Zahlung auf eine geprüfte Schlussrechnung ist kein Anerkenntnis

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.1.2007 — Aktenzeichen: VII ZR 165/05

Leitsatz
Allein die Zahlung des Werklohns auf eine geprüfte Rechnung rechtfertigt nicht die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses.

Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Landschaftsgärtners. Er verlangt von der beklagten Auftraggeberin restlichen Werklohn für Außenanlagen mehrerer Einfamilienhäuser. Diese Restforderung ist nicht streitig. Die Beklagte verteidigt sich damit, dass Bodenaushub und dessen Abtransport in der bereits vollständig bezahlten Schlussrechnung doppelt in Ansatz gebracht worden sei. Dadurch habe sie einen Teilbetrag zweimal gezahlt. Der Kläger widerspricht und meint „gezahlt ist gezahlt“; durch die Zahlung habe die Beklagte die Forderung beanstandungslos anerkannt.

Sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht akzeptierten diese Einschätzung, womit sich die Beklagte nicht abfinden will. Sie zieht vor den Bundesgerichtshof — mit Erfolg.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof widerspricht der Auffassung des Oberlandesgerichts, die Zahlung sei als deklaratorisches Anerkenntnis zu sehen. Ein solches Schuldanerkenntnis setze nämlich – so der Bundesgerichtshof — voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigen. Die Prüfung einer Rechnung, die Bezahlung einer Rechnung oder auch die Bezahlung nach Prüfung erlauben für sich genommen nicht, ein Anerkenntnis anzunehmen.

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Verkehrssicherung an Baustellen

LG Duisburg, Urteil vom 16.1.2007 — Aktenzeichen: 6 O 234/06

Eigenverantwortlichkeit des Geschädigten hindert Ansprüche wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten

Problem
„Wenn der Deutsche hinfällt, steht er nicht auf, sondern sieht sich um, wer ihm schadensersatzpflichtig ist.“ Wie sehr Tucholsky mit diesem Ausspruch Recht hatte, zeigt die aktuelle Entwicklung: Raucher beschuldigen die Tabakkonzerne, Zuckerkranke verklagen die Süßigkeitenindustrie, Veranstalter eines Konzerts werden für Hörschäden der Besucher zur Kasse gebeten. Wir Deutschen neigen dazu, andere für erlittene Schäden verantwortlich zu machen. Die Grenzen dieses Anspruchsdenkens zeigt das Landgericht Duisburg in einer aktuellen Entscheidung mitten aus dem Leben auf.

Entscheidung
Die Klägerin ließ einen Handwerker in die Wohnung. Dieser sollte ein Heizungsventil austauschen. Seine Werkzeugkiste stellte der Handwerker hinter einem Sessel im Wohnzimmer ab und verließ noch einmal die Wohnung, um weiteres Gerät zu holen. Währenddessen stürzte die Klägerin just über diesen Werkzeugkasten und verletzte sich. Mit Hilfe ihrer Rechtschutzversicherung verklagte sie den Handwerker auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von einigen tausend Euro. Sie meinte, der Handwerker bzw. die hinter diesem stehende Haftpflichtversicherung müsse wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zahlen.

Letztlich ohne Erfolg. Das Landgericht hat gemeint, dass eine Einstandspflicht des Handwerkers schon deshalb ausscheide, weil die Klägerin an dem Missgeschick eindeutig selbst schuld sei. Die Klägerin habe gewusst, dass Reparaturarbeiten unter Einsatz von Werkzeug anstanden; sie wusste auch, dass der Handwerker einen Werkzeugkasten dabei hatte. Selbst wenn die Klägerin den genauen Abstellort des Werkzeugkastens nicht bemerkt hätte, hätte sie sich – so das Landgericht — unter allen Umständen besonders sorgfältig bewegen müssen. Hätte sie gehörigg aufgepasst, hätte sie die Werkzeugkisten nicht einfach übersehen können. Diese Eigenverantwortlichkeit stehe dem Anspruch entgegen.

