zweier bestimmter, unterschiedlich teurer Stahlsorten erfolgen solle. Als Einheitspreis pro Tonne Stahl setzte der Auftragnehmer – nachdem er in die ungeprüfte Statik Einblick nahm – einen Betrag von rund 3.000 DM ein, ohne allerdings zwischen den Stahlarten zu differenzieren. Der Auftragnehmer hatte die Vorstellung, bei dem Stahlüberbau ganz überwiegend den preiswerten Stahl verwenden zu können. Ein Trugschluss, wie sich später zeigte. Nachdem der Auftragnehmer den Zuschlag erhalten hatte, wurde deutlich, dass ganz überwiegend der teure Stahl zu verwenden war. Die Mehrkosten machte der Auftragnehmer unter Hinweis auf die einbezogene VOB/B klageweise geltend.

Durch beide Instanzen ohne Erfolg.

Entscheidung
Die Klage wurde abgewiesen, weil eine zusätzliche, vom Vertrag nicht erfasste Leistung nicht vorlag, was aber nach § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B erforderlich ist. Die Gerichte haben gemeint, der Stahlüberbau sei hinreichend konkret beschrieben; geschuldet sei ein Überbau „entsprechen der statischen und konstruktiven Erfordernisse“ und damit dasjenige Verhältnis der beiden Stahlsorten, das konstruktionstechnisch erforderlich ist. Etwaige Unsicherheiten bei der Ausschreibung, die einer sicheren Kalkulation entgegen stünden, habe – so das OLG – ein Auftragnehmer vor Vertragsschluss zu klären.

Praxishinweis
Die Vereinbarung, eine Leistung „entsprechend statischer und konstruktiver Erfordernisse“ zu erbringen, erweist sich in der Baupraxis nicht selten als gefährlich. Denn vielfach sind erst während eines Bauvorhabens die Anforderungen klar, z.B. weil erst später die maßgebliche Statik vorliegt. Schließt ein Auftragnehmer einen Vertrag, ohne eine umfassende eigene Prüfung des geschuldeten Bausolls vorzunehmen, geschieht dies dann auf eigenes Risiko. Insbesondere darf sich der Auftragnehmer im Falle einer solchen funktionalen Beschreibung nicht auf Mengen- und Massenangaben in Plänen verlassen.

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Schon Vorschlag einer Schlussrechnung löst Verjährungsfrist aus

KG, Urteil vom 18.3.2004 — Aktenzeichen: 27 U 207/03 (BGH Beschluss vom 09.06.2005 : Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Eine Honorarschlussrechnung löst die Fälligkeit aus, auch wenn sie im Begleitschreiben als „Abrechnungsvorschlag“ bezeichnet wird. Mit dem Zugang beginnt die Verjährungsfrist.

Problem/Sachverhalt
Nach Ende von Architektentätigkeiten übersenden die Architekten dem Auftraggeber (AG) am 04.08.1997 ihre „Schlussrechnung“ über 1,6 Mio. DM. In einem Begleitschreiben teilten sie dem AG mit, sie würden diesen Abrechnungsvorschlag vorab zur Kenntnisnahme übersenden und sich dann telefonisch melden. Im Oktober 1998 lehnt der AG das Kompromissangebot ab und bietet maximal 800 TDM. Im Dezember 2001 klagen die Architekten das Honorar von 1,6 Mio. DM ein. Der Auftraggeber wendet Verjährung ein, die Architekten sind der Meinung, eine fälligkeitsbegründende Schlussrechnung liege noch gar nicht vor, sondern nur ein Entwurf.

Entscheidung
Die Klage wird in zwei Instanzen wegen Verjährung abgewiesen. Der BGH beanstandet dies nicht. Mit dem Begleitschreiben, so das Kammergericht Berlin, sollte nur zum Ausdruck gebracht werden, dass man eine Honorardiskussion zu führen bereit sei, nicht aber, dass die Architekten von einer noch fehlerhaften Rechnung ausgingen.

