Beginn der Verjährungsfrist im Zusammenhang mit Anlageberatungen

BGH, Urteil vom 22.3.2017 — Aktenzeichen: III ZR 93/16

Leitsatz
Allein der Umstand, dass ein Anleger, dem nach Abschluss der Beratung zum (formalen) Vollzug der bereits getroffenen Anlageentscheidung kurz der Zeichnungsschein zur Unterschrift vorgelegt wird, den Text des Scheins vor der Unterzeichnung nicht durchliest und deshalb nicht den Widerspruch zwischen der erfolgten Beratung und in der Beitrittserklärung enthaltenen Angaben zur Anlage bemerkt, rechtfertigt für sich nicht den Vorwurf grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

Sachverhalt
Im vom BGH zu entscheidenden Sachverhalt hat die Klägerin gegen die Beklagte Schadenersatzansprüche wegen Beratungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Zeichnung von Genussrechtsbeteiligungen geltend gemacht. Das Landgericht Darmstadt hatte der Klage stattgegeben, da die Beratung nicht anlegergerecht gewesen sei. Dass die Klägerin den Zeichnungsschein vor Unterzeichnung nicht gelesen habe, sei allenfalls als normal fahrlässig einzustufen, sodass die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht vorlägen. Das OLG Frankfurt a.M. hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, das Unterschreiben des Zeichnungsscheins ohne vorherige Lektüre des Inhalts sei grob fahrlässig und etwaige Ansprüche daher verjährt. Der BGH hat das Urteil des OLG Frankfurt aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Entscheidung
Nach Auffassung des BGH handelt es sich bei der Zeichnung der Beteiligungen zwar um rechtsverbindliche Willenserklärungen; dies reiche aber für sich allein nicht aus, um zum Nachteil des Anlegers automatisch den Vorwurf grober Fahrlässigkeit bei unterlassener Lektüre des kleingedruckten Inhalts der Zeichnungsscheine zu rechtfertigen. Vielmehr dürfe insoweit der Kontext, in dem es zu den Zeichnungen gekommen sei, nicht ausgeblendet werden. Da der Anleger grundsätzlich auf die Ratschläge, Auskünfte und Mitteilungen, die der Berater in der persönlichen Besprechung unterbreite, vertrauen dürfen, müsse er regelmäßig nicht damit rechnen, dass er aus dem Text eines Zeichnungsscheins, der ihm nach Abschluss der Beratung zum (formalen) Vollzug der bereits getroffenen Anlageentscheidung vorgelegt wird, substanzielle Hinweise auf Eigenschaften und Risiken der Kapitalanlage erhalte. Erst recht müsse er nicht davon ausgehen, dass von ihm zur Vermeidung des Vorwurfs grober Fahrlässigkeit erwartet werde, den Text durchzulesen, um die erfolgte Beratung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Die unterlassene Lektüre sei daher in einer solchen Situation für sich allein genommen nicht schlechthin „unverständlich“ oder „unentschuldbar“ und begründet deshalb im Allgemeinen kein in subjektiver und objektiver Hinsicht „grobes Verschulden gegen sich selbst“. Wenn daher ein Anlagevermittler — wie im vom BGH zu entscheidenden Fall — im Anschluss an das Beratungsgespräch und die bereits getroffene Anlageentscheidung den Zeichnungsschein ausfüllt und ihn dem Anleger nur noch zu Unterschrift vorlegt, wobei keine Hinweise mehr erfolgen und keine Erörterung inhaltliche Art mehr stattfindet, könne im Kontext der Zeichnung nicht von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden. Eine andere Beurteilung könne jedoch dann in Betracht kommen, wenn der Berater den Anleger ausdrücklich darauf hinweist, er solle den Text vor Unterzeichnung durchlesen, und er dem Kunden die hierzu erforderliche Zeit lässt, oder wenn in deutlich hervorgehobenen, ins Auge springenden Warnhinweisen auf etwaige Anlagerisiken hingewiesen werde oder wenn der Anleger auf dem Zeichnungsschein gesonderte Warnhinweise zusätzlich unterschreiben müsse.

