Mangel eines Bauproduktes

Dr. Michael Kunzmann LL.M.Dr. Michael Kunzmann LL.M.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2023 – 22 U 300/21

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Betreiberin einer Kläranlage. Sie beauftragte die Beklagte mit der Betonsanierung und Beschichtung eines Belebungsbeckens der Anlage. In diesem Becken werden Abwässer dergestalt gereinigt, dass es zu einem Angriff des Betons durch entstehende Schwefelsäure kommen kann. Die zu verwendende Beschichtung sollte Säureresistent sein.

Einige Zeit nach Abnahme und Wieder-Inbetriebnahme des Belebungsbeckens traten Mängel an der Beschichtung auf. Im vorausgegangen selbstständigen Beweisverfahren hatte der gerichtlich bestellte Sachverständige eine zu geringe Schichtdicke der Beschichtung sowie die Verwendung von bauordnungsrechtlich nicht zugelassener Bauprodukte festgestellt.

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin einen Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung in Höhe von 340.000,00 € geltend gemacht. Die Beklagte hat eingewandt eine „Nicht-Verwendung“ der Baustoffe sei nicht erforderlich. Jedenfalls weise das auf das verwendete Produkt folgende Produkt eine bauaufsichtsrechtliche Genehmigung auf. Ohnehin komme es für die Eignung der verwendeten Beschichtung als Baustoff allein auf die Normen für Beschichtungen an.

Das Landgericht Krefeld hat der Klage mit Urteil vom 25.11.2021 stattgegeben (Az.: 5 O 331/19).

 

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat das landgerichtliche Urteil im Wesentlichen aufrechterhalten.

Zur Begründung hat der Senat festgestellt, bei Aufträgen zur Betonsanierung und Beschichtung müssten die verwendeten Bauprodukte sowohl den Normen für die Betonsanierung als auch den Normen der Beschichtung entsprechen. Wäre dieses nicht der Fall, ergebe sich bereits hieraus das Vorliegen eines werkvertraglichen Mangels.

Wären sowohl Betonarbeiten als auch Beschichtungsarbeiten auszuführen, müssten in die eingesetzten Bauprodukte sowohl den einschlägigen Normen für Betonarbeiten als auch den einschlägigen Normen für Beschichtungsarbeiten entsprechen. Auch eine Zulassung eines „Nachfolgeprodukts“ vermöge eine Zulassung des verwendeten Produkts nicht zu ersetzen. Dies gelte selbst dann, wenn der Hersteller eine Rezepturgleichheit beider Produkte bescheinigt. Jedenfalls könne ein Auftraggeber eine Kombination von Bauprodukten nicht verwenden, wenn vor der Abnahme des Werks noch keine gesicherten Erkenntnisse über deren Dauerhaftigkeit vorlägen.

Ebenfalls dürfe ein Bauprodukt, dass weder über eine CE-Zulassung noch über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung verfüge, nicht verwendet werden.

In einem Fall wie dem vorliegenden habe der Auftraggeber gegen den Auftragnehmer einen Vorschussanspruch auf Basis der voraussichtlich anfallenden erforderlichen Aufwendungen. Maßgeblich seien die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstehenden Sanierungskosten.

Bestünde Streit über die Frage, ob der Vorschuss nach einer günstigeren oder teureren Mangelbeseitigungsmethode zu bemessen sei, müsse Beweis darüber erhoben werden, ob der Mangel nur mit der teureren Methode behoben werden könne. Dieser Streit/diese Entscheidung dürfe nicht dem Verfahren über die Abrechnung des Vorschusses, dass regelmäßig dem Verfahren über die Zahlung eines Vorschusses nachfolgt, vorbehalten bleiben.

 

Praxishinweis

Die vorliegende Entscheidung zeigt nachdrücklich, dass mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Mangel bereits dann vorliegen kann, wenn ein solcher noch nicht einmal körperlich eingetreten ist. Ausreichend ist viel mehr, dass bereits die „formalen Anforderungen“ an das Bauprodukt nicht eingehalten sind.

Bei der Benutzung von Bauprodukten ist vor deren Verwendung also auch stets deren Zulassung zu prüfen.

 

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Unterschiedliche Gewährleistungsfristen in Bauvertrag und Abnahmeprotokoll – Versehen oder Absicht?

Dr. Michael Kappelhoff

Leitsatz
Wenn in einem Abnahmeprotokoll eine andere Gewährleistungsfrist als im ursprünglichen Bauvertrag angegeben wird, kann es sich um ein folgenloses Redaktionsversehen oder aber um eine einvernehmliche Vertragsänderung handeln.

Problemdarstellung
Zwischen dem Abschluss eines Bauvertrages und der Abnahme der Leistung liegt oft ein erheblicher Zeitraum. Zudem sind regelmäßig unterschiedliche Personen mit der Prüfung und Unterzeichnung des Bauvertrages und der Abnahme befasst. So kann es passieren, dass bewusst oder unbewusst bei der Abnahme eine Regelung zur Gewährleistung aufgenommen wird, die von der Gewährleistungsregelung im Vertrag abweicht. Damit stellt sich die Frage – welche Regelung gilt?

Sachverhalt
Das klagende Bauunternehmen und die Bauherrin hatten ursprünglich im Vertrag für verschiedene Bauteile unterschiedliche Gewährleistungsfristen mit Beginn zwischen August 2010 und Dezember 2011 vereinbart. In dem späteren Abnahmeprotokoll wurde jedoch pauschal für alle Bauteile festgehalten, dass die Gewährleistungsfrist ab dem 05.03.2013 beginne. Die Klägerin verlangt später eine gestellte Gewährleistungsbürgschaft heraus, weil sie der Ansicht ist, die Gewährleistungsfrist sei abgelaufen.

