Keine Anordnung von Stundenlohnarbeiten durch den Bauleiter

Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 5.12.2006 — Aktenzeichen: 5 U 70/06

Leitsatz
1. Eine Vergütung von Stundenlohnarbeiten erfordert nach der VOB/B eine wirksame Stundenlohnvereinbarung. 2. Die Ermächtigung eines Bauleiters, Stundenlohnnachweise zu unterzeichnen, enthält keine Vollmacht zum Abschluss einer Stundenlohnvereinbarung.

Sachverhalt
Der Bauhandwerker hatte einen Rohbau zu errichten. Dem Einheitspreisvertrag lag die VOB/B zugrunde. Nach Fertigstellung der Arbeiten rechnete der Handwerker einen Teil seiner Leistungen im Stundenlohn ab. Die entsprechenden Stundenzettel hatte er sich von der Bauleitung des Auftraggebers abzeichnen lassen. Gleichwohl kürzte der Auftraggeber diese Stunden unter Hinweis darauf, dass eine Stundenlohnabrede nicht getroffen und der Bauleiter zum Abschluss einer solchen Vereinbarung nicht befugt gewesen sei. Daraufhin klagte der Handwerker auf Bezahlung der Stundenlohnarbeiten. Die Klage blieb ohne Erfolg.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat betont, dass Arbeiten nur dann im Stundenlohn bezahlt werden, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben. Eine solche Abrede muss vor Ausführung der Arbeiten getroffen werden. Dies sei Wirksamkeitsvoraussetzung. Dabei ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass allein die Ermächtigung der Bauleitung, Stundenlohnzettel abzuzeichnen, keine (stillschweigende) Vollmacht zum Abschluss einer Stundenlohnvereinbarung beinhaltet. Da die Parteien keine derartige Abrechnung vereinbart haben, war gemäß § 2 Nr. 2 VOB/B nach Einheitspreisen abzurechnen.

Diese Entscheidung liegt auf der Linie des Bundesgerichtshofs, der in dem Beschluss vom 14.6.2007, VII ZR 2/06 eine Entscheidung des OLG Dresden bestätigt hat, wonach keine Vermutung dafür spricht, dass ein Bauleiter die Vollmacht hat, den Bauvertrag zu ändern oder im Vertrag nicht vorgesehene Stundenlohnarbeiten zu vereinbaren.

Im Ergebnis muss sich ein Handwerker frühzeitig darüber informieren, welche Befugnisse ein Bauleiter hat. Macht er dies nicht, läuft er Gefahr, für Leistungen kein Geld zu sehen. Dieses bekommt er dann auch nicht vom Bauleiter; denn als am Bau tätiger Handwerker muss er wissen, dass die Bauleitung des Auftraggebers grundsätzlich nicht zu dessen rechtsgeschäftlicher Vertretung berechtigt ist.

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Mehraufwand für Gerüstbauarbeiten immer vergütungspflichtig?

Landgericht Köln, Urteil vom 12.6.2007 — Aktenzeichen: 5 O 367/06

Leitsatz
Wenn Gerüstbauarbeiten „nach Wahl des Auftragnehmers“ im Rahmen einer Pauschalpreisvereinbarung beauftragt werden, erhält der Auftragnehmer auch dann keine Mehrvergütung, falls sich die Gerüstbauarbeiten nicht so durchführen lassen wie vom Auftragnehmer geplant.

Sachverhalt
Die Klägerin verlangte Mehrkosten für durchgeführte Gerüstbauarbeiten. Insoweit enthielt die dem Vertrag zugrunde gelegte Baubeschreibung den Hinweis, dass Art und Konstruktion der erforderlichen Arbeitsgerüste und Einhausungen erfolge nach Wahl des Auftragnehmers. Zur Begründung des Anspruches führte die Klägerin aus, dass sie nach den zur Verfügung stehenden Informationen habe davon ausgehen können, dass hier als Gerüst ein herkömmliches Standardgerüst hätte verwendet werden können. Nach Vertragschluss und im Zuge weiterer statischer Berechnungen habe sich herausgestellt, dass eine wesentlich teurere freistehende Gerüstvariante erforderlich gewesen sei. Für sie – die Klägerin – sei nicht erkennbar gewesen, dass das ausgeschriebene Gerüst tatsächlich nicht brauchbar gewesen sei.