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SHB Altersvorsorgefonds KG: Landgericht Ellwangen kann keine Prospektfehler und keine fehlende Plausibilität feststellen

LG Ellwangen , Urteil vom 28.4.2017 — Aktenzeichen: 2 O 406/16

Sachverhalt
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Pflichtverletzung eines Anlageberatungsvertrages. Vermittelt wurde eine Beteiligung an der SHB Innovative Fondskonzepte GmbH & Co. Altersvorsorgefonds KG. Der Kläger macht geltend, es habe sich um eine hochriskante Anlage gehandelt, worüber er nicht aufgeklärt worden sei. Darüber hinaus sei die SHB Anlage nicht plausibel, d.h. wirtschaftlich tragfähig gewesen. Der Prospekt sei fehlerhaft, da für die gewählte Beteiligungsform keine Angaben gemacht worden seien. Die Beklagte stellt diese Vorwürfe in Abrede.

Entscheidung
Das Landgericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Anlageberatung pflichtgemäß und die Anlage plausibel war. Prospektfehler kann das Landgericht nicht erkennen. Nach durchgeführter Beweisaufnahme hat sich nicht bestätigt, dass die Beklagte die Anlage als risikolos dargestellt hat. Zudem ist nach Auffassung des Landgerichts nicht ersichtlich, dass der streitgegenständliche Fonds mit der Anlagestrategie des Klägers unvereinbar war. Dabei streitet nach Auffassung des Landgerichts ein entsprechendes Protokoll für die Darstellung der Beklagten. Nach Auffassung des Landgerichts fällt es in den Verantwortungsbereich des Klägers, sich das entsprechende Dokument vor der Unterzeichnung noch einmal vollständig durchzulesen und ggf. erforderliche Berichtigungen vorzunehmen. Aus dem Protokoll ergab sich eine korrekte Aufklärung über die Anlage. Eine fehlende Plausibilität oder einen Prospektfehler konnte das Landgericht anhand der Behauptungen der Klägerseite nicht festmachen.

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Treuhänder haften für erkennbare Prospektfehler

BGH, Urteil vom 16.3.2017 — Aktenzeichen: III ZR 489/16

Leitsatz
1. Ein Treuhandkommanditist ist verpflichtet, die Anleger über alle wesentlichen Punkte, insbesondere regelwidrige Auffälligkeiten der Anlage, aufzuklären, die ihm bekannt sind oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein müssen und die für die von den Anlegern zu übernehmenden mittelbaren Beteiligungen von Bedeutung sind.

2. Von einem Treuhandkommanditisten kann jedenfalls erwartet werden, dass er den bei den Beitrittsverhandlungen verwendeten Prospekt im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle dahin überprüft, ob dieser ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er dies mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich richtig und vollständig sind.

Sachverhalt
Die Kläger haben die Beklagte als reine Treuhandkommanditistin wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der Beteiligung der Kläger als mittelbare Kommanditisten an einer geschlossenen Fondsbeteiligung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Kläger haben geltend gemacht, der Emissionsprospekt der streitgegenständlichen Fondsbeteiligung sei fehlerhaft, da der auf der Titelseite hervorgehobene Zweck der Altersvorsorge dadurch konterkariert werde, dass es sich faktisch um einen Teil-Blind-Pool mit Totalverlustrisiko handele. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat vorgetragen, der Prospekt enthalte zutreffende und klarstellende Risikohinweise. Ferner sei der Fonds zur ergänzenden Altersvorsorge geeignet.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten ist das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen worden. Die Revision hat zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und Zurückweisung der Berufung geführt.