Entscheidung
Dem erteilt das OLG München jedoch eine Absage – die vereinbarte Gewährleistungsfrist sei noch nicht verstrichen. Die Parteien hätten den ursprünglich jeweils vereinbarten Fristbeginn durch ergänzende Vereinbarung in dem Abnahmeprotokoll allgemein auf den 05.03.2013 festgelegt. Die Änderung sei von der Bauherrin vorformuliert und von dem klagenden Bauunternehmen – anders als andere Regelungen – nicht aus dem Protokoll gestrichen worden. Dies mache auch insofern Sinn, als dass das Bauunternehmen die Arbeiten erst in einem verschobenen Leistungszeitraum habe fertigstellen können. Der Mitarbeiter des Bauunternehmens sei mit Duldungsvollmacht aufgetreten, er habe auch sonstige Vertragsergänzungen für das Bauunternehmen vorgenommen, so dass sich das Bauunternehmen die Abänderung des Gewährleistungsbeginns zurechnen lassen müsse. Die Bauherrin habe das Angebot des Bauunternehmens, den Fristbeginn abzuändern, auch angenommen, indem sie die übrigen Streichungen akzeptiert und zu dem Gewährleistungsbeginn im Übrigen geschwiegen habe. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Anmerkung
Die Entscheidung des OLG München folgt der Rechtsprechung des BGH, der in einer Entscheidung von 2018 (Urteil vom 27.09.2018, Az. VII ZR 45/17 – juris) als Ergebnis der richterlichen Vertragsauslegung die Möglichkeit eines (rechtlich unbeachtlichen) Redaktionsversehens einerseits und einer verbindlichen Abänderung der ursprünglich vereinbarten Gewährleistungsfrist aufgezeigt hatte. Je nach Ergebnis der freien Beweiswürdigung könne das entscheidende Gericht anhand der Umstände des Einzelfalls wie einer geringfügigen Abweichung der Daten im Abnahmeprotokoll und im ursprünglichen Vertrag einerseits oder die Sinnhaftigkeit der Änderung für die dies vorschlagende Partei andererseits als redaktionelles Versehen oder als eine gewollte und verbindliche Vereinbarung im Abnahmeprotokoll bewerten.
Daher können sich solche Diskrepanzen zwischen Abnahmeprotokoll und ursprünglichen Vertragsbestimmungen zu bösen Überraschungen führen, zumal die Rechtsprechung auf die Übersendung des Abnahmeprotokolls regelmäßig die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens anwendet – wer also nicht unverzüglich einer abweichenden Regelung im übersandten Abnahmeprotokoll widerspricht, läuft Gefahr, daran gebunden zu sein. Wegen der oftmals geraumen Zeit, die zwischen Vertragsschluss und Abnahme liegt, muss eine Änderung nicht einmal gewollt sein – ob ein Gericht dann aber ein folgenloses Versehen der Parteien annimmt, hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalls und deren Bewertung durch das Gericht ab.

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Streit um Nachträge – Darf der Werkunternehmer die Arbeiten einstellen?

Sachverhalt

Die Beklagte beauftragte mit VOB-Vertrag die Klägerin mit der Ausführung von Putzarbeiten. Nachdem sich die Parteien über die Berechtigung von Nachtragsforderungen nicht verständigen konnten, drohte die Klägerin, die Baustelle zu räumen, wenn die Nachträge durch die Beklagten nicht bestätigt würden. Die Beklagte widersprach dieser Vorgehensweise im Hinblick auf die drohende Verzögerung. Als dann die Klägerin ihren Worten Taten folgen ließ und kein Mitarbeiter der Klägerin mehr auf der Baustelle erschien, kündigte die Beklagte den Vertrag, ohne allerdings der Klägerin zuvor eine Frist zu setzen und die Kündigung anzudrohen.

Entscheidung

Im Rechtsstreit stritten die Parteien um die Wirksamkeit der Kündigung. Das Oberlandesgericht hat der beklagten Auftraggeberin Recht gegeben und ausgeführt, dass der Klägerin kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich ihrer Werkleistung zugestanden habe. Vielmehr habe sie gegen das Kooperationsgebot verstoßen, indem sie die Arbeiten eingestellt habe. Das Kooperationsgebot solle gewährleisten, dass in Fällen, in denen nach der Vorstellung einer oder beider Parteien die vertraglich vorgesehene Vertragsdurchführung an die geänderten tatsächlichen Umstände angepasst werden müsse, entstandene Meinungsverschiedenheiten möglichst einvernehmlich beigelegt werden. Streitfälle berechtigten den Auftragnehmer nicht, die Arbeiten einzustellen. Dies gelte auch für ungeklärte Nachtragsforderungen. Vielmehr sei es einem Auftragnehmer zuzumuten, die geschuldete Werkleistung zu erbringen und die Berechtigung der Nachträge im Nachhinein zu klären. Das Oberlandesgericht hat die außerordentliche Kündigung durch die Beklagte für wirksam gehalten. Eine nach den Regelungen der VOB/B vorherige Fristsetzung mit Kündigungsandrohung sei hier entbehrlich gewesen; das Oberlandesgericht hat die Formalien einer Auftragsentziehung hinter dem Verstoß gegen die Kooperationspflicht zurücktreten lassen. Dieses oberlandesgerichtliche Urteil ist mit Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 01.06.2022, VII ZR 826/21 rechtskräftig geworden.