Entscheidung
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wenn bei Vereinbarung eines Pauschalpreises lediglich der Hinweis auf das Erfordernis des Aufbaus und der Erstellung von Gerüsten/Einhausungen „nach Wahl des Auftragnehmers“ erfolge, so trage das Risiko des konkreten Leistungserfolges allein der Auftragnehmer. Wichtig ist der Umstand, dass im Streitfall lediglich eine funktional ausgeschriebene Leistungsbeschreibung vorlag. Eine funktionale Ausschreibung liegt grundsätzlich vor, wenn Leistungen nur global beschrieben werden, das heißt die Leistung ohne eine detaillierte Baubeschreibung gefordert wird. In diesen Fällen ist die Leistungsbeschreibung — zulässigerweise — erkennbar und gewollt unvollständig und lückenhaft, so dass dem Auftragnehmer Spielräume zur Vervollständigung der Leistungsbeschreibung zur Erreichung des vereinbarten Leistungsziels eingeräumt werden. In diesen Fällen trägt das Kostenrisiko allein der Auftragnehmer.

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Stillschweigende Abnahme durch Ingebrauchnahme?

Kammergericht, Urteil vom 29.6.2007 — Aktenzeichen: 7 U 165/06

Der Abnahme kommt im Bau- und Werkvertragsrecht große Bedeutung zu. Sie ist zunächst Fälligkeitsvoraussetzung: Mit der Abnahme erhält der Werkunternehmer den Anspruch auf Vergütung (§ 641 BGB). Zugleich hat sie Bedeutung für die Gewährleistung: Mit der Abnahme beginnt die Verjährungsfrist (§ 634a BGB).

Nicht selten streiten Parteien darüber, ob abgenommen worden ist oder nicht.

Von einer stillschweigenden bzw. konkludenten Abnahme spricht man, wenn dem Verhalten des Auftraggebers zu entnehmen ist, dass er die Leistung als im wesentlichen vertragsgemäß akzeptiert (BGH, BauR 1999, 1186). So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn der Auftraggeber das Bauwerk bezogen hat, darin — nach Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist — regelmäßig eine konkludente Abnahme liegt, wenn sich aus dem Verhalten des Auftraggebers nichts anderes ergibt. Geschieht der Einzug unter dem Zwang der Verhältnisse muss darin keine Abnahme liegen (BGH, BauR 1985, 200; BauR 1975, 344).

In einer aktuellen Entscheidung musste sich das Kammergericht Berlin mit diesen Fragen befassen.

Leitsatz
Die schlichte Ingebrauchnahme eines Werks reicht nicht aus, um daraus eine Abnahme durch schlüssiges Handeln herzuleiten.

Sachverhalt
Der Kläger errichtete für den Beklagten eine Markise, die zugleich Element eines Wintergartens war. Unmittelbar nach der Montage rügte der Kläger Pfützenbildung auf der Markise und einen unzureichenden Verschluss von Senkrechtfeldern. Der Beklagte wies die Mängel zurück und klagte auf Zahlung von Werklohn. Der Kläger wandte Mängel und eine fehlende Abnahme ein. Das Landgericht bestätigte die Auffassung des Beklagten. Dagegen ging der Kläger in die Berufung.

Entscheidung
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Denn die Leistung des Klägers war nicht abgenommen. Allein im Ausfahren der Markise liege — so das Kammergericht — nicht die schlüssige Erklärung, der Beklagte billige die Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht. Da der Beklagte bereits Mängel gerügt habe, sei die Benutzung der Markise auch nicht eine konkludente Abnahme. Eine Abnahmereife wollte das Kammergericht nicht annehmen, weil die Pfützenbildung nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspräche. Die Klage wurde als derzeit unbegründet abgewiesen.