Entscheidung
Der BGH hat ausgeführt, dass die Beklagte nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne auf Schadensersatz haftet. Die Beklagte habe die ihr als Treuhandkommanditistin obliegenden vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt. Sie hätte die Kläger als Anlageinteressenten darüber informieren müssen, dass die angebotene Kapitalanlage entgegen den Prospektangaben weder als spezieller Altersvorsorgefonds noch als ideale Form der Altersvorsorge konzipiert gewesen sei und gegenüber sonstigen (geschlossenen) Immobilienfonds auch keine zusätzlichen Sicherungsinstrumente aufgewiesen habe. Der BGH hat ausgeführt, dass der Anleger durch Vertragsschluss mit dem Treuhandkommanditisten ein Treuhandverhältnis begründe, aus dem sich vorvertragliche Aufklärungspflichten ergeben können. Der BGH hat seine ständige Rechtsprechung, dass es zu den Pflichten des Treuhandkommanditisten gehöre, die Anleger über alle wesentlichen Punkte, insbesondere regelwidrige Auffälligkeiten der Anlage, aufzuklären, die ihm bekannt sind oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein müssen, und die für die von den Anleger zu übernehmenden mittelbaren Beteiligungen von Bedeutung sind, erneut bestätigt. In diesem Zusammenhang treffe den Treuhänder eine eigene Pflicht, unrichtige Prospektangaben von sich aus richtig zu stellen.

Im Folgenden hat der BGH sodann festgestellt, dass im streitgegenständlichen Fall der Emissionsprospekt einem durchschnittlichen Anleger den unzutreffenden Eindruck vermittle, dass es sich bei der angebotenen Beteiligung um eine speziell für den Zweck der Altersvorsorge konzipierte Kapitalanlage handele. Zwar sei eine unternehmerische Beteiligung mit Totalverlustrisiko für eine ergänzende Altersvorsorge nicht schlechthin oder generell ungeeignet. Dies gelte insbesondere dann, wenn bereits eine Absicherung für das Alter bestehe (z.B. gesetzliche Rente, Immobilien) und bei der Kapitalanlage die Altersvorsorge nicht im Vordergrund stehe, sondern in erster Linie Steuern gespart werden sollen. Werde jedoch eine sichere Anlage für Zwecke der Altersvorsorge gewünscht, so könne die Empfehlung einer unternehmerischen Beteiligung wegen des damit regelmäßig verbundenen Verlustrisikos schon für sich genommen fehlerhaft sein. Im zu entscheidenden Fall sah der BGH es als gezielte Desinformation des künftigen Anlegers an, eine typische unternehmerische Beteiligung (mit Totalverlustrisiko), bei der nicht nur keine besonderen Sicherungsmechanismen vorgesehen waren, sondern zusätzliche Risiken in Form einer Blind-Pool-Investition bestanden, als speziellen Altersvorsorgefonds und ideale Form der Altersvorsorge zu bezeichnen. Insbesondere habe der Emissionsprospekt nicht zwischen einer Eignung der Anlage zur Altersvorsorge oder lediglich zur ergänzenden Altersvorsorge differenziert. Eine Gesamtschau des Prospektes ergebe, dass die warnende Wirkung der für sich genommen zutreffenden Risikohinweise durch die plakative Bezeichnung als „Altersvorsorgefonds“ und die mehrfachen Hinweise auf die besondere Eignung des Fonds zur Altersvorsorge gezielt entwertet werde.

Der BGH hat sodann darauf abgestellt, dass die Unrichtigkeit des Prospektes für die Beklagte bei einer bloßen Plausibilitätsprüfung ohne weiteres erkennbar gewesen sei. Von einem Treuhandkommanditisten könne erwartet werden, dass er den bei den Beitrittsverhandlungen verwendeten Prospekt im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle dahin überprüfe, ob dieser ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gebe und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er dies mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage sei, sachlich richtig und vollständig seien. Auch wenn die Anforderungen nicht überspannt werden dürften, hätten die im vorliegenden Fall gegebenen Ungereimtheiten und inneren Widersprüche des Prospektes der Beklagten auffallen müssen.

Der BGH hat sich sodann weiter mit einem im Treuhandvertrag enthaltenen Haftungsausschluss, wonach der Treuhandkommanditistin keine weitergehenden Prüfungspflichten obliegen sollten, beschäftigt. Hierzu hat der BGH entschieden, dass der Treuhandkommanditist seine Aufklärungsverpflichtung nicht durch eine im Treuhandvertrag enthaltene „Verwahrungserklärung“ ausschließen könne, da derartige Klauseln wegen der grundlegende Bedeutung der Aufklärungspflicht für den Schutz der Investoren nach § 307 Abs. 1 BGB nichtig seien.

