(K)ein Schweigen im Wald – Bauherr scheitert an der Darlegung konkreter Bauüberwachungspflichten

Dr. Michael Kappelhoff

Problemdarstellung
Regelmäßig werden Architekten nicht mit einem ausgearbeiteten schriftlichen Vertrag, sondern quasi im Vorbeigehen – mündlich auf der Baustelle, telefonisch etc. – beauftragt. Das ist stets nur so lange unproblematisch, wie man sich nicht streitet. Dann kann es sich für beide Parteien schmerzlich auswirken, wenn der eine Schadensersatzansprüche wegen Mängeln und der andere Honoraransprüche geltend machen will.

Sachverhalt
Ein Bauherr beauftragt einen Architekten mit der Bauüberwachung. Einen belastbaren schriftlichen Vertrag gibt es nicht, denn eine vorhandene schriftliche Vereinbarung wird vom Bauherrn rückdatiert. Es kommt zu Mängeln, worauf der Bauherr Schadensersatzansprüche gegen den Architekten wegen unvollständiger Bauüberwachung geltend macht. Auf seine Klage hin gibt ihm das Landgericht erstinstanzlich Recht und verurteilt den Architekten zu Schadensersatz.

Entscheidung
Das KG beurteilt in seiner jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 28.04.2023 (Az. 7 U 154/21) die Rechtslage in der Berufung anders und weist die Klage ab. Das Gericht könne nicht feststellen, dass der Architekt schuldhaft seine vertraglichen Pflichten verletzt habe, weil schon keine Pflicht zur vollumfänglichen Bauüberwachung nachgewiesen sei – in welchem konkreten Umfang Baubewachungspflichten vereinbart worden sei, sei nicht eindeutig feststellbar. Nachdem der Architekt bestritten habe, etwaig teilweise beauftragte Baubewachungspflichten verletzt zu haben, hätte es der Bauherren oblegen, vollen Beweis darüber zu erbringen, dass und welche Werkverpflichtung der Architekt verletzt habe. Der Vortrag des Bauherrn sei vage und widersprüchlich gewesen, zudem habe der Beklagte Architekt die Bauleitung ab einem gewissen Zeitpunkt von einem anderen Architekten übernommen. Die durchgeführte Zeugenvernehmung hätte auch keine Klarheit in Bezug auf die beauftragte Bauüberwachungspflicht gebracht. Die vorgelegte schriftliche Vereinbarung sei lediglich einseitig vom Bauherren verfasst und unstreitig rückdatiert worden; sie diene laut Bauherren dem Zweck, den tatsächlichen Auftragsumfang zu dokumentieren. Der Vortrag des Architekten sei zwar ebenfalls zum Teil inkonsistent und konturlos, zumal Bauüberwachungstätigkeiten auf Stundenlohnbasis und nicht pauschal beauftragt worden seien. Die vorgelegten Stundenlohnabrechnungen belegten allerdings nur die Beauftragung des Architekten mit einzelnen Bauüberwachungsmaßnahmen.
Letztlich sei das Gericht nicht in der Lage, „mit vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietender hinreichender Gewissheit irgendetwas konkretes zum Umfang der tatsächlichen Leistungsverpflichtungen des Architekten“ festzustellen.

Anmerkung
Möglicherweise ist der Architekt hier mit einem blauen Auge davongekommen. Hätte der Bauherr nicht widersprüchlich vorgetragen und zudem rückdatierte schriftliche „Vereinbarungen“ erklären müssen, wäre die Entscheidung möglicherweise anders ausgefallen. Da der Architekt seine Bauüberwachung auf Stundenlohnbasis erbracht hat, kam es ihm hier zugute, dass jedenfalls dem Gericht nur Stundenlohnabrechnungen für begrenzte Überwachungstätigkeiten vorlagen. Die Klägerseite hat es offenbar nicht hinbekommen, die gerügten Mängel am Bauwerk zeitlich jenen Tätigkeiten zuzuordnen und darüber hinaus vorzutragen, dass und wann der Architekt weitere Tätigkeiten erbracht hat. Man muss dem Architekten hier gar keine böse Absicht unterstellen, wenn er nur einzelne Stundennachweise bzw. Abrechnungen vorgelegt hat, denn auch die nachträgliche Dokumentation und verzögerte (Teil-)Abrechnung von Architektenleistungen ist bekanntlich nichts Ungewöhnliches. Sein Honoraranspruch, den er hier widerklagend geltend gemacht hat, ist allerdings darauf beschränkt. Auch nicht ungewöhnlich und hilfreich bei der Abwehr von Schadensersatzansprüche: Die Übernahme von Planungs- bzw. Überwachungstätigkeiten von Architekten und Ingenieuren, die aus dem Bauvorhaben ausscheiden, wird oft nicht sauber dokumentiert, sodass unklar ist, in wessen Leistungszeitraum einzelne Baumaßnahmen und damit verbundene Mängel wohl fallen.

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Einheitlicher Vergütungsanspruch des Bauträgers ist der Regelfall: 10-jährige Verjährungsfrist

Michael PeusMichael Peus

BGH, Urteil vom 07.12.2023 – VII ZR 231/22

Sachverhalt
Die Klägerin ist Bauträgerin. Sie begehrt von den Beklagten die Zahlung der letzten Rate aus einem Bauträgervertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung in Höhe von 15.511,50 € nebst Zinsen.

Mit notariellem Bauträgervertrag vom 26.02.2013 veräußerte die Klägerin an die Beklagten zwei Miteigentumsanteile an einer von der Klägerin auf klägerischem Grundbesitz zu errichtenden Anlage, verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung und dem Sondereigentum an einem PKW-Abstellplatz, zum Preis von insgesamt 448.900 €. Der Vertrag enthält einen Ratenplan zur Kaufpreiszahlung. Danach ist der Kaufpreis in sieben vom Baufortschritt abhängigen Raten zu zahlen. Die Schlussrate von 3,5 % des vereinbarten Preises (= 15.711,50 €) ist vertragsgemäß nach vollständiger Fertigstellung zu zahlen.