Praxishinweis

 Nachvollziehbarerweise wünschen Auftragnehmer frühzeitig Klarheit über ihre Nachtragsforderungen. Der Versuch, die Weiterarbeit von der Unterzeichnung des Nachtrags abhängig zu machen oder gar die Arbeiten einzustellen, wenn der Nachtrag nicht akzeptiert wird, erweist sich allerdings als Spiel mit dem Feuer, wie die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart zeigt. Gleiches gilt für den „Trick“, die ausgeführte Nachtragsposition kurzerhand mit einer Abschlagsrechnung geltend zu machen und nach Zahlungsverzug die Arbeiten einzustellen. Festzuhalten ist: Wer als Auftragnehmer wegen Nachtragsstreitigkeiten die Arbeiten vollständig einstellt, riskiert eine Kündigung. Deshalb ist Auftragnehmern zu raten, zunächst zu versuchen, die Differenzen im Gespräch beizulegen. Klappt dies nicht, sollte er die streitige Nachtragsleistung ausführen und die Vergütung notfalls hinterher einklagen. Nicht zu entscheiden hatte das Oberlandesgericht den Fall, dass ein Auftraggeber sich endgültig weigert, einen berechtigten Nachtrag zu bezahlen. So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 24.06.2004, VII ZR 271/01 entschieden, dass ein Auftragnehmer eine angeordnete zusätzliche Leistung nicht ausführen muss, wenn der Auftraggeber deren Vergütung endgültig verweigert.

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Energie-Effizienz-Experte haftet nicht für entgangene Zuschüsse!

Johannes DeppenkemperJohannes Deppenkemper

LG Bielefeld, Urteil vom 31.01.2023 – 7 O 325/21 –

 

Sachverhalt

Der Eigentümer eines Gebäudes beauftragt den Architekten, ihn im Rahmen der Sanierung eines Wohngebäudes als Energie-Effizienz-Experte zu begleiten und den EnEV-Nachweis zu erstellen. Der Architekt berechnet die Maßnahmen, berät den Bauherrn über die hierfür zu erlangenden KfW-Zuschüsse. Auf der Grundlage dieser Berechnung beantragt der Bauherr die Zuschüsse, die ihm schriftlich mit zwei Bescheiden zugesagt werden. Die Bescheide enthalten auch eine Frist, binnen derer der Bauherr den Nachweis für die Durchführung der Maßnahmen zu erbringen hat. Der Bauherr versäumt diese Frist. Zuschüsse werden deshalb nicht gezahlt. Der Bauherr nimmt den Architekten auf Schadenersatz in Anspruch.

 

Entscheidung

Das Landgericht Bielefeld weist die Klage ab. Das Landgericht geht von einem Dienstvertrag aus. Der Architekt schulde nicht – wie bei einem Werkvertrag – einen bestimmten Erfolg, sondern lediglich die Dienstleistung im Sinne einer fachlichen Beratung. Im Streitfall habe der Architekt weder eine Hauptpflicht noch eine Nebenpflicht verletzt, da den Architekten insbesondere keine Pflicht zur Fristenkontrolle treffe. Die Pflichten des Energie-Effizienz-Experten beziehe sich nur auf die technische Seite, nicht auf das Verfahren. Für das Verfahren bleibe der Bauherr zuständig. Den Energie-Effizienz-Experten habe lediglich die Nebenpflicht getroffen, den Bauherrn auf die Voraussetzungen zur Erteilung des Vorschusses einschließlich des Erfordernisses des hydraulischen Abgleichs hinzuweisen. Weiter hat das Landgericht sodann festgestellt, dass der Architekt dieser Verpflichtung mit einem entsprechenden Hinweis nachgekommen sei. Ein Schadenersatzanspruch des Bauherrn gegenüber dem Architekten bestehe nicht.

 

Praxishinweis

Richtig ist die Kernfeststellung des Landgerichts, dass grundsätzlich der Energie-Effizienz-Experte für den technischen Bereich zuständig sei. Wollte man dem Energie-Effizienz-Experten darüber hinaus Vertragspflichten auferlegen, so müsste dies gesondert dem Vertrag zwischen Bauherrn und Energie-Effizienz-Experten zu entnehmen sein.

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Zur Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag und Ansprüche des Bestellers vor Werkabnahme

OLG Hamm, Entscheidung vom 27.09.2022, Az. 24 U 57/21

Das OLG Hamm hatte zwei Fragen zu klären: Zum einen wie Kauf- und Werkvertrag voneinander abzugrenzen sind, zum anderen, inwieweit der Besteller vor Abnahme des Werkes Ansprüche gegen den Unternehmer haben kann.

Sachverhalt

Der Auftraggeber war Bauherr einer Doppelhaushälfte. Der Auftragnehmer war von ihm werkvertraglich mit der Lieferung und dem passgenauen Einbau von Fenster- und Türelementen beauftragt. Nach Ausführung der Arbeiten teilte der Auftragnehmer mit, seine Leistungen seien fertig; die Leistungen wurden zur Abnahme angeboten. Noch vor der Abnahme rügte der Auftraggeber Mängel und setzte fruchtlos Mängelbeseitigungsfristen. Erst dann erklärte der Auftraggeber die Abnahme. Der Auftraggeber verlangt Zahlung von Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung. Der Auftragnehmer stellte sich auf den Standpunkt, dass ein Kaufvertrag geschlossen sei, kein Werkvertrag, und dass vor der Abnahme jedenfalls keine wirksame Nacherfüllungsfrist gesetzt werden konnte, die aber Voraussetzung für einen solchen Anspruch sei.