Die Pflichtverletzung sei auch kausal für die Anlageentscheidung geworden. Ein Prospektfehler sei dann ursächlich für die Anlageentscheidung, wenn der Prospekt entsprechend dem Vertriebskonzept der Anlagegesellschaft von den Anlagevermittlern / -beratern als alleinige Arbeitsgrundlage für ihre Beratungsgespräche benutzt werde. Es komme dann nicht darauf an, ob der Prospekt dem Anlageinteressenten übergeben worden sei oder ob dieser den Prospekt in allen Einzelheiten zur Kenntnis genommen habe. Vielmehr sei unter solchen Umständen die Frage zu stellen, wie sich die Kläger verhalten hätten, wenn sie die notwendige Aufklärung erhalten hätten. Insoweit greife die Kausalitätsvermutung.

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Eine unterlassene Plausibilitätsprüfung des Anlageberaters führt nicht per se zu einem Schadensersatzanspruch des Anlegers

BGH , Urteil vom 30.3.2017 — Aktenzeichen: III ZR 139/15

Sachverhalt
Die Klägerin hat den Beklagten wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Insbesondere habe der Beklagte seine Verpflichtung zur Prüfung der Plausibilität der Kapitalanlage verletzt. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben mit der Begründung, der Beklagte habe nicht konkret dargetan, anhand welcher konkreter Unterlagen er eine Plausibilitätsprüfung vorgenommen habe, so dass nicht festgestellt werden könne, ob er die Seriosität der Anlage zutreffend geprüft habe. Über seinen unzureichenden Informationsstand habe der Beklagte die Klägerin nicht informiert, was zu einer Pflichtverletzung und im Ergebnis nach Auffassung des OLG zu einem Schadensersatzanspruch der Klägerin führt. Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Erwägung des OLG nicht die Verurteilung des Beklagten rechtfertigt und hat das Verfahren zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Entscheidung
Zunächst bestätigt der BGH seine Rechtsprechung, dass ein Anlagevermittler das Anlagekonzept auf wirtschaftliche Tragfähigkeit hin zu überprüfen hat. Er muss den Prospekt darauf hin überprüfen, ob er ein schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt abgibt und ob die Informationen sachlich richtig und vollständig sind. Entsprechend verstößt eine unterlassene und unzureichende Plausibilitätsprüfung der empfohlenen Kapitalanlage zwar gegen diese aus einem Anlagevermittlungsvertrag folgende Verpflichtung. Im Hinblick auf den Schutzzweck der Prüfungs- und Offenbarungspflicht kann dies aber nur dann zu einer Haftung des Vermittlers führen, wenn die vorzunehmende Prüfung Anlass zur Beanstandung gegeben hätte, etwa, weil dem Vermittler ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das hätte aufgeklärt werden müssen. Hiernach ist jeweils festzustellen, ob eine hypothetische Untersuchung des Anlagekonzepts und der dazugehörigen Unterlagen auf Plausibilität durch den Anlagevermittler Anlass zu Beanstandungen gegeben hätte oder in den für die Anlageentscheidung wesentlichen Punkten standgehalten hätte. Ob eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung vorliegt, kann deshalb nicht beurteilt werden, wenn nicht zuvor festgestellt wird, dass es an der notwendigen Plausibilität fehlt und woraus sich dies ergibt. Allein die Unterlassung der gebotenen Plausibilitätsprüfung und die fehlende Aufklärung darüber führt daher nicht zu einem Schadensersatzanspruch, wenn eine hypothetische Prüfung keine Beanstandungen ergeben hätte.

Fazit: Auch wenn ein Anlageberater das Anlageobjekt nicht (hinreichend) auf Plausibilität hin überprüft hat, begründet dies nicht per se einen etwaigen Schadensersatzanspruch des Anlegers. Vielmehr ist zunächst zu prüfen, ob es der streitgegenständlichen Anlage überhaupt an Plausibilität fehlt.