Festzuhalten ist: Auch nach längerer Nutzung eines Werks durch den Besteller kann sich dieser noch auf eine fehlende Abnahme und damit auf die fehlende Fälligkeit berufen. Vor einer Werklohnklage muss sich der Handwerker vergewissern, ob abgenommen ist. Andernfalls klagt er viele Jahre und erfährt womöglich erst in zweiter Instanz, dass sein Anspruch noch gar nicht fällig ist.

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Abrechnung eines gekündigten Projektsteuerungsauftrages

BGH, Urteil vom 25.1.2007 — Aktenzeichen: VII ZR 112/06

Leitsatz
1. Der Projektsteuerungsvertrag nach dem AHO/DVP-Standardleistungsmodell ist als Werkvertrag einzuordnen. 2. Auf Projektsteuerungsverträge findet § 8 HOAI keine Anwendung. 3. Die Abrechnung erfolgt nach den üblichen Regeln für gekündigte Werkverträge.

Sachverhalt
Ein Projektsteuerer hatte die Betreuung eines Bauvorhabens zum Pauschalpreis von 230.000 Euro übernommen, und zwar nach Maßgabe der Leistungs- und Honorarordnung AHO (Entwurf). Nachdem das Projekt nicht durchgeführt wird, rechnet der Projektsteuerer den Vertrag als gekündigten Werkvertrag gemäß § 649 BGB ab, also den restlichen Werklohn abzüglich ersparter Aufwendungen.
Entscheidung
Erst beim Bundesgerichtshof bekommt der Projektsteuerer Recht.

Es handelt sich bei dem Vertrag um einen Werkvertrag, wenn man die Leistungsbilder der AHO zugrundelegt. Zwar erwähnt § 31 HOAI den Projektsteuerungsvertrag, jedoch findet die HOAI, auch § 8 HOAI, keine Anwendung auf diesen. Es muss daher nicht im eigentlichen Sinne prüfbar abgerechnet werden.

Nachvollziehbar und schlüssig muss die Abrechnung — wie immer – aber schon sein. Das richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften im BGB, hier § 649 BGB. Der Projektsteuerer wird den Werklohn für die gekündigten Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen erhalten.

Anmerkung
Der bloße Name Projektsteuerungsvertrag besagt für den rechtlichen Charakter noch nichts. Wichtig ist aber die Klarstellung des BGH, dass das Leistungsbild der AHO als erfolgsbezogen angesehen wird und ein solcher Projektsteuerungsvertrag daher ein Werkvertrag ist. Für die Kündigung ist das sehr wichtig, denn so kommt man zur Anwendung des (auftragnehmerfreundlichen) § 649 BGB. Wäre es ein Dienstleistungsvertrag, könnte der Projektsteuerer u.U. überhaupt kein Honorar für die gekündigten Leistungen verlangen, wenn es sich um höhere Dienste handelt, die ein Vertrauensverhältnis voraussetzen (§ 627 BGB).

Dass die HOAI den Projektsteuerungsvertrag gar nicht regeln darf, wissen wir schon seit einigen Jahren. Der § 31 HOAI ist nichtig. Auch die anderen Regeln der HOAI gelten daher nicht. Der Projektsteuerer muss daher aufpassen, dass er die Verjährung seiner Forderung nicht versehentlich ab dem Datum der Schlussrechnung berechnet (§ 8 HOAI), denn das gilt für ihn nicht. Die Forderung beginnt untechnisch gesprochen schon mit der Kündigung zu verjähren, auch wenn es noch keine Rechnung gibt.

Für die Abrechnung nach § 649 BGB gibt es mittlerweile eine ausgefeilte Rechtsprechung aus den 90´er Jahren, die es dem Projektsteuerer bei ordentlicher anwaltlicher Begleitung ermöglichen sollte, seine Leistungen richtig abzurechnen und auch durchzusetzen.

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Verkehrssicherungspflicht bei Terrassenbau

OLG Brandenburg, Urteil vom 13.9.2005 — Aktenzeichen: 11 U 20/05

Leitsatz
1. Ein Bauherr haftet nicht für Unfälle beim Hausbau an einer für alle offenkundigen Gefahrenstelle. 2. Ist eine Terrasse nur mit Kunststoffplatten abgedeckt, ist für jeden erkennbar, dass die Terrasse nicht fertiggestellt und ohne festen Belag ist. In diesem Fall ist es die Verantwortung der Betroffenen, sich vorsichtig zu bewegen.

