Prominente haften für Werbeaussagen

BGH, Urteil vom 17.11.2011 — Aktenzeichen: III ZR 103/10

Leitsatz
1. Auch ein körperlich von dem ausdrücklich vom Emissionsprospekt bezeichneten Druckwerk getrenntes Schriftstück, dass zusammen mit diesem vertrieben wird, kann bei der gebotenen Gesamtbetrachtung Bestandteil eines Anlageprospektes im Rechtssinne sein.

2. Zur Verantwortlichkeit eines früheren Spitzenpolitikers und Inhabers eines Lehrstuhls u.a. für Finanzrecht nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinn, wenn er sich in einem Prospektbestandteil über die Eigenschaften einer Anlage äußert.

Sachverhalt
Die Kläger machen Schadensersatzansprüche wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage geltend. Der Beklagte, Rupert Scholz, war Bundesverteidigungsminister und ein bekannter Verfassungsrechtler. Er hatte einen Sitz im Beirat der Gesellschaft und bewarb die Gesellschaft u.a. mit folgenden Aussagen:

„Meine Forderung an das Management der Gesellschaft für meine Mitwirkung als
Vorsitzender des Beirats war: Durchgehende Qualitätssicherung für jeden
einzelnen Anleger. Dazu Kompetenz, Kontrolle und Transparenz für das Konzept
und die handelnden Personen des Fonds. Das haben wir geschafft. Mich hat die
Beachtung aller denkbaren Anlegerschutzregelungen, die das Fondskonzept
auszeichnet, beeindruckt.“

Dazu gab er an, für wenigstens zwei Jahre verantwortlich im Beirat gearbeitet zu haben. Die Anlage wurde in mehreren Zeitschriften unter Verweis auf die ehemalige Stellung des Beklagten und mit seinem Konterfei vorgestellt und vertrieben. Der Beklagte tätigte zudem folgende Aussage:

„Erst nach einer genauen Prüfung der Strukturen und der Personen habe ich meine
persönliche Mitwirkung und Unterstützung zugesagt. Denn wir wissen, dass es in
der Vergangenheit im Fondsgeschäft nicht überall gut gelaufen ist. Deshalb
musste ein Konzept entwickelt werden, dass nicht nur Renditen offeriert, sondern
voll durchkontrolliert ist und von unabhängigen und erfahrenen Persönlichkeiten
geleitet wird. Dies ist der Gesellschaft überzeugend gelungen.“

Ca. ein Jahr nachdem sich die Kläger an der beworbenen Gesellschaft beteiligt hatten, untersagte die BaFin der Gesellschaft die geschäftliche Tätigkeit, da diese nicht die erforderliche Erlaubnis zum Betreiben eines Finanzkommissionsgeschäftes hatte. Im Anschluss an dieses Verbot wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet.

Die Kläger machen geltend, die Aussagen im Emissionsprospekt -auch des Beklagten- seien unzutreffend.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hält den Anspruch der Kläger für begründet. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH haften für fehlerhafte oder unvollständige Angaben in dem Emissionsprospekt auch alle Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und auf ihr Geschäftsgebahren oder die Gestaltung des konkreten Anlagemodells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen. Maßgeblich ist dabei, dass die Personen Einfluss gleich der Geschäftsleitung nehmen können. Dies lässt sich zwar allein aus der Position eines Beiratsmitgliedes oder Beiratsvorsitzenden nicht schließen; ist das Beiratsmitglied jedoch gleichzeitig Gesellschafter und kann Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen, haftet das Beiratsmitglied dennoch für Prospektfehler im engeren Sinne. Gleiches gilt für diejenigen, die mit Rücksicht auf ihre berufliche und wirtschaftliche Stellung als eine Art Garant auftreten, in dem sie einen besonderen, zusätzlichen Vertrauenstatbestand durch ihr Mitwirken am Emissionsprospekt schaffen. Dazu gehören insbesondere Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte oder Steuerberater, die im Prospekt gutachterliche Stellungnahmen abgeben.

Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat der BGH eine Haftung des Beklagten angenommen. Dem Beklagten kam auf Grund seines beruflichen Hintergrunds und seiner Fachkunde sowie in Folge seiner – zum Prospektbestandteil gewordenen — Zeitschrifteninterviews die Stellung eines Prospektverantwortlichen zu. Insbesondere sollte mit diesen Aussagen der Vertrieb gefördert und den Anlegern der Eindruck einer besonderen Qualität vermittelt werden. Tatsächlich entbehrten die Angaben des Beklagten in den Prospekten wohl einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage. Ob dies der Fall war und ob der Beklagte Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit seiner Aussagen hatte, ist noch ungeklärt. Der BGH hat das Verfahren deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die noch fehlenden Feststellungen getroffen werden können.

Im Ergebnis hat der BGH aber festgestellt, dass ein Prominenter, der auf Grund seines Lebenslaufes und seiner Reputation eine besondere Vertrauensstellung einnehmen kann, für werbende Aussagen in einem Emissionsprospekt haftet, sofern diese nicht den Tatsachen entsprechen.

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Razzia bei der BCI

Am 29.11.2011 fand bei der BCI eine internationale Razzia wegen des Verdachts auf Kapitalanlagebetrug statt. 4000 Anleger sollen angeblich um rd. 100 Mio. Euro geprellt worden sein. Dabei gehen die Ermittler davon aus, es habe sich bei der BCI um ein Schneeballsystem gehandelt; eine renditeträchtige Geschäftstätigkeit soll seitens der BCI nicht betrieben worden sein.

Es ist wahrscheinlich, dass die Anleger, die einen Verlust erleiden mussten, auch gegen Anlagevermittler und Anlageberater vorgehen, die ihnen Anteile an der BCI vermittelt haben. Selbst wenn aber feststeht, dass die BCI ein Schnellballsystem war, führt dies nicht automatisch zu einer Haftung der beteiligten Anlagevermittler/Anlageberater. Wir raten daher jedem Anlagevermittler/Anlageberater, sich bei einer Inanspruchnahme seitens der Anleger vor Abgabe einer Stellungnahme rechtlich beraten zu lassen, um nicht Gefahr zu laufen, durch eine unglückliche Formulierung eine (nicht bestehende) Haftung anzuerkennen. Eine Haftung des Anlagevermittlers bzw. Anlageberaters scheidet nämlich oftmals aus, wenn im Zeitpunkt der Vermittlung nicht erkennbar war, dass es sich vorliegend um ein Schneeballsystem handelte.

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Beschwerderecht des Internetanschlussinhabers gegen die Übermittlung der Anschlussdaten durch den Provider

Beschluss des Oberlandesgerichts Köln, Urteil vom 5.10.2010 — Aktenzeichen: 6 W 82/10