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Schiffsfonds Jacky Rickmers: OLG Hamburg kann keine Prospektfehler erkennen

OLG Hamburg , Urteil vom 15.2.2017 — Aktenzeichen: 8 U 20/15

Sachverhalt
Der wirtschaftlich erfahrene Kläger macht Schadensersatzansprüche aus angeblicher Fehlberatung bei der Vermittlung einer Kapitalanlage geltend. Er behauptet, er sei unzutreffend über Risiken aufgeklärt worden. Der Emissionsprospekt sei darüber hinaus nicht geeignet gewesen, zutreffend die Risiken der Beteiligung zu schildern. Insbesondere die Zusammensetzung des Pools, in dem das streitgegenständliche Schiff fahren sollte, sei nicht hinreichend im Prospekt erläutert. Das OLG erteilt der Auffassung des Klägers eine Absage.

Entscheidung
Hinsichtlich der Frage des Totalverlustrisikos sieht das OLG die Darstellung im Prospekt, dass es bei einer Kumulation von Risiken zu einem Totalverlust kommen kann, als ausreichend an. Auch die Weichkosten sind nach der Auffassung des OLG vollständig und nachvollziehbar angegeben. Eine prozentuale Angabe der Weichkosten ist nicht erforderlich, wenn der Anteil sich mittels eines einfachen Rechenschrittes feststellen lässt, was im vorliegenden Fall gegeben war. Auch die neuerdings vielfach von Anlegerschützern kritisierte Darstellung des Poolrisikos hält nach Auffassung des OLG einer Prüfung stand. So wird in dem Prospekt nach der Auffassung des OLG korrekt über die Funktionsweise des Einnahmepools und über den Pool Manager aufgeklärt. Eine konkrete Benennung der an dem Pool beteiligten Schiffe hält das OLG nicht für erforderlich, da es sich um drei baugleiche Schwesterschiffe des aus dem Fonds bekannten Schiffes handelt. Das Risiko der Aushöhlung des Stammkapitals (§§ 30, 31 GmbHG) hält das OLG nicht für aufklärungspflichtig.

Fazit: Das im Bereich der Schiffsfonds durchaus maßgeblich OLG Hamburg hat deutlich gemacht, dass ein Anleger nicht auf jedes erdenkliche Risiko hingewiesen werden muss. Zudem hat das OLG klargestellt, dass das Fehlen von nicht risikorelevanten Informationen keinen Prospektfehler begründet.

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Schadensersatzansprüche gegenüber früherem Alleingesellschafter und Geschäftsführer

LG München II , Urteil vom 26.1.2017 — Aktenzeichen: 3 O 3402/15

Leitsatz
Wenn der alleinige Gesellschafter einer GmbH zugleich als Geschäftsführer der Gesellschaft handelt und praktisch seine eigenen Weisungen ausführt, bedarf es dazu keines förmlichen Gesellschafterbeschlusses; die Befolgung einer solchen „Weisung“ kann nicht zu einer Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbhG auf Ersatz des dadurch verursachten Schadens führen.

Sachverhalt
Der beklagte Geschäftsführer wird aus Geschäftsführerhaftung in Anspruch genommen. Er war alleiniger Geschäftsführer und formaler Gesellschafter mit 99 % der Anteile. Die 99 %ige Beteiligung hielt der nach außen als alleiniger Gesellschafter auftretende Beklagte auf Grundlage eines Treuhandverhältnisses für den Kläger. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe eine Vielzahl von Zahlungen zu Lasten des Geschäftskontos der beiden Gesellschaften veranlasst, die ohne Vertragsgrundlage oder sonstige Rechtfertigungen erfolgt seien. Der Beklagte erwidert hierzu, er habe mit Ausnahme der zwingenden Stammkapitalerhaltungsvorschriften frei über das Gesellschaftsvermögen verfügen können, ohne seine Geschäftsführerverpflichtungen zu verletzen.