Sachverhalt
Der Beklagte führte an seinem Wohnhaus Bauarbeiten durch. An seinem Anbau schloss eine Terrasse an, die am Unfalltag noch nicht fertig gestellt war. Vor dem Unfalltag hatte der Beklagte die günstige Terrassenfläche mit Kunststoffplatten abgedeckt, die auf Holzleisten auflagen. Die Lage der Terrasse war um ca. 80 cm erhöhrt. Der Kläger betrat die Kunststoffplatten, die sofort einbrachen. Der Kläger stürzte nach unten, brach sich beide Fersenbeine.

Sodann nahm der Kläger den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch.

Entscheidung
Das Begehren hatte weder in erster noch in zweiter Instanz Erfolg.

Zur Frage der Verkehrssicherung hat das OLG Brandenburg ausgeführt, dass es eine Verkehrssicherungspflicht, die jeden Unfall ausschließe, nicht gebe. Es reichen diejenigen Vorkehrungen, die erforderlich und zumutbar sind, um Gefahren von Dritten abzuwenden. Der Dritte ist nur vor solchen Gefahren zu schützen, die er selbst bei Abwendung der zu erwartenden Sorgfalt nicht erkennen und vermeiden kann.

Im konkreten Fall war — für jeden erkennbar — die Terrasse noch nicht fertiggestellt, es gab keinen festen Belag, es lagen Kunststoffplatten auf. Deshalb hätte der Kläger erkennen müssen, dass derartige Kunststoffplatten nicht ohne Weiteres geeignet sind, das Körpergewicht eines Erwachsenen zu tragen.

Einen Anspruch des Klägers hat das Oberlandesgericht verneint, da im konkreten Fall aus obigen Gründen die Gefahrenquelle durch die aufgelegten Kunststoffplatten mit einer „Selbstwarnung“ versehen war.

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Nachbesserung nach Kündigung? Nein, sagt das OLG Hamm.

OLG Hamm, Urteil vom 28.12.2006 — Aktenzeichen: 24 W 39/06

Leitsatz
1. Der Auftragnehmer eines Werkvertrages hat keinen einklagbaren Anspruch auf Erbringung der Werkleistung, wenn der Auftraggeber kündigt. 2. Das Recht des Auftragnehmers, nach der Kündigung noch Mängel beseitigen zu dürfen, bedeutet lediglich, dass der Auftraggeber nach einer Kündigung nicht ohne weiteres berechtigt ist, vorhandene Mängel selbst zu beheben oder durch einen Dritten beheben zu lassen und die dadurch entstehenden Kosten vom Werklohn abzuziehen. Er muss vielmehr den Auftragnehmer grundsätzlich unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung auffordern. Unterlässt er dies, läuft er Gefahr, den vollen Werklohn zahlen zu müssen.

Sachverhalt
Der Bauunternehmer führt für den Bauherrn Trockenbauarbeiten aus. Der Bauherr kündigt den Vertrag gemäß § 649 BGB aufgrund seines ihm zustehenden freien Kündigungsrechts. Anschließend lässt der Bauherr die Arbeiten durch ein Drittunternehmen fortsetzen. Dies wollte sich der Trockenbauer nicht gefallen lassen und beantragte eine einstweilige Verfügung mit dem Ziel, dem Bauherrn die Demontage der von ihm erstellten Trockenbauwände zu untersagen.

Mit diesem Ansinnen hatte der Bauunternehmer keinen Erfolg.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat klar gestellt, dass ein Auftragnehmer grundsätzlich berechtigt ist, Mängel seiner erbrachten Leistung zu beseitigen. Dies bedeute aber nicht, dass er einen (einklagbaren) Anspruch auf diese Nachbesserung hat. Nach erfolgter Kündigung sei der Auftraggeber nur verpflichtet, den vereinbarten Werklohn zu zahlen (ggf. unter Anrechnung der ersparten Aufwendungen); der Auftragnehmer könne allerdings nicht verlangen, die Arbeiten auch fortsetzen zu dürfen.