Sachverhalt
Die 11-jährige Tochter der Beschwerdeführerin hatte ein Musikalbum der Beschwerdegegnerin heruntergeladen und zum Upload im Internet bereitgestellt. Die Beschwerdeführerin wurde daraufhin als Anschlussinhaberin seitens der Beschwerdegegnerin auf Unterlassung und Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Beschwerdegegnerin ermittelte die Beschwerdeführerin anhand von Informationen, die seitens des Providers nach vorheriger richterlicher Anordnung gemäß § 101 Abs. 9 Urhebergesetz zur Verfügung gestellt wurden. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass sie dadurch in ihre Grundrechten verletzt worden sei. Die Rechtsgutsverletzung habe kein gewerbliches Ausmaß gehabt, weshalb ein Auskunftsanspruch gemäß § 101 Urheberrechtsgesetz nicht bestanden habe.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat zunächst entschieden, dass der Beschwerdeführerin ein Beschwerderecht zusteht. Die Aufhebung der Anonymität im Internet bedarf wegen des erheblichen Gewichts des darin liegenden Eingriffs ein erhöhtes Maß an Rechtfertigung. Für einen gerechtfertigten Eingriff muss eine Rechtsgutbeeinträchtigung vorliegen, der ein hervorgehobenes Gewicht beigemessen wird. Dies war vorliegend nicht der Fall. Bei dem zum Upload bereitgestellten Album handelte es sich um ein zwei Jahre altes Album. Es war auch das einzige Album, das über den Anschluss der Beschwerdeführerin bereitgestellt wurde. Es war daher nicht von einem gewerblichen Ausmaß auszugehen. Dies war auch nach Erteilung der Auskunft zu berücksichtigen, da der Eingriff in die Grundrechte der Beschwerdeführerin fortwirkt. Das Oberlandesgericht Köln gab daher der Beschwerdeführerin Recht, dass mangels gewerblichen Ausmaßes der Urheberrechtsverletzung ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Provider nicht bestand. Der Provider hätte daher die Anschlussdaten nicht an die Beschwerdegegnerin weitergeben dürfen. Dies kann im Zivilprozess zu einem Beweisverwertungsverbot führen.

Im Ergebnis stärkt das Oberlandesgericht Köln die Rechte des Anschlussinhabers. Dessen Anschlussdaten dürfen nur dann berechtigt herausgegeben werden, wenn eine Rechtsgutverletzung gewerblichen Ausmaßes vorliegt.

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Keine Aufklärungspflicht über Provisionen

BGH, Urteil vom 5.5.2011 — Aktenzeichen: III ZR 84/10

Sachverhalt
Ein freier Anlageberater erhielt eine Provision in Höhe von 11 % der Beteiligungssumme. Über die konkrete Höhe seiner Provision hatte er den Anleger nicht aufgeklärt. Dieser sah darin eine Verletzung der dem Anlageberater obliegenden Aufklärungspflichten und klagte. Das Oberlandesgericht gab dem Anleger Recht. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht war der Auffassung, ein freier Anlageberater sei ebenso wie eine Bank dazu verpflichtet, von sich aus über den Umfang erhaltener Provisionen aufzuklären. Der BGH erteilte dieser Auffassung eine Absage und verfestigt damit seine Rechtsprechung, dass ein nicht bankmäßig gebundener Anlageberater nicht ungefragt über die Höhe einer zu erwartenden Provision aufzuklären hat. Der BGH ist der Auffassung, dass für den Anleger regelmäßig kein schützenswertes Vertrauen darauf besteht, dass der freie, von dem Anleger selbst nicht vergütete Anlageberater keine Leistungen in Form von Provisionen erhält. Vielmehr ist dem Anleger bewusst, dass der Berater eine Provisionsvergütung erhält. Soweit es um die genaue Höhe der dem Anlageberater zukommenden Provision geht, ist es nach Ansicht des BGH bei gebotener Abwägung der Interessen von Anleger und Anlageberater Sache des Anlegers, die konkrete Höhe der Provision bei dem Anlageberater nachzufragen.

Des Weiteren bestätigt der BGH, dass grundsätzlich der Anleger als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung des Anlageberaters trägt.

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Anlageberater müssen Provisionen nicht offenlegen

BGH, Urteil vom 3.3.2011 — Aktenzeichen: III ZR 170/10

Der BGH hat erneut seine Rechtsprechung aus dem Urteil vom 15.4.2010, III ZR 196/09 bestätigt, wonach freie Anlageberater Kunden nicht grundsätzlich ungefragt über eine von ihnen bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufklären müssen.

Das OLG Düsseldorf hatte sich mit einer vielbeachteten Entscheidung im Juli 2010 gegen das Grundsatzurteil des BGH vom 15.4.2010 (Az. III ZR 196/09) gewandt und ausgeführt, dass den bankunabhängigen Berater die gleichen Pflichten träfen wie den Bankberater. Das OLG Düsseldorf sah die vom BGH vorgenommene Unterscheidung zwischen einer Bankberatung und einer Beratung durch freie Anlageberater für nicht gerechtfertigt an.

