Zur Plausibilitätsprüfungspflicht des Anlagevermittlers

BGH, Beschluss vom 11.10.2016, XI ZR 14/16

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH schuldet der Anlagevermittler eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für dessen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind. Vertreibt der Vermittler die Anlage anhand eines Prospekts, muss er im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt darauf kontrollieren, ob dieser ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er dazu mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich vollständig und richtig sind. Der BGH hat nunmehr entschieden, dass die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung kein wirtschaftliches Risiko im eigentlichen Sinne darstellt, auch wenn das Fondskonzept auf einer unkündbaren gesellschaftsvertraglichen Bindung basiert. Die Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung sei eine echte Rechtspflicht des Unternehmers, auf deren Erfüllung der Verbraucher einen Rechtsanspruch habe. Die Erteilung einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung stelle daher eine Pflichtverletzung der Fondsgesellschaft dar, die regelmäßig kein spezifisches Risiko der Kapitalanlage ist. Aus diesem Grunde bestehe eine Aufklärungspflicht jedenfalls im Rahmen einer Anlagevermittlung nicht.

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Zur Aufklärungspflicht bei Kapitalanlagen

BGH, Urteil vom 23.6.2016 — Aktenzeichen: III ZR 308/15

Zur Aufklärungspflicht bei Kapitalanlagen in Form von Eigentumswohnungen

Leitsatz
1. Die Pflicht eines Anlagevermittlers oder Anlageberaters zur Aufklärung über Innenprovisionen von mehr als 15 % besteht auch bei der Vermittlung einer Kapitalanlage in Form einer Eigentumswohnung.

2. Die Aufklärungspflicht des Anlagevermittlers oder Anlageberaters besteht unabhängig davon, ob die Kapitalanlage mittels eines Prospekts vertrieben wird oder nicht.

Sachverhalt
Der Kläger hatte 1992 auf Empfehlung des für die Beklagten tätigen Vertriebsmitarbeiters eine Eigentumswohnung für 97.020,00 DM erworben und diese entsprechend dem ihm erteilten Rat vollständig fremdfinanziert. Nachdem die Mieteinnahmen nicht die prognostizierte Höhe erreichten, geriet der Kläger mit der Rückzahlung des Darlehens in Rückstand. 2004 kündigte die finanzierende Bank den Kredit. Die daraufhin eingeleitete Zwangsversteigerung der Wohnung erbrachte lediglich einen Erlös von 7.000,00 €.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus fehlerhafter Anlagevermittlung bzw. Anlageberatung geltend und behauptet, der für die Beklagte tätige Vertriebsmitarbeiter habe ihn nicht darüber aufgeklärt, dass die Beklagte von den Verkäufern eine Provision von 20 % für die Vermittlung der streitgegenständlichen Eigentumswohnung erhalten habe. Wäre er hierüber aufgeklärt worden, hätte er die Wohnung nicht erworben.

Nach Klageabweisung in den beiden Vorinstanzen hat der BGH das Urteil des Kammergerichts aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurück verwiesen.

Entscheidung
Die Pflicht eines Anlagevermittlers oder Anlageberaters zur Aufklärung über Innenprovisionen von mehr als 15 % besteht nach der Entscheidung des BGH auch bei der Vermittlung einer Kapitalanlage in Form einer Eigentumswohnung. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH habe ein Anlagevermittler oder ein Anlageberater den Erwerber einer von ihm vermittelten Anlage unaufgefordert über Vertriebsprovisionen aufzuklären, wenn diese 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten. Dem liege die Erwägung zugrunde, dass Vertriebsprovisionen solchen Umfangs Rückschlüsse auf eine geringere Werthaltigkeit und Rentabilität der Kapitalanlage eröffnen und dies wiederum einen für die Anlageentscheidung derart bedeutsamen Umstand darstelle, dass der Anlageinteressent hierüber informiert werden müsse. Auch bei Eigentumswohnungen ließen Vertriebsprovisionen von über 15 % auf eine geringere Werthaltigkeit schließen, weshalb die Gewährung derartiger Provisionen einen für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstand darstelle, über den aufgeklärt werden müsse.