In der Rechnung vom 04.08.1997 ist demnach eine abschließende Erklärung zu sehen, welche Vergütungsansprüche die Architekten selbst für berechtigt hielten. Es handele sich daher um eine Schlussrechnung nach § 8 Absatz 1 HOAI. Die Verjährung habe nach § 196 Nr.7 BGB alter Fassung am 31.12.1999 geendet.

Praxishinweis
Bitter für die Architekten, aber im konkreten Fall wohl zutreffend. Die eigentliche Crux lag sicherlich woanders: Die Architekten hatten schlicht nicht erkannt, dass auch bei gewerblichen Auftraggebern nach altem Recht die Verjährungsfrist für Architektenleistungen nicht vier Jahre betrug (das galt z.B. für die Leistungen von Bauhandwerkern), sondern immer nur zwei Jahre.

Als der Prozess im Jahr 2001 anfing, hatten sich mit Sicherheit auch die Architekten noch auf ihre Rechnung aus dem Jahr 1997 gestützt – die Frage, ob es sich eigentlich nur um einen „Vorentwurf“ der Rechnung handelte, war vermutlich ein verzweifelter Reparaturversuch.

Trotz des Urteils kann man Entwürfe zur Diskussion schicken, wenn man hinreichend klar macht, dass es sich nicht um eine Rechnung handelt (also „Entwurf einer späteren Schlussrechnung“, „Diskussionsgrundlage für die spätere Abrechnung“). Im Zweifelsfall sollte man aber die Finger von solchen Proberechnungen lassen oder vorsorglich den möglichen Verjährungsbeginn beachten.

Die Verjährung für Honorarforderungen beträgt jetzt im Normalfall drei Jahre ab dem Ende des Jahres, in dem die Rechnung gestellt wird. Das gilt aber nur für Verträge, die ab dem 01.01.2002 abgeschlossen worden sind, ansonsten bleibt es für die Altfälle bei zwei Jahren.

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§ 648a-BGB-Sicherheit nach Abnahme

OLG Köln, Urteil vom 5.7.2005 — Aktenzeichen: 24 U 44/05

Verlangt der Bauhandwerker nach der Abnahme Sicherheit nach § 648a BGB und wird diese nicht erbracht, besteht für den Handwerker ein Leistungsverweigerungsrecht. Dies hindert den Auftraggeber allerdings nicht, Mängel selbst zu beseitigen und dann Kostenerstattung zu verlangen. So sieht es jedenfalls das OLG Köln in einer aktuellen Entscheidung.

Sachverhalt
Nach Fertigstellung und Abnahme legt der Handwerker Schlussrechnung. Der Auftraggeber verweigert unter Hinweis auf Mängel die Bezahlung und beruft sich auf ein Zurückbehaltungsrecht. Der Handwerker bietet ausdrücklich Nachbesserung an, macht diese allerdings vor der Absicherung durch eine § 648a-BGB-Sicherheit abhängig. Dies sieht der Auftraggeber nicht ein und lässt nach Ablauf der gesetzten Mängelbeseitigungsfrist die Mängel durch Fremdfirmen beseitigen. Die Kosten dafür verrechnet er mit dem offenen Werklohn. Der Handwerker klagt auf Zahlung der ungekürzten Vergütung und meint, er habe Anspruch auf den vollen Werklohn und die Nachbesserung im Hinblick auf die nicht erbrachte Sicherheit verweigern dürfen.

Dies sah das OLG Köln anders.

Entscheidung
Nach Auffassung des OLG Köln ist der restliche Werklohnanspruch um die dem Auftraggeber entstandenen Kosten der Mängelbeseitigung zu kürzen. Es sei unangemessen, wenn ein Handwerker trotz mangelhafter Leistung den vollen Werklohn erhalte.