Sodann kam es zu folgender Chronologie:

20.06.2014 Begehung der Wohnung durch Klägerin und Beklagte. Dabei wurde ein von den Anwesenden unterzeichnetes Abnahmeprotokoll erstellt, in dem 27 Beanstandungen aufgeführt wurden. In diesem Protokoll heißt es unter anderem: „Die Übergabe/Abnahme erfolgt gemäß des Kaufvertrags vom 26.02.2013; UR Nr.‟
23.06.2014 auf diesen Zeitpunkt bezogene Abnahme des Gemeinschaftseigentums ohne Außenanlage und Tiefgarage
11.07.2014 auf diesen Zeitpunkt bezogene Abnahme der Außenanlage und Tiefgarage
06.11.2014 Erklärung der Abnahme des Gemeinschaftseigentums (ohne Außenanlage und Tiefgarage) rückwirkend zum 23.06.2014 und rückwirkend zum 11.07.2014 die Abnahme hinsichtlich Außenanlagen und Tiefgarage.
21.11.2014 Bautenstandsmeldung, das Objekt vollständig fertiggestellt zu haben.
24.11.2014 Mitteilung der Klägerin an den Beklagten, dass der Bautenstand „vollständige Fertigstellung‟ erreicht sei, und Aufforderung zur Zahlung der letzten noch offenen Rate in Höhe von 15.711,50 €.
08.12.2014 Zurückweisung der Zahlungsaufforderung durch die Beklagten wegen Baumängeln.
28.12.2017 Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides
03.01.2018 Zustellung des Mahnbescheides
11.01.2018 Widerspruch gegen den Mahnbescheid
15.01.2018 Information der Klägerin über den Widerspruch
??.??.2018 Verzicht auf die Einrede der Verjährung durch die Beklagten bis zum 31.12.2018
28.12.2018 Eingang des Kostenvorschusses
02.01.2019 Abgabe des Verfahrens an das Landgericht
24.09.2020 Anspruchsbegründung
05.02.2021 Zustellung der Anspruchsbegründung bei der Beklagten

Die Beklagten haben im Rechtsstreit die Einrede der Verjährung erhoben. Daneben berufen sie sich auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen der von ihnen gerügten Mängel, deren Beseitigungsaufwand sie unter Berücksichtigung eines anzusetzenden Druckzuschlags auf 33.545,51 € beziffern. Die Klägerin hat eine Minderung ihrer Vergütung wegen Mängeln in Höhe von 200 € anerkannt und diesen Betrag von der Schlussrate in Abzug gebracht. Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass die erhobenen Mängelrügen kein Zurückbehaltungsrecht, jedenfalls nicht in Höhe der Klageforderung, rechtfertigten.

Das Landgericht hat die Klage wegen des Eintritts der Verjährung abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Die Revision führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgerichts.

 

Entscheidungsgründe

1. Die vereinbarte Bauträgervergütung war nicht aufteilbar in einen Kaufpreis für die Grundstücksanteile einerseits und eine Vergütung für die Bauleistungen andererseits. Eine Aufteilung der Bauträgervergütung in einen Kaufpreis für das Grundstück einerseits und eine Vergütung für die Bauleistungen andererseits kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (…) allenfalls dann in Betracht, wenn die Parteien eine derartige Aufteilung vereinbaren.

2. Ein Anspruch der Klägerin auf Erhalt einer einheitlichen Vergütung kann nur einheitlich verjähren (vgl. Hertel, DNotZ 2002, 6, 22; Pause/Vogel, Bauträgerkauf und Baumodelle, 7. Aufl., Kap. 4 Rn. 365). Für den einheitlichen Vergütungsanspruch des Bauträgers gilt nicht die dreijährige Regelverjährungsfrist gemäß § 195 BGB, sondern die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB. Denn § 196 BGB ist dahin auszulegen, dass die in dieser Vorschrift geregelte Verjährungsfrist für den einheitlichen Vergütungsanspruch des Bauträgers aus einem Bauträgervertrag gilt. Nach § 196 BGB verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung in zehn Jahren. § 196 BGB verdrängt insoweit als speziellere gesetzliche Regelung die Vorschrift des § 195 BGB. Die Vorschrift des § 195 BGB stellt innerhalb des Verjährungsrechts die Grundnorm dar. Sie ist jedoch nur anwendbar, wenn sie nicht durch eine speziellere Regelung verdrängt wird (vgl. BeckOGK/Piekenbrock, BGB, Stand: 15. Mai 2023, § 195 Rn. 13, 13.1). § 196 BGB stellt eine solche speziellere Verjährungsregelung dar (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2014- V ZR 32/14 Rn. 22, NJW-RR 2015, 338). Diese spezielle Verjährungsregelung ist auch auf den Vergütungsanspruch des Bauträgers anwendbar.

(….) Danach ist die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB im Streitfall nicht abgelaufen. Denn der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der letzten Rate ist jedenfalls nicht vor November 2014 fällig geworden.

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Der Architekt als Rechtsanwalt – Wo ist die Grenze?

Nach Ansicht von Gerichten muss ein Architekt ein Alleskönner sein – auch ein Rechtsanwalt?

Ein Architekt ist zwar prinzipiell weder berechtigt noch verpflichtet, rechtsberatende Tätigkeit auszuüben. Bei der Mitwirkung an der Vergabe werden aber vom Architekten Grundkenntnisse im Werkvertragsrecht und über die VOB erwartet; dazu gehören Gewährleistungsfristen wie auch Regelungen über Vertragsstrafen, über Sicherheitseinbehalte. Dem Architekten ist daher anzuraten, auf solche Vertragstexte zurückzugreifen, die dem geltenden Werkvertragsrecht und auch der geltenden Rechtsprechung entsprechen. Bei Unsicherheit sollte er den Bauherrn veranlassen, anwaltschaftlichen Rat beizuziehen, wenn es um rechtliche Fragen geht.

Wie riskant die Mitwirkung des Architekten an der Vertragsgestaltung ist, zeigt die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs, in dem es um eine doch eher unscheinbare Skontoklausel ging (BGH, Urteil 9.11.2023, VII ZR 190/22).