Entscheidung

Das OLG Hamm hat zunächst entschieden, dass der zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geschlossene Vertrag als Werkvertrag zu charakterisieren sei. Die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag erfolge anhand des Schwerpunktes des Vertrages. Liege dieser vorrangig darin, dem Gläubiger das Eigentum an der Sache zu verschaffen, also in der Übergabe und Übereignung i.S.d. § 929 BGB, ist von einem Kaufvertrag nach § 433 BGB auszugehen. Liege der Fokus des Vertrages hingegen auf der Herbeiführung eines Erfolges dergestalt, dass der Schuldner entweder eine neue Sache herzustellen hat oder Einzelteile in eine Sache einfügt, sei eher ein Werkvertrag anzunehmen. Hier bejahte das OLG im Hinblick auf das passgenaue Herstellen und den Einbau von Fenstern und Türen davon aus, dass ein Werkvertrag geschlossen worden sei.  Die Abgrenzung zwischen einem Kaufvertrag mit Montageverpflichtung und einem Werkvertrag erfolgt nach der Rechtsprechung danach, ob der Schwerpunkt der vertraglichen Pflichten des Auftragnehmers in der bloßen Übergabe und Übereignung von (herzustellenden) Sachen liegt oder in der Herbeiführung eines Gesamterfolgs durch Lieferung und Montage von Einzelteilen. Für einen Werkvertrag ist dabei entscheidend, dass bei einer qualitativen Gesamtbewertung die Herstellung eines funktionstauglichen Werks im Vordergrund steht. Dabei kam es gerade auf den passgenauen Einbau durch den Auftragnehmer an. Ohne passgenauen Einbau war die fachgerechte Herstellung des Gebäudes nicht möglich.

Da nach Ansicht des OLG Hamm ein Werkvertrag geschlossen wurde, kam es auch die weitere Frage der Abnahme – diese gibt es beim Kaufvertrag nach dem Gesetz nicht – an. Grundsätzlich gibt es Mängelrechte erst nach Abnahme; damit geht das Vertragsverhältnis von der Erfüllungsebene auf die Gewährleistungsebene über. Das OLG Hamm hat im vorliegenden Fall aber einen Anspruch des Auftraggebers auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung bejaht; eine Nacherfüllungsfrist gem. § 637 BGB könne bereits vor der Abnahme wirksam gesetzt werden, sofern der Erfüllungsanspruch fällig ist, der Unternehmer das Werk als fertig gestellt zur Abnahme anbietet und der Nacherfüllungsanspruch später fällig wird. Zwar werde der Nacherfüllungsanspruch im Grundsatz erst mit der Abnahme fällig (im Ausnahmefall kann die Abnahme auch entbehrlich sein). Jedoch sind der Erfüllungs- und der Nacherfüllungsanspruch dann, wenn es um die Beseitigung von fehlerhaften Leistungen nach Fertigstellung(sanzeige) einander so ähnlich und auf das gleiche Ziel gerichtet, dass es nach Abnahme keiner (erneuten) Nachbesserungsfrist durch den Auftraggeber mehr bedürfe.

 

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Angemessenheit einer Nachfrist zur Baufertigstellung

Dr. Michael Kunzmann LL.M.Dr. Michael Kunzmann LL.M.

OLG Frankfurt, Urteil vom 18.02.2021 – 22 U 103/19

 

Sachverhalt

Die Klägerin hat die Beklagte aus einem Werkvertrag, der den Bau eines Einfamilienhauses zum Gegenstand hatte, auf Zahlung einer Vertragsstrafe und Fertigstellungskosten in Anspruch genommen. In den Vertrag hatten die Parteien die VOB/B einbezogen und die Fertigstellung der geschuldeten Bauleistung sieben Monate ab Bauzeitbeginn vereinbart. Der Fertigstellungstermin sollte sich im Falle von der Beklagten nicht zu vertretenden Umständen entsprechend verlängern. Für die schuldhafte Überschreitung des Fertigstellungstermins haben die Parteien eine Vertragsstrafe vereinbart.

Nach dem Baubeginn kam es im Bauablauf zu erheblichen Verzögerungen. Baubeginn war der 13.12.2011. Am 10.10.2012 kündigte die Klägerin den Vertrag wegen Bauzeitverzögerungen. Zur Begründung der Kündigung hat sie sich auf einen Verzug der Beklagten vom 06.08. bis zum 10.10.2012 berufen.

Das Landgericht Darmstadt (Az.: 19 O 21/13) hat unter anderem ein Sachverständigengutachten zur Frage der Bauzeitverzögerung eingeholt und in dessen Folge eine vertraglich geschuldete Fertigstellung bis zum 22.08.2012 angenommen. Folglich hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe sowie dem Grunde nach zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt.

Gegen das landgerichtliche Urteil hat sich die Beklagte im Wege der Berufung gewandt.

 

Entscheidung

Mit Urteil vom 18.02.2021 hat das OLG Frankfurt (Az.: 22 U 103/19) festgestellt, das landgerichtliche Urteil sei nicht zu beanstanden. Der Auftraggeber (die Klägerin) sei berechtigt gewesen, den Vertrag zu kündigen. Der Klägerin stehe die Vertragsstrafe zu.

In diesem Zusammenhang hat der Senat des Oberlandesgerichts festgestellt, dass eine Frist zur Fertigstellung dann angemessen ist, wenn während ihrer Dauer die Mängel unter größten Anstrengungen des Auftragnehmers beseitigt werden könnten. Die Frist habe nicht den Zweck, den Auftragnehmer in die Lage zu versetzen, nun erst die Bewirkung seiner Leistung in die Wege zu leiten, sondern sie soll ihm nur eine letzte Gelegenheit geben, die Erfüllung zu vollenden. Der Auftragnehmer, der sich in Verzug befände, müsse die Arbeiten innerhalb einer Frist erbringen, in der die Fertigstellung unter größten Anstrengungen möglich sei, was eine erhebliche Erhöhung der Zahl der Arbeitskräfte, der täglichen Arbeitsstunden bis hin zu Doppelschichten und Samstagsarbeit bedeuten könnte.