Hinweis für die Praxis
Immer wieder befassen sich Gerichte mit Verkehrssicherungspflichten an Baustellen. Nicht selten verlieren die Gerichte dabei die Grenzen einer Haftung und den Grundsatz, dass jeder für den Schutz seiner Rechtsgüter selbst verantwortlich ist, aus dem Blick. Verkehrsteilnehmer müssen sich zunächst einmal selber vorsehen. Dieser Selbstschutz begrenzt die legitimen Verkehrserwartungen. Insoweit genießt auch der Verkehrssicherungspflichtige Vertrauensschutz; er darf erwarten, dass diejenigen, die sich auf der Baustelle aufhalten, selbst vorsichtig und nicht unvernünftig oder waghalsig sind.

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Der Architekt als Rechtsanwalt – wo sind die Grenzen?

OLG Stuttgart, Urteil vom 12.10.2006 — Aktenzeichen: 5 U 111/06

Leitsatz
1. Der Architekt braucht den Bauherrn über schwierige genehmigungsrelevante Rechtsfragen nicht zu beraten und muss diese auch nicht klären.

2. Er muss aber den Bauherrn auf die Problematik hinweisen und die Einschaltung eines Rechtskundigen empfehlen.

Sachverhalt
Der Architekt plant eine Tierfutter-Produktionsanlage. Er beantragt und erhält dafür eine Baugenehmigung. Die Anlage wird dann aber stillgelegt, als sich Nachbarn gegen die Anlage wenden: es stellt sich heraus, dass die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung fehlt. Diese schließt dann die Baugenehmigung mit ein, eine bloße Baugenehmigung dagegen nutzt nichts und durfte von der Verwaltung im übrigen nicht erteilt werden.

Der Bauherr verlangt von Architekten Schadensersatz für den Produktionsausfall.

Entscheidung
Die Klage wird abgewiesen.

Der Architekt müsse zwar gute Kenntnisse des Genehmigungsrechts haben. Aber die Klärung wirklich schwieriger Fragen kann von ihm nicht verlangt werden. Wenn die Genehmigungslage rechtlich schwierig ist, muss er nur den Bauherrn hierauf hinweisen, damit dieser zusätzlich Rechtsrat einholen kann. Dieser Hinweis war hier ausnahmsweise überflüssig, weil der Bauherr sich bestens auskannte und schon vor Beauftragung des Architekten mit der Immissionsbehörde selbst intensiv verhandelt hatte.

Glück gehabt! kann man da nur sagen. Denn oft sind die Anforderungen an Architekten hoch. Allein die Tatsache, dass eine Verwaltungsbehörde die Baugenehmigung erteilt, reicht bei späterer Aufhebung zum Beispiel noch nicht aus, um den Architekten zu entschuldigen. Die Grenzen der verlangten Rechtskenntnis sind noch nicht abschließend abgesteckt. Es bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung davon absieht, von Architekten auch auf diesem Feld noch Vollprofitum zu verlangen.

Problembewusstsein allerdings wird man von ihm durchaus verlangen, so dass er zwar keine Lösung bringen, aber die Frage aufwerfen müsste.

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Heizungsrohre ungedämmt: Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten (36.000,00 €) oder nur der Heizmehrkosten (1.300,00 €)?

BGH, Beschluss vom 27.09.2006 — Aktenzeichen: VII ZR 291/05

Leitsatz
1. Der Auftraggeber hat ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten auch dann, wenn er ankündigt, die Mängel nicht beseitigen zu wollen, weil die Beseitigung unzumutbar ist.

2. Verlangt der Auftraggeber die Kosten für die Neuverlegung gedämmter Heizungsrohre als Schadensersatz, sind die Kosten grundsätzlich nicht unverhältnismäßig, auch wenn sie fast dreißig Mal höher liegen als die Heizmehrkosten, die bei ungedämmten Rohren für die Zeit der Lebensdauer für die Heizungsanlage entstehen.