Dies stehe nicht im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des BGH, wonach der Verkäufer einer Immobilie grundsätzlich nicht verpflichtet sei, den Interessenten über die Zahlung einer Innenprovision an den von ihm beauftragten Vertrieb aufzuklären, wenn das Objekt nicht mittels eines Prospekts vertrieben werde, sondern durch mündliche Beratung anhand eines konkreten Berechnungsbeispiels. Die Pflichten eines Anlagevermittlers oder Anlageberaters aus dem Vertragsverhältnis mit dem Anleger unterscheiden sich grundsätzlich von den Pflichten eines Verkäufers gegenüber dem Käufer, da der Anlageberater oder Anlagevermittler dem Anleger aus dem selbständig zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnis eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände schulde, die für dessen Anlageentscheidung von besonderer Bedeutung seien. Hierzu zähle auch die Werthaltigkeit des Anlageobjektes, weshalb über Umstände wie Innenprovisionen von über 15 % aufgeklärt werden müsse.

Für das Bestehen der Aufklärungspflicht komme es nicht darauf an, ob die Anlage mittels eines Prospekts vertrieben worden sei. Die Aufklärungspflicht bestehe unabhängig hiervon. Der Anlageberater bzw. Anlagevermittler könne sich zur Erfüllung dieser Pflichten eines Prospekts bedienen, müsse dies aber nicht. Existiere kein Prospekt, habe er die Pflicht durch eine eigenständige Aufklärung zu erfüllen.

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Bedeutung von Risikohinweisen in Beratungsprotokollen für den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung

OLG Celle , Urteil vom 23.6.2016 — Aktenzeichen: 11 U 9/16

Sachverhalt
Die Parteien streiten um Schadensersatz aus angeblich fehlerhafter Anlageberatung. Der Kläger hatte 2004 Beteiligungen an geschlossenen Schiffsfonds und einem geschlossenen Immobilienfonds gezeichnet. Der Kläger macht eine Fehlberatung und einen unterlassenen Hinweis auf Risiken geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ansprüche seien verjährt. Das Oberlandesgericht hat das Urteil teilweise aufgrund eingetretener Verjährung bestätigt.

Entscheidung
Das OLG Celle kommt zu dem Ergebnis, dass der Kläger sich grob fahrlässige Unkenntnis entgegen halten lassen muss, wenn er Beratungsprotokolle, den „persönlichen Beraterbogen“ und insbesondere die darin knapp und übersichtlich zusammengefassten Risikohinweise nicht lese und dennoch unterschreibe. Der Kläger habe angesichts des „persönlichen Beraterbogens“, die Augen vor den darin enthaltenen Risikohinweisen verschlossen und nicht gesehen, dass die Erklärungen des Beraters nicht mit den schriftlichen Hinweisen übereinstimmten. Dies hätte ihm jedoch unmittelbar auffallen müssen. Das Vertrauen auf Beraterangaben und die mangelnde Durchsicht eines Anlageprospektes stellt zwar grundsätzlich kein grobes Verschulden gegen sich selbst dar, etwas anderes gilt aber für Beratungsbögen. So war vorliegend der für den Fond verwendete Beratungsbogen so deutlich ausgestaltet und die Risikohinweise eigens unter einer Überschrift „Risiken der Beteiligung“ knapp und allgemein verständlich zusammengefasst, dass diese Hinweise nicht nur jedem Anleger deutlich vor Augen führen, dass nicht nur mögliche Gewinne nicht garantiert werden können, sondern auch der Verlust des eingesetzten Kapitals möglich ist, insbesondere gilt das für das Totalverlustrisiko. Weiter stellt das OLG folgendes fest:

„Wer im Zusammenhang mit einer für ihn wirtschaftlich bedeutsamen Entscheidung gleichsam „blind“ ein handschriftlich ausgefülltes Formular, mithin eine ersichtlich personalisierte Erklärung, von übersichtlichem Umfang unterzeichnet, lässt dasjenige außer Acht, was in der gegebenen Situation jedem einleuchten würde.“

Zudem musste sich der Kläger entgegen halten lassen, dass der Hinweis auf ein Totalverlustrisiko nicht zu seiner angeblichen sehr sicherheitsorientierten Mentalität passte.

Das Urteil ist eine konsequente Fortführung der Rechtsprechung zur grob fahrlässigen Unkenntnis von Pflichtverletzungen. Ein Anleger muss zwar nicht zwingend Risikohinweise lesen, deren Kenntnisnahme er durch Unterschrift bestätigt hat; allerdings kann das „blinde“ Unterzeichnen dazu führen, dass die Verjährung in Gang gesetzt wird.