Der BGH bestätigte nunmehr sein Urteil aus April 2010, hob die Entscheidung des OLG auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das OLG zurück.

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BGH zur quotalen Haftung von Gesellschaftern geschlossener Immobilienfonds

BGH, Urteil vom 8.2.2011 — Aktenzeichen: II ZR 243/09, II ZR 263/09

Der BGH hatte zwei Verfahren zu entscheiden, in denen jeweils die den Fonds finanzierenden Banken die Fondsgesellschafter persönlich auf Rückzahlung von Darlehen in Anspruch nahmen. In den Darlehensverträgen war vereinbart, dass die Gesellschafter entsprechend ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen persönlich haften (quotale Haftung). Nachdem die Fonds in Zahlungsverzug geraten waren, kündigten die Banken die Kredite und verwerteten die Fondsgrundstücke. Es stellt sich nun die Frage, ob und in welchem Umfang die Erlöse auf die persönliche Haftung der Gesellschafter anzurechnen sind.

Das OLG Frankfurt am Main hat angenommen, bei einer quotalen Haftung müsse die Bank den Erlös aus der Verwertung des Grundstücks anteilig zu Gunsten der Gesellschafter berücksichtigen. Das KG Berlin hat in einem ähnlich gelagerten Fall die Verträge so ausgelegt, dass darin keine anteilige Anrechnung der Erlöse vereinbart war und die Haftungssumme der einzelnen Gesellschafter unverändert bliebe.

Der BGH hat die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main aufgehoben und die Revision gegen das Urteil des KG Berlin zurückgewiesen.

Der BGH hat entschieden, dass bei der Vereinbarung einer quotalen Haftung der Gesellschafter einer GbR Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen die Haftung der Gesellschafter nicht automatisch vermindern. Maßgebend dafür, ob die Erlöse aus der Verwertung des Gesellschaftsvermögens anteilig die Haftung jedes Gesellschafters mindern, sind nach Auffassung des BGH die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen. Die quotale Haftung sei kein gesetzlich geregeltes Haftungskonzept, so dass die Vertragsparteien in der Gestaltung frei seien. Da in beiden entschiedenen Fällen die Verträge keine Anrechnung der Erlöse vorsahen, verminderten hier die Einnahmen aus der Grundstücksverwertung den Umfang der persönlichen Haftung der Gesellschafter nicht.

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BGH bestätigt Urteil zur Aufklärungspflicht freier Anlageberater vom 15.04.2010

BGH, Urteil vom 16.12.2010 — Aktenzeichen: III ZR 127/10

Entscheidung
Der BGH bestätigt seine Rechtsprechung aus der Entscheidung v. 15.04.2010, Az.: III ZR 196/09, zur Aufklärungspflicht des nicht bankgebundenen, freien Anlageberaters über zu erwartende Provisionen. Nach Auffassung des BGH muss ein freier Anlageberater regelmäßig nicht ungefragt über den Erhalt von Provisionen und deren Höhe aufklären; denn es ist allgemein bekannt oder zumindest erkennbar, dass Anlageberater normalerweise Provisionen von Seiten der Anlagegesellschaft erhalten.

Es bleibt damit bei der bis dato bestehenden Rechtsprechung des BGH, dass der freie, nicht bankgebundene Anlageberater grundsätzlich erst bei Provisionszahlungen ab einer Höhe von 15 % verpflichtet ist, ungefragt über diese aufzuklären.

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Verjährungsbeginn bei Aushändigung von Emissionsprospekten

BGH, Urteil vom 8.7.2010 — Aktenzeichen: III ZR 249/09

Leitsatz
Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Beratungsfehlers eines Anlageberaters oder der unrichtigen Auskunft eines Anlagevermittlers ergibt sich nicht schon allein daraus, dass es der Anleger unterlassen hat, den ihm überreichenden Emissionsprospekt durchzulesen und auf diese Weise die Auskünfte des Anlageberaters oder –vermittlers auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren.