Sachverhalt
Der Auftragnehmer (AN) baute im Haus des Auftraggebers (AG) eine neue Heizungsanlage ein. Fehlerhafter Weise unterblieb die Dämmung der Heizungsleitungen auf dem Rohbeton. Der AG rügt den Mangel, lehnt jedoch eine Neuverlegung als unzumutbar ab. Er macht gegen den AN die Mängelbeseitigungskosten mit ca. 36.000,00 € als Schadensersatz geltend. Der AN meint, die Mängelbeseitigungskosten seien im Verhältnis zu den Heizungsmehrkosten von 1.300,00 € für den gesamten Zeitraum der Lebensdauer der Heizungsanlage unverhältnismäßig.

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Bedeutung der anerkannten Regeln der Technik

Problem
Aus § 13 Nr. 1 VOB/B ergibt sich, dass beim VOB/B-Bauvertrag vom Auftragnehmer die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik geschuldet ist. Letztlich gilt dies auch für einen BGB-Vertrag, in dessen Rahmen der Unternehmer ebenfalls grundsätzlich verpflichtet ist, die anerkannten Regeln der Technik zu beachten.

Anerkannte Regeln der Technik sind keine Rechtsnormen. Sie gelten daher nicht automatisch „kraft Gesetzes“. Anerkannte Regeln der Technik sind vielmehr diejenigen technischen Regeln, die sich in der Wissenschaft als richtig durchgesetzt und die sich in der Baupraxis als richtig bewährt haben. Der Begriff der allgemein anerkannten Regeln der Technik umfasst alle überbetrieblichen technischen Normen, zu denen die DIN-Normen, die Richtlinien des VDI, die Flachdachrichtlinien etc. gehören. Dazu zählen auch mündlich überlieferte technische Regeln, die geschriebenen DIN-Normen sogar vorgehen können, wenn sie den neuesten Stand verkörpern. Dies ist bei überalterten DIN-Normen nicht selten der Fall.

Der Verstoß gegen die DIN-Normen wird im Allgemeinen einen Mangel begründen. Die DIN-Normen legen insoweit den Mindeststandard fest, so dass ein Sachmangel auch dann vorliegen kann, wenn die anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden. Dies kann etwa dann sein, wenn eine besondere Funktionstauglichkeit vereinbart wird.

Eine spannende Frage ist, ob es auch Fälle gibt, in denen gegen eine DIN-Norm verstoßen wird und keine Gewährleistung greift. Mit einem solchen Fall hatte sich das OLG Stuttgart zu befassen:

Ein Bauunternehmer hatte sich verpflichtet, eine Bitumendickbeschichtung aufzubringen. Im Bauvertrag war die Geltung der VOB/B vereinbart. Vertragsgegenstand war auch die DIN 18195; darin ist vorgesehen, dass Bitumendickbeschichtungen in zwei Arbeitsgängen, ggf. auf Grundlage eines Voranstrichs auszuführen sind. Der Bauunternehmer hatte hier die Dickbeschichtung allerdings nur in einem Arbeitsgang angebracht. Die Bauherren beriefen sich wegen der Nichteinhaltung dieser DIN auf einen Mangel.

Das OLG Stuttgart half dem Bauunternehmer. Es war der Auffassung, die Abweichung von der DIN 18195 stelle keinen Werkmangel dar, weil – so die Feststellungen des damaligen gerichtlichen Sachverständigen die gewählte Ausführung durchaus gleichwertig sei. Der Sachverständige hatte ausgeführt, dass aufgrund der Qualität des durch den Unternehmer für die Kelleraußenwände verwendeten Stahlbetons die Schadensgefahr nicht größer als bei einer nach der DIN 18195 abgedichteten Kelleraußenwand sei. Da nach Auffassung des Gutachters die lediglich in einem Arbeitsgang ausgeführte Dickbeschichtung genauso sicher sei wie eine Ausführung nach DIN 18195, löse – so das OLG – die Abweichung von der vertraglichen Beschaffenheit keine Gewährleistungsansprüche aus.