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Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Kündigung eines Verbraucherdarlehens durch die Bank

BGH, Urteil vom 19.1.2016 — Aktenzeichen: XI ZR 103/15

Sachverhalt
Die beklagte Bank gewährte zwei natürlichen Personen ein zum 30.11.2016 fälliges Verbraucherdarlehen. Im Jahr 2010 und 2011 kündigte die Beklagte die beiden Darlehn vorzeitig wegen Zahlungsverzugs der Darlehensnehmer. Sie stellte die noch offene Darlehensvaluta fällig und begehrte die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung.

Entscheidung
Der BGH hat entschieden, dass der beklagten Bank kein Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung zustand.

Nach § 497 Abs. 1 BGB in der hier maßgeblichen bis zum 10.6.2010 geltenden Fassung hat der Darlehensnehmer, der mit seiner Zahlungsverpflichtung in Verzug kommt, den geschuldeten Betrag mit dem dort festgelegten Verzugszinssatz zu verzinsen. Die Vorschrift entfalte eine Sperrwirkung in dem Sinne, dass eine andere Form des Schadensersatzes nicht geltend gemacht werden könne, also auch keine Vorfälligkeitsentschädigung. Dies lasse sich zwar nicht dem Gesetzeswortlaut entnehmen; allerdings sprächen die Gesetzgebungsgeschichte und der Sinn und Zweck der Vorschrift dafür.

Damit hat der BGH die in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittene Frage, ob der Darlehensgeber im Falle der außerordentlichen Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrages infolge Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers anstelle des Verzögerungsschadens eine Vorfälligkeitsentschädigung als Ersatz seines Nichterfüllungsschadens verlangen kann, zu Gunsten der Verbraucher entschieden.

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BGH erkennt Prospekt zu Medienfonds als fehlerfrei an

BGH, Urteil vom 22.10.2015 — Aktenzeichen: III ZR 264/14

Sachverhalt
Der Kläger beteiligte sich im Jahre 2000 an der Fondsgesellschaft M. Die Gesellschaft war mit internationalen Filmproduktionen befasst. Der Kläger nimmt u.a. die Treuhandkommanditistin der Fondsgesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung in Anspruch. Der Kläger macht geltend. Die in dem Prospekt in Aussicht gestellten Vorteile steuerrechtlicher Natur seien irreführend dargestellt worden. Insbesondere habe es über Jahre hinweg gegensätzliche Beurteilungen hinsichtlich der steuerrechtlichen Anerkennung der in dem Prospekt beschriebenen Konzeption gegeben. Darüber hinaus sei die Prospektinformation im Hinblick auf die Darstellung der Lizenzgebühren fehlerhaft, da dem Anleger ein Gewinnversprechen suggeriert würde, für das eine echte Basis nicht bestanden habe.

Entscheidung
Nachdem das OLG München der Klage des Anlegers stattgegeben hatte, hat der BGH das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der steuerrechtlichen Beurteilung hat der BGH zunächst ausgeführt, dass die in dem Prospekt vorgesehene steuerrechtliche Herstellereigenschaft der Fondsgesellschaft und die steuerrechtliche Bewertung im Wesentlichen in Ordnung waren. Auch der Zahlungsfluss zwischen den beteiligten Gesellschaften führe nicht dazu, dass der Fonds steuerrechtlich abweichend aus damaliger Sicht zu bewerten gewesen sei. Ein weitergehender Hinweis darauf, dass die Herstellereigenschaft steuerrechtlich angezweifelt werden könnte, musste nicht erfolgen.

Auch die Darstellung der variablen Lizenzgebühren ist nach der Auffassung des BGH nicht fehlerhaft. Zum einen kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass die variablen Lizenzgebühren kein wesentliches Element der Fondskonzeption waren. Zum anderen hält der BGH die Angaben zu den variablen Lizenzgebühren im Prospekt für ausreichend verständlich. Es wird anhand der Prospektangaben für einen durchschnittlichen Anleger erkennbar, dass die Höhe der variablen Lizenzgebühren und sogar ihre Zahlung als solche noch nicht feststehen.