Sachverhalt
Auf Empfehlung des Beklagten zeichnete der Kläger 1999 eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds. Nach anfänglichen Ausschüttungen geriet der Fonds 2002 in zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Februar 2006 wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Fondsgesellschaft angeordnet. Der Kläger macht Schadensersatzforderungen aus Verletzung des Anlageberatungsvertrages geltend, da der Beklagte ihn nicht auf die spezifischen Risiken der Anlage hingewiesen habe. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben mit der Begründung, eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von den Anspruchsvoraussetzungen ergebe sich schon daraus, dass dieser es unterlassen habe, den ihm übergebenen Emissionsprospekt durchzulesen. Dadurch sei die zusätzliche subjektive Voraussetzung des Verjährungsbeginns gemäß § 199 I Nr. 2 BGB erfüllt.

Entscheidung
Die Ansprüche des Klägers sind nach Auffassung des BGH nicht verjährt. Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von den Anspruchsvoraussetzungen ergebe sich nicht schon daraus, dass dieser es unterlassen habe, den ihm übergebenen Emissionsprospekt durchzulesen und hierbei auf Hinweise auf die fehlende Eignung der Kapitalanlage für seine Anlageziele zu stoßen. Zwar komme dem Anlageprospekt in aller Regel eine große Bedeutung für die Information des Anlageinteressenten über die ihm empfohlene Kapitalanlage zu. Sofern der Prospekt geeignet sei, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anleger rechtzeitig vor Vertragsschluss überlassen worden sei, könne die Aushändigung eines Prospekts im Einzelfall ausreichen, um den Beratungs- und Auskunftspflichten genüge zu tun. Es liege daher zweifellos im besonderen Interesse des Anlegers, diesen Prospekt eingehend durchzulesen. Andererseits messe der Anleger, der bei seiner Anlageentscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder Anlagevermittlers in Anspruch nehme, den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Anlageberaters oder –vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreite, besonderes Gewicht zu. Die Prospektangaben, die notwendig allgemein gehalten und häufig mit volks- und betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken angereichert seien und daher viele Anleger von einer näheren Lektüre abhalten, treten dem gegenüber regelmäßig in den Hintergrund. Vertraue daher der Anleger den Angaben seines Beraters oder Vermittlers und sehe deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzulesen und auszuwerten, so sei darin allgemein kein Verschulden gegen sich selbst zu sehen. Unterlasse der Anleger eine Kontrolle des Vermittlers oder Beraters durch Lektüre des Anlageprospekts, so weise dies auf das bestehende Vertrauensverhältnis hin und sei daher für sich allein genommen nicht schlechthin unverständlich oder unentschuldbar. Allein aus der unterlassenen Lektüre des Anlageprospekts und der damit unterbliebenen Kontrolle der Beratung könne demnach nicht auf eine grob fahrlässige Unkenntnis der Beratungsfehler geschlossen werden. Nach Auffassung des BGH folgt dies auch aus einem weiteren Aspekt. Fiele dem Anleger bereits die unterbliebenen Lektüre des Anlageprospekts als grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 I Nr. 2 BGB zur Last, so wäre sein Schadensersatzanspruch häufig schon verjährt, bevor sich die Risiken oder Nachteile der Kapitalanlage für ihn bemerkbar machen und er sich daher veranlasst sehe, die Richtigkeit der ihm von seinem Anlageberater oder –vermittler gegebenen Auskünfte zu hinterfragen.

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Für Banken war bereits seit 1990 erkennbar, dass eine Hinweispflicht auf Rückvergütungen bestand

BGH, Urteil vom 29.6.2010 — Aktenzeichen: XI ZR 308/09

Leitsatz
Eine Bank, die einen Kunden im Rahmen der Anlageberatung nicht auf an sie geflossene Rückvergütung hinweist, kann sich jedenfalls für die Zeit nach 1990 nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum über Bestehen und Umfang einer entsprechenden Aufklärungspflicht berufen.