Praxishinweis
DIN-Normen sind nicht heilig. Es lohnt, die Anforderungen in DIN-Normen stets kritisch zu beleuchten; denn möglicherweise spiegeln die DIN-Normen nicht mehr den aktuellen Stand der Technik wieder. DIN-Normen sind also nicht stets mit den anerkannten Regeln der Technik gleichzusetzen, sondern es besteht lediglich eine entsprechende Vermutung – so der Bundesgerichtshof an anderer Stelle. Gelingt es dem Bauunternehmer zu beweisen, dass die von der DIN abweichende Leistung den anerkannten Regeln der Technik entspricht, liegt kein Mangel vor. Aber: Die Entscheidung des OLG Stuttgart betrifft noch die frühere Rechtslage betrifft. Nach neuem Recht ist von einem Mangel bereits dann auszugehen, wenn die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweicht, ohne dass es auf die Funktionstauglichkeit ankommt. Da die DIN-Normen Bestandteil der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen nach VOB/C sind, sind DIN-Normen nach § 1 Nr. 1 S. 2 VOB/B stets Vertragsbestandteil eines VOB-Vertrages. Danach wäre jeder Verstoß gegen eine DIN-Norm zugleich einen Mangel. Dies hat das OLG Celle in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 16.05.2006, 14 U 185/05) so gesehen und ausgeführt, dass eine nicht DIN-gerechte Ausführung von Arbeiten selbst dann einen Mangel im Sinne von § 13 VOB/B darstelle, wenn noch kein Schaden eingetreten und die Funktionstauglichkeit des Gewerks nicht beeinträchtigt sei. Ob sich diese Rechtsprechung letztlich durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

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Neue Mehrwertsteuer – die wichtigsten Punkte bei zeitlich gestreckten Leistungen

Ab dem 1.1.2007 gilt ein Mehrwertsteuersatz von 19%. Dies hat der Gesetzgeber bekanntlich beschlossen. Nach dem Umsatzsteuergesetz (§ 27 Abs. 1 S. 1 UStG) gilt der neue Steuersatz für diejenigen Umsätze, die ab dem 1.1.2007 ausgeführt worden sind.

Für Leistungen aufgrund von Bau- oder Werkverträgen gilt der Grundsatz, dass die Leistung in dem Zeitpunkt ausgeführt wird, zu dem der Auftraggeber die Verfügungsgewalt an der Leistung erhält. Hier wird man auf den Zeitpunkt der Abnahme abstellen müssen. Für einen im Jahr 2006 geschlossenen Bauvertrag, dessen Leistungen erst im Jahr 2007 abgenommen werden, gilt, dass die gesamte Gegenleistung (Vergütung) dem höheren Steuersatz unterliegt. Davon wird man selbst dann ausgehen müssen, wenn zuvor Abschlagszahlungen oder Zahlungen aufgrund eines Zahlungsplans mit geringerem Steuersatz geleistet wurden.

Aus diesem Grund macht es Sinn, jedenfalls einen Teil der in 2006 erbrachten Leistungen noch in 2006 abzunehmen. Nur durch solche Teilabnahmen profitiert man von dem alten Steuersatz. Auftraggeber und Auftragnehmer sollten also eine Teilabnahme vereinbaren und auch durchführen, um die einzelnen Leistungen, die z.B. in Abschlagsrechnungen abgerechnet werden könnten, umsatzsteuerlich zu verselbstständigen.

Der Nachteil: Auch Teilabnahmen haben die typischen Abnahmewirkungen, Beginn der Gewährleistungsfrist, Fälligkeit der Vergütung, Beweislastumkehr hinsichtlich Mängel.