Im Ergebnis hält der BGH den Prospekt daher für fehlerfrei und die Ansprüche des Anlegers für unbegründet.

Zusammenfassung
Mit diesem Urteil wird hinsichtlich einiger Medienfonds endlich ein Stück Rechtssicherheit für die Anlageberater und die weiteren Beteiligten hergestellt, die als Prospektverantwortliche in Anspruch genommen werden können. Der Bundesgerichtshof hat in der zu begrüßenden Entscheidung nachvollziehbar insbesondere das Ergebnis gefunden, dass zum einem in einem Prospekt nicht auf jedes nur erdenkliche Risiko hingewiesen werden muss und zum anderen ein durchschnittlicher Anleger Prospektpassagen aus einem vernünftigen Horizont heraus verstehen muss.

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Im Prospekt einer Kapitalanlagebeteiligung ist kein gesonderter Hinweis auf ein etwaiges Innenhaftungsrisiko gem. §§ 30, 31 GmbHG analog erforderlich

Anlegerschutzanwälte sind sowohl vor dem OLG Hamm als auch dem OLG Köln mit dem Versuch gescheitert, die Pflichten von Emittenten und Anlagevermitteln dahingehend auszudehnen, dass auch eine Aufklärung über ein etwaiges Innenhaftungsrisiko gem. §§ 30, 31 GmbHG analog bei Vermittlung einer Kapitalanlage in Form einer KG-Beteiligung im Prospekt erforderlich ist.

Mit Beschluss vom 03.02.2015, 34 U 149/14 hat das OLG Hamm und mit Urteil vom 05.03.2015, 24 U 159/14 das OLG Köln entschieden, dass ein solcher Hinweis an die Anleger einer KG-Beteiligung nicht nötig ist. Zur Begründung führen die Gerichte aus, dass eine Aufklärung entbehrlich ist, da eine Unterdeckung des Stammkapitals der Komplementär-GmbH mehr als fernliegend ist, aufklärungsbedürftig indes nur solche Risiken sind, mit deren Verwirklichung ernsthaft zu rechnen ist oder die jedenfalls nicht nur ganz entfernt liegen. Darüber hinaus ist die Haftung der Anleger im Innenverhältnis regelmäßig auf die Höhe ihrer Nominaleinlage beschränkt und eine Außenhaftung mit §§ 30, 31 GmbH nicht verbunden.

Das maßgebliche Argument dagegen, dass Emissionsprospekte einen Hinweis auf §§ 30, 31 GmbHG enthalten müssen, ist, dass es sich bei der in § 30 GmbH getroffenen Regelung um eine Verbotsnorm handelt, deren Normadressat die Gesellschaft und damit deren Geschäftsführer ist. Das allgemeine (abstrakte) Risiko, dass die Verwirklichung des Anlagekonzepts bei (zumal planmäßigen oder wiederholten) Pflichtwidrigkeiten der Personen, in deren Händen die Geschicke der Anlagegesellschaft liegen, gefährdet ist, aber kann als dem Anleger bekannt vorausgesetzt werden und bedarf grundsätzlich keiner besonderen Aufklärung. Pflichtwidrigkeiten sind regelmäßig kein spezifisches Risiko der Kapitalanlage

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Nicht jeder Güteantrag hemmt die Verjährung

BGH, Urteil vom 18.6.2015 — Aktenzeichen: III ZR 189/14 / III ZR 198/14

Vielfach werden zur Hemmung der Vergütung Güteanträge eingereicht. Der BGH hat nun geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Antrag tatsächlich die Verjährung hemmt.

Sachverhalt
In einigen neuen am 18.06.2015 verkündeten Urteilen hat der BGH die Anforderungen präzisiert, die an Güteanträge zu stellen sind, damit durch die Einreichung des Güteantrages eine Hemmung der Verjährung gem. § 204 BGB eintreten kann.

In denen vom BGH entschiedenen Fällen reichten die Kläger Güteanträge ein, die im Wesentlichen vorformulierte Musteranträge darstellten. Der BGH hatte diese Musteranträge als nicht verjährungshemmend angesehen und Verjährung angenommen.