Entscheidung
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. wegen der Verletzung der Pflichten aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrages scheidet nach Auffassung des Landgerichts aus. Eine solche Haftung setzt ein pflichtwidriges Geschäftsverhalten voraus. Dieses und ein Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG scheidet nach Auffassung des LG aus, weil der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum Alleingesellschafter der GmbH war. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Beklagte die Gesellschaftsanteile nur treuhänderisch gehalten hat, da Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten nur der Treuhänder ist. Allgemein fehlt es dann an einer Pflichtverletzung, wenn die Gesellschaftsversammlung den Geschäftsführer zu dem — im vorliegenden Prozess beanstandeten — Verhalten anweist. Soweit der Geschäftsführer dadurch nicht gegen gesetzliche Pflichten verstößt, muss er die Weisung befolgen und haftet der Gesellschaft nicht aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Diese Grundsätze gelten erst recht, wenn die Gesellschaft nur einen Gesellschafter hat und auch dann, wenn der Geschäftsführer bewusst für das Gesellschaftsvermögen nachteilige Entscheidungen trifft und Maßnahmen ergreift. Es bedarf dazu keines förmlichen Gesellschafterbeschlusses. Entsprechendes gilt, wenn der alleinige Gesellschafter zugleich als Geschäftsführer der Gesellschaft handelt und praktisch seine eigene Weisung ausführt. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen ist ausschließlich dann denkbar, wenn der Geschäftsführer gegen zwingende Stammkapitalerhaltungsvorschriften verstößt. Da dies vorliegend nicht der Fall war, wurde die Klage abgewiesen.

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Schiffsfonds MS PCE Madeira: LG Regensburg erkennt keine Prospektfehler

LG Regensburg , Urteil vom 19.1.2017 — Aktenzeichen: 6 O 1382/15

Sachverhalt
Die Klägerseite hat den Beklagten wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung und wegen angeblicher Prospektfehler in Anspruch genommen. Unter anderem sei die im Prospekt abgedruckte Prognose für die Anschlusscharter Ende des Jahres 2011/Anfang des Jahres 2012 in Höhe von 9.750 USD pro Tag und später mit 13.750 USD pro Tag unzutreffend gewesen. Die Annahme der Fondsgesellschaft, dass sich die Weltwirtschaft von der seit 2008 andauernden Krise erhole, sei falsch gewesen. Auch die Angabe, dass eine Vielzahl von Abwrackungen bevorstehe, denen nur ein sehr geringer Auftragsbestand gegenüberstehe, sei falsch gewesen. Aufgrund angeblich bestehender Überkapazitäten hätte die Fondsgesellschaft die Angaben korrigieren müssen. Der Vermittler habe diese Angaben pflichtwidrig nicht richtig gestellt.

Entscheidung
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Gesamtschau des Prospektes zutreffend über die Risiken und Gefahren der streitgegenständlichen Beteiligung aufgeklärt wird. Eine Verharmlosung der Risiken konnte das Landgericht nicht feststellen. Vielmehr befindet das Landgericht, das der Prospekt verständlich und gut lesbar ist und die Risiken mit hinreichender Deutlichkeit hervorhebt. Dies gelte auch für die Annahme der Chartererlöse, die korrekt im Prospekt lediglich als Prognose angegeben werden. Zudem kommt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass dem Anleger deutlich vor Augen gehalten wird, dass die Entwicklung des Chartermarktes und der Weltwirtschaft nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden kann, sondern sich der Containerschiffsmarkt mittel- und langfristig sowohl positiv als auch negativ entwickeln kann. Da der Prospekt rechtzeitig übergeben wurde, kam das Landgericht insgesamt zu einer fehlerfreien Vermittlung und somit zu einer Klageabweisung.