Sachverhalt

Der beklagte Architekt war mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 hinsichtlich eines Neubaus eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes befasst. Dabei stellte er der Klägerin, seiner Auftraggeberin, einen Bauvertragsentwurf mit einer von ihm formulierten Skontoklausel zur Verfügung, den diese bei der Beauftragung von bauausführenden Unternehmern verwandte. Die Skontoklausel lautete: „Die Fa. J. gewährt … ein Skonto von 3 % bei Zahlungen der durch die Bauleitung geprüften und angewiesenen Abschlagszahlungen bzw. Schlussrechnung innerhalb 10 Arbeitstagen nach Eingang bei der Bauherrschaft.‟ Konsequenterweise hielt die Auftraggeberin von der Schlussrechnung der Fa. J. einen Skontoabzug in Höhe von rd. 100.000 Euro ein. Darüber gerieten die Klägerin mit der Fa. J. in Streit. Die Fa. J. hielt den Skontoabzug für nicht gerechtfertigt unter Hinweis darauf, dass die Skontoklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam sei. Dies wurde in dem Verfahren so gesehen. Denn nach der Skontoklausel begann die Skontofrist erst nach der Prüfung der Rechnung durch den Architekten und der Weiterleitung der geprüften Rechnung mit dem Eingang beim Auftraggeber, ohne dass der Auftragnehmer auf diesen Zeitraum vom Eingang der Rechnung beim Architekten bis zu deren Eingang beim Auftraggeber irgendeinen Einfluss hatte. Damit konnte der Beginn der Skontofrist von Seiten des Auftraggebers auf einen vom Auftragnehmer nicht beherrschbaren Zeitraum verschoben werden, der unter Umständen Monate nach Rechnungseingang beim Architekten liegen kann. Darin sah man eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers. Deshalb schuldete die Klägerin die zu Unrecht gezogenen Skontobeträge noch. In diesem Umfang machte sie dann ihren Architekten, den Beklagten, verantwortlich.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an die Berufungsinstanz zurückverwiesen.

Zur Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass der Architekt durch die Zurverfügungstellung der von ihm selbst entworfenen Skontoklausel gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen hat. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt habe das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht geprüft und deshalb eine hierauf gestützte Haftung des Beklagten in seine Erwägungen nicht einbezogen. Deshalb muss sich nun das Berufungsgericht damit noch befassen.

Auch der Bundesgerichtshof ist zunächst davon ausgegangen, dass der Architekt einen Vertragstext mit der von ihm selbst entworfenen Skontoklausel der Klägerin zu deren Verwendung in ihren eigenen Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung gestellt hat. Die Klägerin habe – so der Bundesgerichtshof – diese Klausel in der Annahme, dass sie ihrer Interessenlage gerecht wird, bei Vertragsabschlüssen mit bauausführenden Unternehmern – darunter die Fa. J. – verwendet. Dass ein Architekt nicht über entsprechende juristische Kenntnisse verfüge, könne man nicht regelhaft annehmen; ein solcher Erfahrungssatz bestehe nämlich nicht. Dem Besteller als im Regelfall Laien auf dem Gebiet des Bauens und des Rechts erschlösse sich grundsätzlich nicht, was von der Kompetenz des Architekten noch umfasst werde oder ausschließlich zum Aufgabenbereich eines Rechtsanwalts gehöre.

Jedenfalls habe der Architekt gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen, indem er der Klägerin eine vermeintlich ihrer Interessenlage entsprechende Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung gestellt habe. Zwar könnten – so der Bundesgerichtshof – Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt sein, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehörten. Eine Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern stelle aber keine Nebenleistung dar, die zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Architekten gehöre. Grundsätzlich habe ein Architekt, der einem Rechtsberater des Bauherrn nicht gleichzusetzen sei, Leistungen zu erbringen, die erforderlich seien, um die mit dem Besteller vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. Dieses Aufgabengebiet und damit das Berufsbild des Architekten habe in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen. So könne es zum Erreichen der vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele notwendig sein, über Kenntnisse des öffentlichen und privaten Baurechts zu verfügen und diese in der Beratung des Bauherrn umzusetzen. Die Zurverfügungstellung einer der Interessenlage der Klägerin entsprechenden Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern gehe allerdings über die typischerweise mit der Verwirklichung von Planungs- und Überwachungszielen verbundenen Aufgaben und damit über das Berufsbild des Architekten hinaus. Denn die Erfüllung einer solchen Pflicht erfordere qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur in der Anwaltschaft vorhanden seien. Der Architekt müsse den Bauherrn nur darauf hinweisen, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt sei und sich der Bauherr insoweit an einen Rechtsanwalt zu wenden habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht, wenn der Architekt ein Entgelt für das „Mitwirken bei der Auftragserteilung‟ erhalte. Der Verordnungsgeber der HOAI sei nicht ermächtigt, Erlaubnistatbestände für die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen zu regeln.

Praxishinweis

Das Urteil zeigt die Grenzen auf, was ein Architekt an Rechtsberatung noch machen darf und was nicht. Die bisherige Handhabung, dass Architekten ihren Auftraggebern komplette Vertragsentwürfe zur Verfügung stellen, ist für den Architekten riskant. Regelmäßig enthalten diese Verträge auch Klauseln, die auf erste Sicht mit den Architektenleistungen nichts zu tun haben. Dazu zählt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs jedenfalls eine Skontoklausel, mit der ja letztlich nur eine schnelle Zahlung belohnt werden soll. Eine solche Klausel gehöre nicht zum Berufsbild eines Architekten. Nun ist es so, dass der Versicherungsschutz eines Architekten grundsätzlich nur dann greift, wenn der Schaden im direkten Zusammenhang mit der Ausübung des versicherten Berufsbildes entstanden ist. Der Architekt läuft also zusätzlich Gefahr, in solchen Fällen keinen Versicherungsschutz zu haben. Architekten sollten ihre Auftraggeber an erfahrene Baurechtsanwälte verweisen, die dann eine juristische Kontrolle vornehmen.

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Ein neues Dach für lau – dank Verbraucherwiderruf

Dr. Harald ScholzDr. Harald Scholz

Kein Wertersatz beim Verbraucherwiderruf bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Werkverträgen

 

OLG München; Beschluss vom 19.04.2021 – 28 U  7274/20 Bau (rechtskräftig: der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, Beschluss vom 10.05.2023, VII ZR 414/21)

Leitsatz 

Widerruft der nicht ordnungsgemäß über sein bestehendes Widerrufsrecht belehrte Verbraucher einen Werkvertrag, hat er für die erhaltenen Bauleistungen regelmäßig keinen Wertersatz zu leisten. Er hat auch nicht das verbaute Material zurückzugeben oder dafür Ersatz zu leisten. Ein Dach für lau!