Ferner hat der Senat festgestellt, dass die Entziehung des Auftrags (Kündigung) zwar grundsätzlich voraussetzt, dass die gesetzte Frist tatsächlich fruchtlos abgelaufen ist. Wenn aber aufgrund der Umstände feststehe, dass die gesetzte Frist nicht eingehalten werde, sei der Auftraggeber auch vor Ablauf berechtigt, die außerordentliche Kündigung auszusprechen.

Der Senat hat weiter ausgeführt, dass bei der Bemessung der Frist davon auszugehen sei, dass die verlangten Leistungen vom Auftragnehmer bereits begonnen worden seien oder jedenfalls vorbereitet worden seien. Vor diesem Hintergrund genüge die Setzung einer relativ kurzen Nachfrist. In jedem Fall handele es sich bei der Frage der Angemessenheit einer Nachfrist um eine vom jeweiligen Einzelfall abhängende Entscheidung.

 

Praxishinweis

Im Kontext der Entscheidung des OLG Frankfurt ist zu beachten, dass mit der ständigen Rechtsprechung eine zu kurze Frist stets eine angemessene Frist in Lauf setzt. Selbst wenn der Auftraggeber eine zu kurze Frist setzt, ist dennoch eine umgehende Fertigstellung durch den Auftragnehmer erforderlich.

Ist dem Auftragnehmer eine Fertigstellung auch unter größten Anstrengungen nicht möglich, so hat er den Auftraggeber hierauf hinzuweisen. Ggf. hat er sogar einen Bauzeitenplan vorzulegen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der tab- Technik am Bau, Ausgabe 11/2022, abrufbar unter:

https://www.tab.de/artikel/das-aktuelle-baurechtsurteil-3866137.html

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Vorsicht: Anerkenntnis!

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.12.2021 – 13 U 357/20

 

Problemdarstellung

Eine Verjährungsfrist, z.B. Gewährleistungsansprüche betreffend, beginnt gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB von neuem zu laufen, wenn ein Schuldner innerhalb der ursprünglichen Verjährung dem Gläubiger gegenüber einen Anspruch anerkennt. Übertragen auf baurechtliche Sachverhalte kann ein solches Anerkenntnis bereits dann anzunehmen sein, wenn der Unternehmer dem Besteller gegenüber eine mangelhafte Ausführung eingesteht. Abgesehen vom Einfluss auf die Verjährung bewirkt ein Anerkenntnis oftmals auch eine Umkehr der Beweislast zu Lasten des Unternehmers.

Inhaltlich stellt die Rechtsprechung zwar verhältnismäßig hohe Anforderungen an ein Anerkenntnis in diesem Sinne und verlangt insbesondere, dass der Schuldner mit der Abgabe der Erklärung das in Rede stehende Schuldverhältnis dem Streit entziehen und festlegen möchte. An dieser Definition wird aber deutlich, dass es stets auf die Auslegung einer bestimmten Erklärung im konkreten Einzelfall ankommt und nicht etwa auf die Verwendung bzw. Vermeidung des Wortes „Anerkenntnis“ oder dessen Synonyme.

Mit den Anforderungen an ein solches Anerkenntnis und dessen Rechtsfolgen hat sich das Oberlandesgericht Stuttgart in einer Entscheidung vom 10.12.2021 (Az. 13 U 357/20) auseinandergesetzt.

 

Sachverhalt

Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung eines Schadensersatzes von ca. 25.000,00 € für die Reparatur einer Zwischendecke verklagt. Dem zugrunde liegt die Beauftragung der Beklagten mit Reparaturarbeiten an der klägerischen Klimaanlage, die im Jahr 2014 fertiggestellt wurden. Im Zuge der Arbeiten soll es durch Unachtsamkeit der Beklagten zu Beschädigungen der Zwischendecke gekommen sein. Die Klägerin meldete den Schaden im Jahr 2015, woraufhin die Parteien über mehrere Monate korrespondierten und schließlich ein Telefonat zwischen den beiden Geschäftsführern erfolgte, dessen Inhalt aber streitig ist. Letztlich nachweisen konnte die Klägerin folgenden Sachverhalt:

Nach der Anzeige des Schadens meldete sich die Beklagte im Dezember 2015 bei der Klägerin mit der Bitte um Überreichung von Schadensfotos, um – nach eigenen Angaben – die Angelegenheit prüfen zu können. Anschließend wolle sich die Beklagte darum kümmern. Auf Nachfrage der Klägerin im Januar 2016 erklärte die Beklagte, sie habe den Vorgang mittlerweile ihrem Haftpflichtversicherer gemeldet.

Die Klägerin unternahm dann zunächst nichts und hat, nachdem die Beklagte seit dem Jahr 2016 nicht mehr reagierte, im Dezember 2018 eine Zahlungsklage erhoben. Im Prozess hat die Beklagte die Verjährung eingewendet. Das zuständige Landgericht hat die Klage wegen eingetretener Verjährung abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt.