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Verjährung von Ansprüchen eines Anlegers durch grob fahrlässiger Unkenntnis der ansprüchsbegründenden Tatsachen

OLG Hamburg , Urteil vom 19.12.2016 — Aktenzeichen: 11 U 22/16

Erhebt ein Anleger zeitlich nach seiner Ehefrau Klage wegen eines Nachfolgefonds und mit vergleichbarem Vermittlungssachverhalt, so liegt bezogen auf die Verjährung grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen vor, wenn der Kläger im zeitlichen Zusammenhang mit der Klageerhebung seiner Ehefrau seine eigene Beteiligungsentscheidung nicht ebenfalls unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe überprüfen lässt.

Sachverhalt
Der Kläger trat im Jahre 2005 einem Leasingfonds bei. Seine Ehefrau war einige Zeit vorher einem Vorgängerfonds beigetreten. Die Ehefrau des Anlegers machte bereits im Jahre 2009 unter anwaltlicher Beratung Ansprüche geltend. Der Kläger erhob erst im Jahre 2014 wegen seiner Beteiligung Klage gegen die Beklagten. Nachdem das Landgericht der Klage stattgegeben hatte, führte die Berufung zur Klageabweisung.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Ansprüche des Klägers verjährt sind. Nach Maßgabe der §§ 199 Abs. 1, 195 BGB begann die Verjährungsfrist für die Ansprüche des Klägers spätestens zum Jahresende 2010 zu laufen. Nach den eigenen Angaben des Klägers erfolgte die Beratung seiner Ehefrau und seine Beratung gemeinsam durch den selben Vermittler. Dies betraf sowohl die durch die Ehefrau als auch die durch den Kläger gezeichnete Anlage. Vor diesem Hintergrund hatte der Kläger nach Auffassung des Oberlandesgerichts spätestens wegen der Klage seiner Frau im Jahre 2010 dringend Veranlassung, sich auch im Hinblick auf die eigene Beteiligung über etwaige Pflichtverletzungen und unzutreffende Angaben des Vermittlers zu informieren. Es musste sich dem Kläger als ganz naheliegende Überlegung aufdrängen, auch wegen seiner Zeichnung bereits im Jahre 2010 Ansprüche geltend zu machen. Dass er dies nicht getan hat, stellt nach Auffassung des OLG eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB dar, die den Lauf der Verjährungsfrist in Gang setzt.

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FHH Fonds Nr. 29 MS Tampa Bay – MS Turtle Bay GmbH & Co. KG: LG Heilbronn weist Klage ab.

LG Heilbronn , Urteil vom 23.11.2016 — Aktenzeichen: 5 O 134/15

Das LG kommt zu der Auffassung, dass die Fondsbeteiligung plausibel und der Emissionsprospekt fehlerfrei ist. Insbesondere hält das Landgericht die kalkulierte Anschlusscharter von 10.700 $/Tag für vertretbar.

Sachverhalt
Der wirtschaftlich äußerst erfahrene Kläger macht Schadensersatzansprüche aus angeblicher Fehlberatung bei der Vermittlung einer Kapitalanlage geltend. Er behauptet, er sei unzutreffend über die Risiken aufgeklärt worden. Er habe dem Berater mitgeteilt, Prospekte nicht zu lesen. Im Übrigen sei der Prospekt insbesondere hinsichtlich der Berechnung der Chartereinnahmen fehlerhaft und die Anlage sei nicht plausibel. Es habe darüber hinaus auf die sogenannte 105 % Klausel und die Loan-to-value Klausel hingewiesen werden müssen. Der Berater tritt dem entgegen.

Entscheidung
Das Landgericht kommt zunächst zu dem Ergebnis, dass zur Aufklärung des wirtschaftlich erfahrenen Klägers die Übergabe des Emissionsprospektes kurz vor der Zeichnung ausreichend war und etwaige Fehler in übersandten Werbe- und Informationsschreiben jedenfalls durch den Emissionsprospekt geheilt wurden. Eine gesonderte mündliche Aufklärung war über den Prospektinhalt nach Auffassung des Landgerichts Heilbronn nicht erforderlich.