Zu bedauern ist der Auftragnehmer trotzdem nicht; denn er behält den Werklohnanspruch. Der Auftraggeber darf nur dann seine Selbstvornahme- oder Drittvornahmekosten gegenrechnen, wenn er dem Auftragnehmer unter Fristsetzung Gelegenheit zur Nachbesserung (= sog. Nacherfüllung) gegeben hat. Wird allerdings eine solche Frist gesetzt, sollte der Auftragnehmer schnell reagieren. Nimmt der Auftragnehmer die Mängelbeseitigungsaufforderung nicht ernst — und dies ist in der Baupraxis nicht selten -, läuft er Gefahr, mit (hohen) Drittunternehmerkosten belastet zu werden.

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Architektenhonorar

BGH, Urteil vom 23.11.2006 — Aktenzeichen: VII ZR 110/05

Leitsatz
Ingenieurleistungen zur Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1) sind jedenfalls nicht als „zwingend mitbeauftragt“ zu honorieren, wenn der schriftlichen Vertrag einen Auftrag nur für die Leistungsphasen 2 und 3 vorsieht.
Sachverhalt
Ein Ingenieur erhält einen Auftrag über Tragwerksplanung, Leistungsphasen 2 und 3. Nachdem es zum Streit und zur Kündigung kommt, rechnet der Ingenieur über die Leistungsphasen 1-3 ab. Landgericht und Oberlandesgericht geben ihm recht, denn in der Ausklammerung der Leistungsphase 1 liege eine verdeckte Unterschreitung der Mindestsätze nach der HOAI. Ohnehin seien die Phasen 2 und 3 ohne Grundlagenermittlung nicht zu erbringen.

Entscheidung
Anders der BGH. Der schriftliche Vertrag zeigt eindeutig, dass nur die Leistungsphasen 2 und 3 vom Auftrag umfasst sein sollen. Die HOAI regelt nicht, in welchem Umfang ein Vertrag abgeschlossen ist. Der Umstand, dass eine Leistung tatsächlich erbracht wird, bedeutet noch keinen Anspruch auf vertragliche Vergütung, auch dann nicht, wenn sie als Vorarbeit zu den vertraglich beauftragten Leistungen zwingend erforderlich ist.

Eine Mindestsatzunterschreitung liegt nur dann vor, wenn das Honorar für die vertraglich vereinbarten Leistungen (!) unterhalb der Mindestsätze liegt.

Daher ist das Urteil aufzuheben und der Fall vom OLG Naumburg neu zu entscheiden.

Anmerkung
Mit diesem Urteil leitet der BGH die Rückbesinnung auf die Regeln des BGB ein. Das Urteil bedeutet nicht, dass es hier keine Vergütung für die Leistungsphase 1 geben kann, wie man schon in einigen Anmerkungen liest. Die Frage muss jedoch rechtlich sauber geprüft werden.

Der schriftliche Vertrag schließt eine asudrückliche Vereinbarung der LP 1 aus. Zu prüfen ist jetzt:

— ob sich die Parteien vor dem Vertrag, eventuell durch schlüssiges Verhalten, auf einen Auftrag zur Grundlagenermittlung geeinigt hatten (dann Vergütung nach Mindestsätzen)

— ob die Leistung zwingend erforderlich war, um die vertragliche Leistung zu erbringen, und ob daher bei Verwertung der Tragwerksplanung ein Anspruch aus „Bereicherungsrecht“ entsteht (dann im Ergebnis Vergütung nach Mindestsätzen)

— ob der Architekt / Ingenieur die Grundlagen im Vorfeld aus Akquisegründen ermittelt hatte und diese Leistungen nach der schriftlichen Einigung im Vertrag eben ausdrücklich unvergütet bleiben sollten.

Im Ergebnis weicht die erforderliche Prüfung jetzt nicht mehr entscheidend ab von dem Parallelfall, dass ein Bauunternehmer Leistungen bezahlt haben will, für die ein Auftrag bestritten ist.