Entscheidung
Der BGH hat die Entscheidungen der Instanzgerichte bestätigt und festgehalten, dass die von den Klägern eingereichten Güteanträge die Verjährung deshalb nicht hemmen, da mangels ausreichender Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs keine Hemmung der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 4, § 209 BGB herbeigeführt worden war. Der BGH hält die bereits bestehende und bekannte Auffassung fest, dass ohne die nötige Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruches keine Hemmung der Verjährung eintreten kann. Der BGH hält des Weiteren fest, dass Voraussetzung für die Individualisierung insbesondere ist, dass der Anspruchsgegner erkennen können muss „worum es geht“.

Insbesondere sind von dem Anspruchsteller für eine wirksame Hemmung der Verjährung folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

– Der Güteantrag muss die formalen Anforderungen erfüllen, die von den für die jeweilige Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften gefordert werden. – Der Güteantrag muss für den Schuldner erkennen lassen, welcher Anspruch geltend gemacht werden soll. – Das konkrete Begehren muss zu erkennen sein; der verfolgte Anspruch ist hinreichend genau zu bezeichnen. Dies bedeutet insbesondere im Kapitalanlagerecht, dass regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen ist, die Zeichnungssumme und der ungefähre Beratungszeitraum anzugeben und der Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen ist. Zudem muss das anstrebte Verfahrensziel soweit umschrieben werden, dass ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist. Da diese Erfordernisse in denen vom BGH entschiedenen Fällen nicht Genüge getan war, wurden die Ansprüche der dortigen Anleger nicht zuerkannt.

Kommentar: Der BGH hat mit den Entscheidungen vom 18.06.2015 Klarheit dahingehend geschaffen, welche Voraussetzungen als Mindeststandard in Güteanträgen zu erfüllen sind, damit eine Verjährungshemmung eintreten kann. Oftmals ist diesen Anforderungen in „Massenverfahren“ nicht Genüge getan worden, so dass eine Vielzahl von Ansprüchen ggf. trotz Einreichung eines Güteantrages verjährt ist.

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Altersvorsorge und Risiko

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.12.2014 — Aktenzeichen: III ZR 365/13

Leitsatz
Allein der Umstand, dass die Kapitalanlage auch der ergänzenden Altersvorsorge dienen soll, schließt die Empfehlung einer mit Risiken versehenen Anlage nicht aus.

Sachverhalt
Der Kläger beteiligte sich im Jahre 1998 nach Anlageberatung der Beklagten an der M. GbR mit einer Bareinlage von 70.000 DM zuzüglich 5 % Agio. Bei der M.GbR handelt es sich um eine Beteiligungsgesellschaft, die Beteiligungen an vier Grundbesitzgesellschaften hält, denen jeweils eine Immobilie gehört. Der Kläger erhielt von 1999 bis 2002 Ausschüttungen. Ab 2002 geriet die M.GbR in eine wirtschaftliche Schieflage, die eine Einstellung der Ausschüttungen und verschiedene Sanierungskonzepte nach sich zog. Am 1. Januar 2003 wurde über das Vermögen der M. AG (die unter anderem als Grundbuchtreuhänderin, Baubetreuerin, Generalmieterin und Verwalterin fungierte) das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe eine Anlage für seine Altersvorsorge gewollt. Diesem Anlageziel habe die Beteiligung an der M.GbR nicht entsprochen. In der persönlichen Anhörung hat er als weiteren Zweck den Wunsch genannt, Steuern zu sparen.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz und bekommt vom Oberlandesgericht Recht.

Entscheidung
Der BGH hebt die Entscheidung auf und verweist den Fall zur weiteren Sachaufklärung zurück.

Ein automatischer Rückschluss vom genannten Ziel der Altersvorsorge darauf, dass nur ganz risikoarme Kapitalanlagen empfohlen werden dürfen, ist nicht gerechtfertigt.

Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung des Anlageziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden, etwa seiner Risikobereitschaft, zugeschnitten sein. Soll das beabsichtigte Geschäft einer sicheren Geldanlage dienen, kann die Empfehlung einer unternehmerischen Beteiligung wegen des damit regelmäßig verbundenen Verlustrisikos fehlerhaft sein. Andererseits rechtfertigt nicht schon allein der Umstand, dass die Kapitalanlage auch der ergänzenden Altersvorsorge hat dienen sollen, den Schluss, die Empfehlung der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds stelle keine anlegergerechte Beratung dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn bereits eine ausreichende Absicherung für das Alter besteht und es gerade auch darum gehen soll, Steuern einzusparen; denn Letzteres ist regelmäßig nicht ohne Verlustrisiko zu erreichen. Darüber hinaus handelt es sich bei einem geschlossenen Immobilienfonds um eine Art der Unternehmensbeteiligung, bei der das Risiko eines hohen oder vollständigen Kapitalverlusts gering ist, weil selbst bei unzureichendem Mietertrag jedenfalls der Sachwert des Immobilienvermögens normalerweise erhalten bleibt. Dass ein Teil des Fondskapitals fremdfinanziert wird, macht die Fondsbeteiligung noch nicht zu einer „hochspekulativen“ Anlage, die für eine nur ergänzende Altersvorsorge von vorneherein als untauglich angesehen werden müsste. In seiner Parteivernehmung hat der Kläger angegeben, dass die Anlage als „Altersvorsorge, als Zubrot gedacht“ gewesen sei und der „Aufbesserung“ der gesetzlichen Rente habe dienen sollen. Dies spricht eher für eine nur ergänzende Altersvorsorge.

Kommentar
Das war überfällig: Der BGH mahnt mit der Entscheidung erneut eine am Einzelfall orientierte Bewertung der Anlageberatung auch beim Zweck der Altersvorsorge an. Die vorangegangene maßgebliche Entscheidung vom 24. April 2014, III ZR 389/12, ist an dieser Stelle bereits besprochen worden.

In der Tat kommt es auf die genauen Umstände nämlich an. Altersvorsorge ist nicht gleich Altersvorsorge.

Es macht einen wesentlichen Unterschied, ob die Investition nur für das Sahnehäubchen der Altersvorsorge dient oder für den absolut benötigten Grundstock. Es sollte ferner darauf ankommen, ob die Investitionen einen größeren oder kleineren Anteil am Gesamtvermögen ausmacht, da auch bei einer grundsätzlich auf Sicherheit bedachten Anlagestrategie eine Beimischung von risikoreicheren Anlagen nicht fehlerhaft sein muss. Auch der zeitliche Horizont dürfte eine Rolle spielen; wer bis zum Eintritt in die Altersrente noch viele Jahre vor sich hat, kann tendenziell etwas höhere Risiken eingehen als derjenige, der das Kapital alsbald benötigt. Dies zumal, wenn mit der Anlage auch noch Steuern gespart werden sollen, was bekanntlich nur bei Eingehung eines unternehmerischen Risikos funktioniert.

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Beschränkung des Bankkunden auf Rückgewähr einer Sicherungsgrundschuld

BGH, Urteil vom 18.7.2014 — Aktenzeichen: V ZR 178/13

Allgemeine Geschäftsbedingungen

Sachverhalt
Der Beklagte war im Jahr 1997 Gesellschafter einer GmbH und einer GbR. 1997 nahm der Beklagte bei der klagenden Bank ein Darlehn auf, das er der GbR zur Verfügung stellte. Zur Sicherung des Darlehns bestellte der Beklagte eine Briefgrundschuld über 645.000.00 DM an dem Grundstück, die letztlich noch drei weitere Darlehen sicherte. In der Sicherungsabrede aus dem Jahr 2002 heißt es in einer von der Bank formulierten Klausel:

5. Erledigung des Sicherungszwecks „Soweit dem Sicherungsgeber nach Erledigung des vereinbarten Sicherungszwecks ein Rückgewähranspruch auf die oben bezeichnete Grundschuld zusteht, ist dieser auf den Anspruch auf Löschung der Grundschuld beschränkt, es sei denn, dass im Zeitpunkt der Rückgewähr des Eigentum an dem belasteten Grundstück durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung gewechselt hat.“

In der Folgezeit schied der Beklagte aus der GbR aus. Die Bank kündigte später das Darlehn und trat die Grundschuld an eine andere Bank ab. Mit der Klage verlangte sie Rückzahlung des verbleibenden Darlehnsbetrages von dem Beklagten. Der Beklagte meint, er müsse nur gegen Rückgewähr der Grundschuld zahlen. Er hafte im Innenverhältnis zu seinem früheren Mitgesellschafter nicht und müsse das Grundpfandrecht als Sicherung für seine Regressforderungen erhalten. Die Rückgewähr der Grundschuld macht der Beklagte als Zurückbehaltungsrecht geltend.