Im Übrigen bedarf es keiner gesonderten Mehrwertsteuergleitklausel. In § 29 UStG ist geregelt, dass der höhere Steuersatz von dem umsatzsteuerpflichtigen Vertragsteil auch dann gefordert werden kann, wenn sich im Vertrag selbst keine ausdrückliche Erhöhungsklausel befindet. Dies gilt allerdings nur für solche Verträge, die mehr als vier Monate vor dem Inkrafttreten der Änderung abgeschlossen worden sind. Ausnahme: Im Vertrag ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer ausdrücklich ausgeschlossen.

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Wer trägt die Kosten eines notwendigen Baugrundgutachtens?

BGH, Urteil vom 27.7.2006 — Aktenzeichen: VII ZR 202/04

Leitsatz
Der Unternehmer trägt nicht nach allgemeinen wertvertraglichen Grundsätzen das Risiko für die Kosten eines von der Baugenehmigungsbehörde angeforderten Baugrundgutachtens.
Sachverhalt
Auftragnehmer (AN) und Auftraggeber (AG) schließen einen Vertrag über die Sanierung eines Gebäudes. Die Baugenehmigungsbehörde fordert nach Vertragsschluss ein Baugrundgutachen, welches der AN erstellen lässt. Er verlangt hierfür eine Vergütung.

Das Oberlandesgericht Rostock hat diesen Anspruch verneint mit der Begründung, der AN trage nach allgemeinen werkvertraglichen Grundsätzen das wirtschaftliche Risiko für Vorleistungen der geschuldeten Sanierung. Der AN greift diese Entscheidung mit der Revision an.

Entscheidung
Die Revision ist erfolgreich. Der BGH führt aus, dass die zwischen AN und AG geschlossene Vereinbarung auszulegen ist. Wenn ein Unternehmer Arbeiten an einem Grundstück des AG auszuführen hat, ist es grundsätzlich Sache des AG, dafür Sorge zu tragen, dass die für die Bauausführung erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Wenn sich dem Vertrag zwischen AN und AG nicht entnehmen lässt, dass der AN das Risiko der Genehmigungsfähigkeit des Sanierungsvorhabens übernommen hat, fällt dieses Risiko ausschließlich in dem Bereich des AG. Wenn der AG den AN nicht ausdrücklich beauftragt haben sollte, ein entsprechendes Gutachten einzuholen, so kann der AN dennoch die entstandenen Kosten aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag herleiten, §§ 670, 677, 683 BGB.

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Keine Streitverkündung an Gerichtssachverständigen

BGH, Urteil vom 27.7.2006 — Aktenzeichen: VII ZB 16/06

Leitsatz
Die Streitverkündung gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen zur Vorbereitung von Haftungsansprüchen gegen diesen aus angeblich fehlerhafter, im selben Rechtsstreit erbrachter Gutachterleistungen ist unzulässig.

Die Streitverkündungsschrift ist nicht zuzustellen.

Sachverhalt
Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn, die Beklagten wenden Mängel ein. Zwei Sachverständige erstellen Gutachten im Auftrag des Landgerichts. Die Beklagten — zu deren Ungunsten die Gutachten ausfallen — behaupten, diese seien teilweise grob fahrlässig unrichtig. Sie haben beiden Sachvertändigen den Streit verkündet und machen geltend, bei einer rechtskräftigen Entscheidung auf Basis der Gutachten stünden ihnen Schadensersatzansprüche nach § 839a BGB gegen die Sachverständigen zu.

Das Landgericht lehnt die Zustellung der Streitverkündungsschrift ab. Dagegen gehen die Beklagten mit sofortiger Beschwerde beim Oberlandesgericht und dann mit der Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof vor.