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Bauunternehmer haften für Sozialbeiträge ihrer Subunternehmer

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.1.2007 — Aktenzeichen: L 4 U 57/06

Übernimmt ein Bauunternehmer mehrere Bauleistungen (z.B. Estrich-, Fliesen- und Belagsarbeiten), wird er als Hauptunternehmer bezeichnet, wenn er einen Teil dieser Leistungen an Nachunternehmer (= Subunternehmer) weiter gibt. Natürlich haftet dieser Hauptunternehmer gegenüber seinem Auftraggeber für schlechte Arbeit seines Nachunternehmers. Dieses Risiko ist allseits bekannt.

Nicht bekannt ist aber ein weiteres Haftungsrisiko. Nach § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3a SGB IV haften Unternehmen des Baugewerbes wie ein selbstschuldnericher Bürge für die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung und für die Insolvenzgeldumlage eines von ihm beauftragten Nachunternehmers. In Zeiten leerer Sozialkassen wittern Bau-Berufsgenossenschaft & Co. ihre Chance.

Leitsatz
1. Ein Unternehmen des Baugewerbes haftet wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die von seinem Nachunternehmer geschuldete Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung. 2. Es besteht keine Entlastungsmöglichkeit; die Haftung ist verschuldensunabhängig.

Sachverhalt
Ein Bauunternehmen beauftragt einen Nachunternehmer mit Montagearbeiten. Der Nachunternehmer legt dem Bauunternehmen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Bau-Berufsgenossenschaft vor. Nach Abschluss der Arbeiten wird der Nachunternehmer insolvent. Beiträge zur Unfallversicherung hat er nicht abgeführt. Die Bau-BG macht durch einen Haftungsbescheid Beitragsrückstände in Höhe von 33.000 Euro geltend. Dagegen klagte der Bauunternehmer — im Ergebnis ohne Erfolg.

Entscheidung
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen weist die Klage ab. Der Bescheid der Bau-Berufsgenossenschaft sei rechtmäßig. Der Bauunternehmer hafte für den Beitrag gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII wie ein Bürge. Der Bauunternehmer habe auch keine Chance, sich zu entlasten; die Exkulpationsmöglichkeit des § 28e Abs. 3b und d SGB IV greife nicht; denn § 150 Abs. 3 SGB VII verweise nur auf § 28e Abs. 3a SGB IV. Für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers gebe es keine greifbaren Anhaltspunkte. Diese verschuldensunabhängige Haftung eines Bauunternehmers sei — so das LSG NW — auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; im Gegenteil verfolge die Bürgenhaftung das Ziel der Sicherung der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung.

Der Fall zeigt erhebliche Haftungsrisiken für Bauunternehmen auf. Gegen diese Risiken kann man sich nicht einmal schützen, nicht durch sorgfältige Auswahl und Überwachung der Nachunternehmer; schon gar nicht darf man sich auf die Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Bau-Berufsgenossenschaft verlassen, wie diese Entscheidung zeigt.

Allerdings dürfte das letzte Wort zu dieser Frage noch nicht gesprochen sein. Immerhin hat das Landessozialgericht Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Eine höchstrichterliche Entscheidung wäre auch deshalb zu begrüßen, weil ein anderer Senat des Landessozialgerichts einen vergleichbaren Haftungsbescheid wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage für rechtswidrig gehalten hat; die Bau-Berufsgenossenschaft dürfe ihre vermeintlichen Forderungen nicht einfach per Verwaltungsakt festsetzen, sondern müsse — wie jeder Bürger auch — Leistungsklage erheben (Urteil des LSG NW vom 21.2.2007, L 17 U 46/06). Letztere Entscheidung ließ jedenfalls die Bauträger in Nordrhein-Westfalen aufatmen. Denn nach Auffassung des 17. Senats des Landessozialgerichts gehören Bauträger nicht zu den Unternehmen des Baugewerbes und unterfallen diese nicht dieser strengen Haftungsregelung.