Das Landgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben, ohne ein Zurückbehaltungsrecht zu berücksichtigen; die Berufung des Beklagten ist vom Kammergericht zurückgewiesen worden. Der Bundesgerichtshof hat die Revision zugelassen und im Ergebnis die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Entscheidung
Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten nach den bisherigen Feststellungen nicht verneint werden kann. Die vorformulierte Bestimmung in der Sicherungsabrede steht dem Zurückbehaltungsrecht nicht entgegen. Der BGH hält die Klausel für unwirksam, da diese dem gesetzlichen Leitbild widerspricht und der richterlichen Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB nicht standhält. Hintergrund hierfür ist, dass die Klausel einer Prüfung jedenfalls dann nicht standhält, wenn der Inhaber des Rückgewähranspruchs – wie hier – im Zeitpunkt der Rückgewähr nicht mehr Grundstückseigentümer ist. Nach dem Gesetz entscheidet der Kunde, ob eine Grundschuld nach Tilgung der gesicherten Forderung gelöscht oder erneut verwendet werden soll. Er kann nämlich wählen, ob das Grundpfandrecht durch Löschung, durch Verzicht oder durch Übertragung an ihn oder einen Dritten zurückgewährt werden soll. Wenn der Kunde trotz eines Eigentumswechsels Inhaber des Rückgewähranspruchs bleibt, weil er gegenüber der Bank weiter für die gesicherten Forderungen haftet, kommt die Löschung nur dem neuen Grundstückseigentümer zu Gute. Dies war hier der frühere Mitgesellschafter des Beklagten. In solchen Fällen wird der Rückgewähranspruch durch die von der Bank verwendete Klausel faktisch ausgeschlossen und der Kunde dadurch gravierend benachteiligt. Das Interesse der Bank, die Vertragsabwicklung zu vereinfachen, kann diese gravierende Benachteiligung nicht rechtfertigen. Im Ergebnis kann die Bank daher aufgrund der unwirksamen Klausel nunmehr nicht die Zahlung verlangen, ohne dafür Sorge zu tragen, dass der Beklagte entweder die Grundschuld übertragen bekommt oder sich die Bank gegenüber dem Beklagten sogar schadensersatzpflichtig.

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Sind geschlossene Immobilienfonds zur ergänzenden Altersvorsorge geeignet? Der BGH meint ja!

BGH, Urteil vom 24.4.2014 — Aktenzeichen: III ZR 389/12

Laut BGH können geschlossene Immobilienfonds für die ergänzende Altersvorsorge geeignet sein

Sachverhalt
Die Kläger machten gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus Beratungsverletzungen durch Vermittlung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds geltend. Unter anderem wird geltend gemacht, die vermittelte Anlage sei nicht zur Altersvorsorge geeignet gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Berufung der Kläger zurückgewiesen.

Entscheidung
Im Detail sieht der BGH keine Pflichtverletzung der Beklagten. Der BGH geht zunächst darauf ein, dass der Emissionsprospekt fehlerfrei und nach einer vorzunehmenden Gesamtwürdigung für den Anleger verständlich war. Bemerkenswert an der streitgegenständlichen Entscheidung ist allerdings, dass der BGH ausführt, dass auch ein geschlossener Fonds in Gestalt eines Immobilienfonds zur ergänzenden Altersvorsorge geeignet sein kann. Der BGH führt aus, dass es sich bei einem geschlossenen Immobilienfonds um eine Art der Unternehmensbeteiligung handelt, bei der das Risiko eines hohen oder vollständigen Kapitalverlustes gering ist, weil selbst bei unzureichendem Mietertrag jedenfalls der Sachwert des Immobilienvermögens, das bei dem streitgegenständlichen Fonds auch noch verteilt war, normalerweise erhalten bleibt. Folgerichtig kommt der BGH dann zum Ergebnis, dass entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes in dem geschlossenen Immobilienfonds keine „hochspekulative“ Anlage zu sehen ist, die für eine ergänzende Altersvorsorge als untauglich angesehen werden müsste. Dass es sich nicht um eine hochspekulative Anlage handele und ein geschlossener Immobilienfonds auch zur ergänzenden Altersvorsorge geeignet sein kann, ändert sich nach Auffassung des BGH auch nicht dadurch, dass ein Teil des Fonds fremdfinanziert wird.

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