 

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und ebenfalls auf die Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche abgestellt. Nach Auffassung des Gerichts sei vorliegend die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren beginnend mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller hiervon Kenntnis erlangt hat, einschlägig, sodass die Verjährung mit Ablauf des 31.12.2017 eingetreten sei. Zwar hätten verjährungshemmende Verhandlungen zwischen den Parteien stattgefunden, dies jedoch nur über einen Zeitraum von wenigen Monaten, was zur Überbrückung der Verjährungslücke im Zeitraum Januar bis Dezember 2018 nicht ausreiche.

Sollten jedoch die Erklärungen der Beklagten im Dezember 2015 und im Januar 2016 als Anerkenntnis zu werten sein, wäre die Verjährungsfrist gewahrt worden. Dies sei hier jedoch nach Auffassung des Oberlandesgericht Stuttgart nicht der Fall gewesen, weil die Klägerin allein aufgrund der Anforderung von Schadensunterlagen und dem Inaussichtstellen der Beklagten, sich „um die Angelegenheit zu kümmern“ nicht von einer Einstandserklärung habe ausgehen dürfen. Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere auch die beklagtenseitige Meldung des Vorgangs an den Haftpflichtversicherer, woraufhin die Klägerin daher nun auf jeden Fall damit habe rechnen müssen, dass die Beklagte eigenmächtig keine rechtsverbindlichen Erklärungen abgeben wird.

Hier ist für den Unternehmer noch einmal alles gut gegangen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart ist rechtlich vertretbar, beleuchtet aber auch die Risiken unbedarfter, auf den ersten Blick harmlos wirkender Äußerungen.

Übrigens lassen sich selbst Handlungen als Anerkenntnis auslegen; z.B. die Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten auf Verlangen des Auftraggebers. Ist unternehmerseits eine Mängelbeseitigung in diesem Sinne gar nicht beabsichtigt, sollte klargestellt werden, dass die Arbeiten ohne Anerkennung einer Rechtspflicht lediglich aus Kulanz erfolgen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der tab- Technik am Bau, Ausgabe 10/2022, abrufbar unter:

https://www.tab.de/artikel/das-aktuelle-baurechtsurteil-3855580.html

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Der Vergütungsanspruch des Werkunternehmers nach „freier“ Kündigung durch den Besteller

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.08.2021 – 22 U 267/20

 

Problemdarstellung

Beim Werk- oder Bauvertrag besteht im Gegensatz zu den allermeisten anderen deutschen Vertragsformen die Möglichkeit für den Besteller/Auftraggeber, sich ohne besondere Begründung einseitig von dem geschlossenen Vertrag zu lösen, was als freie Kündigung bezeichnet wird. Historischer Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, dass der Unternehmer/Auftragnehmer nach dem Gesetz zur Herstellung des Werkes zwar verpflichtet, nicht aber dazu berechtigt ist; er hat also keinen einklagbaren Anspruch darauf. Nur der Besteller/Auftraggeber kann insoweit disponieren und z.B. die Ausführung von Arbeiten auf seinem Grundstück ablehnen. Dies durchbricht jedoch den elementaren Grundsatz des deutschen Zivilrechts pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten), weshalb das Gesetz dem Unternehmer im Falle der freien Kündigung die Möglichkeit gibt, neben dem Werklohn für etwaig schon erbrachte Leistungen auch die volle vertraglich vereinbarte Vergütung für die nach dem Vertrag vorgesehenen, aber noch nicht erbrachten Leistungen zu verlangen. Mit Rücksicht auf die rechtlichen Interessen beider Vertragsparteien sollen dem Unternehmer durch die freie Kündigung keine Nachteile, allerdings auch keine Vorteile entstehen. Aus diesem Grund muss er sich auf seinen Vergütungsanspruch für die nicht erbrachten Leistungen die ersparten Aufwendungen und den Erwerb durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft (Füllaufträge) anrechnen lassen. Zur Erleichterung stellt das Gesetz die Vermutung auf, dass die insoweit reduzierte Vergütung 5 % des nach dem Vertrag für die nicht erbrachten Leistungen vereinbarten Werklohns beträgt, was von beiden Vertragsparteien allerdings widerlegt werden kann.

Im Rahmen der Geltendmachung eines solchen Vergütungsanspruchs kommt es aus naheliegenden Gründen oftmals zu Streit zwischen den Parteien über die Höhe der ersparten bzw. nicht ersparten Aufwendungen des Unternehmers, beginnend damit, ob einzelne Umstände überhaupt ersparte Aufwendungen im gesetzlichen Sinne darstellen bis zur Höhe dieser. Zum Verständnis ist hierbei wichtig, dass der gesetzliche Anspruch auf die „volle vertraglich vereinbarte Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen“ nicht gleichzusetzen ist mit einem betriebswirtschaftlichen Gewinn, weil dieser nicht lediglich projektbezogen berechnet wird. Hingegen stellen etwa allgemeine Geschäftskosten, die projektunabhängig anfallen, keine ersparten Aufwendungen dar.

 

Sachverhalt

Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte sich mit den Voraussetzungen ersparter Aufwendungen im gesetzlichen Sinne zu befassen. Dem zugrunde lag ein Detail-Pauschalpreisvertrag gerichtet auf die Ausführung von Abbruch-, Erd-, Spezial-Tiefbau- und Stahlbetonarbeiten gegen einen Pauschalpreis von 1.666.000,00 €. Der Auftraggeber sprach recht frühzeitig eine freie Kündigung aus, der Auftragnehmer verlangte daraufhin einen Werklohn in Höhe von 50.000,00 € für die erbrachten Arbeiten und weitere 213.000,00 € für die kündigungsbedingt nicht mehr erbrachten Leistungen. Die Sache ging letztlich vor Gericht. Dort hat der klagende Auftragnehmer zur Darlegung der ersparten Aufwendungen seine Urkalkulation vorgelegt. Der Auftraggeber hat der Verwertung widersprochen, diese auch inhaltlich bestritten und eingewendet, der Auftragnehmer habe tatsächlich viel mehr erspart, sodass ein Vergütungsanspruch nicht bestehe.