Sachverhalt

Der Kläger hat einen Dachdeckerbetrieb. Wie es genau zu dem Auftrag kam, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Es kann gut sein, dass der Kläger vom beklagten Bauherrn auf einer naheliegenden Baustelle angesprochen und gefragt wurde, ob auch sein Dach neu gedeckt werden könne. Der Kläger mag dann einen Pauschalpreis genannt haben, der vor Ort auf einem mitgebrachten kleinen Vertragsformular festgehalten wurde. Jedenfalls fehlte es an einer schriftlichen Widerrufsbelehrung des Verbrauchers. Nach 10 Monaten sind die vereinbarten Dachdeckerarbeiten vollständig durchgeführt. Der Verbraucher erklärt den Widerruf des Vertrages.

Der Kläger verlangt der Zahlung der Rechnung von 25.000,00 EUR, anderenfalls Rückgabe oder Wertersatz für das eingebaute Material. Das Landgericht weist die Klage ab, das Oberlandesgericht hat über die eingelegte Berufung zu entscheiden.

Entscheidung

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das OLG München bestätigt das landgerichtliche Urteil.

Das Widerrufsrecht bestand, weil ein Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Handwerksbetriebes geschlossen wurde (früher: Haustürwiderruf). Das normalerweise 14 Tage betragende Widerrufsrecht erlischt in einem solchen Fall erst nach einem Jahr und 14 Tagen. Dieser Zeitraum war noch nicht abgelaufen, als der Widerruf erklärt wurde.

Die Folgen sehen vor, dass jede Seite im Prinzip die erhaltenen Leistungen zurückgeben muss. Dies ist aber nicht möglich, weil die Materialien fest im Haus des Beklagten verbaut sind. Der bei einem Rücktritt sonst geschuldete Wertersatz ist nach § 357 Abs. 8 BGB nur unter engen Bedingungen zu zahlen, jedenfalls dann aber nicht, wenn keine Belehrung stattgefunden hat.

Das Material kann auch nicht zurückverlangt werden, weil es als solches nicht mehr da ist, sondern sich – so jedenfalls die übliche Sichtweise – mit dem Hausgrundstück zum einem Ganzen verbunden hat und so ins Eigentum des Bestellers übergegangen ist. Die etwas bessere Rechtsfolge beim Wertersatz im sogenannten Verbraucherbauvertrag (§ 357d BGB) kommt dem Handwerker nicht zugute, weil ein Verbraucherbauvertrag voraussetzt, dass Vertragsinhalt – grob gesagt – die Errichtung eines ganzen Hauses ist.

Anmerkung

Dieser für den Handwerker bittere Fall lässt sich auf andere Gewerke ohne weiteres übertragen.

Der Handwerker hat es doch selbst in der Hand – sagt der europäische Gesetzgeber. In der Zwischenzeit ist aber noch nicht angekommen, dass das Widerrufsrecht nicht nur für Heizdecken auf Ausflugsfahrten gilt, sondern auch im Baubereich in bestimmten Konstellationen zum Tragen kommt.

Nach unserem Eindruck entwickelt sich dafür bei bestimmten Kundengruppen langsam ein Bewusstsein dafür, wie preiswert man auf diese Art und Weise Leistungen erlangen kann. Zwar werden die Gerichte, wenn sie Absicht annehmen, das oben dargestellte Ergebnis korrigieren. Aber wann wird sich das feststellen lassen?

Handwerksbetriebe täten also besser daran, sich auf die Rechtslage einzustellen. Man kann sich zum einen bei Vertragsanbahnungen klug verhalten, sodass es erst gar nicht zum Widerrufsrecht kommt. Ansonsten sollte man sich damit beschäftigen, wie man den Auftrag mit Widerrufsrecht rechtssicher abwickelt. Ihr Bauanwalt berät Sie gerne.

Jammern und auf den Gesetzgeber schimpfen wird allemal nicht ausreichen, auch wenn wohl noch ein paar Widersprüche im Gesetz zu begradigen sein werden. Immerhin ist jeder Unternehmer in anderen Situationen auch Verbraucher und genießt dann selbst einen Schutz, der manchmal bitter nötig ist.

(Dr. Harald Scholz)

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Wer ist verantwortlich für Fehler in Baugrundgutachten?

Dr. Michael Kunzmann LL.M.Dr. Michael Kunzmann LL.M.

OLG Schleswig, Beschluss vom 10.08.2022 – 12 U 132/21

BGH, Beschluss vom 21.06.2023 – VII ZB 206/22

 

Für Fehler in einem vom Auftraggeber in Auftrag gegebenen Baugrundgutachten ist der Auftraggeber verantwortlich. Er trägt als Eigentümer des Baugrundstücks das Baugrundrisiko.

 

Sachverhalt:

Die Klägerin begehrt Werklohn aus einem gekündigten Bauvertrag. Die Kündigung erfolgte durch die Beklagten außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Zur Begründung der außerordentlichen Kündigung führten die Beklagten Planungsfehler und Zeitverzögerungen an. Das vorliegende Baugrundgutachten solle Fehler aufgewiesen haben.

 

Das Landgericht Itzehoe hatte der Klage stattgegeben (Urteil vom 08.12.2021, Az.: 2 O 225/19).

 

Entscheidung:

 

Das OLG Schleswig hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Beschluss vom 20.10.2022, Az.: 12 U 132/21).

 

Zur Begründung hat der Senat festgestellt, dass auch noch nicht vorliegende Pläne, Unterlagen oder Genehmigungen in einem Bauvertrag wirksam einbezogen werden können. Das Fehlen solcher Unterlagen stehe der Wirksamkeit des Vertragsschlusses nicht zwingend entgegen.

 

Für Fehler in einem vom Auftraggeber in Auftrag gegebenen Baugrundgutachten sei der Auftraggeber verantwortlich. Er trage als Eigentümer des Baugrundstücks das Baugrundrisiko.