Entscheidung
Ohne Erfolg. Der BGH führt aus, die Streitverkündung sei unzulässig, eine Zustellung dürfe nicht erfolgen. Formal stützt er sich auf das Argument, der Streit könne nach § 72 ZPO nur „Dritten“ verkündet werden. Der Sachverständige sei ebensowenig „Dritter“ wie das Gericht, sondern als dessen Helfer am Prozess beteiligt. — Der tiefere Grund liegt darin, dass der Sachverständige durch eine solche Streitverkündung unter Druck gesetzt werden soll. Er kann aber auch nicht ohne weiteres — wie sonst ein Streitverkündeter – dem Prozess beitreten, weil er dann eine Seite unterstützt und natürlich als befangen ausgetauscht werden muss. Entweder das oder der Wunsch, der Sachverständige möge aus Angst seine Meinung modifizieren, ist denn auch fast immer Triebfeder dieser versuchten Streitverkündungen.

Mit Recht hat der BGH dieser Unsitte jetzt einen klaren Riegel vorgeschoben und die Position des gerichtlichen Sachverständigen gestärkt. — Denn sinnvolle Ziele lassen sich mit einer solchen Streitverkündung nicht erreichen, so dass dem BGH zuzustimmen ist, wenn er ausführt, dass solche Versuche fast immer rechtsmißbräuchlich sind.

Aus rechtlicher Sicht eher neu ist, dass die Zulässigkeit hier ausnahmsweise schon bei Eingang der Streitverkündungsschrift vom Gericht geprüft werden muss, weil es eben Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des laufenden Prozesses hat. Üblicherweise werden dieses Fragen sonst erst geprüft, wenn es zu einem Folgeprozess gegen den Streitverkündeten kommt.

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Verkehrssicherung an Baustellen – Immer wieder ein Thema

LG Duisburg, Urteil vom 16.1.2007 — Aktenzeichen: 6 O 234/06

Eigenverantwortlichkeit des Geschädigten hindert Ansprüche wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten

Problem
„Wenn der Deutsche hinfällt, steht er nicht auf, sondern sieht sich um, wer ihm schadensersatzpflichtig ist.“ Wie sehr Tucholsky mit diesem Ausspruch Recht hatte, zeigt die aktuelle Entwicklung: Raucher beschuldigen die Tabakkonzerne, Zuckerkranke verklagen die Süßigkeitenindustrie, Veranstalter eines Konzerts werden für Hörschäden der Besucher zur Kasse gebeten. Wir Deutschen neigen dazu, andere für erlittene Schäden verantwortlich zu machen. Die Grenzen dieses Anspruchsdenkens zeigt das Landgericht Duisburg in einer aktuellen Entscheidung mitten aus dem Leben auf.

Entscheidung
Die Klägerin ließ einen Handwerker in die Wohnung. Dieser sollte ein Heizungsventil austauschen. Seine Werkzeugkiste stellte der Handwerker hinter einem Sessel im Wohnzimmer ab und verließ noch einmal die Wohnung, um weiteres Gerät zu holen. Währenddessen stürzte die Klägerin just über diesen Werkzeugkasten und verletzte sich. Mit Hilfe ihrer Rechtschutzversicherung verklagte sie den Handwerker auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von einigen tausend Euro. Sie meinte, der Handwerker bzw. die hinter diesem stehende Haftpflichtversicherung müsse wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zahlen.

Letztlich ohne Erfolg. Das Landgericht hat gemeint, dass eine Einstandspflicht des Handwerkers schon deshalb ausscheide, weil die Klägerin an dem Missgeschick eindeutig selbst schuld sei. Die Klägerin habe gewusst, dass Reparaturarbeiten unter Einsatz von Werkzeug anstanden; sie wusste auch, dass der Handwerker einen Werkzeugkasten dabei hatte. Selbst wenn die Klägerin den genauen Abstellort des Werkzeugkastens nicht bemerkt hätte, hätte sie sich – so das Landgericht — unter allen Umständen besonders sorgfältig bewegen müssen. Hätte sie gehörigg aufgepasst, hätte sie die Werkzeugkisten nicht einfach übersehen können. Diese Eigenverantwortlichkeit stehe dem Anspruch entgegen.