 

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 27.08.2021 der Klage des Auftragnehmers gerichtet auf Zahlung einer Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen im Wesentlichen stattgegeben. Unter Berücksichtigung des Vortrags der Parteien seien die Selbstkosten der Teilleistungen und die damit zusammenhängenden Baustellen-Gemeinkosten als ersparte Aufwendungen zu berücksichtigen. Mit weiteren potentiell ersparten Aufwendungen und etwaigen Füllaufträgen hat sich das Gericht nicht mehr befasst, weil insoweit die Auftraggeberseite darlegungs- und beweisbelastet sei, denn:

Zutreffend habe der Auftraggeber zwar darauf hingewiesen, dass es auf die Urkalkulation des Auftragnehmers rechtlich nicht ankomme, sondern vielmehr die (hypothetisch) tatsächlich ersparten Aufwendungen maßgeblich seien, also wie es sich auf der Baustelle tatsächlich dargestellt hätte. Im Hinblick auf die Beweislastverteilung obliege dem Auftragnehmer allerdings nur eine Erstdarlegung der ersparten Aufwendungen, dem der Auftragnehmer hier aber nachgekommen sei durch Bezugnahme auf die Urkalkulation. Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast des Auftraggebers hätte dieser darauf aufbauend substantiiert Stellung nehmen und alternative Tatsachen beweisen müssen, z.B. höhere ersparte Aufwendungen. Diesbezüglich sei der Auftraggeber beweisfällig geblieben, weshalb der Vergütungsanspruch zuzuerkennen sei.

 

Anmerkung

Die Entscheidung zeigt, dass einer Urkalkulation nicht nur eine betriebswirtschaftliche, sondern auch eine rechtlich erhebliche Bedeutung zukommen kann, selbst wenn es für die Vergütung nach der freien Kündigung auf die tatsächlichen Kosten ankommt. Übrigens gelten diese Gedanken sinngemäß auch für das Nachtragswesen – auch dort kommt es auf die tatsächlichen Kosten an, die im Zweifel zunächst einmal substantiiert dargelegt werden müssen – und zwar seit Einführung des neuen Bauvertragsrechts in jedem Fall beim BGB-Vertrag und angesichts der neuen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil 08.08.2019 VII ZR 34/18) auch beim VOB-Vertrag, der nicht mehr automatisch dem sog. Preisfortschreibungsmodell folgt. Auf den Punkt gebracht: Urkalkulation hilft!

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Eine an sich geschuldete Mängelbeseitigung kann unverhältnismäßig sein!

Björn Kieckhäfer

OLG Koblenz Urteil vom 24.06.2021 – 2 U 391/19

BGH: Beschluss vom 10.08.2022 – VII ZR 632/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

 

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt ein Rohbauunternehmen und war durch den Beklagten (Bauherr) mit der Erstellung von Rohbauarbeiten eines neu zu errichtenden Gebäudes beauftragt. Mit der Klage begehrte sie die Zahlung des ausstehenden Werklohns für die ihrerseits erbrachte Leistung. Nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien schuldete die Klägerin die Ausführung einer hinterlüfteten Klinkerfassade. Das Leistungsverzeichnis wies hierzu eine Hinterlüftung von 40 mm aus. Der beklagte Bauherr behauptete im Rahmen des Rechtsstreits unter anderem, dass die Wärmedämmung nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden sei, da die vertraglich vereinbarte Hinterlüftung nicht durchgängig die vereinbarte Stärke von 40 mm aufwies. Aus diesem Grund bestehe potentiell die Möglichkeit, dass Feuchtigkeit aufgenommen und dadurch die Dämmeigenschaft reduziert werden könne.

Der vom Landgericht Koblenz bestellte Sachverständige gelangte im Rahmen seiner Begutachtung zu dem Ergebnis, dass die zwischen den Parteien unstreitig vereinbarte Ausführung der Hinterlüftung von 40 mm zwar nicht durchgehend vorhanden sei, aus technischer Sicht jedoch gleichwohl keine funktionelle Beeinträchtigung zu befürchten sei. Das Landgericht Koblenz sprach der Klägerin den geltend gemachten Werklohnanspruch zu.

 

Entscheidung

Mit Urteil vom 24.06.2021 bestätigt das OLG Koblenz (Az.: 2 U 391/19) die landgerichtliche Entscheidung hinsichtlich des gerügten Mangels. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 10.08.2022 (Az.: VII ZR 632/21) zurückgewiesen.

Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts kann sich der Beklagte im vorliegenden Fall nicht darauf berufen, dass im Rahmen des Vertrags die Ausbildung einer Luftschicht von 40 mm zwischen den Parteien vereinbart wurde. Denn auf diesen Umstand kommt es nach Auffassung des Oberlandesgerichts überhaupt nicht an. Die durchgehende Ausführung einer Hinterlüftung von 40 mm ist insbesondere nicht als Beschaffenheitsvereinbarung zu werten, da ein isoliertes Interesse des Bestellers an der (durchgängigen) Ausführung von 40 mm nicht erkennbar sei. Nach Auslegung der bestehenden Interessenlage werde von Seiten des Bestellers lediglich eine ordnungsgemäß funktionierende Wärmedämmung erwartet. Demnach besteht zugunsten des Beklagten kein Nacherfüllungsanspruch gegenüber der Klägerin. Dies gilt selbst dann, wenn die Hinterlüftung – trotz Festschreibung im Leistungsverzeichnis – nicht durchgehend mit 40 mm ausgeführt wurde. Erforderlich ist dann jedoch, dass die Wärmedämmung funktionsfähig ist, die nachträgliche Herstellung der vereinbarten Leistung mit einem objektiv geringen Interesse des Bestellers einhergeht und diesem Mangelbeseitigungswillen ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht.