 

Nur unerhebliche Verzögerungen berechtigen den Auftraggeber nicht dazu, von einem Bauvertrag zurückzutreten.

 

Wenn aus der Bau- und Leistungsbeschreibung hervorgehe, dass die Bebaubarkeit des Grundstücks durch einen Gutachter überprüft werden müsse und die Kosten dafür nicht im Leistungsumfang des Auftragnehmers enthalten seien, würden mögliche Fehler eines Bodengutachtens nicht in den Verantwortungsbereich des Auftragnehmers fallen.

 

Mit Beschluss vom 21.06.2023 (Az.: VII ZB 206/22) hat der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückgewiesen.

 

Praxishinweis:

 

Es empfiehlt sich also im Bauvertrag bzw. in der Bau- und Leistungsbeschreibung klar zu regeln, wer – Auftragnehmer oder Auftraggeber – einen Bodengutachter zu beauftragen hat und wer diesen zu bezahlen hat. In der vorliegenden Entscheidung ist das Gericht von einer Verantwortlichkeit der Auftraggeber für das Baugutachten ausgegangen, wenn sich aus den bauvertraglichen Regelungen ergibt, dass die Bebaubarkeit des Grundstücks durch ein Gutachter überprüft werden muss und die Kosten dafür nicht im Leistungsumfang des Auftragnehmers enthalten sind.

 

Durch klare vertragliche Regelungen lassen sich spätere Rechtsstreitigkeiten vermeiden.

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Liegt ein Mangel vor, wenn (noch) kein Schaden eingetreten ist?

Saskia HierscheSaskia Hiersche

Der Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik und die damit verbundene Schadensneigung begründen einen Mangel des Werks und damit Gewährleistungsrechte, auch wenn noch keine Mangelsymptome aufgetreten sind.

OLG Stuttgart, Urteil vom 28.03.2023 – 10 U 29/22

BGB §§ 254280 Abs. 1, §§ 633634 Nr. 3, 4, §§ 637705; HOAI 2009 § 33; VOB/B § 4 Abs. 3, § 13 Abs. 3, 5 Nr. 2

Sachverhalt

Die Kläger ließen in den Jahren 2011 und 2012 mehrere Doppelhäuser in Bauherrengemeinschaft errichten.  Das Dach der Doppelhäuser wurde als Pultdach in Holzkonstruktion mit einer extensiven Begrünung und einer raumseitigen Dampfsperre,  eine sogenannte Dicht-Dicht-Konstruktion, auch „Warmdach‟, geplant und ausgeführt. Diese Konstruktion entsprach nach den Feststellungen des OLG Stuttgart zum Zeitpunkt der Planung, Errichtung und Abnahme nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik, weil in den Dachraum eingedrungene Feuchtigkeit nicht mehr entweichen kann. Später traten im Dachaufbau einer Doppelhaushälfte Auffeuchtungen auf. Nach Ansicht der Kläger habe die Mängelbeseitigung durch den Rückbau der Dachkonstruktion aller Doppelhaushälften und Austausch der Dampfsperre (diffusionsdicht) durch eine Dampfbremse (diffusionshemmend) zu erfolgen. Der planende Architekt (Beklagter) wendet ein, dass die verlangte Gesamtsanierung unverhältnismäßig sei, weil nicht alle Doppelhaushälften bislang Feuchtigkeitsschäden aufweisen.

Entscheidung

Der Einwand des Architekten (Beklagten) greift nicht durch. Denn der Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik führt eine Schadensneigung herbei, die möglicherweise erst in Jahren zu einem Schadensbild führt. Die Konstruktion ist dem erstellten Sachverständigengutachten zufolge mit Risiken belegt, die unter normalen Bedingungen früher oder später zu Schäden führen würden.  Die Kläger müssen nicht abwarten, bis solche Schäden eintreten und eventuell Gewährleistungsansprüche verjährt sind. Der Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik kann zu ganz erheblichen Schäden führen. Insoweit ist es nicht unverhältnismäßig i.S.d. §§ 635 Abs. 3 BGB, wenn bereits vorbeugend vor Eintritt von Schadensbildern die Mangelursache beseitigt wird.

Praxishinweis

Relevant sind zwei in der Entscheidung angesprochene Punkte:  Zum einen der Einwand, es liege doch gar kein Mangel vor, weil trotz eines gewissen Zeitablaufs noch kein Schaden eingetreten sei. Zum anderen der Einwand, es sei unter diesen Umständen der Aufwand einer Gesamtsanierung im Verhältnis zum Nutzen unverhältnismäßig. Beide Einwände greifen in der Regel – und so auch in der vorliegenden Entscheidung – nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung begründet die Nichteinhaltung der a.R.d.T.  einen Werkmangel unabhängig davon, ob sie sich im Einzelfall nachteilig auswirkt. Dem kann meist auch nicht der Einwand der Unverhältnismäßigkeit nach § 635 Abs. 3 BGB entgegengehalten werden, wenn mit dem zukünftigen Eintritt von Schäden zu rechnen ist. Eine Unverhältnismäßigkeit wird in erster Linie bei Schönheitsfehlern, die allein das Erscheinungsbild des Bauwerks herabsetzen sowie bei Mängeln angenommen, welche die Funktionsfähigkeit der Bauleistung als solche nur ganz geringfügig beeinträchtigen.

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Streit um Nachträge – Darf der Werkunternehmer die Arbeiten einstellen?

Streit um Nachträge – Darf der Werkunternehmer die Arbeiten einstellen?

Bauvorhaben entwickeln sich regelmäßig anders als die Parteien bei Vertragsschluss vorausgesetzt haben. Darüber geraten die Bauvertragsparteien dann nicht selten in Streit. Wenn der Auftragnehmer eine zusätzliche Vergütung verlangt und einen Nachtrag stellt, stellt sich die Frage, ob er die Arbeiten einstellen darf, bis der Auftraggeber den Nachtrag akzeptiert. Das ist ein Spiel mit dem Feuer. Dies zeigt ein Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil 17.08.2021, 10 U 423/20, rechtskräftig).