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Immer wieder befassen sich Gerichte mit Verkehrssicherungspflichten an Baustellen. Nicht selten verlieren die Gerichte dabei die Grenzen einer Haftung und den Grundsatz, dass jeder für den Schutz seiner Rechtsgüter selbst verantwortlich ist, aus dem Blick. Verkehrsteilnehmer müssen sich zunächst einmal selber vorsehen. Dieser Selbstschutz begrenzt die legitimen Verkehrserwartungen. Insoweit genießt auch der Verkehrssicherungspflichtige Vertrauensschutz; er darf erwarten, dass diejenigen, die sich auf der Baustelle aufhalten, selbst vorsichtig und nicht unvernünftig oder waghalsig sind.

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Falsche Fundamenttiefe – keine Nachbesserung wegen übermäßigen Aufwands

OLG Hamm, Urteil vom 12.1.2006 — Aktenzeichen: Az. 21 U 82/05
Wird die vereinbarte Fundamenttiefe unterschritten, kommt unter bestimmten Umständen nur eine Minderung statt des Rechts auf Nachbesserung in Betracht. So liegt es, wenn von die geringere Fundamenttiefe technisch gleichwertig ist und dem Auftragnehmer kein grobes Verschulden vorzuwerfen ist.

Problem / Sachverhalt
Der Besteller hatte mit dem Bauunternehmer eine Fundamenttiefe für die Halle von 1,20 m vereinbart; Anlaß waren die Ergebnisse eines Baugrundgutachtens. Der für den Auftragnehmer tätige Statiker kam bei seinen Berechnungen zu dem Ergebnis, dass eine Fundamenttiefe von 1,00 m ausreichend sei. So baute der Unternehmer, ohne allerdings den Besteller einzubeziehen. Im Werklohnprozess wurde u.a. die mangelnde Fundamenttiefe eingewandt. Die Nachbesserungskosten lägen bei rund 20.000 Euro.

Entscheidung
Das OLG Hamm spricht nur eine Minderung in Höhe der ersparten Aufwendungen von rund 2000 Euro zu. Ein Mangel liege vor — Zwar nicht in technischer Hinsicht, denn der Sachverständige hatte keine Bedenken gegen die Fundamenttiefe von 1,00 m . Aber als Abweichung von der vertraglichen Vereinbarung. Auch wenn der Besteller grundsätzlich Anspruch auf Ausführung seiner Bestellung hat, liegt hier ein übermäßiger Aufwand vor, der den Unternehmer zur Verweigerung der Mangelbeseitigung berechtige. Denn der Unternehmer hatte die Tiefe nicht willkürlich gewählt, sondern aufgrund der gegenüber den Prognosen des Bodengutachters besseren Bodenbeschaffenheit nach Rücksprache mit dem Statiker. Wenn er dabei die vertragliche Vorgabe vergessen habe, sei das ein Fehler, aber kein grobes Verschulden. Denn immerhin spreche auch der Vertrag davon, dass die Fundamenttiefe durch ein erneutes Gutachten ggf. überprüft werden sollte. Daraus kann man schließen, dass der Bauherr die Tiefe von 1,20 m nicht als Wert an sich gewollt habe, sondern abhängig von der Notwendigkeit.

Praxishinweis
Mit der sorgfältigen Begründung ist das Urteil gut vertretbar. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Messlatte höher gelegt, was den Ausschluss des Nachbesserungsrechts angeht. Wenn wirklich Mängel in der Funktion bestehen, gibt es regelmäßig kein Pardon für den Unternehmer, auch wenn es sehr teuer wird. Im vorliegenden Fall spricht manches dafür, dass die Parteien die Gründungstiefe ohnehin unter den Vorbehalt „soweit erforderlich“ stellen wollten. Das macht es dem Gericht leichter, den Unternehmer am Vertragstext nur bezüglich der ersparten Kosten für Beton und Schalung festzuhalten, aber keine Nachbesserung aufzuerlegen.

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