Den Emissionsprospekt hält das Landgericht für fehlerfrei. Auf die 105 % Klausel und die Loan-to-value Klausel ist nach der Auffassung des LG nicht hinzuweisen, da diese Informationen nicht von Bedeutung für die Entscheidung des Anlageinteressenten sind. Zudem konnte das Landgericht nicht erkennen, wie der Anlagevermittler im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung von der Existenz solcher Klauseln hätte Kenntnis erlangen müssen. Auch ein Hinweis auf eine Haftung nach den §§ 30, 31 GmbHG analog sieht das LG nicht als erforderlich an. Darüber hinaus meint das LG, dass eine Anschlusscharter in Höhe von 10.700 $ pro Tag im Jahre 2006 als realistisch zu bewerten ist.

Fazit
Erneut hat ein Landgericht festgestellt, dass in einem Emissionsprospekt nicht auf jede denkbare Klausel oder auf jedes denkbare Risiko hingewiesen werden muss. Erst Recht muss ein Anlagevermittler nicht jede denkbare Konstellation ermitteln und einen Anleger auf diese möglicherweise fernliegenden Erwägungen hinweisen. Vielmehr genügt es, wenn ein Vermittler den Prospekt auf innere Schlüssigkeit hin überprüft.

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Deutsche S&K Sachwerte Nr. 2 GmbH & Co. KG: Landgericht Hamburg weist Klage ab

LG Hamburg, Urteil vom 12.10.2016 — Aktenzeichen: 319 O 238/15

Sachverhalt
Die Klägerin hatte auf Empfehlung und nach Beratung durch die Beklagte im Jahr 2012 eine Beteiligung an der Deutsche S&K Sachwerte Nr. 2 GmbH & Co. KG gezeichnet. Die Klägerin hat behauptet, dass Anlagemodell sei nicht tragfähig und plausibel gewesen. Die Anlage sei ihr zum Zwecke der Altersvorsorge empfohlen worden; eine Risikoaufklärung sei nicht erfolgt. Die Beklagte ist diesem Vortrag entgegengetreten und hat die erfolgte Plausibilitätsprüfung ausführlich dargelegt.

Entscheidung
Das Landgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen.

Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass sie nicht anlegergerecht beraten worden war. Insbesondere hat das Landgericht ausgeführt, dass eine Beimischung der streitgegenständlichen Beteiligung zur Steigerung der Renditeerwartung nicht einem etwaigen Anlageziel der Altersvorsorge widerspreche. Eine objektgerechte Beratung sei durch den Emissionsprospekt erfolgt, der hinreichend über die Risiken der Beteiligung aufkläre. Das Landgericht hat auch in Bezug auf die behauptete fehlende Plausibilität keine fehlerhafte Beratung angenommen. Ein Anlageberater sei verpflichtet, eine Anlage, die er empfehlen wolle, mit üblichem kritischem Sachverstand zu prüfen oder den Anleger auf ein diesbezügliches Unterlassen hinzuweisen. Diesen Anforderungen sei die Beklagte gerecht geworden. Einen von der Klägerin in Bezug genommenen Presseartikel habe die Beklagte nicht kennen müssen, da dieser nicht der auszuwertenden Wirtschaftspresse (Börsenzeitung, Financial Times Deutschland, FAZ und Handelsblatt) angehört habe. Zudem setze die höchstrichterliche Rechtsprechung zeitnahe und gehäufte negative Berichte voraus. Die Klägerin habe auch nicht hinreichend dargetan, dass das Fondskonzept nicht plausibel sei und die Beklagte bei kritischem Sachverstand dies hätte erkennen können und müssen. Die Plausibilitätsprüfung der Beklagten sei plausibel von dem vernommenen Zeugen erläutert worden. Die Beklagte habe ferner nachvollziehbar dargelegt, dass Renditen im Immobilienbereich in dieser Höhe nicht völlig außergewöhnlich seien. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte Zweifel an deren Richtigkeit hätte haben müssen. Eine eigenständige Begutachtungspflicht der Beklagten bestehe nicht. Hinzu komme, dass im Prospekt gerade auf das Risiko, dass die Darlehensnehmerin ihrer Verpflichtung zur Leistung von Zinsen und/oder Tilgung nicht nachkomme, hingewiesen werde.

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