Die Beklagte beauftragte mit VOB-Vertrag die Klägerin mit der Ausführung von Putzarbeiten. Nachdem sich die Parteien über die Berechtigung von Nachtragsforderungen nicht verständigen konnten, drohte die Klägerin, die Baustelle zu räumen, wenn die Nachträge durch die Beklagten nicht bestätigt würden. Die Beklagte widersprach dieser Vorgehensweise im Hinblick auf die drohende Verzögerung. Als dann die Klägerin ihren Worten Taten folgen ließ und kein Mitarbeiter der Klägerin mehr auf der Baustelle erschien, kündigte die Beklagte den Vertrag, ohne allerdings der Klägerin zuvor eine Frist zu setzen und die Kündigung anzudrohen.

Im Rechtsstreit stritten die Parteien um die Wirksamkeit der Kündigung. Das Oberlandesgericht hat der beklagten Auftraggeberin Recht gegeben und ausgeführt, dass der Klägerin kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich ihrer Werkleistung zugestanden habe. Vielmehr habe sie gegen das Kooperationsgebot verstoßen, indem sie die Arbeiten eingestellt habe. Das Kooperationsgebot solle gewährleisten, dass in Fällen, in denen nach der Vorstellung einer oder beider Parteien die vertraglich vorgesehene Vertragsdurchführung an die geänderten tatsächlichen Umstände angepasst werden müsse, entstandene Meinungsverschiedenheiten möglichst einvernehmlich beigelegt werden. Streitfälle berechtigten den Auftragnehmer nicht, die Arbeiten einzustellen. Dies gelte auch für ungeklärte Nachtragsforderungen. Vielmehr sei es einem Auftragnehmer zuzumuten, die geschuldete Werkleistung zu erbringen und die Berechtigung der Nachträge im Nachhinein zu klären. Das Oberlandesgericht hat die außerordentliche Kündigung durch die Beklagte für wirksam gehalten. Eine nach den Regelungen der VOB/B vorherige Fristsetzung mit Kündigungsandrohung sei hier entbehrlich gewesen; das Oberlandesgericht hat die Formalien einer Auftragsentziehung hinter dem Verstoß gegen die Kooperationspflicht zurücktreten lassen. Dieses oberlandesgerichtliche Urteil ist mit Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 01.06.2022, VII ZR 826/21 rechtskräftig geworden.

Hinweis für die Praxis:

Nachvollziehbarerweise wünschen Auftragnehmer frühzeitig Klarheit über ihre Nachtragsforderungen. Der Versuch, die Weiterarbeit von der Unterzeichnung des Nachtrags abhängig zu machen oder gar die Arbeiten einzustellen, wenn der Nachtrag nicht akzeptiert wird, erweist sich allerdings als Spiel mit dem Feuer, wie die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart zeigt. Gleiches gilt für den „Trick“, die ausgeführte Nachtragsposition kurzerhand mit einer Abschlagsrechnung geltend zu machen und nach Zahlungsverzug die Arbeiten einzustellen. Festzuhalten ist: Wer als Auftragnehmer wegen Nachtragsstreitigkeiten die Arbeiten vollständig einstellt, riskiert eine Kündigung. Deshalb ist Auftragnehmern zu raten, zunächst zu versuchen, die Differenzen im Gespräch beizulegen. Klappt dies nicht, sollte er die streitige Nachtragsleistung ausführen und die Vergütung notfalls hinterher einklagen. Nicht zu entscheiden hatte das Oberlandesgericht den Fall, dass ein Auftraggeber sich endgültig weigert, einen berechtigten Nachtrag zu bezahlen. So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 24.06.2004, VII ZR 271/01 entschieden, dass ein Auftragnehmer eine angeordnete zusätzliche Leistung nicht ausführen muss, wenn der Auftraggeber deren Vergütung endgültig verweigert.

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Erforderliche Rechtskenntnisse von Architekten sind endlich!

Dr. Michael Kappelhoff

OLG Köln, Urteil vom 16.04.2021 – 19 U 56/20

Sachverhalt
Die Klägerin macht gegenüber dem ausführenden Bauunternehmen und auch den Architekten die Erstattung vermeintlich zuviel geleisteter Abschlagszahlungen geltend, die im Rahmen eines VOB-Bauvertrages über die Errichtung eines Helikopterdachlandeplatzes erbracht worden waren. Es war zu Mengenmehrungen und geänderten Ausführungen von Schraubverbindungen gekommen, die die klagende Bauherrin nicht anerkannte. Die Architekten wehren sich gegen die Ansprüche mit Verweis auf die Aufwendigkeit und Komplexität der Rechnungsprüfung. Man habe prüfen müssen, welche Auswirkungen Massenerhöhungen gehabt hätten, wobei das beklagte Unternehmen bei Einheitspreisen geblieben sei und gleichzeitig ein Pauschalpreisvertrag vorliege.

Entscheidung
Das Landgericht ist der Ansicht, dass die Architekten ihre Pflichten erfüllt haben. Gestützt auf eine sachverständige Bewertung urteilt es, dass von einer branchenüblichen Rechnungsprüfung auszugehen sei und weist die Ansprüche gegen die Architekten ab.

Dies bestätigt das OLG. Der Vortrag der Klägerin zu Pflichtverletzungen der Architekten war eigentlich bereits so dünn, dass die Ansprüche schon deswegen versagt werden konnten. Das OLG ergänzt die Ablehnung eines Anspruchs wegen Mängeln der Prüfung der Abschlagsrechnungsprüfung aber zusätzlich: Der Senat führt aus, dass den mit der Bauüberwachung beauftragten Architekten zwar die Pflicht treffe, Abschlagsrechnungen von Bauunternehmern darauf zu überprüfen, ob sie fachtechnisch und rechnerisch richtig, die zugrunde gelegten Leistungen erbracht seien und ob sie der vertraglichen Vereinbarung entsprächen. Die Frage der Abgrenzung zwischen einer Mengenabweichung nach § 2 Abs. 3 VOB/B und einer Ausführungsabweichung nach § 2 Abs. 8 VOB/B sei demgegenüber ebenso wie diejenige der korrekten Berechnung der Vergütung für 10 % übersteigende Mehrmengen nach § 2 Abs. 3 VOB/B als Rechtsfrage zu klassifizieren. Unbeschadet der tatsächlichen Aspekte wie Art und Menge der verbauten sowie berechneten Materialien und Arbeiten seien diese Fragen letztlich anhand einer (ergänzenden) Vertragsauslegung zu beantworten.