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Grenzen der Bedenkenhinweispflicht

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 28.11.2006 — Aktenzeichen: 24 U 8/06

Ein Bauunternehmer haftet grundsätzlich auch dann, wenn die von ihm hergestellte Leistung mangelhaft ist und die Mangelursache im Verantwortungsbereich des Auftraggebers oder eines Vorunternehmers liegt. Denn einen Bauunternehmer treffen Prüfungs- und Anzeigenpflichten. Dies folgt beim VOB/B-Vertrag aus § 4 Nr. 3 VOB/B und beim BGB-Vertrag aus Treu und Glauben. Hat der Bauunternehmer keine Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, gegen die Brauchbarkeit der vom Bauherrn zur Verfügung gestellten Baustoffe oder gegen die Leistungen anderer Bauunternehmer unverzüglich (beim VOB/B-Vertrag schriftlich) mitgeteilt, haftet er, obschon die Mängel letztlich nicht in seinem Verantwortungsbereich liegen.

Streit besteht dabei häufig über die Grenzen dieser Bedenkenhinweispflicht. Damit hatte sich auch das OLG Hamm zu befassen.

Leitsatz
1. Der Umfang der Prüfungspflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Zu berücksichtigen ist, ob der Auftraggeber selber sachkundig ist oder durch fachkundige Personen vertreten wird. 2. Ergeben die Vertragsunterlagen, dass der Auftraggeber bereits eine fachkundige Prüfung hat durchführen lassen, muss der Auftragnehmer ohne gegenteilige Anhaltspunkte („ins Auge springende Mängel‟) nicht noch einmal prüfen. 3. Werden in einem Leistungsverzeichnis, welches keine Lücken oder Unklarheiten aufweist, Produkte eines bestimmten Herstellers vorgeben, spricht dies dafür, dass das Leistungsverzeichnis das Ergebnis einer fachkundigen Planung ist.

Sachverhalt
Die klagende Sparkasse verlangt vom beklagten Maler Schadensersatz wegen mangelhafter Beschichtungsarbeiten in ihrer Tiefgarage. Im Jahre 2001 ließ sich die Sparkasse im Zuge der Sanierung der Tiefgarage von einem Hersteller solcher Beschichtungen beraten. Der Hersteller schlug ein bestimmtes Produkt vor, welches sodann von der Sparkasse, vertreten durch ihren angestellten Architekten, ausgeschrieben wurde. Der Maler beteiligte sich an der Ausschreibung, gab ein Angebot ab und erhielt den Zuschlag. Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung meldete der Maler nicht an. Im Anschluss wurden die Arbeiten ausgeführt. Später kam es zu Bläschenbildung in der Beschichtung. Es stellte sich heraus, dass die Beschichtung nicht diffusionsoffen war. Dies führte dazu, dass Feuchtigkeit durch den Boden — dieser war als weiße Wanne konzipiert — hindurch diffundierte und die Beschichtung stellenweise nach oben drückte. Es bildeten sich mit Wasser gefüllte Bläschen.

Die Sparkasse stellte sich auf den Standpunkt, die vom Maler verwandte Beschichtung sei für die Tiefgarage ungeeignet gewesen, sie verklagte den Maler auf Zahlung von rund 180.000 €.

Das Landgericht gab der Klage statt mit der Begründung, der Maler hätte das ausgeschriebene Material als Fachmann prüfen und Bedenken mitteilen müssen.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Malers hatte Erfolg. Das OLG Hamm hat die Klage letztlich abgewiesen.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat einen Anspruch der Sparkasse auf Schadensersatz aus § 13 Nr. 7 VOB/B verneint. Der Haftung des Malers stehe § 13 Nr. 3 VOB/B entgegen. Danach sei der Auftragnehmer frei von der Gewährleistung für einen Mangel, der auf die Leistungsbeschreibung oder auf einem vorgeschriebenen Stoff zurückzuführen sei, außer wenn er die ihm nach § 4 Nr. 3 VOB/B obliegende Mitteilung über die zu befürchtenden Mängel unterlassen habe.