Sachverhalt
Im zugrunde liegenden Fall begehrte der Kläger von der beklagten Sparkasse Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung. Der Kläger hatte auf Empfehlung der Beklagten 1997 und 1998 mehrere Fondsbeteiligungen gezeichnet. Dabei hat die Beklage den Kläger nicht im Einzelnen aufgeklärt, dass bzw. in welcher Höhe dabei die von dem Anleger an die Fondsgesellschaften gezahlten Ausgabeaufschläge als sogenannte Rückvergütung zurückflossen.

Entscheidung
Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. Der BGH hat entschieden, dass für Kreditinstitute die ihnen obliegende Verpflichtung zur Aufklärung über sogenannte Rückvergütung bereits auf Grundlage von Urteilen des BGH aus den Jahren 1989 und 1990 erkennbar gewesen sei. Es sei erkennbar gewesen, dass bei der Beratung über Kapitalanlagen eine Aufklärungspflicht über solche Umstände bestehe, die das Beratungsziel in Frage stellen und die Kundeninteressen gefährden. Dazu gehöre auch die Aufklärung über Rückvergütungen. Die Beklagte musste daher bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt damit rechnen, dass eine generelle Aufklärungspflicht über Rückvergütungen bestand. Der BGH sieht diesbezüglich seine Rechtsprechung als konsequent an und betont, die Ausführungen hätten sich erkennbar allgemein auf die Aufklärungspflicht von Banken bei einer von ihr geschaffenen Gefährdung von Kundeninteressen bezogen. Die Banken können sich nach Auffassung des BGH daher ab dem Urteil aus 1990 nicht darauf berufen, sie träfe mangels Kenntnis der Pflicht über Rückvergütungen aufzuklären kein Verschulden bezüglich einer unterlassenen Aufklärung.

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Insolvenzanfechtung: Umfang des Rückgewähranspruchs bei Anfechtung von Ausschüttungen im Rahmen eines Schneeballsystems

Bei Unfällen, bei denen die Anwendbarkeit der Haftungsprivilegien nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, da sie sich außerhalb eines typischen Anstellungsverhältnisses vollziehen, wird das Aussetzungserfordernis nach § 108 SGB VII regelmäßig übersehen. So etwa bei Schadensfällen im Zusammenhang mit der Haltung von Tieren und Kraftfahrzeugen, im Rahmen ehrenamtlicher oder vereinsbezogener Tätigkeit sowie bei Hilfeleistungen von Verwandten, Nachbarn oder Freunden. War der Geschädigte im Unfallzeitpunkt Wie-Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII in einem im Unfallversicherungsrecht anerkannten Unternehmen, kann ihm Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen mit der Konsequenz, dass seinem Schädiger möglicherweise ein Haftungsprivileg aus den §§ 104 ff. SGB VII zugutekommt.

Dem Zivilrechtsstreit vorgeschaltete Verwaltungs- oder Sozialgerichtsverfahren auf Anerkennung als Arbeitsunfall haben in den angesprochenen Sonderfällen regelmäßig nicht stattgefunden. Das Zivilverfahren muss daher gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII grundsätzlich ausgesetzt werden.

Der Beitrag behandelt spezielle Fragen der Haftungsprivilegien bei Unfällen in Sonderrechtsverhältnissen sowie im Rahmen der Tier- und Kfz-Haltung unter Berücksichtigung der insoweit maßgeblichen sozialgerichtlichen Rechtsprechung. Ausführlich dargestellt wird die Person des Wie-Beschäftigten nach § 2 Abs. 2 SGB VII, seine Einordnung in das System der §§ 104 ff. SGB VII sowie damit im Zusammenhang stehende Fragen zur Bindungswirkung nach § 108 SGB VII.

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