Es würde die Anforderungen an das Maß der im Rahmen eines Architektenvertrages bei der Abschlagsrechnungsprüfung anzuwendenden Sorgfalt erheblich überspannen, wollte man dem Architekten einen Sorgfaltspflichtverstoß vorwerfen, wenn er in einer komplexeren Konstellation wie der vorliegenden eine der vorstehend dargestellten Rechtsfragen unzureichend erfasst und/oder unrichtig beantworte.

Praxishinweis
Das OLG Köln wirkt dem Trend entgegen, Architekten zu Bau-, Vergabe- und Zivilrechtsexperten zu erklären. Das hatte im Vorjahr auch das OLG Stuttgart im Hinblick auf die AGB-Prüfung von Skontoklauseln unternommen und dem Architekten keine speziellen Rechtskenntnisse abverlangt (Urteil vom 30.09.2022, Az. 10 U 12/22, nicht rechtskräftig). Gleichwohl bleibt das Risiko für Architekten hoch, dass die Gerichte von Ihnen erhebliche Rechtskenntnisse und darauf basierende Beratung des Bauherrn verlangen, denn für die abverlangten „allgemeinen rechtlichen Hinweise des Architekten‟ soll der Architekt die gängige Rechtsprechung bei seinen Vorschlägen betreffend Skonto, Sicherheitsleistung und Vertragsstrafe kennen und berücksichtigten – andernfalls kann er wegen Beratungsfehlern in Anspruch genommen werden.
Außerdem ist es eine Frage des Einzelfalls, wann eine ausreichende komplexe rechtliche Situation vorliegt, dass gerichtlich keine Haftung des Architekten angenommen wird.

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Bodenleger muss Untergrundverhältnisse abklären, Bauherr schuldet keine Aufklärung

Jochen ZiliusJochen Zilius

OLG Bamberg, Urteil vom 24.08.2023 – 12 U 58/22

 

Sachverhalt

Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Verlegung eines Bodens im Erdgeschoss ihres Geschäftsgebäudes. Das Bauwerk wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach teilsaniert und besteht aus alten und modernen Gebäudeabschnitten, zudem ist es teilunterkellert. Die beklagtenseits mit der Voruntersuchung für die späteren Bodenarbeiten beauftragte Subunternehmerin führte CM-Feuchtigkeitsmessungen durch, stellte keine nennenswerte Feuchtigkeit im Bodenaufbau fest und erklärte den Untergrund als Belegreif. Die Beklagte führte daraufhin die vertraglich geschuldeten Arbeiten aus und stellte im Dezember 2014 die Schlussrechnung, welche die Klägerin vollständig bezahlt.

 

Ein gutes Jahr später hob sich der eingebaute Boden in verschiedenen Bereichen an, was sich zunächst als optische, später sogar als physische Beeinträchtigung (Stolperfalle) darstellte. Die Klägerin holte daraufhin ein Privatgutachten ein, das eine Verseifung des verwendeten Klebstoffs durch permanente Feuchtigkeitseinwirkungen aus dem Baugrund feststellte, und forderte die Beklagte zur Mangelbeseitigung auf. Nach Durchführung eigener Untersuchungen lehnte die Beklagte eine Mangelbeseitigung ab und stellte sich auf den Standpunkt, dass die Feuchtigkeitsproblematik des Bodenaufbaus für sie als Bodenbeleger jedenfalls nicht erkennbar gewesen sei, zumal auch der ursprünglich verlegte Boden bereits mit einem vergleichbaren Dispersionskleber befestigt gewesen sei. Erschwerend habe die Klägerin auch nicht darauf hingewiesen, dass es sich um eine besondere Konstruktion handele. So sei das Gebäude teilweise unterkellert und in den nicht unterkellerten, erdberührten Bereichen wiederum nur teilweise saniert, teilweise aber unsaniert, sodass in einigen Bereichen die Bauwerksabdichtung nicht den Fachregeln entspreche.

 

Nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens hat die Klägerin mit ihrer vor dem Landgericht erhobenen Klage die Sanierungskosten nebst entgangenem Gewinn während der Sanierungszeit geltend gemacht und in I. Instanz obsiegt. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.

 

Entscheidung

Ohne Erfolg! Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und in Ergänzung zu den Entscheidungsgründen des Landgerichts festgestellt, dass die Beklagte als Bodenbeleger in der Pflicht gewesen sei, sich über die Untergrundverhältnisse vollständige Klarheit zu verschaffen. Lediglich die Durchführung vom CM-Messungen seien nicht ausreichend gewesen. Denn der Werkunternehmer werde von einer Mängelhaftung nur dann befreit, wenn er bei gebotener Prüfung die Fehlerhaftigkeit bzw. Ungeeignetheit einer Leistungsbeschreibung, einer verbindlichen Anordnung des Auftraggebers, vorgeschriebener Stoffe oder Bauteile oder einer Vorleistung nicht erkennen konnte. Diese Aufklärungspflichten seien für den VOB-Vertrag sowie auch für den BGB-Werkvertrag verbindlich zu beachten.

 

Zwar sei die Subunternehmerin der Beklagten nicht zu einer zerstörenden Prüfung durch Bohrkernentnahmen verpflichtet gewesen. Unter Berücksichtigung des eingeholten Gerichtsgutachtens habe es im vorliegenden Fall aber zur Aufklärung der Bodenbeschaffenheit einer Bohrkernentnahme nicht bedurft. Vielmehr hätte die Subunternehmerin der Beklagten vor der Ausführung der Arbeiten schlicht Erkundigungen bei der Bauherrin einholen und die vorhandene Planung einsehen müssen. Hätten sich hieraus keine Erkenntnisse ergeben, wären die Subunternehmerin oder die Beklagte verpflichtet gewesen, den Sachverhalt selbst aufzuklären, zumal es sich vorliegend offenkundig um ein erdberührtes Gebäude gehandelt habe. Der Subunternehmerin hätte ferner bekannt sein müssen, dass Feuchtigkeitsmessungen nur eine Momentaufnahme darstellen und gerade keine Aussage darüber treffen, ob – wie gleichfalls hier – Feuchtigkeit etwa während starker Regenperioden von unten hochziehen können.