Und diese Mitteilung sei — so das OLG Hamm — hier nicht erforderlich gewesen. Der Maler habe darauf vertrauen dürfen, dass das ausgeschriebene Material geeignet gewesen sei. Immerhin sei die Sparkasse hier selber sachkundig bzw. durch fachkundige Personen vertreten gewesen. Der Maler habe davon ausgehen dürfen, dass das Leistungsverzeichnis das Ergebnis einer fachkundigen Planung sei. Dafür habe bei objektiver Betrachtung schon die Tatsache gesprochen, dass Produkte eines bestimmten Herstellers vorgegeben waren. Überdies habe das Leistungsverzeichnis keine Lücken oder Unklarheiten enthalten. Es gab — so der Senat — keinen Grund für Beanstandungen. Dass die Sparkasse keinen Sachverständigen im Zuge der Sanierung eingeschaltet habe — dies sei nach Auffassung der Sachverständigen üblich gewesen — könne nicht zu Lasten des Malers gehen. Etwaige Mängel des Instandsetzungskonzepts seien für den Maler auch nicht erkennbar gewesen; der Maler habe nicht erkennen müssen, dass die ausgeschriebene wasserlösliche Grundierung ungeeignet und das Konzept damit untauglich war. Aus baupraktischer Sicht sei es Sache der Planung, die Diffusionsproblematik zu klären; es sei dem ausführenden Unternehmen nicht zuzumuten, komplizierte Erwägungen anzustellen oder Prüfungen durchzuführen, die über das Maß hinaus gehen, das die einschlägigen technischen Bestimmungen vorsehen. Das Wissen um Diffusionsvorgänge gehöre nicht zum Grundwissen eines ausführenden Unternehmers.

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Mündliche Anzeige reicht zur Erhaltung der Mängeleinrede

BGH-Beschluss vom 25.01.2007 — Aktenzeichen: VII ZR 41/06

Leitsatz
Eine mündliche Anzeige reicht zur Erhaltung der Mängeleinrede trotz Verjährung des Gewährleistungsanspruchs auch dann aus, wenn die Parteien die Geltung der VOB/B vereinbart haben. Eine schriftliche Rüge ist dazu nicht notwendig.

Sachverhalt
Der Kläger verlangt Restwerklohn für den Einbau von Fenstern. Der Beklagte rügt eine mangelhafte Ausführung und rechnet mit dem Anspruch auf Kostenvorschuss zur Beseitigung der behaupteten Mängel auf. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, der Beklagte könne mit dem Vorschussanspruch nicht aufrechnen, weil dieser verjährt sei. Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof nicht geteilt.

Entscheidung
Auszugehen ist vom Grundsatz, dass eine Aufrechnung auch mit einem bereits verjährten Zahlungsanspruch möglich ist, §§ 639 Abs. 1, 478, 479 BGB a.F. Selbst wenn ein derartiger Zahlungsanspruch verjährt sein sollte, ist die Aufrechnung möglich, denn der Beklagte hatte im Streitfall den Mangel unstreitig mehrfach in unverjährter Zeit angezeigt.

Nicht erforderlich für eine Anzeige der Mängel im Sinne des § 478 Abs. 1 BGB a.F. ist ein schriftliches Beseitigungsverlangen gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B. Die letztgenannte Vorschrift spielt nur eine Rolle für die Frage, ob sich die Verjährung nach dieser Regelung beurteilt. Für die Frage, ob der Aufrechnungseinwand mit der verjährten Forderung möglich ist, gilt hingegen das Bürgerliche Gesetzbuch. Die VOB/B schafft insoweit keine Sonderregelung. Ungeachtet und trotz des Wortlauts des § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B, der von einer schriftlichen Mängelanzeige ausgeht, bleibt das Recht des Beklagten auf Aufrechnung mit dem Zahlungsanspruch erhalten.

Praxistipp
Wer als Auftraggeber Werkleistungen beauftragt, die sodann mangelbehaftet sind, darf sich nicht irreführen lassen durch die vom Gegner erhobene Einrede der Verjährung. Selbst wenn ein Anspruch auf Vorschusszahlung oder aber ein Anspruch auf Schadensersatzleistung verjährt sein sollte, kann dennoch mit diesem Anspruch unter Umständen gegenüber einer Werklohnforderung aufgerechnet werden.
(Beitrag vom 13. März 2007)

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