Praxishinweis
Die Entscheidung des OLG Köln ist falsch. Offenbar hat sich das OLG von „Gerechtigkeitserwägungen“ leiten lassen, ohne die aktuelle BGH-Rechtsprechung und das Gesetz in den Blick zu nehmen. Wann und unter welchen Voraussetzungen Werklohn zu zahlen ist, sagt das Gesetz. Auf die „Angemessenheit“ kommt es dabei nicht an. Das OLG hat übersehen (wollen), dass der Handwerker ein Leistungsverweigerungsrecht hatte, er brauchte also nicht nachzubessern. Damit lagen die Voraussetzungen, unter denen ein Auftraggeber zur Selbstvornahme schreiten darf, nicht vor. Die Auffassung des OLG Köln bedeutet letztlich ein Leerlaufen der Regelungen über die Bauhandwerkersicherung.

Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof bei Gelegenheit klarstellend eingreift.

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Aufrechnung mit Mängelbeseitigungskosten

OLG Hamm, Urteil vom 28.6.2005 — Aktenzeichen: 21 U 4/04

Das Aufrechnungsverbot des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO gilt nicht für die Aufrechnung mit Mängelbeseitigungskosten in der Insolvenz.

Problem/Sachverhalt
Der Auftragnehmer führte Dachdeckerarbeiten durch. Nach Eintritt der Insolvenz über das Vermögen des Auftragnehmers macht der Insolvenzverwalter den Restwerklohn geltend. Der Auftraggeber verweigert die Zahlung unter Berufung auf Mängel. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO greife ein. Der Auftraggeber könne nicht mit den Mängelbeseitigungskosten aufrechnen. Das Landgericht hat der Klage des Insolvenzverwalters stattgegeben. Diese Wertung hat der 21. Zivilsenat des OLG Hamm korrigiert.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat ausgeführt, der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers/Insolvenzverwalters sei durch Verrechnung mit Mängelgewährleistungsansprüchen gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B des Auftraggebers vollständig aufgezehrt worden. Das OLG führt im einzelnen aus, dass die Leistungen des Auftragnehmers mangelhaft gewesen seien. Der Auftragnehmer könne wegen der Mängelbeseitigungskosten einen auf Zahlung von Geld gerichteten Anspruch geltend machen. Zwar habe der Auftraggeber den Insolvenzverwalter nicht unter Fristsetzung zur Nachbesserung aufgefordert, doch sei diese ausnahmsweise entbehrlich geworden, weil sie sinnlos gewesen wäre. Nach den Feststellungen des OLG hat der Insolvenzverwalter die Mängelansprüche beharrlich zurückgewiesen. Das Aufrechnungsverbot gemäß

§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO stehe der Aufrechnung nicht entgegen. Es handele sich hier um eine sog. Verrechnung, die dazu führe, dass der Werklohnanspruch auch ohne ausdrückliche Erklärung des Auftraggebers von vornherein nur in einer um die Gegenforderung verminderten Höhe bestehe (BGH, IBR 2001, 625). Selbst wenn man der vorgenannten Argumentation nicht folgen wollte, wäre § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht anwendbar. Die Berücksichtigung der Gegenansprüche stellt keine Bevorzugung des Auftraggebers gegenüber anderen Insolvenzgläubigern dar. Vielmehr wäre gerade die Nichtberücksichtigung eine nicht zu rechtfertigende Bevorzugung des mangelhaft leistenden insolventen Auftragnehmers.

Praxishinweis
Die vorrangige Begründung im Urteil des OLG Hamm („Verrechnung“ statt „Aufrechnung“) ist vor dem Hintergrund der aktuellen BGH-Rechtsprechung nicht mehr zu halten. Der BGH hält an seiner bisherigen Rechtsprechung zur „Verrechnung“ ausdrücklich nicht mehr fest (BGH, IBR 2005, 465). Die zweite Begründung des OLG Hamm ist jedoch tragfähig, wenngleich vom BGH bislang nicht entschieden. Vorsorglich sollte deshalb der Auftraggeber durch eine rechtzeitige Fristsetzung die Voraussetzung für die Entstehung eines Zahlungsanspruches aufgrund der Mängelansprüche vor Insolvenzverfahrenseröffnung Sorge tragen.

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