 

Hätte eine Befragung der Klägerin keine weiteren Erkenntnisse erbracht und wäre die Klägerin andererseits mit der weiteren Aufklärung z.B. durch Bohrkernentnahmen nicht einverstanden gewesen, hätte die Beklagte Bedenken anmelden müssen. Dem seien die Beklagte und ihre Subunternehmerin, für deren Pflichtverletzungen sie einzustehen habe, nicht nachgekommen, sodass eine Enthaftung nicht in Betracht komme.

 

Schließlich sei die Klägerin nicht deswegen mitverantwortlich, weil sie die Beklagte nicht über die Besonderheiten des Gebäudes informierte. Nach Auffassung des Senats hätte vielmehr ausschließlich die Beklagtenseite insoweit die Initiative ergreifen und Erkundigungen einholen müssen. Dies wäre nur dann anders zu beurteilen, hätte die Klägerin zuvor von Feuchtigkeitserscheinungen konkret Kenntnis gehabt. Dies sei aber hier nicht der Fall gewesen, weil der alte Bodenaufbau im Vergleich zu dem neu eingebrachten PVC-Bodenbelag diffusionsdurchlässig gewesen sei und deshalb vor der Sanierung aufgetretene Feuchtigkeit den Kleber nicht habe angreifen können; dies war sachverständigerseits festgestellt worden.

 

Praxishinweis

Wie diese – rechtlich zutreffende – Entscheidung zeigt, ist der Werk-/Bauunternehmer gut beraten, sich vor der Ausführung umfassende Gedanken auch zu der späteren Funktonalität des Gesamtwerks zu machen. Jedes Gebäude und jede Vorleistung ist anders, sodass sich „Schema F“ immer verbietet. Selbst die Einhaltung von Fachregeln reicht mitunter nicht aus, um ein mangelfreies Werk zu verschaffen. Nur in engen Ausnahmefällen kann sich der Unternehmer enthaften, wenn ihm der Bauherr etwa eine fehlerhafte Planung zur Verfügung stellt und der Unternehmer keine Anhaltspunkte für Planungs- oder Konstruktionsfehler erkennen kann.

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Kein Mangel trotz abrede- sowie regelwidriger Ausführung!

Johannes DeppenkemperJohannes Deppenkemper
  1. Ein Mangel ist zu verneinen, wenn ein Auftragnehmer anderes als das vereinbarte Baumaterial verwendet, das vereinbarte Baumaterial jedoch ungeeignet ist.

 

  1. Ein Mangel ist zu verneinen, wenn zwar ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik vorliegt, sich dieser Verstoß aber nicht auswirkt in der Funktionsfähigkeit.

 

OLG Brandenburg, Urteil vom 28.09.2023 – Az.: 10 U 21/23

 

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt Werklohnanspruch nach Herstellung einer Horizontalsperre zur Abdichtung eines Wohnhauses. Die Beklagten machen Gewährleistungsansprüche geltend. Das Werk sei mangelhaft, da – was unstreitig ist – nicht das vereinbarte Material verwendet worden sei. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen entsprochen, insbesondere einen Mangel nicht bejaht. Das ursprünglich vereinbarte Mittel sei nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens ungeeignet. Ausgeführt worden sei zwar entgegen den anerkannten Regeln der Technik (Voruntersuchung, Bauzustandsanalyse fehlten), doch habe die Beweisaufnahme ergeben, dass die Abdichtung erfolgreich und ohne Gebrauchsnachteile für die Beklagten sei.

 

Die Beklagten haben Berufung gegen dieses Urteil eingelegt.

 

Entscheidung

Das OLG Brandenburg hat die Berufung der Beklagten im überwiegenden Umfang zurückgewiesen.

 

Ein Mangel des Gewerkes der Klägerin liege nicht darin, dass anstelle des vertraglich vereinbarten Injektionsmittel ein anderes Mittel verwendet worden sei. Allerdings müsse der Vertrag nach §§ 133, 157 BGB so ausgelegt werden, dass das Interesse der Beklagten als Besteller sich erschöpfe im werkvertraglich geschuldeten Erfolg, nämlich der Herstellung der ordnungsgemäßen nachträglichen Einbringung der Horizontalsperre. Dieser geschuldete Werkerfolg habe mit dem Einsatz der vertraglich vereinbarten Mittel nicht erreicht werden können, da ausweislich des Sachverständigengutachtens dies für die bauliche Situation des Einfamilienhauses nicht geeignet gewesen sei.

 

Auch führe die regelwidrige Herstellung der Horizontalsperre durch die Klägerin nicht zur Annahme eines Mangels. Zwar widerspreche das Unterlassen von Voruntersuchungen und der Bauzustandsanalyse den anerkannten Regeln der Technik. Ein Mangel sei dennoch ausnahmsweise nicht anzunehmen, da der Verstoß sich nicht nachteilig ausgewirkt habe. Der Sachverständige habe bestätigt, dass zwar ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik vorliege, jedoch diese Verstöße sich nicht nachteilig ausgewirkt hätten.

 

Praxishinweis

Unzutreffend ist die Annahme, dass bei Verwendung eines anderen als des vereinbarten Materials ein Mangel nicht vorläge. Wird die Verwendung eines bestimmten Materials vereinbart, so ist dieses einzubauen. Bei Einbauen des anderen Materials liegt ein Mangel vor. Wenn das ursprünglich vereinbarte Material ungeeignet sein sollte, hat der Auftragnehmer die Möglichkeit des Bedenkenhinweises.

 

Wenn darüber hinaus eine Ausführung der Arbeiten entgegen den anerkannten Regeln der Technik erfolgt, liegt gleichfalls ein Mangel vor. Dies gilt auch dann, wenn sich der Ausführungsfehler nicht nachteilig ausgewirkt hat, so ein Funktionsmangel nicht gegeben ist. Eine ganz andere Frage ist, ob sich aus der Ausführung entgegen den anerkannten Regeln der Technik für einen solchen Fall Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers herleiten lassen, was allerdings lediglich eine Frage der Rechtsfolgen wäre.

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