Da der gerichtlich bestellte Sachverständige im Rahmen seiner Begutachtung zu dem Ergebnis gelangte, dass die hergestellte Wärmedämmung den allgemein anerkannten Fachregeln entspricht und damit als solche mangelfrei errichtet wurde, sah das Gericht diese Voraussetzungen im konkreten Fall als gegeben an. Die Mangelbeseitigung hätte letztlich den vollständigen Abriss und die Neuerrichtung der Fassade erfordert. Da die erbrachte Leistung jedoch uneingeschränkt funktionstüchtig ist, besteht aus Seiten des Bestellers kein nachvollziehbares Interesse an der Beseitigung eines etwaigen Mangels. Der Auftraggeber muss daher die vorhandene Abweichung hinnehmen.

 

Praxishinweis

Der vorliegende Fall verdeutlicht, dass im Ausnahmefall eine Mängelbeseitigung auch unverhältnismäßig sein kann. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der gerügte Mangel von untergeordneter Bedeutung ist, die Mangelbeseitigung hingegen nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand herbeigeführt werden könnte und der Unternehmer die Unverhältnismäßigkeitseinrede erhebt.

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Rechtsfolgen der Aerodynamik von Allgemeinverfügungen (oder: umfallende Verkehrsschilder)

Michael PeusMichael Peus

LG Wuppertal, Urteil vom 05.09.2022 – 2 O 29/20

Sachverhalt

Am 23.04.2019 kippte ein im Eigentum der Fa. Eins stehendes Baustellenverkehrsschild auf das Dach des Fahrzeugs des Klägers.

Das Schild war „vorinstalliert‟ aufgrund von Bauarbeiten, die ein städtisches Unternehmen für die Zeit vom 29.04.2019 bis zum 30.04.2019 in Auftrag gegeben hatte. Die Bauarbeiten – inklusive Umsetzung der verkehrsrechtlichen Anordnung gemäß § 45 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 6 StVO – sollte die Fa. Zwei durchführen. Weil die Fa. Zwei nicht genügend eigene Schilder im Bestand hatte, hatte sie aufgrund eines bestehenden Rahmenvertrages mit der Fa. Eins vereinbart, dass diese ihr Schilder zur Verfügung stelle. Das war in der Form vereinbart, dass Fa. Eins die bei ihr zu leihenden Verkehrsbeschilderungen vorher am Rand der aus dem beigefügten Plan erkennbaren Beschilderungsstellen abstellen möge. Fa. Zwei werde sich die benötigten Schilder dann später vom Straßenrand in die Baustelle ziehen

Fa. Eins hatte die von ihr gestellten Schilder angeliefert.

Zum Zeitpunkt des Umfallens waren die Schilder so aufgestellt, dass die Schildflächen sowohl parallel zu den langen Seiten der Fußplatten als auch parallel zum Bordstein ausgerichtet waren. Anders ausgedrückt: der fließende Verkehr blickte beim Heranfahren auf „die Ränder der Schilder‟ einerseits und auf die kurzen Seiten der Fußplatten andererseits.

Streitig war einerseits, ob das Amtshaftungsprivileg greife, und andererseits, ob ggfls. keine Haftung bestünde, weil Dritte eingegriffen hätten.

Entscheidung

Das Landgericht Wuppertal hat die Klage gegen das städtische Unternehmen und die Fa. Zwei abgewiesen. Verantwortlich sei Fa. Eins, der der Kläger den Streit verkündet hatte.

1. Das Amtshaftungsprivileg könne zwar grundsätzlich greifen bei der Beschilderung (BGH, Urteil v. 06.06.2019 – III ZR 124/18) von Baustellenbereichen. Vorliegend seien die Schilder aber bereits vor Baubeginn und vor Beginn der verkehrsrechtlichen Anordnung aufgestellt und – entscheidend – umgefallen. Das stehe einer Amtshaftung entgegen:

Die Tätigkeit der Streithelferin steht damit sachlich lediglich in einem mittelbaren Zusammenhang mit den übertragenen Hoheitsaufgaben der Beklagten zu 3), und in zeitlicher Hinsicht in gar keinem. Schäden, die in dieser, hier zu bewertenden Situation durch die Verletzung der während einer solchen Tätigkeit zu beachtenden Sorgfaltspflichten entstehen, können der Allgemeinheit nach der Rechtsauffassung der Kammer nicht angelastet werden.

2. Unbekannte Dritte schließt das LG Wuppertal im vorliegenden Fall nach umfassender Gesamtwürdigung als Ursache des sachwidrigen Aufstellens aus. Richtig ist allerdings, dass das LG Wuppertal dies in die ernste Überlegung aufgenommen hat. Und so ist es nach dem (unveröffentlichten) Hinweis des OLG Hamm vom 12.08.2022 (SR 001646-2021) auch so, dass der jeweilige Anspruchsteller diese Möglichkeit ausräumen muss. Denn für eine Pflichtverletzung gibt es keinen Rechtsschein / keine Vermutung: „Der Kläger hat die Möglichkeit, wie auch in der Unfallmitteilung, wonach ein Dritter die Absperrung verstellt hat, nicht ausgeräumt.‟ 

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